Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren! Am 20. Juli 2016 wurde der Untersuchungsausschuss „Rechts terrorismus/NSU BW II“ eingesetzt, nachdem der vorange gangene Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturpe riode aus Zeitgründen nicht alle aufgeworfenen Fragen ab schließend behandeln konnte.
Ein gemeinsamer Antrag der vier Fraktionen GRÜNE, CDU, SPD und FDP/DVP war die Grundlage für die Einsetzung des jetzigen Untersuchungsausschusses. Die vier genannten Frak tionen arbeiteten konstruktiv und vertrauensvoll zusammen. Das zeigt sich auch bei der Bewertung des festgestellten Sach verhalts und an den Beschlussempfehlungen.
Insoweit wurde abermals parteipolitischer Streit hintangestellt und wurde einmütig der Blick auf eine möglichst weitgehen de Aufklärung gerichtet, was ja nicht in jedem Untersuchungs ausschuss in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Wir wollten eine Aufklärung, wie wir sie den Opfern schuldig sind, durchführen.
Wir haben 28 Sitzungen abgehalten, 158 Beweisbeschlüsse gefasst und insgesamt 78 Zeugen vernommen – manche da von mehrfach – sowie sechs Sachverständige gehört. Vom Ausschuss der vergangenen Wahlperiode wurden mehr als 600 Aktenordner übernommen. Die Zahl der Aktenordner ist zwi schenzeitlich auf 1 300 angewachsen, was ca. 60 Regalmetern entspricht. Hinzu kommen noch einige Tausend Seiten digi taler Akten. Die angefallenen Kosten für den Untersuchungs ausschuss belaufen sich auf 2,4 Millionen €.
Für diese geleistete Arbeit möchte ich mich als Ausschussvor sitzender bei allen Beteiligten, auch bei den Ministerien und nachgeordneten Behörden des Landes, ganz herzlich bedan ken. Dieser Dank gilt vor allem meiner Stellvertreterin Petra Häffner und den Obleuten, insbesondere den Herren Abg. Fi lius, von Eyb, Dr. Weirauch und Weinmann, des Weiteren al len Mitgliedern des Ausschusses sowie den parlamentarischen Beratern, die es überhaupt erst möglich gemacht haben, eine solche Arbeit abzuliefern.
Auch bei der Landtagsverwaltung möchte ich mich recht herz lich für ihre große Unterstützung bedanken und hier nament lich beim Juristischen Dienst, vor allem beim Sekretariat des NSU-Ausschusses, ohne das im Übrigen eine solche Arbeit auch nicht möglich gewesen wäre – das muss man deutlich sagen –, beim Stenografischen Dienst – da schaue ich nach links und nach rechts; es war eine tolle Leistung, neben der normalen Belastung auch diesen Ausschuss zu begleiten –
sowie bei den vielen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern wie in der Haustechnik und dem Hausdienst, die – das haben wir oft festgestellt – manchmal wichtiger sind als an dere, wenn mit den Computern nicht alles geklappt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Breite und Tiefe der geleis teten Ausschussarbeit können bereits anhand des Umfangs des Abschlussberichts ermessen werden. So umfasst allein der Hauptband 1 100 Seiten.
In der Hauptsache ist der Untersuchungsausschuss nochmals der Frage nachgegangen: Hatten die NSU-Terroristen Mund los und Böhnhardt örtliche Helfer oder Helfershelfer, oder wa ren gar islamistische Terroristen oder ausländische Sicher heitsdienste in das Tatgeschehen verwickelt, wie es teilweise vor allem in der Presse hartnäckig kolportiert wurde?
Zunächst möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen, dass an der Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt kein Zweifel be stehen kann. Die maßgeblichen Gesichtspunkte hat bereits der Vorgängerausschuss herausgearbeitet und in seinem Ab schlussbericht zusammengetragen. Infolge der Aufklärungen des Untersuchungsausschusses hatten sich Spekulationen als haltlos erwiesen, in den Anschlag könnten die sogenannte Sauerland-Gruppe oder gewissermaßen auf deren Fersen Ge heimdienste verstrickt gewesen sein.
Ein weiterer Schwerpunkt des Ausschusses war die Untersu chung, ob den NSU-Terroristen örtliche Unterstützungsstruk turen zugutekamen. Zwar ergab die Beweisaufnahme, dass das sogenannte Trio in den Neunzigerjahren eine Freundschaft mit Personen der rechtsextremen Szene in Ludwigsburg be gründet hatte. Es fanden ca. 30 Besuche des Trios in Ludwigs burg und Umgebung statt. So hielt sich Mundlos sogar noch im Jahr 2001 und damit nach dem ersten Mord des NSU in Ludwigsburg auf. Insofern ist es ein ganz fataler Fehler der Polizei in Thüringen gewesen, dass die Adressenliste des Herrn Mundlos, die in einer Garage gefunden wurde, mit den vier Namen, die darauf standen, nicht auch zum Landeskri minalamt des Landes Baden-Württemberg übermittelt wurde. Sonst hätte man Herrn Mundlos, der ja mit einem Haftbefehl gesucht wurde, durchaus in Ludwigsburg festnehmen können.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausschussarbeit war die Unter suchung, ob den NSU-Terroristen örtliche Unterstützungsak tionen und Unterstützungsstrukturen zukamen. Wie gesagt, das haben wir nicht festgestellt. Wir haben keine Helfer fest gestellt bzw. Unterstützungshandlungen aus Baden-Württem berg feststellen können, wenngleich – ich sage das ganz deut lich – solche auch nicht ausgeschlossen werden können; wir haben halt keine gefunden.
Den baden-württembergischen Stellen bei der Aufarbeitung des NSU kann man ein überwiegend positives Zeugnis aus stellen. Obgleich es Ermittlungsfehler gab, bestehen keine An haltspunkte, die klare Rückschlüsse auf die NSU-Täterschaft schon vor deren Bekanntwerden 2011 zugelassen hätten.
Ausführlich hat sich der Untersuchungsausschuss mit der rechtsextremen Musikszene befasst, insbesondere mit der im
Jahr 2000 verbotenen Organisation „Blood & Honour“ sowie der baden-württembergischen Rechtsrockband „Noie Werte“. Mit Titeln dieser Gruppe wurden frühere Versionen des NSUBekennervideos unterlegt. Derartige Musik ist eines der zen tralen Mittel der Szene zur Rekrutierung neuer Mitglieder, ins besondere junger Menschen, gleichsam die Einstiegsdroge.
Wir legen dem Landtag heute rund 30 Beschlussempfehlun gen vor, die im Übrigen einstimmig im Untersuchungsaus schuss beschlossen wurden. Ich möchte zwei davon hervor heben:
Erstens: Ausgehend vom gerade genannten Phänomen spezi fisch rechtsextremistischer Musik brauchen wir eine effizien te Bekämpfung dieser Szene. Die staatliche Einwirkung in re pressiver Hinsicht muss Hand in Hand gehen mit einer Fest legung der Rechtsextremismusprävention. Insofern soll ein „Aufbruch für Demokratie“ Kinder und Jugendliche gegen je de Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und ge gen autoritäre und totalitäre Einstellungen stärken. Die Ver mittlung demokratischer Werte ist das beste Mittel, um junge Menschen gegen rechtsextremistische Verlockungen zu im munisieren, meine Damen und Herren.
Ein Vorgang im Ausschussverfahren gibt aus unserer Sicht Anlass, das Untersuchungsausschussgesetz zu ändern. So las sen sich einige der bald nach dem Auffliegen des NSU 2011 aufgekommenen Spekulationen zur Anwesenheit von Sicher heitsbehörden auf der Theresienwiese auf den als Zeugen ver nommenen Reinhard K. zurückzuführen, der sich nach der Wertung des Ausschusses als vollständig unglaubwürdig er wiesen hat. Dieser Zeuge wurde während des laufenden Un tersuchungsverfahrens bei der AfD-Fraktion als parlamenta rischer Berater für ebendieses Verfahren angestellt,
was im Rahmen der Ausschussarbeit für einige Unruhe ge sorgt und uns auch viel Zeit gekostet hat. Insofern plädiert das Gremium dafür, dass derart persönlich beteiligte Personen künftig von einer Mitarbeit im Ausschuss ausgeschlossen wer den, wie dies in Bezug auf Abgeordnete bereits geltendes Recht ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, als ich am 18. Februar 2016 am Ende der Arbeit des Vorgän gerausschusses hier im Plenum stand, habe ich ausgeführt, dass vieles an die rechte Gewalt der Neunzigerjahre erinnert. Dieser Befund hat sich leider nicht grundlegend geändert.
Im vergangenen Jahr gab es bundesweit 1 130 rechts motivier te Gewaltdelikte. In Baden-Württemberg waren es immerhin 45. Damit scheint Baden-Württemberg im Bundesvergleich zwar eher – in Anführungszeichen – „gut dazustehen“. Jedoch ist jede dieser Gewalttaten eine zu viel.
Dass speziell das Thema Rechtsterrorismus mit dem NSU nicht Geschichte ist, haben mehrere Vorgänge aus der jünge ren Vergangenheit gezeigt. 2017 wurden die Führungsfiguren der „Oldschool Society“ wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Im Jahr 2018 wurden sieben Männer und eine Frau der „Gruppe Freital“ aus demselben Grund ver urteilt. Diese Gruppe hat fünf Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt. Die Terrorgruppe „Nordadler“, die konkrete Anschlagspläne hatte, wurde im Juni dieses Jah res ausgehoben. Erst vor zweieinhalb Monaten wurden sieben mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen, die sich zu ei ner Gruppe „Revolution Chemnitz“ zusammengetan hatten. In den Chatprotokollen war die Rede davon, dass der NSU im Vergleich zu „Revolution Chemnitz“ nur eine Kindergarten vorschulgruppe gewesen wäre.
Es scheint, als ob das Ende des NSU erst ein neuer Anfang gewesen sein könnte. Wenngleich dies im örtlichen Bereich keinen Schwerpunkt in Baden-Württemberg betraf, müssen wir weiterhin zusammenstehen und wachsam bleiben – für die Menschen in unserem Land. Denn wir wollen, dass jede Frau und jeder Mann überall bei uns sicher sein können und keine Angst haben müssen, ganz gleich, wie sie oder er aus sieht, ganz gleich, wo sie oder er herkommt, ganz gleich, was sie oder er glaubt, ganz gleich, wie stark oder schwach er oder sie ist.
Vielen Dank, Herr Abg. Drexler. – In der Aussprache hat jetzt für die Grünen Herr Abg. Filius das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Nach zweieinhalb Jahren Arbeit findet der Untersu chungsausschuss „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozi alistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fortsetzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Po lizeibeamten M. K. und M. A.“ mit der Abgabe des Berichts und der Handlungsempfehlungen seinen Abschluss.
Der heutige Bericht baut auf dem Vorgängerausschuss „NSU I“ in der vergangenen Legislaturperiode auf. Aufgrund des kur zen Zeitbudgets – der Herr Vorsitzende hat darauf schon hin gewiesen –, das uns im ersten Untersuchungsausschuss noch zur Verfügung stand, war für uns im zweiten Ausschuss ins besondere noch die mögliche Anwesenheit ausländischer Ge heimdienste auf der Theresienwiese zum Tatzeitpunkt abzu klären und die Funkzellenauswertung vorzunehmen.
Die Erkenntnisse des zweiten Untersuchungsausschusses be stätigen, was bereits festgestellt wurde. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos haben die junge Polizistin Michèle Kiesewet ter getötet und ihren Kollegen Martin A. schwer verletzt. Hier für sprechen klar diese Fakten – das möchte ich noch einmal in Erinnerung bringen –: die Registrierung des von ihnen ge mieteten Wohnmobils bei der Ringalarmfahndung in Obers tenfeld bei Heilbronn kurz nach der Tat am 25. April 2007, der Fund der Tatwaffen im Zwickauer Brandschutt, also in der Wohnung des Trios, der Fund der Dienstwaffen und anderer
Ausrüstungsgegenstände der Tatopfer im Wohnmobil in Eise nach, der Fund einer Jogginghose mit Blutantragungen von Michèle Kiesewetter und DNA-Spuren von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, das Bekennervideo des NSU und die Einlas sung von Beate Zschäpe vor dem OLG München.
Unter diesen Maßstäben besteht kein Zweifel daran, dass die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die jun ge Polizistin in ihrem Streifenwagen erschossen haben. Ich bin mir sicher, jedes Schwurgericht würde zu einer Verurtei lung kommen, würden Böhnhardt und Mundlos noch leben.
Möglicherweise waren weitere Personen beteiligt, hatte das NSU-Trio Mitwisser; vielleicht gab es weitere Unterstützer. Wir haben keine Beweise, aber schließen dies nicht aus. Zu mindest gehen wir davon aus, dass der NSU ein breites geis tiges Unterstützerumfeld zur Verfügung hatte.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte betonen: Ein Untersuchungsausschuss ist kein Er mittlungsgremium und kein Gericht. Unsere Aufgabe war es, die Arbeit der Polizei und des Verfassungsschutzes zu unter suchen. Im Vorgängerausschuss haben wir uns z. B. mit zwei baden-württembergischen Polizeibeamten beschäftigt, die beim Ku-Klux-Klan waren. Leider ist das hochaktuell, wie der Fall einer Gruppe von rechtsextremen Polizistinnen und Polizisten in Hessen zeigt. Diese sollen unter dem Namen NSU 2.0 eine Rechtsanwältin und einen Rechtsanwalt mit Mi grationshintergrund aus dem NSU-Komplex bedroht haben. Aus meiner Sicht ist das eine Botschaft der Bedrohung aller Menschen mit Migrationshintergrund und unserer Gesell schaft insgesamt, die wir auf das Schärfste verurteilen.
Eine besonders wichtige und zugleich erschreckende Erkennt nis war für uns, wie viel an rechtsextremem Gedankengut und rechtsextremer Musik in unserer Gesellschaft Platz gefunden hat. Tausende von Rechtsextremen treffen sich zu Konzerten, wo sie ihre menschenverachtenden Einstellungen in Worte fassen und laut und ohne jegliche Scham von sich geben. Hier müssen wir dringend gegensteuern.
Für uns ist klar, dass rechte Musik wie eine Art Strudel ist, der die Menschen in den Sog der rechtsextremen Szene hinein zieht.
Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, dass bereits in den Schulen Präventionsarbeit geleistet wird. Wir müssen die Ju gend in unserem Land demokratiefest machen. Politische Bil dung ist wichtiger denn je. Dies betrifft nicht nur die Schulen und die Jugendlichen, nein, vielmehr betrifft es unsere ganze Gesellschaft. Dazu gehören auch die Behörden. Für mich ist ganz klar: Die Sensibilisierung für Rechtsextremismus reicht von der Schule bis zur Demokratiebildung für Erwachsene.
Zur rechtsextremen Musik gehört auch die menschenverach tende Sprache. Zuerst steht der Gedanke, dann folgt das Wort
und dann schließlich die Tat. Daher ist es mir wichtig, dass Menschen für die Wirkung von Worten sensibilisiert werden und Begriffe kritisch hinterfragen.
Keinerlei Verständnis habe ich dafür, dass einige Politikerin nen und Politiker sich dafür einsetzen wollen, dass der § 130 StGB – Volksverhetzung – abgeschafft werden soll. Diese Strafnorm schützt die Menschenwürde vor böswilliger Ver ächtlichmachung. Ziel der Norm ist es, das friedliche Zusam menleben aller in unserem Land zu schützen. Mit der Abschaf fung wäre es möglich, alles erdenklich Menschenunwürdige in Worte zu packen. Diesen Gedanken finde ich einfach uner träglich.