Protokoll der Sitzung vom 19.12.2018

Die Europawahl wird deswegen eine wichtige Weichenstel lung für Europas Zukunft. Bleibt Europa auf Kurs? Wird die Europäische Union zum Garanten für unsere Durchsetzungs fähigkeit auf internationalem Parkett? Schützen wir zusam men unsere Interessen, auch gegenüber einem unkalkulierba ren Präsidenten im Weißen Haus und machthungrigen Poten taten in Moskau oder Peking, oder geben wir den Populisten von links und rechts nach und verlieren uns in rückwärtsge wandtem Nationalismus?

Lassen Sie uns gemeinsam die kommenden Monate nutzen – ich sage das partei- und fraktionsübergreifend –, damit die Eu ropawahl von europäischen Themen bestimmt wird. Unser Haus wird dazu eine Informationskampagne starten, die Ba den-Württemberg über Europa und die Wahl sachlich infor mieren und Gelegenheit zur Nachfrage bieten wird. Denn Wis sen ist der beste Schutz gegen Fake News und Falschmeldun gen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bilder aus dem Welt raum, die uns Alexander Gerst aus der Raumstation ISS sen dete, zeigen unseren blauen Planeten in ganzer Pracht. Dass mit Alexander Gerst überhaupt ein deutscher Europäer Kom mandant dieser Raumstation werden konnte, verdankt er der europäischen Weltraumzusammenarbeit. Erst diese Zusam menarbeit der europäischen Staaten machte es möglich, solch ein Großvorhaben zu stemmen.

Europa mag auf den Bildern aus der ISS nur ein kleiner Kon tinent sein,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE unterhält sich mit Abgeordneten der Grünen. – Abg. Thomas Blenke CDU: Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Entschuldigung, ich war so ver tieft in das Gespräch! – Vereinzelt Heiterkeit)

unser Kontinent hat jedoch eine große Verantwortung – welt weit und nicht nur zwischen Mittelmeer und Polarkreis. Die ser Verantwortung sollten wir uns stellen – als Baden-Würt temberger, als Deutsche und als Europäer.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der AfD und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund der Redezeit der Regierung spreche ich jetzt allen Fraktionen noch einmal zwei Minuten Redezeit zu.

(Zuruf von der CDU: Die müssen aber nicht in An spruch genommen werden!)

Wenn sie in Anspruch genommen werden sollen, fangen wir wieder mit den Grünen an.

(Zurufe: Oh nein! – Unruhe)

Frau Präsidentin, lassen Sie mich zumindest „Holland“ und „Niederlande“ korrigieren. Ich ha be natürlich die Niederlande gemeint. Wer also noch vor dem Jahr 2100 die westliche Seite der Niederlande besuchen möch te, sollte es jetzt tun, weil dann nämlich die Hälfte der Nie derlande unter Wasser stehen wird, wenn wir jetzt bei der Kli maerwärmung keine Gegenmaßnahmen ergreifen.

Zudem wurde hier noch einmal angesprochen, dass die Wer tegemeinschaft im Vordergrund steht. Dies hat auch der Mi nister klargemacht. Ich weiß, dass das die Kollegen ganz rechts nicht so interessiert; die Werte Europas sind aber nicht nur die Werte der Europäischen Union, sondern auch die Wer te, die der Europarat in verschiedenen Konventionen festge schrieben hat. Deswegen sind wir auch daran gebunden, die se Werte, Grundwerte und Grundrechte zu sichern, sei es in der Flüchtlingspolitik, in der Klimapolitik oder auch in der

Friedenspolitik, weil dabei die Europäische Union in den letz ten Jahren eine wesentliche Rolle gespielt hat. In dieser Rol le sollten wir die Europäische Union nicht schwächen, son dern stärken.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Möchte die CDU die Re dezeit noch in Anspruch nehmen? – Die AfD? – Herr Abg. Dr. Grimmer.

Frau Präsidentin, sehr geehr te Damen und Herren! Wir reden zurzeit so viel über Fake News.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Sie mehr als wir!)

Dazu möchte ich noch weitere „Fake News“ anführen, Herr Minister, nämlich die, dass Einzelstaaten nicht für die Schul den anderer Staaten haften sollen. Das haben wir inzwischen beerdigt; das war eine Falschnachricht; denn das hat sich lei der nicht realisiert, sondern die Haftung für die Schulden an derer Staaten wurde Tatsache.

(Beifall bei der AfD)

Als Zweites ist mir in Ihrer Replik aufgefallen, wie drastisch Sie die Unabsehbarkeit des finanziellen Handelns der EU dar gestellt haben. Dazu möchte ich Sie fragen, ob Sie allen Erns tes der Meinung sind, dass ein einjähriger oder zweijähriger Haushalt, also ein Doppelhaushalt, die Gebietskörperschaften nicht in die Lage versetzt, einigermaßen zuverlässig zu arbei ten, sodass man sechsjährige Handels- und Finanzplanungen braucht.

Das Letzte – da haben Sie sich über meinen Zwischenruf ziemlich erregt – war, dass ich gesagt habe: Herr Macron ver tritt französische Interessen. Das ist auch völlig richtig. Man sollte in Deutschland nur nicht so tun, als würde er europäi sche oder gar deutsche Interessen vertreten. Das tut er näm lich in keiner Weise. Dafür wäre die eigene Regierung da, aber dazu ist sie leider nicht in der Lage.

(Beifall bei der AfD – Zuruf: Sehr gut!)

Will die SPD die Rede zeit noch in Anspruch nehmen? – Herr Abg. Hofelich.

Eigentlich wollte ich nicht reden, Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, aber da nun Frankreich angesprochen wurde: Baden-Württemberg ist das Land mit der längsten Grenze zu Frankreich, sodass gerade wir ein Interesse daran haben – ich schaue auf den Ausschuss vorsitzenden in den hinteren Reihen –, dass der Elysée-Ver trag auch in seiner nächsten Runde gelebt wird und dass wir neue Elemente einbauen. Dazu noch eine Anmerkung: Ich fin de, dass der französische Staatspräsident Macron ins Risiko gegangen ist. Man kann auch darüber reden, ob es zutrifft, dass Frau Merkel ihn in diesem Risiko gelassen hat, indem sie sich nicht bewegt hat.

Ich halte den Gedanken einer Eurozone und einer vertieften Zusammenarbeit entlang des Rheins für einen für den franzö

sischen Staatspräsidenten zwar riskanten, aber auch logischen Schritt, bei dem es nicht nur um die französischen Interessen geht. Er hatte dabei schon das im Blick, was wichtig ist: dass wir in der Lage sind, auch mit unterschiedlichen Geschwin digkeiten in Europa voranzugehen.

Deswegen bin ich noch einmal ans Redepult gegangen, weil ich auch gegenüber den Besuchern hier auf der Tribüne das nicht so stehen lassen möchte. Hier im baden-württembergi schen Landtag darf nicht der Eindruck vermittelt werden, als hätten wir es nur mit französischen Egoisten zu tun. Wir ha ben mit den Franzosen schon sehr viele Gemeinsamkeiten, und beim Entdecken dieser Gemeinsamkeiten, die seit vielen Jahrzehnten auch in Städtepartnerschaften usw. zum Tragen kommen, sehen wir, dass Geben und Nehmen zusammenge hen können.

Deswegen an dieser Stelle: Ich weise das, was Sie gesagt ha ben, zurück. Es ist tatsächlich so, dass der französische Prä sident auch europäische Interessen – natürlich neben den fran zösischen Interessen, für die er gewählt wurde – im Blick hat te. Ich lobe ihn dafür, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Joachim Kößler CDU)

Herr Abg. Dr. Schwei ckert, bitte, für die FDP/DVP.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend: Wir müssen diese Diskussion führen, die Kollege Hofelich gerade eben auch bezüglich Ma cron, bezüglich der Frage der Zusammenarbeit für Europa, angesprochen hat. Diese Diskussion müssen wir auch hier in diesem Haus führen. Deswegen, lieber Herr Grimmer: Da passt es einfach nicht zusammen, wenn man sich diesen Dis kussionen entzieht, so, wie es die AfD die ganze Zeit macht. Wenn irgendwelche Themen aufgesetzt werden, wird es mit der Mitarbeit im Europaausschuss nichts.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist eine Unterstellung!)

Darüber kann sich jeder ein Bild machen; die Sitzungen sind ja öffentlich.

Wir müssen hier diskutieren: Wie sieht Europa in Zukunft aus? Da müssen die kritischen Themen auf den Tisch. Aber wir können nicht hinstehen und sagen: Europa, das ist nix; das müssen wir rückabwickeln. Das, meine Damen und Herren, kann nicht sein. Das kann nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Josef Frey GRÜNE)

Wenn wir uns vor Augen führen, dass Weihnachten vor der Tür steht, sollten wir uns gerade beim Thema Brexit einmal überlegen, ob wir uns nicht ein Geschenk damit machen soll ten, darauf zu verzichten, jährlich bis zu zehn Millionen zu sätzliche Zollanmeldungen zu bekommen. Die Lkw-Abferti gung in Calais nimmt im Moment 30 Sekunden pro Lkw in Anspruch; nach dem Brexit würde dies sieben bis 15 Minu ten dauern, was zu noch mehr Staus führen würde. Ich wün sche mir zu Weihnachten, dass wir uns und den Briten dieses Geschenk machen und uns nächstes Jahr, 2019, dieses Szena rio ersparen.

Sobald wir das hinbekommen haben, lassen Sie uns die nächs ten Themen angehen. Dazu gehört auch der Mehrjährige Fi nanzrahmen. Lassen Sie uns hier diese Debatten führen, aber lassen Sie sie uns konstruktiv führen und nicht destruktiv, wie es von einer Seite hier im Haus getan wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Josef Frey GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be schlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Interna tionales, Drucksache 16/5215. Der Ausschuss für Europa und Internationales schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung der Lan desregierung, Drucksache 16/5072, Kenntnis zu nehmen.

Die Fraktion der AfD hat um förmliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung gebeten. Deswegen bitte ich um das Handzeichen, wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt. – Danke schön. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt.

Tagesordnungspunkt 5 haben wir damit erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer – Drucksa che 16/4897

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Fi nanzen – Drucksache 16/5264

Berichterstatter: Abg. Tobias Wald

Auch hier hat das Präsidium für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Als Erste spricht Frau Kollegin Walker für die Fraktion GRÜ NE.