Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Der englische Humor hat dafür ein schönes Bild, wenn er ziemlich trocken feststellt: „Wenn du nicht am Tisch sitzt, stehst du auf der Speisekarte.“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Ein solcher Satz zeigt, welch ein Drama sich beim Brexit ab spielt.

(Zuruf: Nein!)

Dies ist die schlimmste politische und wirtschaftliche Selbst verstümmelung, der sich ein europäisches Land in Friedens zeiten nun selbst ausgeliefert hat. Das aktuelle Chaos zeigt doch: Die Brexiteers haben das Land auf ein ganz falsches Gleis gesetzt. Sie rennen einer Schimäre nach. Sie vergeuden damit Jahre, und das in einer Welt mit revolutionären Umbrü chen, in der jedes Jahr, jeder Monat kostbar ist. In den Ge schichtsbüchern wird einmal stehen: ein verlorenes Jahrzehnt für Großbritannien und ein schwieriges für die EU.

All jenen bei uns im Land, die sich das britische Chaos zum Vorbild nehmen und mit einem „Dexit“ liebäugeln, sage ich: Wer so etwas anstrebt, der ist kein Patriot, sondern ein politi scher Hasardeur.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Er hat die verflochtene Welt von heute nicht verstanden und setzt Frieden, Freiheit und Wohlstand aufs Spiel.

Diese Einsicht müssen wir heute besonders betonen, denn wir stehen vor Wahlen zum Europäischen Parlament. Das werden die wichtigsten Europawahlen, die es bisher gab.

(Zuruf von der AfD)

Denn es geht um eine Richtungsentscheidung: Wollen wir das vereinte Europa erneuern, oder wollen wir einen Rückfall in das alte Europa, in das Europa von Krieg, Konflikten und Ka nonen?

(Abg. Anton Baron AfD: Solche Horrorszenarien hier malen!)

Deshalb appelliere ich an alle Demokraten: Lassen Sie uns einmütig vor die Bürgerinnen und Bürger treten. Lassen Sie uns eine neue Leidenschaft für die europäische Idee weiter tragen – mit einem klaren Ja zu Europa.

In Baden-Württemberg stehen wir für ein starkes Europa. Die Landesregierung hat das in ihrem Leitbild dargelegt. Es liegt an uns allen, Europa verantwortlich zu gestalten und für ein erneuertes, vereintes Europa zu kämpfen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU – Beifall des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungsinformation hat das Prä sidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Aussprache erteile ich nach § 83 a Absatz 3 der Ge schäftsordnung für die AfD-Fraktion Herrn Fraktionsvorsit zenden Gögel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Ihr Leitbild für das Land Baden-Württemberg zu Europa haben wir vernom men; das kannten wir auch zuvor schon. Lassen Sie mich des halb versuchen, zu erklären, wie das Leitbild vieler anderer Bürger in Deutschland und Europa aussieht.

Sie haben die Präambel der Verfassung des Landes BadenWürttemberg kurz gestreift; das möchte auch ich mir erlau ben. Da gibt es eine Ergänzung, die Sie nicht erwähnt haben. Ich zitiere:

... dieses demokratische Land als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland in einem vereinten Europa, dessen Aufbau föderativen Prinzipien und dem Grundsatz der Subsidiarität entspricht, zu gestalten...

(Beifall bei der AfD)

Ich frage mich nun, meine Damen und Herren, ob das Subsi diaritätsprinzip in unserem Land überhaupt in irgendeiner Weise Anwendung findet.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Damit für die Bürger unseres Landes die Freiheit und der Wohlstand erhalten bleiben, muss diese EU von Grund auf re formiert werden.

(Beifall bei der AfD)

Wir wollen ein Europa der Vaterländer, eine europäische Ge meinschaft souveräner Staaten, die zum Wohle ihrer Bürger in all jenen Angelegenheiten zusammenwirken, die gemein sam besser erledigt werden können –

(Beifall bei der AfD)

allerdings nur dann, wenn die Mitgliedsstaaten dabei ihre Sou veränität beibehalten.

Wir, die AfD, wollen Europa. Wir sind pro Europa, jedoch nicht in diesem aktuellen Zustand.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der SPD)

Wir wollen, dass die EU-Institutionen und EU-Organe eine unterstützende Funktion haben. Nur dann, wenn eine Prob lemlösung auf der nationalen Ebene mit erheblichen Hürden verbunden wäre, dürfen höhere Ebenen der supranationalen Organe der EU-Institutionen eingreifen, und zwar nur subsi diär, sprich unterstützend, und nicht mit gesetzgebender Ge walt.

(Beifall bei der AfD)

Wir werden nicht zulassen, dass ein Brüsseler eurokratisches Monster unsere eigenen Kompetenzen und Entscheidungen übernimmt, diese lenkt und steuert – zuungunsten der Bürger in Europa.

Meine Damen und Herren, die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder muss gesichert werden. Die AfD-Wähler wollen für die nächsten Generationen nicht weniger, sondern mehr Demokratie. Hören Sie zu: mehr Demokratie!

(Beifall bei der AfD)

Sie sind lediglich mit dem heutigen Zustand der Demokratie in Deutschland und Europa völlig unzufrieden.

(Zuruf von den Grünen: Das kann ich mir vorstellen!)

Diese muss unbedingt durch die Herbeiführung von Volksent scheiden ergänzt werden. Den Bürgern, meine Damen und Herren, muss vermittelt werden, dass sie in der demokrati schen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts bei politischen Ent scheidungen zu existenziellen Themen mitentscheiden dürfen und sollen.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo!)

Wir wollen ihren Bedürfnissen nachkommen, und für schnel lere Änderungen in dieser Hinsicht setzen wir uns mit unse rer zukünftigen liberal-konservativen Fraktion im Europapar lament ein.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Liberal“!)

Dies ist unser Leitbildprozess auf dem Weg zu einem gut funk tionierenden Europa, meine Damen und Herren.

Die Bürger in unserem Land haben nicht einmal die Gelegen heit, sich an den politischen Entscheidungen zu beteiligen und unsere Politik mitzugestalten. Sie verspüren, dass die heutige Politik an ihnen vorbei gemacht wird, hinter ihrem Rücken. Ich frage Sie: Wo ist die öffentliche Transparenz?

(Beifall bei der AfD)

Das zeigt sich beispielhaft an dem Vertrag von Aachen, der gestern, am 22. Januar 2019, von unserer Bundeskanzlerin, Frau Merkel, und dem französischen Präsidenten Macron un terzeichnet wurde. Was wissen eigentlich die Bürger in unse

rem Land über den Inhalt dieses Vertrags, der erst vor zwei Tagen veröffentlicht wurde?

(Zuruf von der AfD: Nichts! Gar nichts!)

Es ist traurig: überhaupt nichts. In Artikel 4 Absatz 1 und Ab satz 4 des Aachener Vertrags geht es um gegenseitige deutschfranzösische Verpflichtungen im Rahmen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die beide Staaten absolut abhängig von einander machen.

Außerdem wird noch ein Verteidigungs- und Sicherheitsrat als politisches Steuerungsorgan eingerichtet. Der Rat beschließt dann über Regierungen hinweg, meine Damen und Herren.

Artikel 4 des Aachener Vertrags ist ein Türöffner für neue, fragwürdige Auslandseinsätze in Afrika, wo Frankreich im mer noch seine Interessen hat.