Protokoll der Sitzung vom 31.01.2019

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Elternwille! – Weitere Zurufe)

Wir möchten das, was vor Ort richtig ist und was die Schul träger bzw. die Schulkonferenz entscheiden. Wir verordnen es nicht von oben – weder das eine noch das andere.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen mir keine weiteren – –

(Abg. Daniel Born SPD meldet sich.)

Doch. Herrn Abg. Born, Sie haben keine Redezeit mehr.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU zu Abg. Daniel Born SPD: Das muss man einteilen, Herr Kollege! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Elternwillen zur Kennt nis nehmen!)

Sie haben schon überzogen. Entschuldigung.

(Unruhe)

Wir haben die Große Anfrage jetzt besprochen.

Jetzt haben wir noch über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 16/5601, abzustimmen. Wer diesem Antrag zu stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt da gegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mehrheit lich abgelehnt, und wir haben den Tagesordnungspunkt 7 ab geschlossen.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung des Ministeri ums der Justiz und für Europa vom 24. April 2017 – Un terrichtung des Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Weißbuch zur Zukunft Europas – Drucksachen 16/1967, 16/5548

Berichterstatter: Abg. Dr. Erik Schweickert

Auch hierzu, meine Damen und Herren, hat das Präsidium ei ne Redezeit von fünf Minuten je Fraktion für die Aussprache festgelegt.

Für die Grünen beginnt Herr Abg. Frey.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Wir haben heute über die Kenntnis nahme der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und für Eu ropa über das Weißbuch zur Zukunft Europas abzustimmen, das die Kommission vor zwei Jahren vorgelegt hat.

Mit dem vorliegenden Weißbuch von Kommissionspräsident Juncker stellt die Kommission eigentlich die Gretchenfrage aus Goethes „Faust“. Die würde heute nur lauten: Nun sag, wie hast du’s mit der Europäischen Union? Du bist ein herz lich guter Mitgliedsstaat, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.

Allzu oft geben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Schuld, wenn etwas schlecht läuft. Wenn es gut läuft, sa cken sie es selbst ein. Die Verantwortung nach Brüssel zu schieben ist eine relativ einfache und beliebte Möglichkeit na tionaler Taktiken, vor allem von populistisch geführten Re gierungen.

Mit dem Weißbuch hat Kommissionspräsident Juncker den Ball aber in die Mitgliedsstaaten hineingespielt. Die Überle gungen im Weißbuch mit seinen fünf Szenarien zur Zukunft Europas sollten von den Mitgliedsstaaten als Aufruf verstan den werden, wieder Verantwortung für die Europäische Uni on, und zwar für die ganze Europäische Union, zu überneh men. Die Nationalstaaten sollten überlegen, wie sie sich die Zukunft der EU vorstellen, in welchen Politikfeldern die EU mehr Kompetenzen haben sollte oder wo umgekehrt Kompe tenzen in die Mitgliedsstaaten oder in die Regionen abgege ben werden könnten, um dort mehr Gestaltungsspielraum zu haben.

Nicht zuletzt dient eine klare Positionierung nach innen, aber auch nach außen der Zukunft Europas und den Bürgerinnen und Bürgern, damit sie sehen, wohin die Europäische Union steuern soll.

Genau in diesem Geist hat unsere Landesregierung mit dem Europadialog die Initiative ergriffen und damit eine Vorreiter rolle in Europa eingenommen. Auch der Europaausschuss des Landtags hat mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras ver schiedene Veranstaltungen hier im Haus durchgeführt.

Baden-Württemberg hat als einzige regionale Gebietskörper schaft einen Beteiligungsprozess zur Zukunft Europas ins Le ben gerufen und ein Leitbild für die EU erarbeitet.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Auf dieses Leitbild können wir stolz sein. Stolz können wir auch darauf sein, dass auf Vorschlag des Landes im Aachener Vertrag, den vergangene Woche die Bundeskanzlerin und der französische Präsident Macron unterzeichnet haben, die grenz überschreitende Zusammenarbeit ganz besonders gewürdigt und prominent aufgenommen wurde. Nirgendwo sonst zeigt sich konkreter, welche Vorteile die Zusammenarbeit zwischen zwei Nationen bringen kann. Hier hat das Land, das eine ge meinsame Grenze mit der Französischen Republik über 180 km hat, in den letzten Jahren Erfahrungen und Expertise gesammelt, die auch auf Bundes- und europäischer Ebene Ge hör finden.

Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble steht in dieser deutsch-französischen Zusammenarbeit an vorderster Stelle. Er setzt sich dabei für eine aktivere Rolle der Bundespolitik, aber auch für eine aktivere Europapolitik insgesamt ein. Er fordert mehr Integrationsprojekte, die den Menschen begreif bar machen, dass Europa Aufgaben in einer ganz anderen Di mension und Qualität bewältigen kann, als es ein einzelnes Land könnte.

Mehr Europa, wie in Junckers fünftem Szenario beschrieben, ist kein frommer Wunsch, sondern rationale Notwendigkeit und Mittel zum Zweck. Allerdings greift das Weißbuch auch dort etwas zu kurz. Die Themen Justiz, Umwelt, Klima und Soziales werden gar nicht als eigene Themenbereiche benannt.

Deshalb muss sich Baden-Württemberg weiter aktiv an die sem Zukunftsdialog beteiligen. Wir werden auch über die An träge, die heute an den Europaausschuss überwiesen werden sollen, zeigen, dass sich der Europaausschuss und dieses Haus weiterhin um dieses Leitbild und dessen Umsetzung kümmern und dass wir uns speziell für folgende Themen einsetzen wer den: eine Energie- und Klimaunion, eine solidarische und hu mane EU-Außenpolitik, eine krisenfeste Wirtschafts- und Währungsunion, die Bekämpfung von Steuerflucht, die Stär kung der europäischen Demokratie und die Verteidigung un serer Werte.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Sabine Wölfle SPD)

Die Mitgliedsstaaten, die sich nicht mehr an die Verträge hal ten, müssen wir auffordern – um im Bild von Goethes „Faust“ zu bleiben –, keinen Pakt mit dem Teufel einzugehen, sondern sich eindeutig hinter die von ihnen unterzeichneten Verträge zu stellen.

Ich bitte Sie um Kenntnisnahme der Unterrichtung des Land tags durch die Landesregierung und die Überweisung der hier zu eingegangenen Anträge an den Europaausschuss, um dort weiterhin aktiv am Leitbild der Landesregierung für Europa mitzuarbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU spricht Herr Kollege Gramling.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Kommis sion hat ein Weißbuch vorgelegt und damit einen Gesprächs prozess angestoßen, bei dem wir über die Zukunftsszenarien für Europa diskutieren und uns die Frage stellen sollen: In welchem Europa möchten wir im Jahr 2025 leben?

Ein Sprichwort lautet: „Tue Gutes und rede darüber.“ Deswe gen bin ich unserer Landesregierung und insbesondere unse rem Minister der Justiz und für Europa, Guido Wolf, sehr dankbar, dass mit dem Europadialog eine breite Debatte an gestoßen wurde und mit dem Leitbild für Europa unsere Po sitionen formuliert wurden.

Aus dieser Diskussion möchte ich gern drei Punkte heraus greifen, die mir sehr wichtig sind.

Das ist zum einen der EU-Binnenmarkt. Der EU-Binnenmarkt ist der größte zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt. Er ermöglicht eine starke Wirtschaft, er ermöglicht Wohlstand, er ermöglicht damit natürlich auch Sozialleistungen. Und ja, nur mit einer starken, innovativen Wirtschaft kann man auch Nachhaltigkeit und Umweltschutz umsetzen.

Eine starke Wirtschaft fördert man aber auch nur, wenn man Zölle abbaut. Deswegen sind Handelsabkommen in unserer Zeit wichtiger denn je. In den letzten zehn Jahren hat Europa 32 Handelsabkommen abgeschlossen. Morgen wird das EUJapan-Abkommen in Kraft treten. Ferner laufen Verhandlun gen mit südostasiatischen Staaten, und auch mit Australien und Neuseeland ist man im Gespräch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines muss uns ganz klar sein: China hat mit der Mondlandung gezeigt, dass es in Zu kunft nicht nur Lieferant für unsere Smartphones sein möch te, sondern Innovationsführer werden möchte. Die große Fra ge wird sein: Wer wird in Zukunft unsere Standards auf der Welt setzen, Standards über Technologien und damit dann auch über Werte, die exportiert werden können?

Ich möchte nicht, dass uns China in Zukunft seine Werte aufs Auge drückt. Deswegen ist es unser ureigenes Interesse, dass wir über Europa weiterhin in der ganzen Welt Handelsabkom men abschließen, weil wir damit nicht nur Standards setzen können und mehr Export haben, sondern auch unsere Werte in die Welt exportieren können.

Der zweite Punkt ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Wir müssen die Vorteile Europas wieder verstärkt aufzeigen. Dass wir in Frieden leben können, ist für viele selbstverständlich. Man sieht aber gleich vor unserer Haustür, dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass wir in Frieden leben können.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Josef Frey GRÜ NE und Sabine Wölfle SPD)

Europa zeigt auch viele Vorteile im alltäglichen Leben, Stich wort einheitliche Währung, Reisefreiheit oder auch seit Mit te des letzten Jahres die Roaminggebühren, die abgeschafft worden sind. Doch das sind Selbstverständlichkeiten, gerade auch bei der jüngeren Generation, die wir als gottgegeben hin nehmen. Es muss uns jedoch klar sein, dass es eben nicht so ist.

Viele Bürger fragen sich zu Recht: Wofür ist Europa verant wortlich, und wofür muss Europa nicht verantwortlich sein? Für mich ist wichtig, dass wir die großen Themen ansprechen und die großen Themen auch in Europa klären. Das ist die Au ßen- und Sicherheitspolitik, es ist jedoch auch der Bereich der Spitzenforschung. Wenn es z. B. um künstliche Intelligenz geht, dann müssen wir schauen, dass wir eine Vernetzung zwi schen den Forschungsinstituten und -einrichtungen in Euro pa hinbekommen. Es geht um Klimaschutz, aber natürlich auch um das Thema Migration.

Wir müssen uns aber auch klar darüber sein, dass Europa nur schlagkräftig sein kann, wenn wichtige Entscheidungen schnell, flexibel und insbesondere nachvollziehbar getroffen werden können. Das hat auch etwas mit Akzeptanz zu tun. Deswegen müssen wir aus meiner Sicht das Einstimmigkeitsprinzip hin terfragen, wir müssen es ad acta legen. Denn nur dann kann in Zukunft wirklich ein großer Wurf in Europa möglich sein.

Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass es natürlich sehr wichtig ist, dass man den Willen verschiedener Mitgliedsstaa ten zur Zusammenarbeit nicht ausbremsen darf. Ich finde es gut und positiv und möchte diesen Weg auch weiter beglei ten, dass wir gemeinsam mit unseren Freunden in Frankreich die Speerspitze für die Zusammenarbeit in Europa sind und bleiben und diese Position in Zukunft noch weiter ausbauen wollen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Sabine Wölfle SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns darüber im Klaren sein: Deutschland stellt bald nicht einmal mehr 1 % der Weltbevölkerung. Wenn wir mit unseren Interessen wahr genommen werden möchten, brauchen wir ein starkes Sprach rohr. Unser Sprachrohr ist Europa, und daher müssen wir bei den großen Themen mehr Europa wagen.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Ich bin felsenfest überzeugt, dass unsere Kinder und Enkel kinder uns dafür danken werden.