Protokoll der Sitzung vom 29.11.2018

Für die AfD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Wolle das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! „Die Politik der Landesregierung ge gen die Interessen der Beschäftigten“, das ist Ihr Thema, ein sehr wichtiges Thema. Doch was sind denn die grundsätzli chen Interessen der Beschäftigten? An erster Stelle stehen oh ne Zweifel sichere Arbeitsplätze, gefolgt von leistungsgerech ter Entlohnung, guten Arbeitsbedingungen – damit sind wir bei der Arbeitszeit – und einer gesicherten Altersvorsorge. Wie ist es tatsächlich um die Arbeitsplätze in Baden-Württemberg bestellt?

Ohne Frage, die Automobilindustrie ist die Schlüsseltechno logie insbesondere hier in Deutschland und in Baden-Würt temberg. Das heißt, die Industrie in unserem Land hängt ins besondere an der Automobilindustrie. Wir haben über 200 000 direkt beschäftigte Mitarbeiter in der Automobilindustrie und über 100 000 bei den Zulieferern.

Leistet nun die Landesregierung einen Beitrag, um diese Ar beitsplätze zu sichern? Sie sichert sie nicht, sie fördert Elek tromobilität. Ein Drittel der Wertschöpfung des Elektromo bils entfällt auf die Batterie, die hauptsächlich in Asien gefer tigt wird. Darüber hinaus kommt der Elektromotor mit 200 Teilen aus, und der konventionelle Antrieb braucht 2 000. Da braucht man sich nur zu überlegen, welche Auswirkungen die se beiden Faktoren auf die Arbeitsplätze hier in Baden-Würt temberg haben. Sie würden unweigerlich verloren, verlustig gehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist Ihnen offensichtlich egal. Doch damit ist es Ihnen nicht genug. Die Verteufelung der Dieseltechnologie erfolgt als nächster Anschlag auf die Arbeitsplätze der Beschäftigten in der Automobilindustrie. Ein paar Eurokraten erfinden einen Grenzwert. Die grünen Verbotsfetischisten verlangen, sekun diert von ihrer Vorfeldorganisation, der Deutschen Umwelt hilfe, umgehend Fahrverbote. Und ihre schwarzen Steigbü gelhalter nicken dies nur scheinbar zähneknirschend ab.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Der Wert der deutschen Autos bricht ein. Der Automobilstand ort Deutschland, insbesondere Baden-Württemberg, gerät in Gefahr. Ist das ein Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze hier? Wohl kaum.

Aber auch der stationäre Handel, der vom Onlinehandel stark betroffen ist, ist Ihnen egal. Dies wird nämlich durch die le

gale Steuervermeidung, die Sie nicht verhindern, und ebenso durch ein unlauteres Verhalten von fernöstlichen Anbietern verschärft.

Als wäre dies nicht genug, wird auch hier in den Innenstäd ten durch Fahrverbote ein weiterer Teil der Kundschaft ver grault. Übrigens schlägt ausgerechnet Mannheims SPD-Ober bürgermeister Kurz eine Citymaut und eine Handelsnahver kehrsabgabe für die Innenstädte vor. Der Handelsverband Ba den-Württemberg bezeichnet dies als eine Art Wegzoll, der den innerstädtischen Handel zugunsten des Onlinehandels weiter benachteiligt. Ist das im Interesse der Beschäftigten, meine Damen und Herren, insbesondere der SPD?

Wir sehen also: Für die Landesregierung ist die Sicherung von Arbeitsplätzen in Schlüsseltechnologien des Landes offenbar nachrangig. Die ideologisch getriebenen Experimente der Grünen werden von ihrem schwarzen Koalitionspartner nicht nur toleriert, sondern offenbar auch noch nach Kräften unter stützt.

Was früher einmal Schwarz war, ist nun ein dunkles Grün. Da nützt auch die Erhöhung der Grenzwerte, wie Frau Merkel sie versprochen hat, nicht viel. Die Arbeitnehmer im Land wer den sich das merken.

Wie sieht es denn mit der leistungsgerechten Entlohnung aus? Seit dem Jahr 2000 haben das Unternehmens- und das Ver mögenseinkommen in Deutschland inflationsbereinigt um 30 % zugenommen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Was heißt „leistungsgerecht“?)

Im selben Zeitraum sind die Nettolöhne und die Gehälter der Arbeitnehmer ebenfalls inflationsbereinigt um 0,3 % gestie gen. Vergleichen Sie einmal eine Steigerung um 30 % mit ei ner Steigerung um 0,3 %.

Verantwortlich hierfür ist nicht zuletzt auch die Erleichterung der Leiharbeit und des damit geförderten Niedriglohnsektors. Da sollte die SPD mal ganz genau zuhören, wenn sie sich so für die Interessen der Beschäftigten einsetzt. Auch hier, wer te Kollegen von der SPD, hat Ihre Partei kräftig mitgewirkt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Gott sei Dank gibt es Leiharbeit!)

Leiharbeitsverhältnisse haben seit der Einführung der Agen da 2010 deutlich zugenommen. Die SPD setzt mit dem Leih arbeitsgesetz von Frau Nahles sogar noch eins drauf. Sie ze mentiert diese Ungerechtigkeit durch die Möglichkeit, die Laufzeit tarifvertraglich bis auf vier Jahre zu vereinbaren.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist der wesent liche qualitative Unterschied! Tarifvertrag!)

Das Ergebnis sind Zweit- und Drittjobs. Die Arbeitnehmer müssen Zweit- und Drittjobs zum Überleben annehmen. Es reicht nicht mehr nur ein Arbeitsplatz.

Aber auch die Zahlen der sogenannten prekären Arbeitsver hältnisse wie Minijobs und Werkverträge sind gestiegen. Trotz einer korrigierten Gesetzesänderung bleibt es auch hier bei ei

ner grundsätzlich geringeren Bezahlung der Leiharbeiter. Die ser Trend wird durch das wachsende Heer von Migranten ver stärkt.

(Zuruf: Oje!)

Schon Karl Marx wusste, dass ein Überschuss an Arbeitskräf ten tendenziell zu Lohnsenkungen führt.

(Zuruf von der SPD: Der arme Karl Marx!)

Das ist immer eine Frage des Angebots und der Nachfrage.

Wenn bei großen baden-württembergischen Unternehmen Leiharbeiter für vergleichbare Tätigkeit deutlich weniger ver dienen als ihre fest angestellten Kollegen, sollten auch bei der Landesregierung allmählich die Alarmglocken klingen.

Kommen wir zur Arbeitszeitflexibilisierung, die aktuell in der Diskussion ist. Den sich wandelnden Anforderungen und Wün schen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber muss die Politik Rechnung tragen und dies entsprechend mit einer Gesetzge bung begleiten. Dabei sind der Flexibilisierungsbedarf und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ebenso zu berück sichtigen wie der Arbeitsschutz und auch der Wunsch nach mehr Zeitsouveränität der Beschäftigten. Je besser die Rah menbedingungen für die Arbeitszeitflexibilisierung sind, das heißt, je größer die Zeit- und Ortssouveränität der Arbeitneh mer ist, desto förderlicher ist es für deren Gesundheit und für deren Arbeitszufriedenheit.

(Beifall bei der AfD)

Vor diesem Hintergrund ist der Vorstoß der CDU, BadenWürttemberg solle mit einer Bundesratsinitiative die Ausdeh nung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stun den erreichen, grundsätzlich zu begrüßen. Die aktuell gelten de Rechtsprechung lässt bereits jetzt viele Ausnahmen in der Gestaltung der Arbeitszeit zu. Diese sind allerdings oft mit bürokratischem Aufwand verbunden. Dieser bürokratische Aufwand würde dann nicht mehr anfallen, was insbesondere den KMUs, den kleinen und mittleren Unternehmen in unse rem Land, helfen würde. Die Arbeitszeitflexibilisierung darf jedoch nicht einseitig zulasten der Arbeitnehmer gehen.

(Beifall bei der AfD)

Ich komme zu meinem letzten Punkt, zu der gesicherten Al tersversorgung, auf die jeder ein Anrecht hat nach einem lan gen, arbeitsreichen Leben. Viele Arbeitnehmer haben die be rechtigte Befürchtung, dass der Ausspruch von Norbert Blüm: „Die Rente ist sicher...“ nicht mehr gilt.

Schon jetzt erhalten 8,6 Millionen Rentner in Deutschland we niger als 800 € Rente. Mindestens jeder siebte Rentner gilt als armutsgefährdet. Rund eine halbe Million Rentner erhalten lediglich eine Grundsicherung. Kein Wunder also, dass 20 % der Rentner inzwischen weiter erwerbstätig sind. Spätestens ab 2025, wenn die geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen, wird das ganze System an seine Grenzen kommen.

Ein Patentrezept gab es hierfür nicht. Das Einzige, was bis jetzt angeboten wurde, war, länger zu arbeiten oder eine nied rigere Rente zu bekommen. Die Landesregierung bleibt auf gefordert, die damit einhergehende Gesetzgebung des Bundes

aufmerksam und aktiv zu begleiten und sich im Sinne der Ar beitnehmer und auch der Rentner im Land einzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die Interessen der Beschäftigten im Land sind nicht nur von der Landesregierung allein zu beeinflussen. Wie wir sehen, sind das vielfach Bundesthemen. Daher ist die von der CDU geplante Bundesratsinitiative zur Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit ein sehr gutes Beispiel, wie sich die Lan desregierung häufiger in Bundesthemen einbringen kann. Vor allem anderen muss die Landesregierung aufhören, die Zu kunft des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg weiter durch ihre Politik zu untergraben. Ohne eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft im Land brauchen wir uns um die Interessen der Beschäftigten keine Gedanken mehr zu ma chen. Denn in diesen Branchen wird es dann keine hohe Be schäftigung mehr geben.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Schweickert.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Stoch, erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Landesvorsitzenden. Ich wünsche Ihnen dafür gute Nerven. Das wird für Sie si cherlich nicht einfach. Ich beglückwünsche Sie auch zu dem Thema dieser Aktuellen Debatte. Allerdings bin ich der Mei nung, Sie gehen das mit komplett falschen Vorzeichen an.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das glaube ich nicht! Aus Ihrem Mund sehe ich das als Kompliment an! – Wei tere Zurufe von der SPD)

Ich bin schon erstaunt, dass Sie sich jetzt hier bei der ersten Debatte nach Ihrer Wahl zum Landesvorsitzenden gleich als links außen positionieren.

(Abg. Andreas Stoch SPD: „Links außen“? Arbeit nehmerschutz ist bei Ihnen links außen? Respekt!)

Wenn wir es uns einmal anschauen, dann stellen wir fest: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind deutlich weiter als die SPD. Wenn Sie so weitermachen, dann kommen Sie von dem Weg in die Einstelligkeit nicht weg, Herr Stoch.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Sie sind ja noch da!)

Denn die angestaubten Regelungen, die wir zur Arbeitszeit haben, sind schließlich aus dem Jahr 1994; da ist das Gesetz das letzte Mal novelliert worden. Die passen einfach nicht mehr zu den heutigen Arbeitsverhältnissen.

Da kann man nicht nur von Bosch und Daimler ausgehen, von tarifgebundenen Unternehmen, sondern da geht es gerade um die kleinen und mittleren Unternehmen. Sie, Herr Stoch, ha ben das Beispiel der Gastronomie angeführt. Schauen Sie doch einmal, wie viele tarifgebundene Unternehmen es da gibt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, eben! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist ein Problem!)

Sie weisen darauf hin, dass nur 33 Unternehmen einen Antrag auf Registrierung als Saisonbetrieb gestellt haben, und folgern daraus, dass das gar nicht gewünscht sei. Andersherum wird ein Schuh daraus: Wenn man so viel Bürokratie verursacht, dass es sich für die Unternehmen gar nicht lohnt und sie es gleich lassen, dann muss man da herangehen