Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Carola Wolle AfD: Reformen! – Abg. Dr. Rai ner Podeswa AfD: Argumente! – Zuruf von der AfD: So ein Unsinn! – Weitere Zurufe)

Denn es ist doch pervers: Sie wollen sich ins Europäische Par lament wählen lassen, um gerade dieses Parlament abzuschaf fen.

(Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD)

Das ist doch pervers, Herr Gögel. Sie wollen spalten und zer stören.

(Zuruf von der AfD)

Sie wenden sich damit gegen unsere Verfassung. Wir dagegen stehen für die Stärkung des Europäischen Parlaments. Es soll der zentrale Ort der europäischen Entscheidungen werden. Wir wollen es daher stärken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ihre Analyse und die Prozentzahlen gehen natürlich wieder einmal an den Fakten vorbei, Herr Kollege.

(Abg. Anton Baron AfD: Ah!)

Denn 81 % der Deutschen sprechen sich klar für Europa aus, und auch in der Europäischen Union liegt die Zustimmung auf dem höchsten Wert seit 25 Jahren: bei zwei Dritteln. Das ist eine gute Nachricht. Das ist eine stabile Grundlage, um Eu ropa zu festigen und seinen Status in der Welt auszubauen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir begrüßen ausdrücklich, Herr Ministerpräsident, den Eu ropadialogprozess. Denn kein anderes Bundesland hat sich so engagiert und entschlossen mit der Zukunft Europas ausein andergesetzt wie Baden-Württemberg. Sie haben es gesagt: Europa ist für uns Staatsräson. Wir, das Land, wollen unseren Teil in einem vereinten Europa mitgestalten.

Deswegen sind wir auch froh, dass Sie die Ideen der Bürge rinnen und Bürger aus Baden-Württemberg in Brüssel vorge tragen haben. Damit ist klar: Baden-Württemberg ist in Brüs sel stark und hörbar vertreten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle auf drei Anliegen hinweisen – drei Anliegen aus dem Leitbild, die uns besonders wichtig sind:

Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft und damit viel mehr als eine reine Wirtschaftsunion. Die Gesellschafts modelle der Mitgliedsstaaten gründen auf der Achtung der Menschenwürde, auf Freiheit, Gleichheit, Demokratie, Rechts staatlichkeit, Solidarität, auf der Wahrung der Menschenrech te und der Rechte von Minderheiten. Dies müssen wir immer wieder neu vermitteln und einfordern. Die Europäische Uni on muss ihre Werte weltweit verteidigen und sie in ihrer Au ßen- und Sicherheitspolitik selbstbewusst und mit einer Stim me vertreten.

Als globale Wirtschaftsmacht kann die Europäische Union ih re ökologischen und sozialen Standards zum Maßstab von Handelsverträgen machen. Sie muss dieses Potenzial noch stärker als bisher einsetzen, und zwar so, dass diese Standards nach innen transparent und demokratisch legitimiert werden.

Der zweite Punkt, der uns wichtig ist: Subsidiarität ist der ent scheidende Maßstab für die Verteilung von Aufgaben in der EU. Die EU ist nach dem Subsidiaritätsprinzip von unten nach oben aufgebaut. Starke Städte und Gemeinden, Landkreise und Regionen sind die dem Bürger nächsten Einheiten. Sie sind das Fundament Europas.

Eine funktionierende Daseinsvorsorge in kommunaler Hand sichert die Lebensqualität der Bürger und trägt zum sozialen Zusammenhalt bei. Dies darf auch in Zukunft nicht durch EUVorgaben oder internationale Handelsabkommen eingeschränkt werden. Die kommunale Selbstbestimmung muss ein fester Bestandteil in einem vereinten Europa bleiben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Der dritte Punkt, der für meine Fraktion, für die grüne Land tagsfraktion wesentlich ist, betrifft die Anstrengungen der EU zur Bewahrung der Schöpfung und der natürlichen Lebens grundlagen. Denn globale Herausforderungen wie der Klima wandel, das weltweite Artensterben, der zunehmende Res sourcenverbrauch und die Verschmutzung der Meere, Flüsse und Gewässer erfordern ein gemeinsames und entschlossenes Handeln, und zwar heute, bei uns in Europa und weltweit. Das wollen wir der Europäischen Union mitgeben. Das ist eine wichtige Zukunftsaufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Europa ein Erfolgsprojekt bleibt; denn nur mit einer starken Europäischen Union, mit starken Mitgliedsstaaten und unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger, die den Mehrwert Europas in ih rem Alltag spüren, werden wir die europäische und damit die globale Zukunft weiterhin nachhaltig gestalten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Reinhart das Wort.

Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg liegt mitten im Herzen von Europa. Unser Land ist europäische Re gion par excellence. Baden-Württemberg ist die einzige Re gion Europas, die gleichermaßen an den beiden großen euro päischen Strömen Rhein und Donau liegt. Wir sind ganz eng mit Europa verflochten, und zwar wirtschaftlich, politisch, kulturell und vor allem auch von Mensch zu Mensch. Unser Wohlstand und unsere Zukunft hängen direkt von Europa ab. Wir wollen, dass das auch in Zukunft bei uns so bleibt, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Baden-Württemberg exportiert Waren im Wert von über 100 Milliarden € pro Jahr in die EU-Länder. Es ist nicht nur die se abstrakte Zahl, es sind die ganz konkreten Geschäftsmo delle der Unternehmen in unserem Land, ihre Lieferketten, Absatzchancen und Arbeitsplätze im Land, die nur Europa si chern kann. Jeder dritte Arbeitsplatz bei uns hängt vom Ex port in die Europäische Union ab.

Europa ist ökonomische Realität, aber auch politische Not wendigkeit. Daran kommt niemand vorbei. Gerade wir Ba den-Württemberger brauchen Europa; denn wir sind die größ ten Gewinner dieser europäischen Einigung. Das ist – das wurde zu Recht gesagt – Staatsräson und Verfassungsauftrag zugleich. Das hält auch dieses Europaleitbild zutreffend fest.

Erwin Teufel hat es einmal so formuliert:

Jeder Deutsche, der bei Verstand ist, ist Europäer.

Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Antoine de Saint-Exupéry hat in seinem „Le Petit Prince“ ge sagt:

Man sieht nur mit dem Herzen gut.

Europa ist für uns Baden-Württemberger auch eine Sache des Herzens.

(Abg. Willi Stächele CDU: Ja!)

Wir pflegen eine enge Partnerschaft mit Frankreich. Gestern wurde der Elysée-Vertrag unterzeichnet. Der Ministerpräsi dent hat vorhin zu Recht Macron zitiert:

Europa ist der Schutzschild unserer Völker gegen die neu en Stürme in der Welt.

Wenn wir diesen Satz heute lesen, dann erinnert uns das auch zutiefst an europäische Geschichte, nämlich an die Geschich te des Bodenseeraums, des Donauraums, und an die unzähli gen Städtepartnerschaften.

All das ist weithin gelebte europäische Wirklichkeit in unse rem Land. Wir sind stolz auf diese europäische Identität, auf

dieses Lebensgefühl, und wir wollen, dass Baden-Württem berg eine starke Region in einem starken Europa bleibt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Richtig ist – es wurde angesprochen –: Europa geht momen tan auch durch eine Phase der Bewährung; der Ministerpräsi dent hat das beschrieben. Dabei sehen wir: Das große Frie dens- und Freiheitsversprechen der europäischen Integration hat an Strahlkraft verloren. Die politische Vision der Einigung Europas reicht für viele europäische Bürger als Rechtfertigung für europäisches Handeln nicht mehr aus. Freizügigkeit und Rechtssicherheit in ganz Europa, das ist mittlerweile vielen selbstverständlich geworden. Ich sehe übrigens die größte Ge fahr heutzutage in der Gleichgültigkeit gegenüber Europa.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Umso wichtiger ist es, unser Bild von Europa zu schärfen, un sere Erwartungen an Europa zu ordnen und uns unserer Rol le in Europa neu zu vergewissern.

Deshalb danke ich im Namen der CDU-Fraktion dem Minis terpräsidenten und dem Europaminister für die Initiative zu diesem Europaleitbild und für diesen landesweiten Dialogpro zess, an dem ja auch Kollegen unserer Fraktion gern mitgear beitet haben.

Beides macht deutlich: Baden-Württemberg denkt europäisch, und es bringt sich als europäische Region engagiert ein. Das sind wichtige Botschaften, die wir hinaus nach Europa, aber auch hinein in unser Land schicken. Sie helfen, mehr Akzep tanz, mehr Legitimation und vor allem mehr Begeisterung für Europa zu schaffen, und darauf kommt es an.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Hierfür steht auch der Europaausschuss, den dieses Parlament seinerzeit eingerichtet hat; der Vorsitzende des Europaaus schusses ist hier. Das Ressort war früher dem Ständigen Aus schuss angegliedert. Wir wollten durch die Bildung eines ei genen Ausschusses der besonderen Bedeutung Europas für unser Land Rechnung tragen.