Hierfür steht auch der Europaausschuss, den dieses Parlament seinerzeit eingerichtet hat; der Vorsitzende des Europaaus schusses ist hier. Das Ressort war früher dem Ständigen Aus schuss angegliedert. Wir wollten durch die Bildung eines ei genen Ausschusses der besonderen Bedeutung Europas für unser Land Rechnung tragen.
Vielleicht war Europa noch nie so gefragt und gefordert wie heute. Es muss Antworten geben auf die großen Probleme in der Welt wie Migration, Terror, Umweltschutz, aber auch Si cherheit und Finanzmärkte, um nur einige zu nennen. Europa muss, wie der Ministerpräsident angesprochen hat, Gestal tungsaufgaben wie die Digitalisierung angehen.
Die Welt ist doch ein Dorf geworden. Wir alle wollen, dass Baden-Württemberg nicht nur Innovationsregion Nummer 1 in Europa ist, sondern dies auch in Zukunft bleibt. Darauf muss es ankommen.
Dabei ist klar: Nur gemeinsam können wir künftig noch im Konzert der Großen mitspielen. Denn im Weltorchester von demnächst acht Milliarden Menschen wird selbst Deutschland gerade noch eines von 100 Orchestermitgliedern stellen. Da ist schon die Frage: Spielen wir noch die erste Geige, oder schlagen wir in Zukunft nur noch die Triangel von ganz hin ten?
Deshalb gilt: Nur ein einiges Europa wird in der zukünftigen Weltordnung zwischen Amerika und Asien überhaupt noch ei ne Rolle spielen können. Nur in einer handlungsfähigen Uni on werden die europäischen Nationen auch in einer Welt hör bar bleiben, in der 90 % der Menschen eben keine Europäer sein werden.
Wir brauchen Europa für die Sicherheit in der Welt. Wir brau chen Europa für den Schutz unserer Grenzen. Wir brauchen Europa als Förderer der Groß- und auch der Spitzenforschung. Wir brauchen Europa im Kampf für den Freihandel. Deshalb will ich unterstreichen: Mit Abschottung oder gar mit Popu lismus, Protektionismus oder Nationalismus werden wir die Probleme der Zukunft nicht lösen können.
Es wurde vom Kollegen Schwarz zu Recht angesprochen: Das Brexit-Abenteuer ist doch ein warnendes Beispiel. Es hinter lässt am Ende nur Verlierer und nur Chaos.
Schon jetzt kostet der Brexit die Briten in jeder Sekunde rund 1 000 Pfund. Der Weg hinaus aus Europa ist ein Irrweg. In ei ner globalen Welt – die Welt ist ein Dorf geworden – ist Eu ropa mehr denn je gefordert. Es ist unsere Zukunft.
Herr Kollege Gögel, Ihr Bundesvorsitzender Meuthen hat heu te wieder weltöffentlich verkündet: Man braucht kein Euro paparlament mehr. Sie sprechen davon, Sie wollten mehr De mokratie. Ein Parlament abzuschaffen heißt weniger Demo kratie und nicht mehr Demokratie.
Ich will aber auch sagen: Europa kann sich nur gesund entwi ckeln als Europa von unten. Da gibt es überhaupt keinen Ge gensatz. Europa – das unterstreicht auch das Leitbild mit Recht – wird nicht stärker, wenn wir einfach immer noch mehr Aufgaben zentralisieren oder gar vergemeinschaften. Ein ge meinsames Europa kann nur erfolgreich sein im Respekt vor nationalen und regionalen Kompetenzen und Eigenheiten. Auch das ist uns wichtig.
Das betrifft aus unserer Sicht auch unsere Besonderheiten – der Ministerpräsident hat sie angesprochen –, seien es unsere soliden Sparkassen, seien es unsere Genossenschaftsbanken, oder sei es die kommunale Selbstverwaltung mit ihrer Was serversorgung. Auch das ist uns wichtig. Wir wollen Europa von unten, ein subsidiäres und ein transparentes Europa.
Europa muss nicht immer mehr, sondern es muss das Richti ge machen. Darauf wird es ankommen. Es darf nicht zur tech nokratischen Routine erstarren. Es darf sich nicht erschöpfen
mit Quisquilien oder Detailvorgaben. Auch für Europa muss gelten: Jede Aufgabe muss dort erfüllt werden, wo sie besser, billiger und bürgernäher erfüllt werden kann. Wir wollen ein Europa mit klar geordneten Zuständigkeiten. Wir wollen ein subsidiäres, ein transparentes, ein schlankes und vor allem ein bürgernahes Europa. Das ist uns wichtig.
Gerade wir im Land haben die Chance und die Aufgabe, das Europa von unten zu leben. Wir sind diejenigen, die das eu ropäische Wurzelwerk stärken. Ich nenne die kleine Außen politik, die internationale Zusammenarbeit, auch solche Pro jekte wie das Leitbild. Denn so funktioniert Europa. So wird sein Mehrwert auch ganz konkret erlebbar, und das muss un ser Ziel sein.
Heimat und Europa schließen sich eben nicht aus. Heimatver bunden und weltoffen zu sein ist kein Gegensatz – ganz im Gegenteil!
Deshalb ist es wichtig, dass auch der neue Elysée-Vertrag, der gestern unterzeichnet wurde, eine starke, ausdrücklich regio nale Perspektive enthält. Die Kanzlerin sagte gestern zu Recht, dass dieser Vertrag und die deutsch-französische Freundschaft Taktgeber für die Europäische Union sein sollen – gerade die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor Ort und auch die Trinationale Metropolregion; die Beispiele wurden angespro chen.
Ich will an dieser Stelle abschließend erwähnen: Wir haben im Land Baden-Württemberg über 400 Städtepartnerschaften mit Frankreich. Die deutsch-französische Aussöhnung ist ein Erfolgsmodell, das wir in der längsten Friedenszeit der mo dernen Geschichte leben dürfen. Dafür müssen wir gerade an einem solchen Tag dankbar sein.
Wir wollen deshalb Europa auch Respekt zollen. Europa wird blühen, wenn es den Kräften der Spaltung und des Nationa lismus ein Europa der Regionen entgegensetzt. Wir haben Raum und Respekt für Verschiedenheit.
Wir, die Union, verstehen uns seit unserer Gründung auch als Europapartei. Wir sagen aus Überzeugung Ja zu Europa. Wir sehen in Europa nicht das Ende, sondern die Zukunft der eu ropäischen Nationen und Regionen. Wir sehen, wie Europa allen Europäern nützt: freies Reisen, bezahlen mit der gemein samen Währung, studieren und arbeiten ohne Grenzen, euro päische Bürger- und Verbraucherrechte, Wohlstand und Frie den.
Deshalb, meine Damen und Herren: Das Europa von heute ist sicher nicht frei von Fehlern, aber es ist im Grunde genom men das beste Europa aller Zeiten.
Als Adenauer und de Gaulle damals den ersten Elysée-Ver trag unterzeichnet haben, hat Adenauer gesagt:
Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wur de eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendig keit für uns alle.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Ich denke, in dieser Aussprache über die Regierungsinformation von Ministerpräsident Kretschmann wird eines klar: Als Demokraten sind wir uns einig, dass Eu ropa gut und nötig ist. Wir sind uns einig: Europa ist nicht das Problem, Europa ist die Lösung vieler Probleme dieser Zeit.
Wir sind uns auch einig: Wir müssen dieses Europa verteidi gen. Wir müssen es verteidigen gegen Nationalisten und Spal ter, die dieses Europa ruinieren wollen.
Wir sind uns auch einig, denke ich, dass unser Land nur dann eine Zukunft in und mit Europa haben kann, wenn wir uns ak tiv in dieses Europa einbringen. Es wird nicht reichen, nur neutral an der Seite zu stehen.
Es wird nicht reichen, nur bewahren zu wollen. Europa muss auch aus den Regionen dieses Europas aktiv gestaltet werden. Das muss der Anspruch eines Landes Baden-Württemberg sein, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Die europäische Einigung wurde bestimmt nicht durch eine Haltung geschaffen, bei der alle auf dem Status quo beharrten. Unser heutiges Europa ist aus Überzeugung und Begeisterung entstanden und eben nicht aus Furcht. Genau das müssen wir uns alle ins Stammbuch schreiben.
Die europäische Idee bewahren zu wollen reicht nicht aus. Wenn Europa weiterleben soll, wenn die Menschen in diesem Europa Sinn und Zukunft sehen sollen, müssen wir dieses Eu ropa weiterentwickeln. Hier lässt die Landesregierung leider wieder einmal vieles vermissen. Denn sie verharrt wieder ein mal im Beschreibenden und Bewahrenden, ist zaudernd, wo sie innovativ sein müsste. Um eine große und großartige Idee wie Europa voranzubringen, reicht es eben nicht, es sich be haglich einzurichten. Wenn die Landesregierung also von un serer besonderen Verantwortung für Europa spricht, so genügt
das nicht. Verantwortung zu übernehmen heißt, an die Spitze der Innovation, an die Spitze der Kreativität zu treten.