Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP rufe ich Herrn Abg. Haußmann ans Pult.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja kaum ein anderes Bundesland in Deutschland, das eine derartige Viel falt an Kooperationsmöglichkeiten zwischen ehrenamtlich tä tigen Organisationen und den Schulen hat. Deswegen ein herz licher Dank an die Schulen, die sich engagieren, und vor al lem an die Kooperationspartner, die Musikschulen, die Ama teurmusikvereine, die Chöre und die Sportvereine, die Feuer wehren und sonstigen Organisationen; denn sie sind es, die diese Kooperationen mit Leben erfüllen und sich für die Schü lerinnen und Schüler in Baden-Württemberg engagieren. Herz lichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD sowie des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Wir haben gerade in Baden-Württemberg insbesondere in den Ehrenamtlichen-Strukturen, also neben den Musikschulen

durch den Landesmusikverband mit über 6 500 Vereinen und 12 000 Ensembles, über 400 000 Musikerinnen und Musiker und über 3,7 Millionen Sportlerinnen und Sportler, eine Po wer in den Vereinen, die diese Kooperationen überhaupt erst ermöglicht. Umso wichtiger ist natürlich, dass man Struktu ren findet, die diese Kooperationen ermöglichen. Das ist eine enorme Herausforderung für Musikschulen, insbesondere aber auch für Vereine.

Kollege Lorek, Sie haben das einmal beschrieben. Wir wis sen, die Feuerwehr tut enorm viel. Aber wenn Sie sagen, das sei gar kein Problem, weil die Aktivitäten dort um 18 Uhr be gönnen, dann würde ich gern einmal für die musiktreibenden Vereine sprechen. In diesen Vereinen liegt ein Großteil der Ausbildungsstunden für Kinder und Jugendliche eben am Nachmittag. Dort sind es insbesondere hauptamtliche Musik lehrerinnen und Musiklehrer, die den Unterricht anbieten. Da reicht es eben nicht aus, erst um 18 Uhr zu beginnen.

Man kann also nicht sagen: „Es geht ja erst um 18 Uhr los.“ Das ist falsch, denn vielfach beginnt die Notwendigkeit einer Kooperation eben schon am Mittag. Deswegen kritisieren wir schon immer die Wahlform der verpflichtenden Ganztagsschu le, wie sie hier konzipiert ist. Das heißt entweder „immer ganztags“ oder „gar keine Ganztagsschule“.

Da gewährt das Konzept der offenen Ganztagsschule, wie sie die Freien Demokraten hier schon seit Langem fordern, bes sere Möglichkeiten für die Vereine und Musikschulen, um Ko operationen noch besser in den Griff zu bekommen. Deswe gen werben wir an dieser Stelle für das FDP/DVP-Konzept der offenen Ganztagsschule.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nach wie vor setzen wir Freien Demokraten uns dafür ein, dass zusätzlich zur verpflichtend rhythmisierten Ganztags schule auch die offene Form der Ganztagsschule ins Schulge setz aufgenommen wird, denn gerade die offene Ganztags schule mit Unterricht am Vormittag und offenen Angeboten am Nachmittag bedeutet echte Wahlfreiheit für die Eltern. Wenn sie einmal ein außerschulisches Angebot eines Vereins oder der Musikschule wahrnehmen und dafür lieber auf die Angebote der Schule verzichten wollen, haben sie – anders als in der verpflichtend rhythmisierten Ganztagsschule – die Möglichkeit hierzu.

Bei verpflichtend rhythmisierten Ganztagsschulen müssen die Kooperationspartner auch am Vormittag Angebote bereithal ten. Ein Vormittagsangebot ist für Ehrenamtliche aber meist sehr viel schwerer zu organisieren als ein Nachmittagsange bot.

Es geht hier auch um das Selbstverständnis einer Schule: Ver steht sie sich als staatliches Komplettangebot oder eben als Teil einer Zivilgesellschaft – offen für deren Vielfalt und be sondere Ausprägungen? Die offene Ganztagsschule ist durch ihre Konstruktion eine Schule auch für die Offenheit der Zi vilgesellschaft. Das ist es, was die FDP/DVP hier fordert.

Wahlfreiheit, Offenheit für die Zivilgesellschaft und Qualität bedingen sich bei der Ganztagsschule nach Auffassung der FDP/DVP-Fraktion gegenseitig. Wäre der AfD diese Wahl freiheit wichtig gewesen, dann hätte sie damals unserem Ge

setzentwurf zugestimmt, als wir dies entsprechend vorgelegt haben. Die AfD hat das abgelehnt.

(Oh-Rufe von der AfD)

Insofern tun wir uns relativ leicht, heute auch den Antrag der AfD abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung darf ich Frau Ministerin Dr. Eisenmann ans Mikrofon bitten.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst vielen Dank für die, wie ich finde, wichti ge Diskussion. Herr Haußmann, Sie haben es angesprochen: Baden-Württemberg ist ein Land, in dem das ehrenamtliche Engagement an den Schulen quer über die Schularten hinweg tief verankert ist.

Wenn man sich die Zahlen anschaut – Siegfried Lorek hat sie genannt – und sieht, in wie vielen Bereichen bei uns junge Menschen aus den Vereinen ehrenamtlich an Schulen enga giert sind, können wir darauf sehr stolz sein. Es ist unsere Auf gabe – das sage ich jetzt auch als Zuständige für den Sport –, dies in die Zukunft zu führen, weil das eine ganz zentrale Ba sis unseres Staates ist und weil wir den Kindern und Jugend lichen in unserem Land diese Perspektive ermöglichen müs sen.

Deshalb freue ich mich, dass wir, wie ich finde, mit dem Ganz tagsschulkonzept, mit der gebundenen Ganztagsschule nach § 4 a des Schulgesetzes eine – da haben Sie recht, Herr Born – sehr gute Grundlage haben, auf der die Schulen arbeiten können: mit Verlässlichkeit, mit hoher Pädagogik. Trotzdem haben sie aber auch den Spielraum, sich Partner mit an Bord zu holen.

Der gebundene Ganztag – deshalb sind die Probleme aus mei ner Sicht herbeigeredet, Herr Balzer – endet um 15 oder 16 Uhr. Danach kann, wer das möchte, in jedem Fall Sport trei ben oder Musikunterricht nehmen, auch mit dem gebundenen Ganztag.

Aber darüber hinaus haben wir, weil uns das Ehrenamt und die Einbindung von Sport und Musik wichtig sind, eben auch die Möglichkeit, dass Stunden im Rahmen des gebundenen Ganztags monetarisiert werden.

Wir haben viele Schulen. In der Summe sind im letzten Schul jahr rund 280 000 € dafür geflossen, und zwar ganz gezielt in den Bereich Musik. 398 ganztagsgebundene Schulen haben Kooperationen mit Musikschulen, wo die Arbeit im Mitein ander läuft.

Das zeigt deutlich, dass die Vereinbarungen, die mit kommu nalen Landesverbänden, mit der Musikschule, mit anderen Partnern getroffen wurden, wirken, weil es uns eben wichtig ist, durch den gebundenen Ganztag nicht auszugrenzen, son dern einzubinden und Schule zu einem lebendigen Ort zu ma chen, wo viele Partner gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern Schule gestalten.

Was das Thema Monetarisierung angeht – Herr Born, Sie ha ben es angesprochen –, gibt es momentan in fünf Regionen an 19 Schulen für ein Jahr den Modellversuch, um auszutes ten, wie wir tatsächlich vereinfachen können. Wir haben die se Anregung ernst genommen. Wir haben jetzt einen ersten Zwischenbericht bekommen. Da besteht tatsächlich Hand lungsbedarf. Ich gehe davon aus, dass wir ab dem kommen den Schuljahr nach der Bewertung dann auch in die Fläche gehen und die Möglichkeiten breit einräumen. Da haben Sie recht; das muss man den Schulen vereinfachen. Man muss schauen, dass die Verwaltungsabläufe nicht überbordend sind. Darauf haben wir reagiert.

Zu einem Punkt muss ich Ihnen noch etwas sagen: Was flexi ble Angebote neben dem gebundenen Ganztag, kommunale Angebote, offene Ganztagsangebote, Themen wie Jugendbe gleiter, betrifft, ist das genau die Vielfalt, die sich nicht nur die Eltern wünschen – Herr Lorek hat es angesprochen –, son dern was sich auch die Schulen, die Kommunen, die Vereine und die außerschulischen Partner wünschen.

Wir, das Kultusministerium, haben – das wissen Sie – zwei große Ganztagsgipfel mit jeweils weit über 500 Teilnehmerin nen und Teilnehmern gemacht, mit allen am Ganztag beteilig ten Partnern, auch den außerschulischen. Die Rückmeldung war: Flexible Angebote, keinerlei Zwangsbeglückung, son dern freie Wahl in der Beschulung, aber auch in der Betreu ungsform der Kinder, das war nicht nur der Wunsch der El tern, sondern der Wunsch von allen Partnern. Auch die außer schulischen Partner wünschen sich dies, um deutlichere Spiel räume zu haben. Das ist auch das, was wir – das wurde ange sprochen – im Rahmen einer Kabinettsvorlage, die wir jetzt intern beraten werden, widerspiegeln.

Ich stehe zu dem, was ich sage: Ich glaube, dass der gebun dene Ganztag wichtig und gut ist, dass es richtig ist, dass wir außerschulische Partner, gerade im Musikbereich, einbinden, weil musikalische Bildung und Bewegung für die Entwick lung der Kinder wichtig sind.

Genauso müssen wir aber darauf Rücksicht nehmen und in der Bewertung respektvoll damit umgehen, dass es in BadenWürttemberg der Wunsch ist – das ist durch vielerlei Rück meldungen und Veranstaltungen bestätigt –, mit flexiblen An geboten und mit der Möglichkeit für Eltern und Partner in der Gestaltung von tagtäglichem Leben, der Gestaltung dessen, wie sie die Kinder betreut wissen wollen, so viel Spielraum wie möglich zu haben.

Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir darüber konkret diskutieren und die Wünsche, die da sind, mit Respekt auf nehmen und gegebenenfalls umsetzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herr Abg. Dr. Balzer, bit te.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Als die Ganztagsschule ein geführt wurde – natürlich verstärkt in der vergangenen Legis latur –, hat man in der Tat den Vereinen und Musikschulen Kooperationen angeboten, um sie einzubinden. Warum haben

sie sich einbinden lassen? Die Verbände halten still, obwohl ein Teil ihrer Mitglieder in der beruflichen Existenz gefährdet ist.

Ich will hier einige Zahlen aus Studien der Gewerkschaft ver.di anführen. Die Einkünfte der Musikschullehrer sind zwischen 2008 und 2012 von jährlich etwa 18 000 auf 13 000 € gesun ken. Das ist ein Minus von 4 300 €. Wir reden von monatlichen Durchschnittseinkünften der Musiklehrer von 1 145 €. Ich weiß nicht, wie man davon in einer Stadt wie Stuttgart Miete und Lebensunterhalt bestreiten kann.

Die Möglichkeit der Monetarisierung von Lehrerwochenstun den wird sehr unterschiedlich, aber im Ganzen bis jetzt we nig genutzt. Sie haben ja schon gesagt, dass hier Nachbesse rungsbedarf besteht. Darauf hat auch der Tonkünstlerverband in seiner Petition hingewiesen.

Auch in der Anhörung des Verbands der Musikschulen im ver gangenen Herbst wurde deutlich gesagt, dass die hier gezahl ten Beträge nicht ausreichen, um einen qualifizierten Unter richt zu bieten. Hier ist Nachregulierung mehr als geboten; sie ist erforderlich.

Lieber Herr Walter, ich fliege tatsächlich, aber kein Raum schiff und schon gar keines im Orbit, wie anscheinend Sie vor hin, sondern ein normales Flugzeug.

(Vereinzelt Heiterkeit)

(Beifall bei der AfD)

Es gibt noch eine Wort meldung von Herrn Abg. Lorek für die CDU.

Da haben wir mal eine Einheit: Die SPD und die AfD sind sich einig. Sie möchten ideologisch verordnen, was sie für richtig erachten. Beides ist definitiv falsch.

(Zurufe)

Sehen wir uns mal die Umfragen an: 20 % der Eltern möch ten den verpflichtenden Ganztag, 70 % den freiwilligen Ganz tag und 5 % keinen Ganztag.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Elternwille! – Weitere Zurufe)