Herr Rülke, deshalb muss ich Ihnen eines sagen – das gilt auch für Herrn Kollegen Stoch –: Ich weiß nicht, ob Sie ganz à jour sind mit dem, was besprochen wurde; vielleicht haben Sie das auch verpasst. Ich kann es Ihnen ganz aktuell sagen: Sowohl der Herr Ministerpräsident als auch ich telefonieren und spre chen mit Verantwortlichen in anderen Ländern. Da läuft die Diskussion aber in dem Sinn, wie sie hier geführt wird, näm lich kritisch, in großer Sorge und im Wesentlichen mit ableh nender Tendenz. Meine Bitte wäre: Telefonieren Sie mal mit Kolleginnen und Kollegen. In Schleswig-Holstein ist die FDP mit an der Regierung. Wie kann es denn zu so einer Äußerung kommen, wenn Sie recht haben? Ich glaube, die Vernetzung wäre generell dringend notwendig,
weil die Sorge um die föderale Struktur, um die Stärke der Länder – – Es geht hier um alle Länder, und in allen Ländern wird die Diskussion sehr sorgenvoll, sehr sachorientiert und bei Weitem nicht mit dem Optimismus geführt, mit dem SPD und FDP/DVP hier aufgetreten sind.
Denn es hat sich auch etwas Grundlegendes verändert. Das, was wir heute verhandeln, Herr Stoch, hat mit dem Koaliti onsvertrag der Bundesregierung überhaupt nichts zu tun –
gar nichts! Was Sie zitiert haben, das ist ein bisschen alt. Denn bei dem, worüber heute alle Bundesländer diskutieren, ist die Sorge groß, und die Tendenz zur Ablehnung wächst stündlich, was Sie relativ schnell feststellen können, wenn Sie mit Ver tretern anderer Länder telefonieren. Wie weit die SPD ist, weiß ich nicht; aber zumindest die CDU/CSU-regierten Län der sind so weit.
Es geht jetzt um den Passus, der am vergangenen Freitag völ lig überraschend auf den Tisch kam, nämlich – auch hier zi tiere ich zu Artikel 104 c des Grundgesetzes –:
Förderfähig sind insoweit – zeitlich auf die Begleitphase der Investition bezogen – nur Kosten besonderer Maß nahmen nicht investiver Art...
Vielmehr soll künftig auch in Köpfe, in – Sie können es nach lesen – pädagogisches Personal investiert werden.
Genau das ist die Büchse der Pandora, die man nicht öffnen darf, wo alle Länder sich Sorgen machen, zumindest die Re gierungen, die verantwortungsbewusst mit dem Föderalismus und mit der Bildungshoheit umgehen. Deshalb ist es mir ein Rätsel, Herr Stoch, wie man als ehemaliger Kultusminister diese Grundgesetzänderung, die hier angestrebt wird, mit die sem Inhalt ernsthaft als gut empfinden kann. Das ist mir ein offenes Rätsel.
(Lebhafter Beifall bei den Grünen und der CDU so wie des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)
Ich weiß nicht, wie man zu dieser Einschätzung kommen kann, dass Baden-Württemberg blockieren würde. Der Minis terpräsident wie meine Person, wir verhandeln seit über zwei Jahren diesen Digitalpakt. Die Bundesregierung – die gleiche übrigens wie heute – hat damals vorgeschlagen, ein Artikel gesetz zu wählen, über das man den Digitalpakt problemlos in der gleichen Form, in der gleichen Aufteilung nach dem Königsteiner Schlüssel allen Bundesländern und damit den Kommunen zukommen lassen kann – ohne Grundgesetzän derung –, nämlich über den Artikel 91 c, der übrigens plötz lich wieder in das Interesse der Länder rutscht. Eine Grund gesetzänderung für eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern ist nicht notwendig. Warum also tun? Man tut es, um sich künftig in der Bildungspolitik stärker einmischen zu kön nen. In diese Falle sollten wir nicht tappen.
Auch der Eindruck, der erweckt wird, Bund und Länder wür den nicht zusammenarbeiten, ist eigentlich Unsinn. Es gibt viele Bund-Länder-Programme auf Kultusebene, auf Bil dungsebene, wo gemeinsame Finanzierung, gemeinsame In halte miteinander getragen werden. Baden-Württemberg hat gemeinsam mit dem Bund vor wenigen Monaten ein auch fi nanziell umfangreiches Programm aufgelegt, mit dem wir leis tungsstarke Schülerinnen und Schüler aller Schularten von der Hauptschule bis in den Gymnasialbereich fördern. Das ist ein gemeinsames Programm. Wir arbeiten zusammen. Das ist üb rigens der Kern des föderalen Systems: Bund und Länder ar beiten gemeinsam. Auf „gemeinsam“ liegt die Betonung.
Genau deshalb beinhaltet der Artikel 91 c eine gemeinschaft liche Aufgabe. Das liegt diesem Artikelgesetz zugrunde. Das, worüber wir jetzt reden, sind Finanzhilfen, die bis zu 50 % betragen können – übrigens auch durch die Hintertür. Die SPD-Länder sehen es mit großer Sorge. Da ist die Finanzkraft nämlich in der Regel nicht ganz so stark wie bei CDU- und CSU-regierten Ländern.
Deshalb rufen wir einen anderen Weg auf, weil wir dem Grundsatz „Wehret den Anfängen“ viel Bedeutung zumessen.
Bleibt noch das Thema „Einheitliche Qualitätsstandards“. Das wurde ja breit zitiert. Es steht jetzt auch in dem Artikelgesetz, in dem Vorschlag drin, der übrigens schon morgen im Bun destag beraten werden soll, dass jetzt Qualitäts- und Leis tungsstandards vom Bund vorgegeben werden. Da bin ich mal gespannt. Wenn es ähnlich flüssig läuft wie bei der Breitband förderung – na dann!
Aber klar ist, dass wir einen Handlungsauftrag haben. Ich möchte auch ausdrücklich bekennen, dass sich die Kultusmi nisterkonferenz unter Umständen in den letzten Jahren auch den Vorwurf gefallen lassen musste, zu zäh zu sein, zu wenig flexibel auf Probleme reagieren zu können. Diese Einschät zung teile ich. Ich bin da übrigens nicht allein: Diese Einschät zung teilen wir.
Deshalb hat die Kultusministerkonferenz vor wenigen Mona ten beschlossen, einen Länderstaatsvertrag aufzusetzen, um für alle 16 Bundesländer einheitliche Standards nicht nur beim Abitur, sondern bei allen Abschlussprüfungen, auch Haupt- und Werkrealschulabschlussprüfungen und Realschulab schlussprüfungen, einheitliche Prüfungen, gleiche Prüfungen, vergleichbare Bildungsstandards vorzusehen. Zwölf Themen punkte gibt es, bei denen wir gemeinsam Standards festlegen wollen. Die Beschlusslage dafür soll 2020 erfolgen. Das ist nichts, wo nur diskutiert wird, sondern das wird jetzt konkret umgesetzt. Dies erfordert die Unterschrift der Vertreter aller 16 Länder, aber jeweils nach Diskussion in den Landesparla menten. Das ist gelebter Föderalismus. Dafür müssen wir uns einsetzen, für nichts anderes.
Nur die Hand aufzuhalten und dafür alles zu akzeptieren passt nicht. Ich muss Ihnen eines ehrlich sagen: Der Bund ist – das hat der Herr Ministerpräsident, das haben alle mehrfach be tont – selbstverständlich für uns ein logischer Partner. Ich ha be auf gemeinsame Bund-Länder-Programme schon hinge wiesen.
Nur, was mich schon stört, ist auch der Duktus, der quer durch Parteien und Fraktionen – das will ich ausdrücklich sagen – immer wieder mitschwingt, die Länder würden nichts machen. Die 16 Bundesländer haben in den letzten Jahren ausweislich der Investitionen über 200 Milliarden € jährlich für Bildung ausgegeben. Da kann man doch nicht so tun, als würde dort nichts geschehen. Der ganze Duktus, die ganze Haltung stimmt nicht.
Auch der Respekt vor den Ländern, der Respekt vor dem fö deralen System fehlt mir in vielen Teilen seitens des Bundes. Das muss ich in aller Offenheit sagen. Ich muss auch einräu men: Das bezieht sich querbeet auf alle Parteien. Da ist, glau be ich, zurzeit keine besser als die andere. Das muss ich in dieser Deutlichkeit sagen.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, glauben Sie uns: Wir wollen in die Schule investieren. Wir geben so viel Geld für Bildung aus wie noch nie. Es ist völlig unbestritten, dass wir weitere Themen auf der Tagesordnung haben, auch im Bereich der Digitalisierung. Wir arbeiten gemeinsam mit dem Bund. Das ist keine Frage, und das beweisen wir seit vie len, vielen Jahren. Aber laufen wir nicht in die Falle, uns hier für Geld etwas abkaufen zu lassen, was in unserer eigenen Verantwortung liegt, nämlich für die Bildung dieses Landes geradezustehen, mit den Menschen vor Ort zu diskutieren, Bürgernähe zu zeigen. Das geht nur mit einem starken Bil dungsföderalismus und nicht über die Umsetzung dieses Vor schlags.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Ministerpräsident und auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Professor Dr. Reinhart,
haben an dieser Stelle die Wichtigkeit und die Bedeutung des baden-württembergischen Landtags betont. Also, Herr Minis terpräsident, die Wichtigkeit und die Bedeutung, die die Mit glieder Ihrer Regierung dem Landtag von Baden-Württem berg gegenüber beimessen, sieht man regelmäßig insbeson dere nachmittags, wenn so gut wie kein einziger Platz der Re gierung besetzt ist. Da glänzen sie mit Abwesenheit. Ich wür de mir mal ein bisschen wünschen, dass sie die Wichtigkeit und die Bedeutung dieses Landtags auch entsprechend res pektieren.
Herr Ministerpräsident, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, die Bildungspolitik sei die wichtigste Auf gabe der Landespolitik. Ausgerechnet das sagt dieser Minis terpräsident, unter dessen Verantwortung in den letzten Jah ren ein beispielloser Abstieg der Qualität der baden-württem bergischen Bildung passiert ist.
Heute erheben Sie die Stimme für eine hohe Qualität in der baden-württembergischen Bildung. Sie warnen vor Qualitäts verlust. Wo war denn Ihr Warnen, wo war Ihr Veto, als Ihre Regierung unter Grün-Rot die Verbindlichkeit der Grund schulempfehlung abgeschafft hat, ohne Vorbereitung, ohne die Konsequenzen zu beachten, mit katastrophalen Folgen für Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Schulen? Wo war denn da der grüne Ministerpräsident, als dies gemacht wur de? Eine klare Fehlentscheidung.
Teilweise Nicken bei der CDU-Fraktion. – Oder wo waren Sie, als unter Ihrer Verantwortung die Zwangsganztagsschu le in Baden-Württemberg eingeführt und eine Regelung ge troffen wurde, die den Kommunen eben gerade nicht die Wahl zwischen offenen Angeboten und der rhythmisierten Ganz tagsschule einräumt? Diese Wahl haben sie nicht, sondern sie haben nur die Wahl zwischen ganz oder gar nicht.
Nein, Sie, Herr Ministerpräsident, haben eine miserable Bil dungspolitik in diesem Land zu verantworten. Ich möchte von Ihnen einmal wissen, mit welchen Argumenten Sie den Men schen im Land eigentlich erklären, dass der Bundesfinanzmi nister eine Schule in Burundi finanziell unterstützen darf, aber nicht eine in Bremen oder in Böblingen.
Vor diesem Hintergrund zum Thema Digitalisierung. Bei die sem Thema wäre ich als Mitglied der grün-schwarzen Lan desregierung sehr, sehr still – Stichwort „ella“, mit voller Wucht gegen die Wand. Wir werden in dieser Legislaturperi ode keine Bildungsplattform, die dringend notwendig wäre, bekommen. Oder auch bei ASV-BW, einer dringend benötig ten Schulverwaltungssoftware, Fehlanzeige bei dieser Lan desregierung. Gerade diese Landesregierung hätte es dringend nötig, mehr Kompetenzen in diesem Bereich, mehr Qualität zu bekommen. Aber da haben wir ja heute gehört, dass man die Hilfe des Bundes nicht in Anspruch nehmen will.