Der Betriebsrat hat zudem darüber zu wachen, dass die gel tenden Gesetze, also z. B. auch das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, eingehalten werden.
In § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes steht noch einmal ganz ausdrücklich, dass Arbeitgeber und Betriebsrat u. a. da rüber zu wachen haben, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt wird.
Gerade in großen Betrieben – ich war lange bei Bosch tätig – sind die Betriebsräte – das weiß ich – gut ausgebildet und neh men ihre Aufgaben sehr ernst. Gerade Betriebsräte, Gewerk schaften sind ja auch mit der SPD eng verbunden. Insofern haben Sie auch über diese Kanäle eine direkte Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, dass Rechte, die es schon gibt, endlich auch vernünftig wahrgenommen werden.
Wenn Sie daran zweifeln, dass das der Fall ist, dann sollten Sie einmal mit Ihren eigenen Erfüllungsgehilfen ins Gespräch gehen.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Na ja! Ein bisschen Vor sicht bei Ihren Formulierungen! – Weitere Zurufe von der SPD)
Ich gestehe Ihnen zu, das Wort „Erfüllungsgehilfe“ ist nicht schön; also: Ihren eigenen Vertretern. Aber es sind komischer weise Vertreter von uns allen, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Wenn ich hierzu eines sagen darf: Wir haben heute in den Be triebsräten auch noch viel zu wenige Frauen. Die Betriebsräte sollten mehr weibliche Präsenz haben, damit die Frauen die ses Bewusstsein auch in diese Gremien hineintragen. Denn dort ist dieses heute noch nicht so stark vertreten, wie man es sich wünschen würde.
Aber meine Frage lautet ja: Brauchen wir ein neues Gesetz? Wir haben die entsprechenden Gesetze. Es wird nicht dadurch besser, dass man noch eines hinzufügt. Vielmehr betrachte ich dies eher als ein Misstrauensvotum gegenüber denjenigen, die heute aufgrund der Gesetzeslage bereits das Recht hätten, die se Punkte konsequent durchzusetzen. Ein weiteres Gesetz ist nicht mehr als ein Schritt zu mehr Bürokratie für Unterneh men.
Sollte der Gesetzentwurf durch den Bundestag kommen und im Bundesrat beraten werden, dann wäre mein Wunsch an die Landesregierung, ihn abzulehnen. Sollten Sie sich dazu nicht entschließen können, muss die Bürokratiebremse der Bundes regierung greifen. Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, zum 1. Juli 2015 eine Bürokratiebremse für die Wirtschaft ein zuführen, um sicherzustellen, dass die Belastungen für die Wirtschaft nicht zusätzlich steigen.
Die sogenannte „One in, one out“-Regel regelt grundsätzlich, dass, wenn ein neues Gesetz erlassen wird, ein anderes aus dem gleichen Ministerium – einfach gesprochen – beseitigt werden muss. Es gilt also der Grundsatz „Eins rein, eins raus“. Das ist das Mindeste, was wir fordern sollten, damit die Bü rokratie nicht zunimmt, sondern sich die Unternehmen auf das konzentrieren können, was sie seit Langem mit Hingabe tun, nämlich sich der Frage zuzuwenden: Wie schaffen wir es, die Potenziale der Bürgerinnen und Bürger, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Land zu fördern und für uns zu nut zen?
Viele von Ihnen haben ja schon darüber gesprochen, ob die beschriebene Lohnlücke tatsächlich so groß ist, wie sie dar gestellt wird; die Einflussgrößen wurden von Ihnen auch ge nannt. Bereinigt sieht man Zahlen von 7 oder 2,3 %. Es ist letztlich auch nicht entscheidend, wie groß die Zahl konkret ist; das wird sich auch nie komplett greifen lassen.
Man kann aber sagen: Der Staat hat das Elterngeld eingeführt, wir haben Rechte auf Kita-Plätze und Tagesmütter, wir haben die Möglichkeit der Elternzeit für Väter und Mütter. Wir ha ben durch all diese Aktivitäten die Ausgangslage der Frauen in unserer Gesellschaft deutlich verbessert, ihren beruflichen Weg konsequenter zu gehen, und Männer und Frauen können Familie und Beruf besser vereinbaren.
Verändert hat sich bereits das Bildungsverhalten der Frauen. Heute sind 53 % der Abiturienten Frauen; damit haben sie auch höherwertige Ausbildungsabschlüsse vor sich. Das El ternverhalten hat sich verändert: Mehr Männer nehmen heu te eine Familienpause. Der Beschäftigungsgrad der Frauen ist seit 1995 um zehn Prozentpunkte gestiegen. Unternehmen umwerben nun seit sage und schreibe 20 Jahren Frauen für MINT-Berufe – leider mit relativ geringem Erfolg. Das ist na türlich eine der großen Ursachen für die heute immer noch be stehenden Unterschiede bei der Bezahlung. Denn natürlich wird in der Metallindustrie deutlich besser bezahlt als in so zialen Berufen.
Ich schaue einmal noch ganz kurz auf meine Zeit bei Bosch, weil wir ja manchmal übersehen, dass sich schon viel getan hat, und meinen, wir müssten immer noch eine Schippe drauf legen. 1986 hat der Betriebsrat zu mir gesagt – ich war damals im Personalbereich –: „Frau Reich, heute werden Sie in der Betriebsversammlung erwähnt.“ „Oh“, habe ich gedacht, „da bin ich aber gespannt, was da kommt.“ Es kam kein Name. Es kam nur der Hinweis, dass ich am Standort Leinfelden die einzige Frau war, die damals – 1986 – in der Tarifgruppe K 7 eingruppiert war.
Zehn Jahre später hatten wir bei Bosch eine Initiative „Mehr Frauen in Führungspositionen“, an der ich auch beteiligt war. Wir waren 20 Frauen, die alle bereits Abteilungsleiterstatus hatten – natürlich von Bosch insgesamt, nicht von diesem ei nen Standort. Aber immerhin, es zeigte sich schon eine deut liche Entwicklung.
Seitdem ist man in diesem Unternehmen und in vielen ande ren Unternehmen sehr aktiv, dafür zu sorgen, dass die Frauen ihre Chancen nutzen, dass sie Berufe wählen, die für die In dustrie interessant sind, dass sie ihre Chancen verbessern. Ich glaube, wir tun den Unternehmen und auch den Frauen in den Unternehmen keinen Gefallen, wenn wir glauben, durch noch mehr bürokratischen Aufwand eine Entwicklung beschleuni gen zu können, die einfach Zeit braucht. Das wollte ich mit meiner Zeitgeschichte ein bisschen verdeutlichen. Habt Ge duld! Die Auswirkungen all der genannten Maßnahmen und Veränderungen erfolgen nicht über Nacht. Das muss wachsen und braucht Zeit. Ein weiteres Gesetz ändert daran nichts.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Gute an dieser Debatte ist, dass wir uns in weiten Teilen hier wirklich einig sind, wenn es darum geht, zu sagen: Wir brauchen eine Be zahlung, die für Frauen und Männer nicht nur gleich ist, son dern die tatsächlich auch die Entgeltgleichheit abbildet. Der Titel der heutigen Debatte heißt ja „Gleichen Lohn für glei che Arbeit für Frauen und Männer endlich auch in BadenWürttemberg durchsetzen“.
Verehrte, liebe Frau Kollegin Wölfle, Sie haben aus dem Ko alitionsvertrag zitiert, und Sie haben eine ganz wesentliche Passage vergessen. Im Koalitionsvertrag steht nämlich – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:
Wir stehen für eine diskriminierungsfreie Arbeitsbewer tung im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württem berg und werden insbesondere im Hinblick auf die Ent geltgleichheit geeignete Maßnahmen ergreifen.
Das ist eine ganz entscheidende Botschaft, die wir da senden und die genau diese Begrifflichkeiten auch aufgreift. Genau darum wird es heute auch gehen. Es geht darum, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, die für Baden-Württemberg wichtig sind, denn wir können natürlich nicht sagen: „Wir schauen jetzt nur nach Berlin und sorgen dafür, dass die SPD sich da in der Großen Koalition durchsetzen kann.“ Das wä re in meinen Augen dann doch ein etwas zu durchsichtiges Manöver.
Sie haben auch auf die Bundesratsinitiative von Ministerin Altpeter in der letzten Legislaturperiode hingewiesen. Soweit wir wissen, ist diese Bundesratsinitiative jetzt in den Aus schüssen geparkt. Es wird darum gehen, dass wir dieses The ma auf jeden Fall wieder auf die Tagesordnung bringen. Es hat für uns insgesamt – das ist auch durch die Redebeiträge vonseiten der CDU und der Grünen sehr deutlich geworden – oberste Priorität.
Wir dürfen aber nicht nur nach den Gründen fragen. Vielmehr müssen wir auch fragen: Welche Maßnahmen können wir er greifen? Und da stelle ich fest: Wir brauchen nicht nur ein Ent geltgleichheitsgesetz, das wir im Grundsatz durchaus begrü ßen und das auch sicher richtige Botschaften sendet, aber in der Ausgestaltung – das haben Sie auch ganz deutlich gesagt – ganz klar auf der Strecke stecken bleibt, viel zu wenige Im pulse setzt und letztendlich ein bürokratisches Monster zu werden droht, sodass nicht das erreicht wird, was erreicht wer den soll, nämlich Transparenz in der Diskussion über die Fra ge zu schaffen: Wer verdient eigentlich wie viel, und warum verdienen Frauen bei der gleichen Qualifikation und der glei chen Tätigkeitsausübung im Schnitt immer noch weniger als Männer? Letztendlich geht es darum, diese Kultur des Schwei gens zu durchbrechen, dieses Schweigegelübde zu durchbre chen, das in der Arbeitswelt offensichtlich ein ganz hohes Gut darstellt.
Das kann letztendlich kein Gesetz beseitigen, sondern dazu brauchen wir andere Maßnahmen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass vor allem mehr Transparenz hergestellt wird.
Wir können es seitens des Landes vor allem im öffentlichen Dienst tun. Deswegen haben wir uns da auch ganz klar posi tioniert. Aber wir müssen auch einmal sehen: Wie sind denn die Rahmenbedingungen insgesamt, und wie sind die Rah menbedingungen in den Betrieben? Da müssen wir feststel len, dass über alles gesprochen wird, jedoch nicht darüber, wer wie viel verdient. Das heißt, wir müssen Anreize setzen und auch darüber diskutieren, wie wir erreichen können, dass genau darüber auch diskutiert wird bzw. dass es auch eine Art Label ist, welches sich Betriebe geben, wenn es darum geht, mehr Transparenz herzustellen.
Eine Möglichkeit wäre z. B. – was wir beispielsweise beim Thema „Familienfreundliche Betriebe“ längst auf den Weg gebracht haben –, dass Betriebe damit werben, familienfreund liche Betriebe zu sein, dass sie sich dieses Label geben. Es wäre z. B. eine gute Möglichkeit, zu sagen: „Wir geben uns als Betrieb das Label, für gleichwertige Arbeit gleiche Löhne zu zahlen.“ Das könnte man durchaus machen.
Dazu gibt es verschiedene Instrumente – die kommen aus der Schweiz –, die durchaus angewandt werden könnten, die man einsetzen könnte und die dann z. B. bei der Antidiskriminie rungsstelle des Bundes angesiedelt wären. Dann könnten sich Betriebe prüfen und zertifizieren lassen. Das hielte ich für ei ne sehr gute und sinnvolle Maßnahme, die auch ohne eine ge setzliche Regelung greifen könnte. Das wäre eine wichtige Maßnahme.
Daneben ist es zentral wichtig, zu sagen: „Wir müssen han deln, und wir müssen schauen, dass die Rahmenbedingungen und die Arbeitsbedingungen für Frauen, aber eben auch für Männer verbessert werden.“ Bei diesem Thema – auch hier in dieser Debatte – wird immer wieder gesagt: „Wir wollen die Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeit von Frauen insgesamt verbessern.“ Aber es geht ja nicht nur darum, für die Frauen Teilzeitarbeitsmöglichkeiten zu verbessern, sondern dies auch für die Männer zu tun.
Ich meine, diese Kultur, dass immer nur Frauen diejenigen sind, die genannt werden, wenn es darum geht, den Beruf mit der Familie sowie der Betreuung von Kindern und der Pflege von Angehörigen in Verbindung zu bringen – – Das ist doch genau der Punkt. Warum sprechen wir nicht auch einmal da rüber, dass genau das Gleiche auch für Männer gilt? Erst dann, wenn das der Fall ist, wenn wir sozusagen dahin gekommen sind, dass die sogenannte Care-Arbeit, die Sorge-Arbeit, von Frauen und Männern gleichermaßen übernommen wird und verantwortlich umgesetzt wird, werden wir auch zu einer Auf wertung der sozialen Berufe kommen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Aspekt, der bei diesem Thema noch dazugehört.
Das heißt, wir haben unter dem Strich ein wirklich vielschich tiges Thema zu bearbeiten. Ich muss schon sagen: Es ist be merkenswert, dass sich ausgerechnet in Deutschland diese Un terschiedlichkeit sehr, sehr hartnäckig hält. In vielen anderen europäischen Ländern hingegen ist die Entgeltgleichheit längst eine völlige Selbstverständlichkeit. Wir brauchen die Entgelt gleichheit ganz unbedingt. Wir müssen Maßnahmen ergrei fen. Die können wir im Land ergreifen, indem wir z. B. sei tens des Landes entsprechende Verträge machen oder anre gen, dass in den Betrieben entsprechende Labels entwickelt werden. Das könnte eine gute Möglichkeit sein.
Ich möchte, ehrlich gesagt, nicht darauf warten, dass dieses Gesetz in der Großen Koalition in Berlin hin- und hergescho ben wird und man letztendlich sagen kann: „Der Elefant kreißt und gebiert eine Maus.“ Das ist mir ein bisschen zu wenig. Ich möchte schon ganz gern, dass wir da eigene Maßnahmen ergreifen
genau –, und die können wir ergreifen, indem wir z. B. so zusagen freiwillige Vereinbarungen machen. Gesetzliche Vor gaben können wir natürlich nicht machen. Da ist eindeutig die Bundesebene gefragt. Aber wir können es auf der Ebene der Freiwilligkeit machen.
Das Thema, das mir in diesem Zusammenhang wichtig ist und das ich noch einmal herausstreichen möchte, ist Steuergerech tigkeit. Wir haben, gerade wenn es um die Verteilung der Ar beit und um die Erwerbsarbeit geht, eine große Steuerunge rechtigkeit. Wir haben das Ehegattensplitting, welches im Grunde unterstützt, dass es große Einkommensunterschiede zwischen Ehepartnern gibt.
Das ist ein Punkt, den wir schon lange auf der politischen Agenda haben. Auch da gibt es große Widerstände, das abzu schaffen. Aber auch das brauchen wir. Denn das andere The ma, das uns im Land und auf Bundesebene drückt, ist, dass wir eine steigende Form von Altersarmut haben, und diese Al tersarmut ist weiblich. Das hat sehr stark mit den gesetzlichen Rentenansprüchen zu tun, die Frauen in der Zeit ihrer Berufs tätigkeit erwerben. Das heißt, auch das ist eine gesellschaftli che Debatte, die wir führen müssen und die notwendig ist, um mehr Gerechtigkeit zu erreichen.
Wir haben zudem in der letzten Legislaturperiode mit dem Chancengleichheitsgesetz einen großen Schritt Richtung Chan cengleichheit gemacht. Die Maßnahmen, die wir dort ergrif fen haben – auch die Einrichtung von Gleichstellungsbeauf tragten –, sind ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen. Auch da war uns klar, dass es wirklich nur ein Einstieg sein kann; aber es ist ein sehr wichtiges Signal. Das, was wir, die Landesregierung, machen können, ist, den Bereich Entgelt gleichheit im öffentlichen Dienst zu stärken, indem wir z. B. Initiativen und Maßnahmen ergreifen, die dort für Transpa renz sorgen, um etwa innerhalb der Behörden klarzumachen: Wer verdient für welche Arbeit was?
Gregor Gysi hat vor einiger Zeit in einer Serie der „Süddeut schen Zeitung“ zum Thema Gleichberechtigung etwas erzählt. Man muss nicht seine politische Einstellung teilen, um diese Botschaft zu verstehen; aber ich finde sie einigermaßen grif fig. Es ging um Toilettenwagen bei Volksfesten – eine Situa tion, die wir alle kennen, weil wir alle rege Besucherinnen und Besucher von Volksfesten sind.
Es gibt in der Regel bei Volksfesten immer einen Toilet tenwagen für Frauen und einen Toilettenwagen für Män ner. Da Frauen mehr Toiletten benötigen, ist das Ergeb nis, dass es bei den Männern keine Schlange gibt und bei den Frauen 50 anstehen müssen.
Wenn die Männer mehr bräuchten – glauben Sie mir, seit tausend Jahren stünden drei Männer- und ein Frauenwa gen auf jedem Volksfest.