Protokoll der Sitzung vom 28.11.2018

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die können das gar nicht kofinanzieren!)

Um das Ganze auf die Spitze zu treiben: Die Mittel des Bun des bleiben zeitlich befristet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Das heißt, der Bund gibt wieder nur eine Anschubfinanzie rung für die Digitalisierung an unseren Schulen, und in drei bis fünf Jahren stehen wir, die Länder, dann wieder allein mit dieser Mammutaufgabe da.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das war das Verhandlungsteam der CDU, wenn ich darauf hinweisen darf!)

Und ich sage: Ich halte das für eine kurzatmige Politik, eine Politik ohne Grundsätze und nach Kassenlage. Genau das führt nicht zu dem, was Sie gefordert haben, nämlich eine ver bindliche, dauerhafte Förderung; darum muss es gehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Die SPD hat das gefor dert!)

Was das alles bedeutet, hat der Tübinger Verfassungsrechtler Christian Seiler in der Anhörung zum Entwurf der Bundesre gierung treffend beschrieben. Der Bund wolle das Mittel der Finanzkompetenz zweckentfremden, um Instrumente der in haltlichen Steuerung in einem Bereich durchzusetzen, für den er nicht die Sachkompetenz besitzt. Denn die Sachkompetenz für Bildungsfragen liegt nach dem Grundgesetz nun mal bei den Ländern.

Ich füge hinzu: auch die fachliche Sachkompetenz. – Solch einen Kompetenzenmischmasch bezeichnet Seiler ohne viel Federlesens als die „schlechteste Lösung“. Aber genau das ist jetzt im Bund vereinbart worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu kommt, dass der Bund diese Debatte nicht mit offenem Visier führt. Er sagt nicht klar und deutlich: „Wir wollen die Zuständigkeit für die Bildung an uns ziehen“, sondern er nutzt den Umweg über die Finan zen, um immer mehr Einflussmöglichkeiten an sich zu ziehen.

(Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Aber lassen Sie uns die Debatte doch einmal offen führen und die Frage stellen: Warum sollte der Bund eine bessere Bil dungspolitik machen als die Länder? Warum sollten es Bun despolitiker besser wissen als die Länder, wie man Schulen digitalisiert?

(Zurufe von der SPD: Darum geht es doch gar nicht! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das behaupten Sie! – Ge genruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das steht doch drin! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE zur SPD: Die Grundgesetzänderung mal lesen! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU zur SPD: Die wollen doch schon lange in die Bildung rein! Das wisst ihr doch!)

Wir wissen doch alle selbst: Es ist in einem Flächenstaat wie Baden-Württemberg schon eine riesige Herausforderung, von Stuttgart aus eine Schulpolitik für Baden-Württemberg zu ma chen, die überall passt – für 4 500 Schulen, 120 000 Lehre rinnen und Lehrer und 1,5 Millionen Schülerinnen und Schü ler. Aber von Berlin aus Schulpolitik für die ganze Republik zu machen, für allein 33 000 allgemeinbildende Schulen, für eine kleine, beschauliche Grundschule in Oberschwaben ge nauso wie für eine Brennpunktschule in Neukölln, das wäre doch Irrsinn.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Steht das vielleicht in der Grundgesetzänderung? Was erzäh len Sie denn da für einen Käse?)

Es wäre doch Irrsinn, das zu machen. Gleichmacherei hilft da überhaupt nicht, sie schadet nur.

Es gibt regionale Unterschiede, und auf die kann ein Zentral staat überhaupt nicht angemessen eingehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Mehrere Redner haben ja gesagt, der Wettbewerb der Ideen ist im Bildungsbereich besonders wertvoll. Der Sozialdemo krat Klaus von Dohnanyi hat es einmal sehr treffend ausge drückt, als er bei uns bei einem Kabinettsabend deutlich ge macht hat, dass es das alles schon einmal gab, von 1969 bis 2003.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Das ist auch schon eine Weile her!)

Das Ergebnis ist bekannt: Es gab nicht mehr Geld und nicht mehr Qualität für die Länder. Er hat jedenfalls sehr schön ge sagt:

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sozialdemokrat! Guter Mann! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Sehr guter Mann! So einen habt ihr nicht!)

Die Qualität des Föderalismus vor allem im Bildungsbe reich ist auch eine defensive, nämlich die flächendecken de Ausbreitung von Unsinn zu verhindern.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord neten der CDU)

Als wir bei den Vergleichsstudien Boden verloren haben, konnten wir schauen, was die anderen Länder vielleicht bes ser und anders machen. In anderen Bereichen sind wir wieder beispielgebend für andere. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bildung Sache der Länder bleibt.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Dazu kommt: Der Bund hat nicht nur keine Zuständigkeit für die Schulpolitik, sondern weil ihm die Zuständigkeit fehlt, hat er eben auch nicht die fachliche Kompetenz in der Schulpo litik, so, wie wir auch keine Kompetenz in der Außenpolitik haben. Sie müssen sich nur einmal das Organigramm des Bun desministeriums für Bildung und Forschung anschauen. Dort ist Schulpolitik eigentlich nicht existent.

Die eigentliche Kompetenz des Bundes liegt beim Geld. Das haben Sie ja auch haargenau gesagt. Das zeigt doch, wie welt fremd manche Pläne von selbst berufenen Bildungspolitikern auf Bundesebene sind. Weil dort eben keine Expertise da ist, sollte die Schulpolitik den Ländern überlassen bleiben. Denn in Sachen Bildung sind wir nun einmal die Experten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Der Landtag behandelt in fast jeder Sitzung irgendwelche As pekte der Schulpolitik. Die Abgeordneten informieren sich laufend an den Schulen über aktuelle Entwicklungen, sie brin gen die Zeit dafür auf, weil die Bildungspolitik die wichtigs te Aufgabe der Länder ist, die jeden Menschen im Land ent scheidend betrifft.

Wir haben aber auch die Institute, wir haben die Behörden, wir haben die Fachleute.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Was hat das mit der Grundgesetzänderung zu tun? – Zuruf des Abg. Mar tin Rivoir SPD)

Das können Bundestagsabgeordnete natürlich überhaupt nicht leisten neben all den anderen Kompetenzfeldern, die sie schon zu beackern haben. Es wäre mir schon arg recht, wenn sich der Bund darauf konzentrieren würde, die eigenen Aufgaben gut zu erledigen, statt uns ins Handwerk zu pfuschen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Jawohl! – Abg. Nicole Ra zavi CDU: Sehr gut!)

Die Erfahrung lehrt es doch. Was läuft denn besser, wenn der Bund die Dinge regelt? Ich denke jetzt nur an das BAMF. Hat das jetzt so super agiert in der ganzen Flüchtlingskrise?

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Ich denke an das Eisenbahn-Bundesamt: Freuen wir uns alle über diese Behörde? Ich denke an das Kraftfahrt-Bundesamt: Darüber haben wir ja heute bei dem ganzen Diesel-Problem noch einmal geredet. Nicht einmal die Bundeswehr ist ordent lich einsatzfähig.

(Heiterkeit bei den Grünen)

Also ich finde, die Bundespolitiker haben eigentlich wirklich Aufgaben genug, die ihren Tag ausfüllen können. Sie brau chen sich nicht noch in unsere Angelegenheiten einzumischen.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der CDU)

Das Allerletzte, was wir brauchen, ist die Wiederbelebung der bereits vor 40 Jahren gescheiterten Idee eines nationalen Bil dungsrats. Die Wahrheit ist doch, dass die frühere Gemein schaftsaufgabe Bildung völlig zu Recht auf dem Friedhof ge scheiterter Bildungsutopien gelandet ist. Sie hat zu keinerlei Verbesserung bei der Bildung geführt. Im Gegenteil: Es wa ren keine Verantwortlichkeiten mehr erkennbar. Und das soll jetzt die Antwort der Fachpolitiker auf Bundesebene sein? Ich finde, das wollen wir den Schülerinnen und Schülern in unse rem Land nun wirklich nicht antun.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was Sie al les aus dieser Grundgesetzänderung herauslesen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überhaupt nicht ge gen eine Kooperation zwischen Bund und Ländern

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ach so! – Zuruf von der SPD: Aha!)

und schon gar nicht gegen eine Zusammenarbeit der Länder. Es gibt auch kein Kooperationsverbot – warum auch? Es gibt keinen Grundgesetzartikel, der das verbietet. Die Zusammen arbeit von Bund und Ländern findet längst statt. Sie ist unter dem Dach der Kultusministerkonferenz ständige und erfolg reiche Praxis. Die Kultusministerin wird Ihnen das nachher noch mal erläutern.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Keine Drohung!)

Beispiele sind die bundesweite Festlegung von Bildungsstan dards oder das Projekt einer gemeinsamen Digitalisierungs strategie. Und auch für den Digitalpakt braucht es eine Grund gesetzänderung nicht.

Es geht doch um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass sich der Bund zusätzlichen Einfluss verschaffen will und sich in die ureigenen Angelegenheiten der Länder einmischen will. Es geht um schrittweise Zentralisierung und eine Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit der Länder. Diesen gefährlichen Trend müssen wir stoppen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Was ist der richtige Weg?