Protokoll der Sitzung vom 20.12.2018

(Zuruf von der AfD)

Zu der Kritik, wir würden den in Bad Herrenalb geäußerten Bürgerwillen nicht achten:

(Abg. Anton Baron AfD: Doch! Genau das!)

Wenn Sie nicht – – Sie können nicht zugehört haben; Sie ha ben offensichtlich nicht zugehört. Denn wir haben uns wirk lich – das ist der Grund für die lange Bearbeitungszeit – Mü he gegeben, uns mit dem geäußerten Bürgerwillen auseinan derzusetzen, ihn zu würdigen, ihn abzuwägen, und zwar in ei ner Gründlichkeit, wie es sonst selten geschieht. Ich lasse den Vorwurf nicht stehen, wir würden den Bürgerwillen ignorie ren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen einfach sagen: Ich werde seit dem Bürgerentscheid in Bad Herrenalb relativ sel ten gefragt: „Wann macht ihr jetzt endlich den Kreiswechsel?“ Diese Frage kommt relativ selten.

(Abg. Anton Baron AfD: Ja, das erwarten Sie?)

Nein, ich werde selten gefragt: „Wann macht ihr das endlich?“ Die Frage an mich lautet eher: „Muss es wirklich sein? Kann es nicht doch bei Calw bleiben?“

Einen Aspekt, der bislang im Verfahren kaum betrachtet wur de und nur selten eine Rolle gespielt hat, hat Herr Kollege Hinderer heute dankenswerterweise aufgebracht – lieber Kol lege Hinderer, vielen Dank –:

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Genau gelesen!)

Man muss sich das Ergebnis des Bürgerentscheids schon ge nau anschauen. Es war eine relativ deutliche Mehrheit für den Kreiswechsel in der Kernstadt von Bad Herrenalb,

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Richtig!)

und es war eine überdeutliche Mehrheit gegen einen Kreis wechsel in den Teilorten Neusatz und Rotensol,

(Abg. Bernd Gögel AfD: Der Naturpark war ähnlich!)

und zwar bis zu zwei Dritteln. Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt den Kreiswechsel machten, würde das eine neue Spaltung in die Stadt hineinbringen, die wir gerade nicht wollen. Ich habe Briefe von Bürgern aus Neusatz und aus Ro tensol erhalten, die mich fragen: „Wie können wir aus der Stadt heraus, wenn die Stadt aus dem Kreis rausgeht? – Das wollen wir nicht; das kann niemand wollen.“ Das ist also ein weiterer Aspekt, den wir mit beachten müssen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, ich appelliere an uns alle, auch an die Vertreter der Bürgerinitiative – bei denen ich akzeptiere, wenn sie enttäuscht sind –: Schauen wir jetzt nach vorn! Wir müssen gemeinsam die gesamte Region voranbringen. Die Bürgerinnen und Bürger treiben ganz andere Fragen um, und um die müssen wir uns kümmern.

Wer von Karlsruhe nach Bad Herrenalb zieht – ein solcher Umzug freut uns sehr, und derjenige ist uns herzlich willkom men –, der kann nun aufgrund von Rechtsänderungen auf Bundesebene auch gern sein „KA“-Kennzeichen behalten. Das „CW“-Kennzeichen ist aber auch sehr schön. – Das kann also alles geregelt werden.

Schauen wir nach vorn, meine Damen und Herren! Die Tou rismusregion Nordschwarzwald und die Technologieregion Mittlerer Oberrhein befruchten sich gegenseitig, und Bad Her renalb führt beide zusammen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion spricht noch mal Herr Abg. Dr. Balzer.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Sag noch mal was zum Na turpark! Da waren genauso katastrophale Ergebnisse!)

In aller Deutlichkeit möchte ich doch darauf hinweisen, dass in meiner Rede nicht die lan ge Bearbeitungszeit, die man sicher hinterfragen kann, die aber auch begründbar ist, im Vordergrund stand. Im Vorder grund stand das Referendum. Da darf man schon fragen – auch beim Nationalpark kam es zu einem knappen Ergebnis –, inwieweit man wirklich dem Bürgerwillen gerecht wird. Das ist eigentlich der Kern der Debatte. Das hatte ich gründ lich auszuführen versucht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf: Da gab es kein knappes Ergebnis! – Gegenruf der Abg. Bea te Böhlen GRÜNE: Nein! – Abg. Thomas Blenke CDU: Thema verfehlt!)

Wünscht die FDP/DVP noch einmal das Wort? – Dann hat Herr Abg. Dr. Fiechtner das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Wie halte ich es mit dem Bürgerwillen? Das war heute zwei mal Thema dieser Plenarsitzung. Wie viel Einfluss und Macht spricht sich dieser Landtag im Vergleich zu dem, was die Bür ger klar entscheiden, zu? Im Fall Reutlingen wurde in meinen Augen eine klare Fehlentscheidung getroffen, denn die Be schlusslage der Stadt war sehr eindeutig. Man hat aufgrund irgendwelcher Wolken verfassungsgemäßer Art den Bürger willen der Reutlinger abgelehnt.

Man bemüht gern Gründe des öffentlichen Wohls, einen der flexibelsten und nebulösesten Begriffe überhaupt, um alle Ent scheidungen dafür oder dagegen begründen zu können. Man bemüht die Gefahr eines Präzedenzfalls. Mein Gott, wenn die Bürger jetzt anfangen, ihre Angelegenheiten unabhängiger re geln zu wollen, sollen sie das doch tun. Man hat Angst und bemüht das Argument knapper Entscheidungen. Man sagt: „Die Entscheidung war so knapp, dass sie gar nicht repräsen tativ war.“ Dann muss ich die CDU fragen: Die Entscheidung über Ihren Parteivorsitz war äußerst knapp. Soll man sie viel leicht rückgängig machen? Ich würde das sehr begrüßen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Thomas Blenke CDU: Ich habe doch gesagt, auch knappe Ent scheidungen sind enthalten!)

Auch knappe Entscheidungen gelten. Herr Blenke, auch wenn Sie gegen die AfD argumentieren, würde ich mir wün schen, dass weniger Polemik aus den Reihen der CDU kommt. Die kommt Ihnen gar nicht zupass.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Ba ron AfD: Sehr gut!)

Argumentieren Sie doch auf der Sachebene. Gegen die Argu mentation der AfD könnte man doch ganz einfach so ähnlich vorgehen wie bei den Fehlgriffen des Migrationspakts. Eine Mehrheit in Bad Herrenalb will den Kreis Calw verlassen und in den Kreis Karlsruhe übertreten, aber der Kreis Karlsruhe will das nicht. Das ist doch der einfachste Grund, und das ist so ähnlich wie beim Migrationspakt: Viele Leute wollen wan dern und nach Deutschland kommen, aber ich als Bürger sa

ge: Wir wollen euch nicht. Genauso konsequent muss man es auch an dieser Stelle handhaben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Her ren, ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Große Anfrage besprochen.

Wir haben noch über den Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU, Drucksache 16/5411, abzustimmen. Sind die Antragsteller damit einverstanden, dass ich diesen Antrag insgesamt zur Abstimmung stelle? – Das ist der Fall.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzei chen. – Danke schön. Wer ist dagegen? – Danke. Wer enthält sich? – Danke schön. Damit ist dem Antrag Drucksache 16/5411 mehrheitlich zugestimmt.

Wir haben damit Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss mit dem Ti tel „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozialistischen Un tergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fortsetzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Polizeibeamten M. K. und M. A. (Rechtsterrorismus/NSU BW II)“ – das ist der Kurztitel – hat jetzt seine Arbeit beendet und mit seinem Schaffen einen wichtigen Beitrag zur weiteren Aufklärung der Hintergründe des schrecklichen Attentats vom 25. April 2007 auf der Heilbronner Theresienwiese geleistet. Damals wie heute sind wir von diesem schlimmen Verbrechen, welches an den beiden Polizeibeamten verübt worden ist, zutiefst betrof fen. Die Bestürzung und das Entsetzen halten weiter an. Wir geben dem Terror nicht nach und treten ihm entschieden auch dadurch entgegen, dass wir gemeinsam der Opfer gedenken und den Hinterbliebenen zur Seite stehen.

Bevor wir uns nun im nächsten Tagesordnungspunkt mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses, die zusammen gefasst drei Bände ausmachen, befassen wollen, möchte ich Sie daher bitten, einen Moment des Gedenkens und des Schweigens einzulegen.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Wir wollen in diesem Moment der Stille der Opfer der Terror gruppe Nationalsozialistischer Untergrund erinnern und un sere Solidarität mit den Verletzten und Hinterbliebenen zum Ausdruck bringen. In Gedanken sind wir bei den Opfern, ih ren Familienangehörigen, ihren Freunden und Bekannten. Ih nen allen gehört unser Mitgefühl.

Ich danke Ihnen.

(Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Bericht und Beschlussempfehlung des Untersuchungsaus schusses „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozialisti schen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fortsetzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Polizeibeamten M. K. und M. A. (Rechtsterrorismus/NSU BW II)“ – Drucksache 16/5250

Berichterstatter: Abg. Jürgen Filius, Abg. Dr. Boris Wei rauch

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Einbringung und Vorstellung des Be richts durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zehn Minuten, für die Aussprache über den Bericht und die Beschlussempfehlung des Untersuchungsausschusses zehn Minuten je Fraktion.

Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses erhält zu nächst Herr Abg. Wolfgang Drexler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren! Am 20. Juli 2016 wurde der Untersuchungsausschuss „Rechts terrorismus/NSU BW II“ eingesetzt, nachdem der vorange gangene Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturpe riode aus Zeitgründen nicht alle aufgeworfenen Fragen ab schließend behandeln konnte.