Ich bin jetzt seit März gewähl ter Abgeordneter und fahre dadurch relativ häufig die Bahn strecke Mannheim–Bruchsal–Stuttgart. Dabei ist mir aufge fallen, dass in den S-Bahnen und im Regionalexpress prak tisch nie – ich kann durchaus sagen, bei den Fahrten, die ich fast täglich mitgemacht habe, nie – ein Zugbegleitpersonal an Bord ist. Als Folge wird auch nie die Fahrkarte kontrolliert.
Ist das normal? Haben Sie, die Regierung, überhaupt einen Einfluss darauf, oder liegt das rein im Ermessen des Verkehrs dienstleistungsunternehmens?
Vielleicht noch einmal zur Zuständigkeit: Für die Ausschrei bung und den Betrieb der S-Bahn ist nach dem Gesetz der Ver band Region Stuttgart zuständig. Das Land überweist pau schal eine Summe an den Verband Region Stuttgart. Dieser schreibt aus, bestellt und entscheidet in seinen Ausschrei bungsverträgen, ob da ein Begleiter mitfährt, mit oder ohne Schlagstock, wie auch immer.
Bei den Ausschreibungen, die wir, das Land, machen, haben wir Wert darauf gelegt, dass bestimmte Standards gelten. Des wegen haben wir gesagt: Wir wollen, dass Züge zukünftig häufiger begleitet werden, weil wir feststellen, durch Beglei tung wird erstens eher gezahlt, und zweitens gibt es auch kei ne Randale. Wir wollen ja, dass die Menschen keine Angst ha ben, wenn sie in den Zug einsteigen, weil da irgendwelche Leute grölen oder saufen, sondern dort soll eine bestimmte Kultur herrschen. Ich bin für eine gute öffentliche Fahrkultur, und das kann durch Zugbegleitung verbessert werden.
Herr Minister, vielen Dank. – Nachdem keine weitere Zusatzfrage vorliegt, ist die Münd liche Anfrage unter Ziffer 4 erledigt.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Verkehr – Feinstaubalarm und Fahrverbo te in Stuttgart – Drucksache 16/20
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, meine Kollegin nen und Kollegen! Die Verkehrsprobleme in Stuttgart und der Region sind unzweifelhaft groß und sicher auch nicht von heu te auf morgen zu lösen. Es braucht klare Konzepte und Stra tegien. Stuttgart braucht Investitionen in Busse und Bahnen und bezahlbare Fahrpreise für alle. Dafür müssen Stadt und Land erhebliche Mittel einsetzen. Wir unterstützen die Forde rung des Stuttgarter Oberbürgermeisters, der eine Erhöhung um 250 Millionen € innerhalb von fünf Jahren von der grünschwarzen Landesregierung gefordert hat.
Wir brauchen also ein jährliches Plus von 50 Millionen € für den Nahverkehr in Stuttgart. Wir brauchen auch die Erweite rung des Stadtbahnnetzes und des S-Bahn-Netzes. Auch wenn es nicht alle so sehen wollen: Auch das im Bau befindliche Projekt Stuttgart 21 ist ein Beitrag zur Lösung der Verkehrs- und Umweltprobleme dieser Stadt.
Das, was ich aufgezählt habe, sind die großen Linien, die lang fristig wirken. Wir brauchen aber auch eine kurzfristige Ent lastung im Kleinen, im Alltäglichen. Über dieses Wie, die Fra ge, wie diese kurzfristige Entlastung zu funktionieren hat oder funktionieren kann, herrscht in Stuttgart und wohl auch hier völlige Unklarheit.
Es gibt keine klare Linie der Regierung. Da sind auf der ei nen Seite Sie, Herr Verkehrsminister, der nicht das tun darf, was er eigentlich gern machen will, nämlich Fahrverbote ein führen, weil der Herr Ministerpräsident und der Stuttgarter Oberbürgermeister dies nicht wollen. Die Grünen im Rathaus haben zusammen mit anderen darauf hingewiesen, dass loka le Beschränkungen am Neckartor keine Lösung sind. Dies ist auch richtig, weil der Verkehr dadurch nur verdrängt wird.
Auf der anderen Seite will die CDU-Fraktion in dieser Regie rung offensichtlich gar keinen Feinstaubalarm mehr haben. Denn noch drei Tage vor der Wahl hat Kollegin Razavi in der „Stuttgarter Zeitung“ verkündet – ich zitiere –:
Wenn es nach uns geht, wird es bei einer Regierungsbe teiligung der Christdemokraten im Herbst keinen Fein staubalarm mehr geben.
Also ein Drunter und Drüber. Die Menschen in Stuttgart wol len aber Klarheit. Sagen Sie den Menschen in dieser Region endlich, was Sie machen wollen. Wollen Sie ein Fahrverbot für alle Fahrzeuge in Stuttgart bei Feinstaubalarm? Wollen Sie ein wechselndes Fahrverbot für Fahrzeuge mit geraden und mit ungeraden Kennzeichen? Wollen Sie nur Fahrverbote für Fahrzeuge ohne blaue Plakette? Wann soll dieses Fahrverbot ziehen? Wenn 80 % Marktdurchdringung der blauen Plakette vorhanden sind, oder wollen Sie das schon früher erreichen? Wollen Sie Busspuren einrichten? Wollen Sie Spuren für Elek trofahrzeuge auf den Zufahrtsstraßen nach Stuttgart? Oder wollen Sie Extraspuren für Fahrzeuge mit zwei, drei oder mehr Insassen?
Wie sinnvoll – das würde uns ebenfalls interessieren – wären solche lokal nur am Neckartor wirksamen Fahrverbote? Wie stehen Sie zum Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats, der solche lokalen verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nur am Neckartor grundsätzlich ablehnt?
Fragen über Fragen, aber keine Antworten. Aber Stuttgart, Herr Minister, wartet auf Ihre Antworten. Durch die Behand lung unseres Antrags unter diesem Tagesordnungspunkt bie ten wir Ihnen nun das Auditorium, um diese drängenden Fra gen zu beantworten.
Ich kenne Ihre sportlichen Qualitäten nicht, aber der Spagat, den Sie hier machen müssen, dürfte groß sein: auf der einen Seite Ihre Vorstellungen zu Fahrverboten, auf der anderen Sei te die Vorstellung der CDU, dass es überhaupt keinen Fein staubalarm mehr geben soll. Wir sind gespannt auf Ihre Ant wort, Herr Minister.
(Beifall bei der SPD – Abg. Felix Schreiner CDU: Ein Spagat der Freundschaft! – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Wir versetzen die Messanlagen! – Ver einzelt Heiterkeit)
Sehr geehrter Herr Land tagspräsident Klenk, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt sehr viel Feinstaub auf einmal, lieber Martin.
Sehr viele Fragen, aber kaum Antworten. Wir hätten uns ge wünscht, dass von der Opposition durchaus konstruktive Vor schläge kommen.
Ich will hier einmal klarstellen: Die Grünen haben von An fang an gesagt, dass Fahrverbote für uns derzeit kein Thema sind. Hierbei sind wir uns mit unserem Koalitionspartner ab solut einig.
Wir haben einen Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Stutt gart abgeschlossen, und zwar aus gutem Grund, weil nämlich genau dieses Verwaltungsgericht in Aussicht gestellt hat, dass es möglicherweise Fahrverbote geben muss. Diese haben wir durch diesen Vergleich jetzt abgewendet, weil wir damit Zeit gewinnen und durch unsere eigenen Maßnahmen zeigen kön nen, dass wir die Schadstoffbelastung, die zugegebenermaßen am Stuttgarter Neckartor unerträglich hoch ist, senken kön nen.
Ich will Ihnen eines sagen: Das Thema Feinstaub beschäftigt nicht nur uns, sondern auch Bayern. Das Verwaltungsgericht München hat den Freistaat Bayern zu 10 000 € Bußgeld ver urteilt, weil dieser keinen Maßnahmenkatalog vorgelegt hat. Das zeigt, dass die Gerichte in diesem Fall kein Pardon ken nen und durchaus bereit sind, Entscheidungen zu fällen.
Ich finde aber, dass die Politik die Entscheidungen fällen muss und nicht die Gerichte, meine Damen und Herren.
Wir Grünen sind uns mit unserem Koalitionspartner CDU auch vollkommen einig, dass wir die Sorgen und Ängste der Menschen am Neckartor ernst nehmen müssen. Die Gesund heitsbelastung durch Feinstaub und Stickoxid ist – vor allem an stark befahrenen Straßen – zugegebenermaßen zu hoch. Wissenschaftliche Studien haben eindeutig belegt, dass die Zahl der Atemwegs- und Kreislauferkrankungen ansteigend ist.
Deshalb sind wir, die Politik, auch eine Antwort schuldig. Wir, die Landesregierung und die Regierungskoalition, haben des halb zusammen mit der Stadt Stuttgart einen Maßnahmenplan vorgelegt, der aufzeigt, wie wir diese Feinstaubbelastung re duzieren wollen. Dieser Maßnahmenplan sieht ganz eindeu tig vor, dass wir mehr Autoverkehr auf den ÖPNV verlagern müssen. Wir können die Feinstaubprobleme nicht durch neue Straßen lösen, sondern nur durch eine Verlagerung auf den ÖPNV und alternative Antriebstechnologien bei den Fahrzeu gen. Dafür setzen wir Grünen uns ein.
Wir benötigen eine neue Mobilitätspolitik, die alle Verkehrs träger besser miteinander vernetzt und den öffentlichen Nah verkehr für Berufspendler und Freizeitfahrer noch attraktiver macht. Deshalb ist es unser Ziel, bis zum Jahr 2025 alle Städ te und Gemeinden – nicht nur hier in der Region Stuttgart, sondern landesweit – von 6 bis 24 Uhr spätabends mindestens im Stundentakt anzubinden. Dieses Ziel haben wir uns gesetzt. Die sehr vielen Maßnahmen, die bereits umgesetzt worden sind, zeigen auch in diese Richtung, meine Damen und Her ren.
Jetzt möchte ich noch auf einige Maßnahmen eingehen, die wir zur Luftreinhaltung im Stuttgarter Kessel bereits durch geführt haben. Erstmals in der Geschichte des Landes BadenWürttemberg haben wir analog zur Stadt Stuttgart ein Jobti cket für Landesbeschäftigte eingeführt, im Rahmen dessen sie für ihre Jahreskarte einen monatlichen Zuschuss von 20 € er halten. Hierfür investiert das Land Baden-Württemberg 15 Mil lionen € jährlich. Die erste Auswertung des Verkehrs- und Ta rifverbunds VVS zeigt bereits eine starke Nachfrage. Das heißt, der Anreiz für Pendler, für Landesbeschäftigte, vom Au to auf die Bahn umzusteigen, wird durch dieses Jobticket er höht.
Binnen eines Jahres hat sich der Verkauf von Firmentickets beim VVS um 8,8 % erhöht. Mittlerweile gewähren 350 Fir men ihren Mitarbeitern einen Rabatt. Da ist das Land jetzt ebenfalls eingestiegen. Ich denke, das, was wir da gemacht haben, zeigt zusammen mit den Maßnahmen der Stadt Stutt gart Wirkung.
Aber wir wissen: Allein mit dem Jobticket ist es nicht getan. Deshalb wollen wir den S-Bahn- und Regionalverkehr weiter stärken. Hierzu bauen wir ein Netz aus barrierefreien Metro polexpresszügen auf, die in den Kernzonen der Metropolre gionen im Halbstundentakt fahren sollen. Eine volle S-Bahn mit 1 200 Fahrgästen erspart uns täglich einen Stau von 5 km; das muss man sich in diesem Zusammenhang einmal vor Au gen führen.
Ich möchte noch eines sagen, was die Deutsche Bahn betrifft: Wir wissen, ein pünktlicher Nahverkehr ist ein attraktiver Nahverkehr. Aber so, wie er sich momentan im S-Bahn-Netz darstellt – mit dem Rattenschwanz an Verspätungen –, schaf fen wir keine Anreize. Deshalb fordern wir die Deutsche Bahn auf, endlich die Schieneninfrastruktur in der Region Stuttgart auf Vordermann zu bringen. Wir brauchen neue Signale, Wei chen und Stellwerke, damit der S-Bahn- und der Regionalver kehr attraktiv bleiben.
Wir sind der Überzeugung, dass wir mit dem Maßnahmenplan von 50 Maßnahmen – einige habe ich jetzt aufgelistet – die Feinstaubbelastung und auch die Stickoxidbelastung ohne Fahrverbote dauerhaft auf ein zulässiges Maß senken können.