Protokoll der Sitzung vom 30.06.2016

Vielen Dank. – Gibt es weitere Zusatzfragen?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Meine ist damit erledigt!)

Erledigt. Vielen Dank, Herr Minister. Damit ist die Behand lung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 3 beendet.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 4 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. M a r t i n R i v o i r S P D – M ä n g e l i m R e g i o n a l v e r k e h r d e r D e u t s c h e n B a h n A G

Bitte schön, Herr Abg. Rivoir.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich frage die Landesregierung:

a) Sind der Landesregierung Beschwerden bekannt, wonach

sich technische Mängel an Lokomotiven, Triebwagen und Wagen der Deutschen Bahn AG – in diesem Fall der DB Regio – seit der Vergabe der Streckennetze im Großraum Stuttgart an konkurrierende Netzbetreiber häufen, insbe sondere auf der Strecke Stuttgart–Tübingen?

b) Wie bewertet sie den Umstand, dass zurzeit offenbar ver

mehrt Züge wegen Personalmangels ausfallen?

Für die Landesregierung darf ich Herrn Verkehrsminister Hermann das Wort erteilen.

Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die An frage. Sie weisen auf Probleme hin, die auch wir wahrneh men. Wir haben festzustellen, dass im Großraum Stuttgart in den letzten Monaten tatsächlich Probleme aufgetreten sind, was den Zustand der Fahrzeuge, die technische Zuverlässig keit und auch die Zuverlässigkeit bezogen auf den Fahrplan anbelangt.

Es gibt nicht nur Beschwerden seitens der Fahrgäste, sondern es gibt sogar auch Antworten seitens der Bahn, die genau die se Beschwerden und die Mängel bestätigen.

Also, es gibt Zugausfälle, es gibt Verspätungen, und das ist natürlich für die Kundinnen und Kunden sehr unangenehm und ärgerlich.

Wir stellen nun durch eigene Beobachtungen fest – diese sind zwar im wissenschaftlich-statistischen Sinn noch nicht end gültig; wir werden da aber noch bessere Zahlen bekommen –, dass die vorgesehene Zugbildung ab und zu nicht wie geplant und zugesagt stattfindet, dass Türen defekt sind, dass Fahr zeuge von außen sichtbar dreckig sind, also längere Zeit nicht gereinigt worden sind. Wir müssen sogar sagen, dass das, was Sie auf der Strecke Stuttgart–Tübingen in Ihrer Frage festge stellt haben, im Grunde noch nicht einmal die Spitze ist; auf anderen Strecken haben wir zum Teil sogar noch mehr Kla gen und Mängel festzuhalten.

So gibt es z. B. massive Beschwerden im Bereich Heilbronn– Stuttgart, Stuttgart–Heilbronn, und die hierzu eingegangenen Beschwerden waren, ebenso wie die Beschwerden in Bezug auf die Strecke Richtung Tübingen, schon mehrfach Gegen stand intensiver Diskussionen zwischen der DB Regio und unserer Nahverkehrsgesellschaft sowie den zuständigen Mit arbeitern meines Hauses. Die DB Regio hat durchaus zuge geben, dass es in der Infrastruktur wie im Betrieb diese Män gel gibt, und hat im Prinzip auch gesagt: „Wir sind bemüht, das abzustellen“ – was natürlich zu wenig ist; wir wollen, dass diese Mängel wirklich abgestellt werden.

Wir müssen also sagen, dass wir den Eindruck, nach dem Sie gefragt haben, mit den Informationen, die wir haben, bestäti gen. Wir warten jetzt noch auf endgültige Zahlen, um genau und präzise sagen zu können, wie viele Züge ausfallen, wie viele Verspätungen es gibt und wie viele Minuten diese aus machen.

Sie haben auch gefragt, was der Hintergrund sei, warum Zü ge ausfielen. Einer der Gründe – neben den anderen, die ich schon angesprochen habe – ist, dass offenbar kurzfristige Krankmeldungen mit sich bringen, dass die Bahn nicht in der Lage ist, kurzfristig einen Ersatzlokomotivführer zu bekom men – und dann fährt der Zug nicht. Denn man hat über die Jahre das Personal so abgebaut, dass keine Reserve mehr da ist, und das schlägt in solchen Zeiten natürlich durch.

Ich finde das sehr ärgerlich; solche Systeme müssen verläss lich sein, das heißt, sie müssen ein Stück weit auch einen To leranzbereich erlauben, wenn etwas schiefgeht. In anderen Zu sammenhängen spricht man von Resilienz, also von der Fä higkeit, auch in Belastungssituationen stabil zu bleiben. Dies gehört meines Erachtens dazu.

Übrigens müssen wir aber auch sagen, dass diese Probleme, die ja auf den Strecken auftreten, wo die Bahn zukünftig nicht mehr verkehren wird, weil Abellio und Go-Ahead gewonnen haben – – Das ist vielleicht auch der Hintergrund Ihrer Frage. Die Bahn könnte sagen: „Okay, jetzt ist es uns gerade egal, was in den letzten drei Jahren noch läuft.“ Aber das ist keine hinreichende Erklärung. Denn wir stellen fest, dass es dort, wo die DB noch bis 2028 laufende Verträge hat – also lange Laufzeiten –, oder dort, wo die Bahn Vergaben gewonnen hat, ebenfalls solche Probleme gibt. So gibt es personalbezogene Zugausfälle beispielsweise auf der Teckbahn, auf der Schus terbahn, auf der Strecke Heilbronn-Nord – da ist zwar die AVG der Betreiber, aber das Personal kommt von der Deut

schen Bahn. Also, es hat schon auch etwas mit dem Manage ment und mit der Art und Weise zu tun, wie die Deutsche Bahn, vor allem die DB Regio Baden-Württemberg, da arbei tet.

Wir erwarten aber, dass die Bahn auch dann, wenn sie Aus schreibungen verloren hat, dort, wo sie heute fährt, wo sie in Übergangsverträgen fährt, und dort, wo sie zukünftig fährt, ein verlässlicher Partner für die Landesregierung ist und da zu beiträgt, dass der Nahverkehr ein gutes Angebot ist, das die Menschen gern nutzen. Es darf nicht die Meinung vorherr schen: Mit denen kann man sowieso nicht fahren, denn die Züge sind dreckig, oder sie kommen zu spät.

Wir werden jedenfalls alles tun, um zu vermeiden, dass es durch den Übergang in den Netzen 1, den sogenannten Ein sernetzen, von der DB Regio zu Go-Ahead und Abellio zu Brüchen kommt und dass die Deutsche Bahn verantwortungs los übergibt. Wir halten die Bahn dort in der Verantwortung.

Die Situation der Mitarbeiter ist natürlich zum Teil von Angst geprägt. Sie fragen sich: Was wird aus mir? Werde ich noch einen Job haben? Da können wir aber zumindest sagen – ers tens –: Wir kümmern uns darum; wir führen Gespräche, und wir werden auch eine Arbeitsgruppe dazu einsetzen, um die Übergänge von einem Unternehmen zum anderen zu beglei ten.

Wir können zweitens auch deutlich sagen: Wir fahren zukünf tig mit mehr Zügen, und wir haben im Vertrag drin, dass wir mehr Zugbegleitungspersonal haben werden. Heute fahren die Züge fast immer unbegleitet, also ohne Kontrolle. Wir wer den zukünftig mehr Begleitpersonal und damit auch mehr Kontrolle haben. Das bedeutet, dass es auch mehr Angebote für die DB-Mitarbeiter gibt.

Somit kann man insgesamt sagen: Es wird zukünftig besser werden. Wir achten jedenfalls darauf und tun unser Bestes da für.

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Ist die Anfrage damit erledigt, oder gibt es Zusatzfra gen? – Herr Kollege Rivoir, eine Zusatzfrage.

Es ist natürlich klar: Gutes Zure den und Verhandeln ist das eine. Aber ich denke, man muss der Bahn knallhart mit monetären Folgen drohen. Welche In strumente haben Sie? Wann werden Sie versuchen, Geld für diese Leistungen zurückzubekommen? Sie zahlen der Bahn ja viel Geld für eine Leistung, die diese zum Teil nicht er bringt.

Wir tun alles, was vertraglich möglich ist. Das, was der große Verkehrsver trag an Pönalen hergibt, nutzen wir. Bei den neuen Verträgen haben wir bessere Konditionen. Wir werden bei allen, unab hängig davon, wer der Betreiber ist, darauf achten.

Klar ist eines: Wenn ein Zug nicht gefahren wird, wird er auch nicht bezahlt. Diese Aussage ist ziemlich klar. Bei Verspätun gen gibt es bestimmte Regeln, ab wann man zahlen muss. Im alten Vertrag wurden die Verspätungen insgesamt zusammen gerechnet, und damit schlagen Einzelverspätungen oft nicht zu Buche.

Eine weitere Zusatzfrage von Herrn Kollegen Keck, bitte.

Herr Minister, herzlichen Dank. Ich möchte Sie aber darum bitten, dass Sie den Süden nicht vergessen und nicht außer Acht lassen. Die gleiche Problema tik gibt es bei der Hochrheinstrecke und der Bodenseegürtel bahn. Das ist sicherlich bekannt. Wenn Sie bei der Bahn in tervenieren, sollten Sie uns im Süden nicht vergessen.

Bei Themen, die von Zugausfällen durch technische Mängel über Personalnot bis hin zu völlig veraltetem Zugmaterial rei chen, sind uns die Schweizer, die sich in direkter Nachbar schaft befinden, um Welten, was die Moderne betrifft, voraus. Auch die Elektrifizierung muss ich nicht mehr ansprechen.

Auch die Bahnsteigsanierung, das Bahnhofsmodernisierungs programm – ich komme auf das Thema des Kollegen zurück – sollte endlich umgesetzt werden. Es geht nämlich nicht nur um Bequemlichkeiten, sondern auch um die Sicherheit der zu befördernden Gäste. Zum Teil gibt es Bahnsteigkanten mit über 90 cm Höhe. Das kann es nicht sein. Es darf nicht sein, dass erst etwas passieren muss, dass erst jemand zu Schaden kommt, bis die Bahn aktiv wird.

Die Planungsraten sind von den Kommunen an die Bahn be zahlt. Sie sollte jetzt allmählich in die Puschen kommen und sollte entsprechend Geld in die Hand nehmen. Hier bitte ich Sie um Unterstützung in Bezug auf den Anspruch an die Bahn.

Herr Minister.

Vielen Dank. Ich kann nicht jeden Punkt, den Sie angesprochen haben, ausführ lich kommentieren.

(Abg. Jürgen Keck FDP/DVP: Schon klar!)

Aber seien Sie gewiss, dass wir alles tun werden und bisher getan haben, damit wir ein gutes Angebot auf der Schiene ha ben. Die Bemühungen um die Ausschreibungen zielen darauf, dass wir zukünftig verlässlich fahren und dies auch durch Stra fen absichern, dass der jeweilige Anbieter also verlässlich fah ren muss, weil er nur dann keine ökonomischen Nachteile hat. Wir versuchen, das Bahnhofsmodernisierungsprogramm fort zuschreiben. Das jetzige läuft 2018 aus. Es läuft übrigens, aber es läuft eben so gut, wie es mit Mitteln ausgestattet ist.

Wir werden auf jeden Fall auf vielen Strecken mit sehr viel neueren Zügen fahren. Wir werden in den Großnetzen mit neuen Zügen im Landesdesign starten, die behindertengerecht sind, die klimatisiert sind, die WLAN-Anschlüsse haben. Wir glauben, nur wenn wir ein gutes, ansprechendes, verlässliches Schienenpersonennahverkehrsangebot machen, werden die Leute umsteigen. Wir wollen, dass sie dies vermehrt tun, da mit wir weniger Verkehrsprobleme und weniger Umweltpro bleme haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Nelius.

Ich glaube, die Anfrage des Kolle gen Rivoir hat eine offene Wunde getroffen. Denn ich glau be, landauf, landab sind ähnliche Mängel festzustellen, auch auf der Strecke Heilbronn–Mosbach-Neckarelz, und zwar schon seit eineinhalb Jahren. Die Menschen dort erwarten von der Landesregierung eine klare Haltung.

Den Hinweis „Wir tun alles“ glauben die Menschen nach ein einhalb Jahren einfach nicht mehr. Daher, glaube ich, ist es notwendig, den Verkehrsträgern deutlich zu sagen, welche Leistungen sie eigentlich verkauft haben – die von den Benut zern des ÖPNV eingefordert werden.

Herr Minister, bitte.

Das gibt mir die Gelegenheit, mich noch einmal grundsätzlich zu äußern. Wenn es Probleme gibt, landen sie natürlich immer beim Verkehrs minister. Der ist aber nicht Chef der Deutschen Bahn und auch nicht der Chef von DB Regio, sondern er hat Verträge, und er hat bestimmte Möglichkeiten. Dort, wo wir die Kompetenzen und Möglichkeiten haben zuzugreifen, für eine Besserung zu sorgen, und sei es auch nur im Gespräch oder im Protest, da tun wir das.

Aber man muss schon auch sagen: Ein großer Teil der Prob leme, die wir hier besprechen, liegt natürlich verstärkt in der Verantwortung der Deutschen Bahn, DB Regio und der ver schiedenen Bahntöchter. Gerade bei Bahnhaltepunkten usw. sind wir, das Land, ja erst einmal gar nicht zuständig. Trotz dem wenden sich die Menschen an uns, wenn der Bahnhof dreckig ist, und ich sage trotzdem nicht: „Das geht mich nichts an“, sondern ich habe ein Interesse, dass Bahnhöfe sauber sind. Also sprechen wir mit der Deutschen Bahn.

Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt schon auch bei der Deut schen Bahn ein Bewusstsein, dass sie so nicht weitermachen können und dass sie ihre Kunden verprellen, wenn sie so wei termachen, und sie wissen auch, dass sie in vielerlei Hinsicht in der öffentlichen Kritik stehen und besser werden müssen.