Protokoll der Sitzung vom 28.11.2018

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Ministerpräsident Kretschmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon reichlich paradox, was hier vor sich geht,

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wir auch!)

die Lust an der Selbstentmachtung, die einige Oppositionsab geordnete hier vorführen und zelebrieren.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

Sie gehen mich an,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, genau!)

weil ich mich auf Bundesebene der schrittweisen Aushöhlung Ihrer Gestaltungskraft im Parlament widersetze. Paradoxer geht’s nicht!

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf: Rich tig!)

Man kann natürlich nach dem Motto verfahren: Ob Sonnen schein, ob Regen – was die Regierung macht, SPD und FDP sind dagegen.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Wir wissen nur nicht, wo die Grünen stehen! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wo stehen denn die Grünen?)

Das ist aber doch eine verkehrte Welt; denn es sind Ihre Kom petenzen als Landesparlamentarier, um die es hier geht und die auf dem Spiel stehen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der AfD – Zu rufe von den Grünen und der CDU: Jawohl! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Es sind Ihre Par teifreunde in Berlin, die das mit beschließen!)

Es geht darum, dass die Länder nicht einfach zu Verwaltungs provinzen des Bundes degradiert werden.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Departe ments!)

Deswegen herzlichen Dank an die Regierungsfraktionen für die Unterstützung.

Ich will noch einmal sagen: In der Föderalismuskommission haben Herr Drexler von der SPD und ich als Oppositionsab geordnete in dieser Frage gemeinsam mit der Regierung Oet tinger, an der auch die FDP/DVP beteiligt war, an einem Strang gezogen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig! – Staats sekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Hört, hört!)

Ich würde mir wirklich wünschen, dass der Landtag in sol chen Fragen wie eine Eins steht.

(Lebhafter Beifall bei den Grünen, der CDU und der AfD – Zurufe: Jawohl! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/ DVP: Das Regieren könnte so schön sein ohne Op position! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Das wäre im Interesse des Landes, im Interesse der föderalen Demokratie und im Interesse unserer Schulen. Gerade, wenn es um gute Bildung geht und weil wir gute Schulen und den bestmöglichen Unterricht für die Kinder in unserem Land wol len, lehnen wir die Zentralisierungspläne des Bundes ab.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Ich will einmal sagen: Dafür, dass der Bund eine bessere Schulpolitik machen sollte als die Länder, spricht gar nichts.

(Zurufe von der FDP/DVP und der SPD, u. a.: Dar um geht es doch gar nicht! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das behaupten Sie! – Abg. Reinhold Gall SPD: Meine Güte! Das sind doch Märchen! – Unruhe)

Herr Ministerpräsident, einen Moment, bitte. – Meine Damen und Herren!

Sie werfen mir vor, ich würde bei der Digitalisierung die Schulen blockieren. Das zeigt nur, dass Sie sich von den Sirenenklängen des Bun des haben einlullen lassen. Denn wir sind uns einig: Wir brau chen mehr Mittel,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Na also!)

und wir müssen bei der Digitalisierung der Schulen richtig Gas geben. Dies ist eine zentrale Herausforderung im Hin blick auf die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Deshalb ha ben wir an allen weiterführenden Schulen den Informatikun terricht eingeführt. Wir haben die Medienbildung verpflich tend gemacht, von der ersten Klasse bis zum Abitur, und wir investieren 150 Millionen € in die Digitalisierung der Klas senzimmer. Das haben wir gemacht, weil wir nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten wollen, weil wir nicht darauf warten wollen, bis die Gelder vom Bund fließen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Es ist jetzt mehr als zwei Jahre her, dass die sogenannten Wan ka-Milliarden ins Schaufenster gestellt wurden.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Vor Ort angekommen ist bisher kein einziger Euro davon.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und war um?)

Genau das ist der Grund, warum wir gegen solche Änderun gen sind. Das wird die Zukunft sein. So läuft es dann. Das zei gen alle Erfahrungen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf: So ist es!)

Das ist doch ganz einfach, Herr Kollege Rülke. Da werden Milliarden ins Schaufenster gestellt, und jeder wartet natür lich, bis sie kommen, weil er Angst hat, dass das, was er macht, förderschädlich ist. Darum passiert in der ganzen Zeit nichts. Das ist der Punkt. Das müssen Sie einfach einmal be greifen.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir geben also Gas bei der Digitalisierung der Schulen. Es ist der Bund, der auf der Bremse steht, nicht wir. Es ist aber klar, dass diese Investitionen nicht ausreichen. Sie reichen deswe gen nicht aus, weil die Länder und Kommunen die notwendi gen Steuergelder nicht erhalten. Aber der Weg, den der Bund jetzt einschlägt, ist der falsche.

Die Einigung zwischen der Bundesregierung, den Regierungs fraktionen, den Fraktionen von Grünen und FDP im Deut schen Bundestag ist ein Frontalangriff auf unsere föderale Struktur.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf von der SPD: Ach was!)

Es geht meiner Ansicht nach überhaupt nicht, dass man aus tagespolitischen Erwägungen die Verfassung im Vorbeigehen ändert, als sei es eine Verwaltungsvorschrift.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der AfD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut!)

Der Eingriff in die Hoheit der Länder und Kommunen ist noch weit gravierender als das, was sich bislang angebahnt hatte. Der Bund soll ermächtigt werden, verbindliche Standards zu Bildungsinhalten und zu Inhalten der Lehrerausbildung, z. B. im Bereich der Medienkompetenz, mit den Ländern festzule gen. Das läuft dann faktisch auf nichts anderes als auf eine Entmachtung der Kultusministerkonferenz hinaus.

Auf dieser Grundlage sollen dann Finanzhilfen an Länder und Gemeinden fließen, und zwar auch, um Personal an den Schu len zu finanzieren. Die Abwicklung solcher Vereinbarungen soll in sogenannten Verwaltungsvereinbarungen abgesichert werden. Wir kennen das zur Genüge. Das führt zu langen, zä hen Verhandlungen. Da werden überbordende Berichts- und Monitoringpflichten der Länder verankert, und die taugen zu nichts anderem, als die Länder zu gängeln und uns von der ei gentlichen Arbeit vor Ort abzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Auch das will ich sagen: Auch finanziell lohnt sich dieser so genannte Deal nur auf den ersten Blick; denn die Länder sol len künftig bei Finanzhilfen des Bundes mindestens die Hälf te der vereinbarten Investitionen selbst tragen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau! Das ist das Entscheidende! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau! 50 %!)

Aber unsere Ausstattung mit Steuermitteln bleibt so unzuläng lich wie bisher.

(Zuruf: Ja!)

Man muss natürlich kein Hellseher sein, um zu sehen, dass dies finanzschwache Länder vor enorme Herausforderungen stellt. Das zeichnet sich ja jetzt schon ab. Nachdem das be kannt wurde, überlegen sich jetzt auf einmal auch diejenigen abzuspringen, die sozusagen in der Situation waren, dass sie unbedingt auf diese Gelder des Bundes angewiesen waren, und deswegen beigetreten sind, obwohl sie das in der Sache eigentlich für falsch gehalten haben.