Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

Herr Kollege Schuler hat vorhin gesagt, 10 % seien umgestie gen. Das ist natürlich nicht ganz richtig, weil ja sehr viele das ÖPNV-Angebot schon vorher genutzt haben. Da gab es sicher lich auch Mitnahmeeffekte.

Zudem haben wir bei diesen knapp 22 000 einen deutlichen Schwerpunkt in den Regionen Stuttgart und Freiburg. Dass die Nutzung in Ballungsräumen in relativen wie auch in ab soluten Zahlen höher ist, liegt sicherlich neben der Konzent ration von Ministerien oder anderen Landeseinrichtungen auch an der besseren Angebotsdichte von öffentlichen Ver kehrsmitteln in urbanen Regionen.

Ein ebenso großer Anteil von Nutzerinnen und Nutzern hat, wie gesagt, den ÖPNV bereits vorher genutzt. Das ist auch nicht verwunderlich, schließlich sucht der rationale Mensch das für sich praktischere Verkehrsmittel.

Eine gute Anbindung und ein gutes Angebot erhöhen entspre chend die Chance, dass die Menschen das öffentliche Ver kehrsnetz nutzen. Es ist daher wichtig, dass der Komfortver lust kompensiert wird, ein Komfortverlust, der durch etwaige Umstiege, längere Fußwege oder das Risiko von Verspätun gen oder gar Ausfällen begründet ist.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es unumgäng lich, dass wir sowohl den ÖPNV als auch den Schienenper sonennahverkehr kräftig ausbauen und möglichst auch noch den Takt weiter verbessern.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Machen wir doch!)

Da können Sie ruhig klatschen, Herr Katzenstein. – Denn dann müssen wir auch keine Hochrechnungen über theore tisch gesparte CO2- und NOx-Emissionen besprechen. Hier geht es um Maßnahmen, die im Gesamten eine jährliche Re duktion um ca. 1 300 t CO2 ausmachen; Herr Kollege Schu ler hat es vorhin schon erwähnt. Aber wir müssen es einmal ins Verhältnis setzen. Wenn alle MdLs in diesem Parlament einmal nach New York und wieder zurück fliegen, erzeugt dies bereits einen CO2-Ausstoß von 500 t.

(Abg. Emil Sänze AfD: Deshalb mache ich keine Ausschussreise!)

Schon der Helikopterflug über 167 km von Rheinfelden nach Bad Wurzach verursachte 1 t CO2.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Gabriele Reich- Gutjahr FDP/DVP – Abg. Hermann Katzenstein GRÜ NE: Wie kommen Sie denn immer hierher?)

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme mit der Bahn,

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Sehr gut!)

wenn sie denn pünktlich fährt. Leider stehe ich oft in Reutlin gen am Bahnhof und muss dann erfahren, dass sich die Bahn fünf Minuten verspätet, dann zehn Minuten verspätet und dann womöglich gar nicht kommt. Ich weiß, wovon ich spre che. Fragen Sie mal Ihren Fraktionskollegen aus meinem Wahlkreis, wie der hierherkommt.

Herr Kollege, bitte kom men Sie zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. Ich bin gerade noch auf die Zwischenrufe eingegangen. Sie ent schuldigen, Frau Präsidentin.

Wie erwähnt, unterstützen wir das JobTicket aus vollem Her zen und fordern gar einen weiteren Ausbau. Ärgerlich ist an dieser Stelle daher neben dem schwachen Zuspruch zum Job Ticket, dass hier eine überschaubare Bilanz als Erfolg verkauft wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so sollten Sie mit Da ten und Fakten nicht umgehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP spricht Herr Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Freien Demokraten haben sich immer für das JobTicket als einen wichtigen Bestandteil der Mobilität, aber auch der Attraktivi tät der Arbeitsplätze von Landesbeschäftigten ausgesprochen. Insofern gibt es da auch keinen Dissens bei den meisten Frak tionen hier im Landtag.

Die Interpretation dieses fast zwei Jahre alten Antrags ist je doch unterschiedlich. Ich vermute mal, dass Sie die letzten zwei Jahre überlegt haben, ob Sie es wirklich als Erfolg ver kaufen.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Das Timing liegt nicht an uns!)

Das schließe ich daraus, wie Sie es dargestellt haben, Frau Zimmer und Herr Schuler.

Als Mitte letzten Jahres die „Erfolgsmeldung“ zum JobTicket kam, hat mich ein Journalist angerufen und gesagt: „Herr Haußmann, vom Verkehrsministerium wird es als toller Er folg bezeichnet, dass 10 % der Bediensteten das JobTicket in Anspruch nehmen. Das ist doch eigentlich eine Enttäuschung.“ Darauf habe ich erwidert: „Ja, ich sehe es auch so. Ich denke aber auch, dass man das nicht nur unter klimapolitischen Zie len sehen sollte.“

Insofern, glaube ich, brauchen wir da einen anderen Ansatz. Frau Zimmer, Sie betrachten das rein unter dem Aspekt des Klimaschutzes. Wir sehen es aber auch unter dem Aspekt der Attraktivität des Arbeitsplatzangebots. Aber eine Inanspruch nahme durch 10 % der Bediensteten sollte nicht als ein so gro ßer Erfolg interpretiert werden. Wir sehen es einfach als sinn volle Maßnahme an.

Über die Hälfte derjenigen, die das JobTicket in Anspruch ge nommen haben – Herr Selcuk hat angesprochen, dass es da Mitnahmeeffekte gab –, waren Landesbeschäftigte, die schon vorher mit dem ÖPNV gefahren sind. Auch die Erhöhung des monatlichen Zuschusses von 20 auf 25 € hat ja keine beträcht liche Veränderung erbracht.

Wir unterstützen aber auch die Meinung des Verkehrsminis teriums und der Landesregierung, dass man es nicht so ma chen sollte wie in Hessen, wo Landesbedienstete völlig kos tenfrei mit dem ÖPNV fahren können. Denn es wäre, glaube ich, schlecht vermittelbar, wenn beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer den ÖPNV kostenfrei nutzen, aber die Schülerin nen und Schüler ihre Tickets kaufen müssen. Deswegen glau ben wir, dass dieser moderate Zuschuss von 25 € pro Monat durchaus richtig ist. Aber schon im ersten Jahr hatten Sie 15 Millionen € im Haushalt bereitgestellt, und 5,4 Millionen € wurden abgerufen. Ich glaube, insofern sollten wir es ganz nüchtern betrachten und relativieren und es weniger als eine Erfolgsmeldung werten.

Es gibt ganz andere Themen, die wir in diesem Zusammen hang ansprechen müssen. Um mehr Menschen, auch mehr Be schäftigte auf den ÖPNV zu bringen, gibt es ganz andere Kri terien. Das betrifft die Qualität und die Zuverlässigkeit des ÖPNV, und dies hat natürlich massiv gelitten.

Ich darf den Kollegen Gruber nennen, der dank seiner mathe matischen Analysefähigkeiten die Murrbahn auf Qualität se ziert. Es ist ein Armutszeugnis, was sich da ergeben hat.

Wenn mir Fahrgäste eine 5 m lange Auflistung

(Der Redner hält eine Papierrolle hoch.)

über Qualitätsmängel der Filstalbahn über drei Monate hin weg zukommen lassen, dann haben wir, glaube ich, eine ganz

andere Problematik, wenn wir nach Gründen suchen, warum ein Jobticket nicht genutzt wird.

Herr Minister Hermann, bekommen Sie diese Qualitätsthe men doch mal in den Griff. Dann haben wir auch eine besse re Erfolgsquote beim JobTicket, weil die Leute sagen: Es lohnt sich, dass wir umstellen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Wir wollen flexible Arbeitsplätze, flexible Arbeitszeiten, aber dann brauchen wir auch Initiativen, beispielsweise beim The ma „Park-and-ride-Parkplätze“. Dann müssen wir ein Impuls programm machen. Dann reicht es eben nicht, wenn der Mi nister sagt, die Leute sollten zu Fuß gehen oder mit dem Fahr rad fahren. Denn wenn Sie beispielsweise die S-Bahn im Remstal betrachten: Dort kommen die Leute vom Schurwald, um in die S-Bahn zu steigen. Dann wird es schwierig mit der Anschlussmobilität, vor allem, wenn man flexibel unterwegs ist. Das sind doch die Dinge, die wichtig sind, damit wir das JobTicket nach vorn bringen.

Sie haben 1,6 Milliarden € höhere Regionalisierungsmittel vom Bund durch die Dynamisierung, durch die Veränderung der Bewertungen von 2016 bis 2031. Setzen Sie die Pönale, die Sie von der Deutschen Bahn bekommen, sinnvoll ein, auch für die entsprechenden Bereiche im ÖPNV. Ich denke, dann haben wir eine gute Chance, das JobTicket tatsächlich noch weiterzubringen. Denn dann lohnt es sich, auf die Bahn um zusteigen. Das wollen wir alles, doch dazu gehören viele Be reiche.

Wir wollen jetzt nicht von einem derartigen Erfolg reden, wie es die Landesregierung oder die Fraktionen hier kundtun, son dern es ist eine ganz normale Entwicklung. Insofern schließt das Land an etwas an, bei dem die Unternehmen in BadenWürttemberg schon viel länger und viel erfolgreicher unter wegs sind.

Besten Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Ramazan Selcuk und Andreas Kenner SPD)

Dann darf ich für die Re gierung Herrn Minister Hermann ans Redepult bitten.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 2016 hat das Land das JobTicket eingeführt; wir wa ren da das erste Bundesland. Es war übrigens auch ein müh samer Prozess. Wir haben in der ersten Koalition mit der SPD zusammen ein paar Jahre gebraucht, bis wir das durchgesetzt und finanziert hatten. Allen, denen es heute zu wenig ist, muss ich also sagen: Wir haben es auch nicht geschenkt bekommen, sondern wir mussten es erkämpfen.

Ich will auch keine Lobeshymne auf die großen Erfolge sin gen, sondern deutlich machen: Dass wir es hinbekommen ha ben, ist gut, dass es doch eine Menge Menschen annehmen, ist auch gut. Wenn Sie jetzt alle lautstark beklagen, es seien nur sehr wenige Menschen, dann muss ich sagen: Tun Sie et was, damit es mehr Menschen annehmen. Es ist ein gutes An gebot. Wir zwingen niemanden, es anzunehmen, doch das ist

bisher das, was dabei herausgekommen ist, und so schlecht ist es nicht. Kaputtreden sollten Sie es auf alle Fälle nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Es ist selbstverständlich nur e i n Beitrag zu einer anderen Mobilität.

Sie haben zu Recht angesprochen, dass der öffentliche Ver kehr besser werden muss. Er muss pünktlich, er muss sauber werden. Aber das ist doch keine alternative Maßnahme zum Jobticket. Natürlich funktioniert es besser, wenn er gut ist. Das ist vielfach diskutiert worden.

Herr Haußmann, selbstverständlich setzen wir die Pönalen ein, um die Angebote nachzubessern, um z. B. für mehr Si cherheit zu sorgen oder zusätzliche Züge fahren zu lassen. Das stecken wir nicht in irgendeine Tasche. Selbstverständlich ha ben wir in den letzten Jahren das Angebot immer stärker aus geweitet – und werden das auch in den nächsten Jahren tun –, ob es die Metropolexpresszüge sind, ob es der S-Bahn-Vier telstundentakt ist. Ich könnte noch weitere Punkte aufzählen. Das ist natürlich eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es gelingt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. August Schuler CDU)

Trotzdem muss ich Ihnen jetzt einmal ganz grob etwas zei gen: