Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme nicht umhin, in dieser europapolitischen Debatte auf die Regierungsinfor
mation des Herrn Ministerpräsidenten zurückzukommen, die letzte Woche stattgefunden hat. Ich zitiere daraus:
Wer das vereinte Europa infrage stellt, der stellt sich ge gen unsere Verfassung,... Das werden wir nicht zulassen.
Meine Damen und Herren, mich hat dieser Satz im Kontext der gesamten Rede schockiert. Es war vor allem der Tonfall, mit dem der Ministerpräsident die Worte gesagt hat: „Das wer den wir nicht zulassen.“
Ich möchte hier eines in aller Deutlichkeit sagen: Wir, die AfD, wollen ein freies, friedliches, rechtsstaatliches, wohlha bendes Europa.
Es ist einfach unwahr, wenn Vertreter anderer Parteien so tun, als ob wir nicht nach diesen Zielen streben, nach Zielen, wie sie sich alle vernünftigen Menschen für Europa wünschen, in der AfD und in Ihren Parteien.
(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Abg. Josef Frey GRÜNE: Sie wollen das Europaparlament abschaf fen!)
Aber wir sind gegen eine EU, die in Richtung Unfreiheit, Will kür und Verarmung geht. Wir wollen ein neues Europa, das wieder für Freiheit, Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Wohl stand steht.
Wir wollen demokratische Entscheidungen, auch national oder überhaupt, nicht in einem Teilparlament vorbestimmt haben. Es ist blanker Hohn, wenn Sie hier von Rechtsstaatlichkeit sprechen, diese aber z. B. im Zuge der Eurorettung mit Füßen getreten wurde,
oder wenn Sie und Ihre Parteien geradezu teuflische Zensur gesetze erlassen. Aber Bürgerbeteiligung können Sie insze nieren – wir haben das gehört –, eingerahmt in Strukturen, die Sie bestimmen, und mit Ergebnissen, die genau auf Ihrer Li nie liegen – so sehr von oben herab eingefädelt, dass im Aus schuss nicht nur die AfD, sondern auch die FDP/DVP und die SPD deutliche Kritik geübt haben.
Meine Damen und Herren, wir reden nicht über Europa, wir reden über die EU, ein juristisches Gebilde, dessen Zweck es sein sollte, das Leben der Menschen besser zu machen.
Genau das ist die Position der AfD. Wir sehen, dass die EU in weiten Teilen gescheitert ist: in der Wirtschaft, in der Land
wirtschaft, in der Umweltvorsorge, in der Religion, in der Ein wanderung und in vielen anderen Punkten. Wir müssen darü ber reden, wie wir den Staatenbund auf eine tragfähige Basis stellen können. Dieser Aufgabe stellen wir uns.
Ich hoffe sehr, dass Sie, auch wenn Sie unsere Ziele nicht tei len, so doch zumindest respektieren, dass wir für eine besse re Zukunft auch für Baden-Württemberg eintreten.
Kurz zum Weißbuch selbst: Der Weißbuchprozess war eine Irreführung. Das Ergebnis dieses Prozesses stand von vorn herein fest. Frau Merkel sagte im Februar 2017 – ich zitiere –,
Die Eurokratie und die wichtigsten Mitgliedsstaaten wollten Szenario 3. Und – oh Wunder – die Landesregierung hatte die selbe Haltung formuliert. Niemand aus der etablierten Politik wollte einen echten Rückbau der EU auf einen tragfähigen Kern, also Szenario 2 – nur Binnenmarkt – oder Szenario 4 – weniger, dafür effizienter.
Szenario 5 – sehr viel mehr Zentralisierung – wird de facto praktiziert, es stand aber nur mithilfe einer Extremvariante die Möglichkeit zur Verfügung, einen Mittelweg simulieren zu können.
Was blieb, ist das von vornherein präferierte Szenario 3 – je ne, die mehr tun, dürfen mehr –, eine abgefeimte Strategie, um die auf ihre Freiheit bedachten kleineren Länder auszu spielen. Diese sollen dann über die Kraft des Faktischen ge zwungen werden, die Schritte Deutschlands und Frankreichs nachzuvollziehen – was sie in freier Entscheidung nie getan hätten.
Wie in der EU leider üblich, erleben wir also auch hier eine ausgeklügelte strategiepolitische Irreführung. Da hilft auch das Schönreden in Ihren Entschließungsanträgen nicht, die al lesamt einen offenen Prozess simulieren, den es nicht gege ben hat. Wir tragen diese nicht mit.
Trotz dieser Kritik möchte ich mit einem Appell schließen: Lassen Sie uns anfangen, darüber nachzudenken, was wir ge
Dieses Zitat stammt von Wilhelm von Humboldt. Nichts könn te treffender beschreiben, weshalb Europa aufgrund seiner Ge schichte nur eine gemeinsame Zukunft haben kann.
Weil diese gemeinsame Zukunft aber heute herausgefordert wird, ist diese Europawahl eine Richtungswahl. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern Europas erklären, welche We ge Europa nehmen kann und welche davon in eine gefährli che Sackgasse führen. Nationalismus und Protektionismus sind auf jeden Fall die falschen Antworten.