Protokoll der Sitzung vom 21.11.2018

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie nicht wissen, wohin mit dem Geld, dann kann ich Ihnen ein kleines Beispiel bringen. Haben Sie auch die Brand briefe der Kommunen oder auch der Schwimmverbände und der DLRG bekommen, in denen es um die Frage des Schwimm badsterbens in einem reichen Land wie Baden-Württemberg geht?

Es kann doch wohl nicht sein, dass dieses Land im Geld schwimmt und seine Bürgerinnen und Bürger auf dem Tro

ckenen sitzen. Es geht hier nicht nur um Badespaß oder „nice to have“. Wenn die Kinder nicht mehr schwimmen können, kann das schlicht lebensgefährlich sein. Hier hätte die Lan desregierung die Möglichkeit, zu zeigen, dass sie die Proble me im Land versteht. Investieren Sie in die Sicherheit und in die Qualität von Bildung!

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Tut sie doch!)

Machen Sie endlich Schluss mit Ihrer Politik gegen die Kom munen!

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wiederhole es gern. Die vollen, ja, die übervollen Kassen dieser Regierung sind kein Selbstzweck. Letztlich haben Ihnen die Menschen in diesem Land dieses Geld gegeben.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Dem widerspricht doch niemand!)

Es wäre doch nur fair, wenn diese Menschen dafür auch et was zurückbekämen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Bekommen sie doch auch! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Wer denn sonst?)

Das kann eine Entlastung durch Schuldenabbau sein. Das Land zahlt jedes Jahr für die bestehenden Schulden 1,6 Mil liarden € an Zinsen. Wenn Sie gemäß der Tilgungsverpflich tung, die aus dem Schuldenkontrollkonto resultiert, allein für das Jahr 2017 diese gesetzlichen Regelungen einhielten, müss ten Sie mindestens 320 Millionen € tilgen. Aber das Tilgen ist kein Selbstzweck. Sie sparen nämlich durch diese Tilgung jährlich allein 10 Millionen € an Zinszahlungen. Allein diese Ersparnis würde bedeuten, dass das Land ohne Mehrkosten die unwürdige Sommerarbeitslosigkeit von Lehrerinnen und Lehrern beenden könnte und Lehrkräfte über die Sommerfe rien nicht arbeitslos würden. Das kann helfen, den Lehrerbe ruf attraktiver zu machen. Machen Sie endlich Politik, die bei den Menschen ankommt und nicht nur bei Ihrer Klientel, Kol leginnen und Kollegen!

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ein so wichtiges Thema wie die frühkindliche Bildung war bis 2011 in diesem Land Baden-Württemberg ein Stiefkind. Ich glaube, manche haben es immer noch nicht begriffen, dass es wirklich auf den Anfang ankommt und dass frühkindliche Einrichtungen Bildungseinrichtungen sind.

Wir haben in der letzten Legislatur den Pakt für Familien be schlossen und haben die Kitaförderung deutlich ausgebaut. Die Kommunen konnten Plätze schaffen und in Qualität in vestieren. Aber wir sind jetzt in einer Situation – auch was die Haushaltslage angeht –, dass diese Regierung auch zeigen kann, dass sie begriffen hat, dass die Kosten für den Besuch einer Bildungseinrichtung, nämlich der Kita, für viele Fami lien ein Problem darstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Kassenlage dieser Regierung ist es möglich, wenn man das politisch will, in die Gebührenfreiheit von frühkindlicher Bildung einzustei

gen. Machen Sie Schluss mit den Gebühren im frühkindlichen Bereich! 200 bis 800 € im Monat sind für Familien eine schwere Belastung. Wenn Sie Ihren Sonntagsreden über die Entlastung von Familien gerecht werden wollen, dann steigen Sie jetzt endlich in die Gebührenfreiheit im Kitabereich ein. Das wäre ein wirklicher Beitrag für Bildungsgerechtigkeit, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Finanzielle Hürden gibt es aufgrund der Kassenlage im Land eben nicht.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Wie sieht es mit der Gegenfinanzierung aus?)

Dazu kommt noch, dass wir im Moment die Situation haben, dass uns der Bund bei dieser Aufgabe sogar helfen will. Das „Gute Kita“-Gesetz, das auf Initiative der SPD im Bundeska binett eingebracht wurde, gibt uns die Möglichkeit, mit Mit teln des Bundes in Qualität und in Gebührenfreiheit zu inves tieren. Machen Sie endlich Schluss mit Ihrer Blockadehaltung, was Gebührenfreiheit in der Kita angeht! Wir brauchen eine wirkliche Entlastung von Familien im Land Baden-Württem berg.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Thema, das Ihnen nicht fremd sein dürfte, wenn Sie im Land unterwegs sind, ist die Wohnungsnot. Es ist noch nicht lange her, da war Wohnungspolitik in dieser Regierung lediglich eine Frage von Auflagen, von Dachbegrünungen und überdachten Abstellplätzen. Nun hat die Wohnungsnot im Land ein Ausmaß angenommen, das sich sogar bis in diese Regierung herumgesprochen hat. Hier und da ist ein Lichtlein aufgegangen. Man spricht über Bodenfonds, über Kommu nalfonds und ein bisschen hier und ein bisschen da. Die Er kenntnis ist lobenswert. Aber das reicht bei Weitem nicht.

Schauen Sie doch die nicht abgerufenen Mittel aus der Lan deswohnraumförderung an. Sie müssen doch selbst erkennen, dass die bisherigen Mittel das Ganze nicht regeln.

Herr Kollege Schwarz, wenn Sie hier davon fabulieren, dass der Markt versagt, dann muss ich sagen: Ich kenne kein grö ßeres Zeichen von Hilflosigkeit. Der Markt versagt nicht, son dern er tut das, was er kann, er arbeitet unter dem Gebot der Gewinnmaximierung. Wir brauchen aber für viele Menschen in diesem Land Baden-Württemberg, und zwar gerade im un teren und im mittleren Preissegment, bezahlbaren Wohnraum. Der Markt versagt da nicht. Da versagt die Politik, wenn nicht mehr Wohnungen in diesem Land entstehen, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Deswegen duldet dieses Thema im Land keinen Aufschub und kein Klein-Klein. Die SPD fordert endlich die Einrichtung ei ner Landesentwicklungsgesellschaft.

(Abg. Daniel Born SPD: Sehr gut!)

Wir brauchen eine Gesellschaft, die das Instrument ist, das wirklich bezahlbaren Wohnraum schafft, und zwar in Zusam

menarbeit mit vielen kommunalen Wohnungsbaugesellschaf ten und -genossenschaften. Nur wenn wir das wieder flächen deckend haben, haben wir Instrumente, um bezahlbaren Wohn raum zu schaffen. Das, was Sie tun, ist Klein-Klein. Das hilft den Menschen in diesem Land überhaupt nicht, liebe Kolle ginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Thema, das Sie angehen könnten, wenn Sie woll ten, ist die Mobilität. Wenn wir die Dauerwerbesendung der Regierung mal ein bisschen leiser drehen, dann erkennen wir, dass wir in diesem sehr schönen und sehr wohlhabenden Land eben sehr wohl ein Problem haben, gerade was das Thema Mobilität angeht. Denn im Verkehr läuft es auch nicht so rich tig im Land.

Eine Verkehrspolitik ist nicht wirklich auszumachen, jeden falls nicht, wenn man versucht, die Politik von Grünen und CDU auf einen Nenner zu bringen. Das Thema „Luftver schmutzung in den Städten“ haben Sie den Gerichten überlas sen, und jetzt sollen die Bürger dafür büßen. Verkehrspolitik kann nicht heißen, Mobilität zu verbieten. Man muss Mobili tät anbieten, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen muss man jetzt, wenn man eine Mobilitätswende will, mit dem Geld, das vorhanden ist, auch in eine Investiti onsoffensive gehen.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Hä?)

Wir brauchen einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr. Wir brauchen nicht nur die Förderung der Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen. Wir brauchen auch eine Förderung der Neuan schaffung von Fahrzeugen. Wie wollen Sie denn Kapazitäten im öffentlichen Nahverkehr erweitern, wenn Sie für die Neu anschaffung der Fahrzeuge nicht auch entsprechende Mittel zur Verfügung stellen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter, kom men Sie bitte zum Schluss.

Danke, Frau Präsidentin. – BadenWürttemberg ist ein erfolgreiches Land, und diese Regierung hat gewaltigen finanziellen Rückenwind. Umso weniger ver stehen es die Menschen in diesem Land, wenn Sie diesen Rü ckenwind nicht nutzen.

Frau Finanzministerin, nur Kurs zu halten reicht nicht. Sie ha ben finanziell den notwendigen Rückenwind. Machen Sie end lich etwas aus diesem Rückenwind. Setzen Sie endlich Segel. Diese Regierung muss aus ihrer Lethargie und aus ihrem Nichthandeln aufwachen. Wir brauchen Politik für die Men schen in diesem Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Frak tion spricht Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Rede der Fi nanzministerin gehört hat, hätte man fast meinen können, bei diesem Nachtragshaushalt handle es sich um eine Leistung von Regierungskunst. Zunächst müssen wir einmal festhal ten, Frau Ministerin: Der Hauptgrund für diesen Nachtrag ist, dass Sie es nicht hinbekommen haben, sich mit den kommu nalen Landesverbänden zeitnah zu einigen. Das ist der Haupt grund für diesen Nachtragshaushalt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Dann feiern Sie einen Haushalt, der Jahr für Jahr neue Höchst stände beim Haushaltsvolumen erreicht. Wir sind mittlerwei le fast bei 54 Milliarden €. 2 Milliarden € sind jetzt noch ein mal dazugekommen.

Wenn wir uns die Dimension nur einmal im Vergleich an schauen: Wir hatten zwischen 1996 und 2011 15 Jahre eine schwarz-gelbe Landesregierung. In diesen 15 Jahren gab es eine Steigerung des Haushaltsvolumens um gerade einmal 15 %. In der Regierungszeit Kretschmann, der Hälfte dieser Zeit, haben Sie es geschafft, den Landeshaushalt von rund 35 Milliarden auf 54 Milliarden €, also um mehr als 50 %, auszuweiten.

Da stellt sich die Finanzministerin treuherzig hin und erklärt: „Na ja, wir geben ja nur das aus, was wir einnehmen.“ Genau das ist das Problem, Frau Ministerin. Sie geben genau das aus, was Sie einnehmen, und sorgen damit für einen nicht zu kunftsfesten Haushalt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hermann Katzen stein GRÜNE: Hä? – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜ NE: Wir zahlen ja zurück!)

Warten Sie einmal ab. Sie sagen jetzt „Hä?“. Das ist an der Obergrenze Ihrer rhetorischen Möglichkeiten, ganz klar er kennbar.