Sprache ändert sich; das ist der Lauf der Zeit. Was wir jedoch zunehmend erleben, ist eine Verrohung der Sprache, vor al lem der öffentlichen Sprache. Dieser Verrohung müssen wir entgegenhalten. Worte können andere verletzen, auch wenn sie nicht strafbar sind. Meinungsfreiheit bedeutet für mich ei ne Sprache des Respekts,
die die Würde anderer achtet, selbst bei Zuspitzungen, auch und gerade im Parlament. Als Abgeordnete des Landtags tra gen wir eine besonders große Verantwortung.
Der zweite Untersuchungsausschuss NSU war wichtig. Seine Themen sind aktueller denn je. Rechtsextreme und rassisti sche Positionen sind teilweise in die Mitte der Gesellschaft eingezogen, beispielsweise auf der Straße in Chemnitz oder auch in Parlamenten. Deshalb haben wir aus dem Untersu chungsausschuss Konsequenzen gezogen, die ich Ihnen hier gern nochmals auch in einigen Stichworten nennen möchte.
Wir Grünen fordern ein wissenschaftliches Zentrum zur Er forschung und Dokumentation des Rechtsextremismus mit Sitz an einer Hochschule in Baden-Württemberg. Wir brau chen mehr wissenschaftliche Forschung zum Rechtsextremis mus, aber keinen Elfenbeinturm, sondern eine Institution, die sich mit zivilgesellschaftlichen Vereinen, mit staatlichen Ein richtungen, Behörden und Schulen vernetzt. Unser Ziel ist es, dadurch einen Blick von außen auf die Probleme zu erhalten und damit der eigenen Betriebsblindheit entgegenzuwirken.
Wir müssen außerdem den Kampf gegen rechte Einstiegsmög lichkeiten stärker angehen. Dazu zählen soziale Medien, In ternetseiten und rechtsextreme Musik, die in der Regel frei im Netz zur Verfügung stehen. Schnelle und einfache Lösungen gibt es leider nicht. Aber wir können Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Lehrerinnen und Lehrer sensibilisieren. Da zu müssen Schulen einen modernen Fokus auf das Thema Na tionalsozialismus im Unterricht legen. Das bedeutet, wir be nötigen eine Auseinandersetzung mit den Gefahren rechtsex tremer Medien und rechtsextremer Musik in den Schulklas sen – sprich: eine Art spezielle Unterrichtseinheit.
Zurzeit erarbeitet das Kultusministerium eine neue Leitpers pektive Demokratieerziehung, um die Bildungspläne in den Schulen zu ergänzen. Dabei muss die Auseinandersetzung mit rechtsextremer Musik eine zentrale Rolle spielen.
Wir fordern ein Verbot des Waffenbesitzes für Rechtsextre me. Per Erlass haben Sie, Herr Innenminister Strobl, im Janu ar 2017 dafür gesorgt, dass Waffenbehörden bekennenden Reichsbürgern die Waffenscheine entziehen können. Diese Regelung sollte auch auf bekannte Rechtsextreme konsequent angewandt werden. Wir bitten die Landesregierung, zu prü fen, wie der Entzug von Waffen besser umgesetzt werden kann, und sich auf Bundesebene für eine entsprechende Än derung des Waffenrechts einzusetzen.
Eine unserer Handlungsempfehlungen ist es auch, die Akten der baden-württembergischen Behörden zum NSU bis auf Weiteres nicht zu vernichten. Wir wissen, dass dies nur eine Ausnahme von den geltenden Regeln und Gesetzen sein kann. Die Ausnahme ist wichtig, da noch mehrere Ermittlungsver fahren und NSU-Untersuchungsausschüsse laufen. Daher soll te entsprechend verfahren werden.
Ich komme nunmehr zum Schluss. Der Ausschuss schließt sich der Bewertung des Untersuchungsausschusses „NSU I“ vollumfänglich an. Die Indizien, ja, die Fakten, die ich ein gangs erwähnt habe, sprechen eine klare Sprache.
Mein Dank geht insbesondere an die Mitglieder des Ausschus ses, die meiner Fraktion angehören – Susanne Bay, Petra Häff ner, Alexander Salomon –, an die parlamentarischen Berate rinnen und Berater sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitar beiter der grünen Fraktion.
Bedanken möchte ich mich aber ausdrücklich auch beim Un tersuchungsausschussbüro, beim Vorsitzenden Wolfgang Drex ler sowie bei den Obleuten von der CDU, Herrn von Eyb, von der SPD, Herrn Weirauch, und von der FDP/DVP, Herrn Wein mann, und bei allen, die mitgeholfen haben, unseren Auftrag entsprechend zu erfüllen.
Die Arbeit des zweiten Untersuchungsausschusses findet mit dem heutigen Tag ihren Abschluss. Wir geben den an uns übertragenen Untersuchungsauftrag an den Landtag zurück. Damit ist jedoch unser Eintreten gegen den Rechtsextremis mus nicht beendet. Das sind wir den Opfern und den Hinter bliebenen des NSU-Terrors schuldig.
Entsprechend dem Schlusssatz aus der Präambel unseres Ab schlussberichts müssen wir alles tun, damit sich derartige menschenverachtende Taten niemals wiederholen.
Sehr verehrte Frau Prä sidentin, sehr verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Das Thema passt so gar nicht in diese vorweihnachtliche Zeit.
Am 25. April 2007 erschütterte ein Verbrechen die Stadt Heil bronn, das Land Baden-Württemberg und die gesamte Bun desrepublik Deutschland. Am helllichten Tag wurde die Po lizistin Michèle Kiesewetter, gerade einmal 22 Jahre jung, auf der Theresienwiese tödlich niedergestreckt und ihr Kol lege Martin A. fast getötet. Wie durch ein Wunder überlebte er.
Vier Jahre lang hat es gedauert, bis Licht ins Dunkel kam. Am 4. November 2011 fand die Polizei im thüringischen Eisenach in einem ausgebrannten Wohnmobil die Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Im damaligen Brandschutt fand man dann auch die Dienstwaffen der beiden Heilbronner Be amten.
Endlich konnte nun eine Verbindung zwischen den neun frü heren Morden an Kleinunternehmern mit Migrationshinter grund und dem Verbrechen in Heilbronn, einem Anschlag auf die Polizei, hergestellt werden. Die Zuordnung dieser Verbre chen zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund, NSU – auch Bombenanschläge und Raubüberfälle waren da bei –, wurde der Öffentlichkeit erst in jenen damaligen Tagen bekannt.
Vor allem blieb die Frage: Wie war das möglich, am helllich ten Tag auf einem belebten Platz in einer Großstadt eine sol che Tat zu begehen, ohne Helfer oder direkte Tatzeugen? Spe kulationen schossen ins Kraut, diverse Verschwörungstheori en wurden befeuert und vieles für möglich gehalten.
Ich kann Sie heute aber alle beruhigen. Wir haben zwar in Ab gründe geblickt, nicht jedoch in Bezug auf die Arbeit von Po lizei, Verfassungsschutz oder anderen baden-württembergi schen Behörden.
Weit mehr als 5 000 Spuren wurde nachgegangen. Dabei kann nicht ausbleiben, dass man auch auf Fehler stößt. Nach Über zeugung des Ausschusses und auch nach meiner eigenen Überzeugung haben sich in der weiteren Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses weder ein strukturelles Behörden versagen in Baden-Württemberg noch grobe, unverzeihliche handwerkliche Fehler im Sinne eines gravierenden Fehlver haltens der ermittelnden Behörden ergeben. Das ist bereits ein beruhigendes Ergebnis.
Somit hat sich kein strukturelles Versagen offenbart, sondern allenfalls an wenigen Punkten ein individuelles. Ganz im Ge genteil, wir haben den vielen Beschäftigten zu danken, die en gagiert und ambitioniert fieberhaft daran gearbeitet haben, nach den gemeinen Mördern – dazu gehört auch Beate Zschäpe – zu suchen.
Das Parlament hat dem Untersuchungsausschuss „NSU BW II“ die Aufgabe übertragen, weiter aufzuklären, ob Anhaltspunkte für mögliche Hilfeleistungen für das Trio vorliegen. Uns be
schäftigte auch Abseitiges, etwa ob die Heilbronner Tat unter den Augen ausländischer Geheimdienste geschehen sei, ob vielleicht islamistische Dschihadisten dahintersteckten oder ob es gar – so wohl die Theorie der AfD-Fraktion – um ein Verbrechen aus den Reihen der Polizei selbst gehen könne. Es fällt schwer, sich dies anhören zu müssen, zumal es keine ver nünftigen Zweifel daran gibt, dass dieser Mordanschlag in Heilbronn von Böhnhardt und Mundlos begangen wurde. Auch der zweite Untersuchungsausschuss hat klar festgestellt – ich gebe das hier mit Erlaubnis der Präsidentin wieder –:
Im Ergebnis teilt der Ausschuss die Einschätzung des Ge neralbundesanwalts, dass die Tat nicht gegen M. K. oder M. A. persönlich, sondern gegen die Polizei als Reprä sentanten des Staates gerichtet war.
Es gibt keine Anhaltspunkte für rechtsextremistische Mörder aus den Reihen der Polizei. Wer daran jetzt, nach der Verneh mung von Dutzenden von Zeugen und nach Hunderten Stun den Beweisaufnahme beider Ausschüsse, noch zweifelt, der muss dafür andere Motive haben. Vielmehr gilt: Gute, solide Arbeit schlägt Verschwörungstheorien.
Der Ku-Klux-Klan ist zwar eine höchst unschöne Erschei nung, jedoch keine Bedrohung für uns. Auch fanden wir kei ne Hinweise auf ein gezieltes Zusammenwirken von NSU, Rockergruppen und organisierter Kriminalität, gerade keine strukturellen Überschneidungen oder festen Kooperationen, lediglich einzelne Berührungspunkte.
Allerdings blicken wir tatsächlich in einen Abgrund – Kolle ge Filius hat es beschrieben –, der uns sowohl erschreckt als auch sensibilisiert hat. Nahezu alle Personen aus der rechts extremen Szene, die wir hier in diesem Saal in öffentlicher Sitzung als Zeugen befragten, räumten ein, dass sie über so genannte rechte Musik in die Szene gelangten. Wer sich ein mal in diesem braunen Soziotop verfangen hat, kommt ohne Hilfe kaum mehr heraus.
Lassen Sie mich – erneut mit Erlaubnis der Präsidentin – den vom Sachverständigen Raabe angeführten, mittlerweile ver storbenen einflussreichen rechtsextremen Musiker Ian Stuart Donaldson zitieren:
Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den National sozialismus näherzubringen. Besser, als dies in politi schen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten keine Ahnung, was sich dort in dieser Szene genau abspielt. Da wird nicht et wa öffentlich auf ein Konzert hingewiesen, sondern man wird mit einer Kurznachricht oder sonst wie auf einen Parkplatz gelenkt, von dort fährt man ins nahe Ausland, und dort – in der Schweiz, in Frankreich oder wo auch immer – ist man nicht gehindert, sich entsprechend auszutoben. Hitlergruß, Ha kenkreuz, Hetzreden, alles ist möglich, auch das, was hier bei uns in Deutschland aus guten Gründen verboten ist.
Doch wo haben wir als Gesellschaft und als Politik versagt, dass es Menschen gibt, die sich dieser Geisteshaltung ver schrieben haben, die Menschen verherrlichen, die aller schwerste Verbrechen begangen haben? Woher nehmen sich Menschen heraus, zu entscheiden, ob andere Menschen leben dürfen oder nicht?
Mich hat besonders ein Umstand betroffen gemacht. In der Nachwendezeit der 1990er-Jahre hat das NSU-Trio in Thürin gen seine Radikalisierung vollzogen, ist in den Untergrund abgetaucht und hat die Mordserie begonnen. Deren geltend gemachte Orientierungslosigkeit in dieser Zeit wurde von ih nen als Grundlage verstanden, andere zu töten, statt die Chan cen einer freiheitlichen Gesellschaft zu nutzen.
Anders hingegen die ebenfalls aus Thüringen stammende Po lizistin Michèle Kiesewetter. Sie hat ihr Bundesland verlas sen, um die besseren Chancen bei der hiesigen Polizei zu er greifen. Sie ist von zu Hause weggegangen, um sich hier bei uns in Baden-Württemberg eine Existenz aufzubauen. Ihre Zukunftspläne waren auch Thema gerade an dem Tag, als die Mörderbande in der Mittagspause auf der Theresienwiese heimtückisch zuschlug.
Auch dieser Ausschuss hat keine Anhaltspunkte gefunden, dass sich Täter und Opfer aus Thüringen kannten. Ich emp finde es als sehr beklemmend, wenn ein Opfer seinen berufli chen und privaten Weg geht, Chancen nutzt und dann von Menschen, die nichts erreichen, nur ohne positive Ideen in den Tag hineinleben, getötet wird.
Woher kommt der abgrundtiefe Hass, der Böhnhardt und Mundlos getrieben hat? Es ist ein Hass gegen den demokra tischen Staat mit seinen Errungenschaften, zu denen auch Meinungsfreiheit und der Schutz von Minderheiten – hier: Mi granten – gehören. Außerhalb Baden-Württembergs wurden Menschen mit Migrationshintergrund zur Zielscheibe des ras sistisch geprägten Hasses dieses Trios. Bei uns hat es aus Staatsfeindlichkeit zwei junge Beamte getroffen.
Die Mörder mussten zudem auch feststellen, dass es alle ihre Opfer irgendwie geschafft hatten, sich ein respektables Leben und somit einen Platz in unserer Gesellschaft zu schaffen: als Ehemann, als Vater, als Kaufmann, als Freund, als Kollege, die junge Michèle gar als Polizeibeamtin, die uns allen in die ser Funktion in besonderem Maß dienen wollte.
Und die beiden Mörder vor Ort? Nichts ist ihnen in unserem freiheitlichen System gelungen. Statt zu arbeiten raubten sie lieber. Und am Ende der Strecke waren sie noch zu feige, sich der Verantwortung zu stellen.