Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

dem will ich Artikel 30 des Grundgesetzes in Erinnerung ru fen:

Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfül lung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, so weit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt.

Das ist der Geist des Grundgesetzes.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Vermittlungsverfahren wird allen Beteiligten ein gutes Maß an Pragmatismus abver langen – auch Baden-Württemberg. Daher werden wir auch konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten. Im Schulterschluss mit meinen vier Kollegen werde ich aber alles daransetzen, dass es zunächst zu einer Abkopplung des Digitalpakts von der Änderung des Grundgesetzes kommt. Denn der Digital pakt ist nur der Anlass, nicht der Grund für den aktuellen Fö deralismusstreit. Das sieht man schon daran, dass die 50:50-Regelung gar nicht für ihn gälte.

Ein Abkoppeln des Digitalpakts wäre auch notwendig, um die grundsätzlichen Strukturfragen, die mit einer möglichen Än derung des Grundgesetzes einhergehen, ohne Zeitdruck zu klären. Hier werden wir uns dafür einsetzen, dass nicht nur die vom Bundestag beschlossenen Ergänzungen in Artikel 104 c des Grundgesetzes und die hälftige Kofinanzierungs pflicht der Länder nach Artikel 104 b Absatz 2 Satz 5 kritisch beleuchtet werden, sondern vor allem, dass die überzogenen Mitgestaltungs-, Kontroll- und Überwachungsrechte des Bun des deutlich entschlackt werden. Wir, das Land, sind schließ lich keine nachgeordnete Behörde des Bundes.

Es lohnt sich, sich dies noch einmal anzuschauen; das gilt vor allem für Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von FDP/DVP und SPD. Es heißt nämlich – das ist die Verbindung zu Arti kel 104 b Absatz 2 –:

Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden In vestitionen,

die Arten der zu fördernden Investitionen! –

wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bun desrates bedarf, oder auf Grund des Bundeshaushaltsge setzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Das Bun desgesetz oder die Verwaltungsvereinbarung kann Be stimmungen über die Ausgestaltung der jeweiligen Län derprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen vorse hen.

Da behaupten Sie immer, ich würde hier irgendwas an die Wand malen.

(Zurufe der Abg. Sascha Binder und Peter Hofelich SPD)

Das steht in der Verfassung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Die Festlegung der Kriterien für die Ausgestaltung der Länderprogramme erfolgt im Einvernehmen mit den be troffenen Ländern. Zur Gewährleistung der zweckentspre chenden Mittelverwendung kann die Bundesregierung Be richt und Vorlage der Akten verlangen und Erhebungen bei allen Behörden durchführen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Das ist ja wie in Öster reich! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Kontroll staat! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und was soll dann im Staatsvertrag stehen?)

Die Mittel

ich lasse jetzt einmal das weg, was da mit der 50:50-Rege lung geplant ist –

sind befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwen dung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen. Die Finanzhilfen sind im Zeitablauf mit fallenden Jahresbei trägen zu gestalten.

So die bisherige Verfassungslage.

Der Verweis in Artikel 104 c ist genau der Verweis auf diesen Absatz in Artikel 104 b des Grundgesetzes. In dieser Verbin dung sieht man, welch gewaltiger Eingriff des Bundes in die föderale Ordnung das ist. Deswegen appelliere ich an Sie al le, liebe Kolleginnen und Kollegen: Unterstützen Sie uns in den kommenden Wochen, damit wir mit vereinten Kräften ein ausgewogenes Vermittlungsergebnis erreichen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Ich fasse noch einmal zusammen: Es geht in der Sache also nicht um den Digitalpakt. Den kann man abkoppeln. Es geht auch nicht nur um Finanzen und die Frage, wie wir sie zwi schen Bund und Ländern verteilen. Nein, in Wirklichkeit geht es vor allem darum, wie das Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Zukunft ausgestaltet werden soll. Soll es weiter ei ne schleichende Verlagerung von Zuständigkeiten und Verant wortlichkeiten weg von den Ländern zum Bund hin geben, oder wollen wir, dass sich Bund und Länder in Zukunft auf Augenhöhe begegnen?

Für mich ist deshalb klar: Wir brauchen eine offene Diskus sion darüber, wie der deutsche Föderalismus in Zukunft aus sehen soll. Wir müssen wegkommen vom Klein-Klein der Pa ragrafen und uns grundsätzlichen Fragen stellen: Wie kann unsere föderale Ordnung den Menschen in Zeiten der Globa lisierung Halt und Heimat bieten? Was heißt es heute, Politik von unten nach oben zu denken? Was sollen die Kommunen und die Länder regeln – und was der Bund und Europa? Wie statten wir die Länder endlich mit ausreichend eigenen Mit teln aus?

Diese Diskussion können wir grundsätzlich führen, dürfen aber nicht im Vorbeigehen wegen des Digitalpakts solche gra vierenden Eingriffe in die föderale Strukturform vornehmen. Sonst würden wir am Ende davon überrollt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Landesregierung und ich persönlich werden uns in sol che Debatten mit Überzeugung und Leidenschaft einbringen

für einen starken Föderalismus mit starken Ländern und star ken Landesparlamenten.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungsinformation hat das Prä sidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Aussprache erteile ich das Wort nach § 83 a Absatz 3 der Geschäftsordnung Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging. Wir hatten bereits vor einer Woche eine Regierungsinformation zum Thema Europa, und, lieber Herr Ministerpräsident, wenn Sie dafür in der letzten Woche nur etwa die Hälfte Ihrer Em pathie und Leidenschaft aufgebracht hätten wie heute, wäre das gut für das Parlament und gut für Europa gewesen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ja – ich stelle das vorweg, vor die Klammer –, die Bewahrung der föderalen Struktur unseres Bundesstaats ist wichtig, und ja, wir Parlamentarier des Landtags von Baden-Württemberg müssen darauf achten, dass die Handlungsfähigkeit unseres Staates nicht eingeschränkt wird.

Aber die entscheidende Frage ist doch, ob die Diskussion um den Digitalpakt, die Finanzierung von für unsere Zukunft ent scheidenden Bildungsaufgaben, der richtige Anlass ist, um ei ne Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Bund und Län dern zu führen und gleichsam Untergangsszenarien an die Wand zu malen, was die Eigenstaatlichkeit der Länder betrifft. Wir sind der Meinung, das ist definitiv der falsche Anlass, lie be Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Herr Ministerpräsident, die Hybris, diese maßlose Selbstüber höhung Ihrer Einordnung als Retter des Föderalismus – auch in Ihrer heutigen Rede –, macht mich eher nachdenklich. Der Deutsche Bundestag ist immerhin ein Verfassungsorgan die ses Staates, und in diesem Deutschen Bundestag sind Partei en vertreten, die auch hier in diesem Landtag vertreten sind. Der Deutsche Bundestag hat mit sehr großer Mehrheit eine Verfassungsänderung beschlossen. Sie werfen jetzt diesem Verfassungsorgan Zentralisierungsfantasien vor.

(Abg. Winfried Mack CDU: So ist es doch!)

Sie sprechen davon, dass es sich um einen Versuch handle – wörtlich –, „unsere föderale Ordnung in ihren Grundfesten zu erschüttern“. Halten Sie das für eine angemessene Wortwahl?

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja!)

Denn das ist eine Wortwahl, die mich in der derzeitigen poli tischen Debatte sehr an die Sprache derer erinnert, die Verfas

sungsorgane dieses Staates verunglimpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Widerspruch bei der CDU – Zuruf: Unverschämt! – Lachen bei der AfD – Unruhe)

Aber wir sollten zur Abwechslung einmal das in den Mittel punkt der Debatte stellen, was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes von uns als politischen Entscheidungsträgern erwarten. Sie erwarten einen handlungsfähigen Staat und ein funktionierendes Bildungssystem.

(Unruhe)

Dazu gehört sehr dringlich eine bessere digitale Infrastruktur an den Schulen in unserem Land. Nur darum geht es in die ser Sache.

Wenn in den Verhandlungen – ich sage es ganz deutlich – ein anderer Weg erreicht werden kann, dann wird es den Schüle rinnen und Schülern ziemlich egal sein, über welche Titel und auf welchem gesetzlichen Weg dieses Geld des Bundes ge flossen sein wird. Nur fließen muss es eben endlich an unse re Schulen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen!

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Baden-Württemberg hat, wenn es um die Digitalisierung im Bildungsbereich geht, dringenden Nachholbedarf.

(Unruhe)