Digitalisierung schafft neue Arbeit, Digitalisierung bringt uns neuen Wohlstand, Digitalisierung kann unser Leben erleich tern, ja, Digitalisierung kann unser Leben auch verbessern. Dafür brauchen wir aber Sicherheit, die Sicherheit unserer Da ten, die Sicherheit unserer Infrastruktur. Dafür müssen wir al le jeden Tag hart an der Sache arbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! An dieser Stelle haben wir wieder einmal über Aktion, Reaktion und Versäumnisse in der Vergangenheit zu reden. Die AfD hat seit ihrer Gründung die Gefährdungspotenziale für die nationale Sicherheit und die digitale Souveränität unseres Landes adressiert – in allen Aus schüssen und Arbeitskreisen der Bundes- und der Landespar lamente. Schließlich war es ja die AfD, die mit ihrer Kleinen Anfrage im Bundestag, Drucksache 19/4419, auf die Proble matik mit Huawei aufmerksam gemacht hat.
Herr Rülke, interessant ist, dass Sie und die FDP/DVP sich nach zwei Jahren besonnen haben und dem Thema Digitali sierung nun doch nähertreten. Bei den Haushaltsberatungen kamen von Ihnen keinerlei Impulse oder gar entsprechende Änderungsanträge hierzu.
Kann es sein, dass Sie nun gestreckten, strammen Schrittes Ihrem viel bemühten „Digital first – Bedenken second“ hin terhereilen? Ach, ich vergaß: Es sind ja wieder Wahlen am Horizont. Dann sollte man ja wohl – –
Aber zurück zum Thema: Baden-Württemberg ist noch ein starkes Bundesland und muss im Länderverbund seine Auf gaben erfüllen. Hierzu fehlt jedoch ein abgestimmtes Vorge hen der Ministerien, um die offensichtlichen Gefährdungspo tenziale effektiv und weitestgehend beseitigen zu können. Denn ohne klare Betrachtung der Ursachen dieser Misere und das Einleiten von zielführenden Maßnahmen wird es uns nie mals gelingen, einen Weg zu finden, um die Oberhand zurück zugewinnen und damit die erforderliche Sicherheit und die di gitale Souveränität bezüglich der Kritischen Infrastruktur in unserem Land zu gewährleisten.
Wir werden weiterhin hinterherrennen, Löcher stopfen und immer Verlierer in diesem bösen Spiel bleiben, weil wir nicht an die Wurzel des Übels gehen. Die Wurzel des Übels ist, dass wir Hightech – das sind im Wesentlichen die IT, Mobilfunk, Internet sowie die KI-Systeme – aus Asien oder den USA im portieren müssen, davon abhängig geworden sind und uns die se Probleme selbst ins Haus geholt haben.
Es ist wirklich wichtig, sich diese selbst gemachten Probleme zu vergegenwärtigen. Wir setzen in Kritischen Infrastruktu ren Hightech ein, welche wir jedoch nur an der Oberfläche verstehen können. Um als Anwender IT für die eigenen Zwe cke zu nutzen, muss man nicht alles, was darunter abläuft, ver stehen. Sie wird ja immer nur für den speziellen Zweck des Anwenders genutzt. Aber wenn selbst die Dienste und das BSI die eingesetzten Systeme nicht vollständig verstehen, stellt sich die Frage, wie diese Behörden und auch die Industrie dann solche Hightechsysteme oder – genauer – Infrastruktur komponenten für wirklich sicher erklären können.
Um das nun richtig zu gestalten, muss zunächst ein Markt ge schaffen werden, der es erlaubt, sicheres Hightech in BadenWürttemberg, in Deutschland oder wenigstens in der Europä ischen Union konkurrenzfähig herstellen zu können.
Hierzu müssen das Telekommunikationsgesetz und andere Gesetze angepasst werden, damit ab sofort „Sicherheit by De sign“ verbindlich und audit-sicher die obligatorische Voraus setzung für den weiteren Ausbau der Kritischen Infrastruktur in unserem Land wird.
Es ist ja nicht möglich, im Nachgang Sicherheit in billig ein gekauftes Hightech hineinzuprüfen oder durch andere, oben drauf gesetzte technische Maßnahmen die erforderliche Si cherheit zu erreichen. Solange also ein niedriger Preis wich tiger ist als Sicherheit, werden wir immer Verlierer bleiben und weiterhin Milliarden Euro an Folgekosten für die Behe bung der Schäden tragen müssen. Dieses Geld sollten wir künftig aber besser in unsere eigene digitale Souveränität in vestieren. Dazu braucht es den Willen zum politischen Kon sens, wieder einen fairen Wettbewerb zu schaffen, der digitale Souveränität und Sicherheit bezüglich der Kritischen Infra struktur in den Mittelpunkt stellt.
Wir brauchen Hersteller dieser Infrastrukturkomponenten im deutschen Rechtsraum oder zumindest im Rechtsraum der Eu ropäischen Union. Alle bisherigen Hersteller haben den Markt verlassen müssen. Damit gibt es keine – ich betone: keine – Alternative, als auf asiatische oder US-Anbieter zurückzugrei fen. Baden-Württemberg ist leider kein Exportweltmeister für wirklich sicheres Hightech, obwohl es alle Potenziale dafür hat und deshalb absehbar auch Exportweltmeister werden kann.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP/DVP hat mit dieser Debatte ein wichtiges Thema angeschnitten. Ich glau be, nach den Hackerangriffen, die ja die ganze Nation beschäf tigt haben, ist es richtig und gut, dass wir uns dieser Debatte öffnen.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass im Zuge der Digitali sierung und der fast euphorischen Diskussion zum Thema Di
gitalisierung das Thema Cybersicherheit deutlich zu kurz kommt, stiefmütterlich behandelt wird. Deshalb sind wir uns sicher einig, dass wir der Cybersicherheit eine größere Bedeu tung zukommen lassen müssen, sie stärker in den Fokus rü cken müssen, als dies bisher der Fall ist, und wir auch über Systeme diskutieren müssen, mit denen wir die Cyberwehr besser aufstellen können.
Aus der Antwort auf die Großen Anfrage ergibt sich, dass so wohl im Bund als auch im Land zahlreiche Behörden und Stel len für die Cybersicherheit zuständig sind. Diese Zersplitte rung der Zuständigkeiten muss sicher beendet werden. Was nottut, ist eine Bündelung, eine bessere Strukturierung.
Der Bundesrechnungshof hat dem Cyberabwehrzentrum mit Sitz in Bonn, das es immerhin schon seit 2011 gibt, ein ganz schlechtes Zeugnis ausgestellt. Das Konzept, das damals ini tiiert wurde, sei nicht geeignet, die über die Behördenland schaft verteilten Zuständigkeiten und Fähigkeiten bei der Ab wehr von Angriffen aus dem Cyberraum zu bündeln. Vor ähn lichen Schwierigkeiten stehen auch die Länder – auch das Land Baden-Württemberg –, die außerdem natürlich auf In formationen der Bundesbehörden angewiesen sind.
Die FDP hat ja in den letzten Monaten verstärkt ein Digitali sierungsministerium gefordert. Herr Kollege Karrais, das ha ben Sie vorhin gar nicht erwähnt. Das kommt vielleicht noch als zentrale Forderung der FDP.
Wir bezweifeln, ob das eine tragfähige Entwicklung sein wird. Ein Blick auf BITBW zeigt uns ja, dass dort, also auch in ei nem klar abgegrenzten Bereich, trotz Zentralisierung nicht im mer einfache, schnelle und gute Lösungen erreicht werden. Wenn gerade die FDP ein weiteres Ministerium fordert, dann verwundert das schon, weil sie sonst ja immer das Wort vom Bürokratieabbau und der Verschlankung der Verwaltung im Mund führt.
Da ist Ihnen, Herr Kollege, auch entgangen, dass es schon in der Vergangenheit zahlreiche Bemühungen gab. Die Kollegen haben das ja bereits aufgelistet. Ich möchte nur daran erin nern, dass in der letzten Legislaturperiode im Zuge der Poli zeireform bei jedem Polizeipräsidium ein Dezernat Cyberkri minalität gegründet wurde. Das hatten Sie damals abgelehnt.
Auch die Bundesregierung hat in der letzten Legislaturperio de klar Stellung bezogen und vor einem Kompetenzchaos in der Praxis durch ein eigenes Digitalisierungsministerium ge warnt.
Aber das Mitdenken hinsichtlich der Cybersicherheit hat na türlich auch eine europäische Dimension. Cyberkriminalität und Hackerangriffe kennen keine Grenzen. Zur Aufklärung solcher Fälle und zur Durchsetzung von Recht und Ordnung in diesem Bereich sind relevante Daten oft in anderen Län dern gespeichert. Deshalb muss geregelt werden, wie ein schneller Zugang zu elektronischen Beweismitteln in anderen Rechtssystemen ermöglicht wird.
Denken Sie auch an die Beeinflussung von Wahlen durch Cy berangriffe – ein Problem für ganz Europa. Darüber müssen wir auch länderübergreifend diskutieren.
Unser Ziel muss deshalb sein, dass die Zusammenarbeit zwi schen Europa, Bund und Ländern besser wird. Ich darf an die Vorschläge der Kommission in Brüssel erinnern, die wir auch schon im Innenausschuss angesprochen haben. Für ein euro päisches Zentrum für Cybersicherheit werden rein nationale Lösungen in Zukunft sicher nicht ausreichen.
Wir brauchen eine verbesserte Zusammenarbeit. Wenn eine solche Zusammenarbeit durch ein Verbindungsbüro des Bun desamts für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI, in Stuttgart – voraussichtlich morgen – initiiert wird, wäre das ein ganz wichtiger Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen. Ein Lob an den Herrn Innenminister für die Durchsetzung dieses Standorts in Baden-Württemberg!
Aber es bleibt noch viel zu tun. Viele Projekte wurden ange stoßen. Aber wir hinken, was Cybersicherheit angeht, der ra santen Entwicklung bei der Digitalisierung immer noch hin terher. Die Schaffung von IT-Sicherheit bleibt für uns eine Daueraufgabe. Das Thema wird uns noch lange beschäftigen.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Häufig sprechen wir erfüllt mit Sorge und auch mit viel Skepsis über die heutige Welt, und das ist freilich auch nicht so ganz falsch. Dabei gerät aber aus dem Blick: Wir leben in der vielleicht spannendsten und interessantesten Epoche der Menschheitsgeschichte.
Mit der Digitalisierung verändern sich unsere Arbeit, unsere Freizeit, ja unser ganzes Leben. Mobilität, Medizin, Bildung erreichen neue Entwicklungsstufen. Wir erleben einen funda mentalen Wandel, der uns große Chancen bietet, die wir nut zen müssen. Ich denke, dass wir alle zusammen genau das auch häufiger selbstbewusst betonen sollten.
Ich will mich herzlich für die Debatte bedanken, insbesonde re auch für Ihre einführenden Worte, Herr Abg. Karrais. Ich habe den Eindruck, dass wir hier in diesem Haus einen guten Grundkonsens haben, dass wir die Chancen der Digitalisie rung miteinander nutzen wollen.
Doch es gibt keine Medaille ohne Kehrseite. Die rasanten Ent wicklungen, die wir erleben, machen uns immer abhängiger von Informationssystemen, von Software und von Hardware. Daraus resultiert ohne Wenn und Aber ein Gefährdungspoten zial für uns. Wir befinden uns in einem steten Wettlauf mit Kriminellen und mit Personen, die Interesse an der Instabili tät unseres Landes haben. Cyberkriminalität, Cyberspionage, Cybersabotage, ja Cyberwar sind nicht Science-Fiction, son dern tägliche Realität.
Es ist deswegen meine persönliche Überzeugung – und es ist ein entscheidender Teil der Digitalisierungsstrategie des Lan des Baden-Württemberg –, dass IT-Sicherheit eine Grundvo raussetzung und der Schlüssel für eine gelingende Digitalisie rung ist.
Die Anforderungen an die Sicherheit im IT-Bereich wachsen mit dem Fortschritt der Digitalisierung stetig. Oder, anders gesagt: Je mehr wir digitalisieren, umso angreifbarer werden wir in der virtuellen Welt.
Dies betrifft uns als Privatpersonen – das mussten einige von uns in der jüngsten Vergangenheit erfahren, ich selbst auch –, zugleich sind aber insbesondere die Einrichtungen der Ver waltung und natürlich auch die Wirtschaft in unserem Land täglichen Cyberangriffen ausgesetzt.
Die Landesregierung und insbesondere das Innen- und Digi talisierungsministerium sehen in der Cybersicherheit ein zen trales Handlungsfeld. Dieses zentrale strategische Handlungs feld ist auf dem Weg des Landes Baden-Württemberg zu ei ner digitalen Leitregion in Europa ein entscheidender Bau stein.