Protokoll der Sitzung vom 21.02.2019

Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt: Das The ma bewegt nicht nur die Menschen draußen, sondern auch die Parlamentarier und Parlamentarierinnen hier in diesem Haus.

In der zweiten Runde ist jetzt der Eindruck vermittelt worden, als hätte der Landtag alle Möglichkeiten der Gesetzgebung in dieser Frage, die wir hier debattieren.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das bestä tigt der Ministerpräsident!)

Das ist eben nicht der Fall. Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten gehandelt. Wir haben im Rahmen unserer

Möglichkeiten ein umfassendes Paket geschnürt, das auch Wirkungen zeigt.

Es ist schon bezeichnend, dass weder der Kollege Rülke noch der Kollege Stoch auch nur ein Wort z. B. zu der Tatsache ge sagt haben, dass wir die Ticketpreise im Verkehrsverbund Stuttgart abgesenkt haben und so die Bürgerinnen und Bürger um 42 Millionen € entlastet haben – das ist bereits umgesetzt –,

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

dass wir vor allem 65 Millionen € zur Förderung von Express buslinien etatisiert haben,

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

dass wir den Ausbau der Fahrzeugförderung auch für ÖPNV und elektrische Busse vorangetrieben haben,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was ist mit den Zügen? Die kommen nicht!)

dass wir einen Landesfonds Luftreinhaltung mit zwei Mal 10 Millionen €, der bei den Kommunen ankommt, etatisiert haben – kein Wort dazu. Das ist klar, denn Sie wollten sich hier im Grunde ausschließlich auf Kritik beschränken und nicht die Situation mit, wie gesagt, Maß und Mitte beleuch ten.

Wir wollen fair und klar mit den Handlungsmöglichkeiten des Landtags unterwegs sein und alles tun – alles tun! –, dass es in diesem Land keine Euro-5-Fahrverbote gibt. Das wieder hole ich auch noch einmal an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Alles tun“, und nicht mehr: „Es wird nicht...“!)

Aber eines geht natürlich nicht – darüber sollten wir ganz nüchtern sprechen –, nämlich so zu tun, als gäbe es keine Hierarchie der Normen, die – das ist richtig gesagt worden – in einem Rechtsstaat auch eingehalten werden muss, wenn Bundes- und vor allem Europagesetzgebung existiert.

Wir haben eine Entwicklung. Da sind zu Recht begründete Zweifel an der Stichhaltigkeit des Grenzwerts von 40 Mikro gramm pro Kubikmeter geäußert worden. Dazu brauchen wir nicht hundert Lungenärzte. Der Direktor des Instituts für Bio logische Sicherheitsforschung in Halle, Professor Kekulé,

(Zuruf von der FDP/DVP: Guter Mann!)

hat den Prozess der Grenzwertfestsetzung detailliert aufgear beitet. Das hat er veröffentlicht. Das ist auch nachzulesen. Er hat klar dargelegt, dass es sich damals nur um einen Richtwert gehandelt hat.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Schätzung!)

Mathematische Begründungen oder wissenschaftliche Herlei tungen hat es damals dafür nicht gegeben. Man hätte genau so – so sagt er – 50 oder gar 70 Mikrogramm pro Kubikme ter vorschlagen können. Das ist nun nicht erfolgt. Die EUKommission hat den lockeren Richtwert dann aber einfach zu einem verbindlichen Grenzwert gemacht –

(Abg. Anton Baron AfD: Da ist doch Ihre Partei auch dabei!)

das hat der Institutsdirektor als schlampig bezeichnet –, weil man halt schnell eine EU-Richtlinie haben wollte.

Wir, die Politiker – das betrifft uns hier –, können nicht ent scheiden, welche Experten in diesem offensichtlichen Streit um die Grenzwerte nun recht haben. Aber wir müssen die De batte aufgreifen und für klare Fakten und für eine plausible Validierung der geltenden Grenzwerte sorgen. Das hat nichts damit zu tun, dass jemand Grenzwerte frisieren möchte; ganz im Gegenteil. Die Bundesregierung – das hat der Ministerprä sident vorhin gesagt –, der, wie ich lese, Herr Kollege Stoch, zumindest vor einer Halbzeitbilanz auch die SPD angehört,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das gilt für die CDU ge nauso!)

hat in Berlin – das will ich klar sagen – nun die Aufgabe ge geben, die Überprüfung der Grenzwerte vorzunehmen und – jetzt kommt es – auch auf europäischer Ebene aktiv zu wer den. Das hat der Bundesverkehrsminister übrigens auch be kannt gegeben. Das ist auch der richtige Weg. Darum muss es gehen. Denn es ist die Aufgabe auch von Politik, Normen zu überprüfen und nötigenfalls auch zu korrigieren. Nur so kann Akzeptanz für Gesetzgebung, wie wir sie machen, bei der Be völkerung draußen überhaupt entstehen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb will ich nur festhalten, Herr Kollege: Wenn Sie den Artikel der Berichterstatter lesen, wissen Sie: Im Europapar lament sind über 700 Abgeordnete. Da gibt es Stöße von Ab stimmungsunterlagen. Oft hat das nur der Berichterstatter, der SPIEGEL-Berichterstatter, gelesen. Ich will Ihnen nur einmal zum Vorgang von damals sagen: Der Berichterstatter war Hol ger Krahmer. Jetzt dürfen Sie raten, welcher Partei er ange hört hat. Das ist eine Preisfrage, die ich Ihnen aber beantwor ten will: Es war die FDP.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Nein! – Abg. Martin Ri voir SPD: Unglaublich! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ein Parteiausschlussverfahren einleiten!)

Ja. – Der Punkt ist natürlich der: Vor allem hat es damals viele Anträge gegeben, auch Bedenken. Aber es gab keinen einzigen Antrag, der NOx, Stickstoffoxide, behandelt hätte. Das heißt, das hat man damals einfach überhaupt nicht in den Fokus genommen. Das ist die Realität. Das kann man doch auch ganz nüchtern feststellen: So funktioniert manchmal auch Gesetzgebung in Europa. Auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Manchmal sogar im Landtag von Baden-Württemberg!)

Damit, Herr Kollege Rülke, will ich Ihnen sagen – – Sie frag ten ja: Wie kommt ihr zu dieser Prognose? Und Sie sagten, der Ministerpräsident betreibe nur Philosophie.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wahrscheinlich!)

Ich möchte eine Entwicklung – ich arbeite nur mit objektiven Daten und Fakten – darstellen: Der Stundenmittelwert für Stickstoffdioxid in Höhe von 200 Mikrogramm ist seit 2017 im ganzen Land eingehalten. Im Jahr 2018 wurde der Tages

mittelwert für Feinstaub im ganzen Land erstmals eingehal ten.

Problematisch bleibt jetzt einzig und allein der Jahresmittel wert für Stickstoffdioxid in einigen Städten, vor allem auch hier in Stuttgart. Prominentes Beispiel: Ich glaube, eine so be rühmte Fernsehstelle wie das Neckartor hat es überhaupt noch nie gegeben. So oft, wie ich das Bild im Fernsehen bisher ge sehen habe, kann man das schon gar nicht mehr zählen.

Warum ich das aber sage: Der Wert ist mittlerweile auch dort, selbst an der am stärksten belasteten Stelle, durch in der Nä he aufgestellte Passivsammler von 71 Mikrogramm auf deut lich niedrigere 57 Mikrogramm zurückgegangen. Das heißt, wenn der höchste Wert nicht mehr repräsentativ ist, wird er natürlich gestrichen. Deshalb, Herr Kollege Stoch: Sie sagen, zusätzliche Messstellen seien keine Lösung.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Habe ich nicht gesagt!)

Doch, Sie haben gesagt, sie seien keine Lösung. Da sage ich Ihnen: Gerade die repräsentative Messung nicht an einer, son dern demnächst an 52 Messstellen ist die richtige Lösung – nämlich dort zu messen, wo die Menschen wohnen, wo sie betroffen sind, und nicht dort, wo nur ein paar Autos fahren und keine Menschen unterwegs sind. Deshalb glaube ich, dass wir hier mit den Beschlüssen dieser Woche sehr gut unterwegs sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Ein Zweites: Es wurde hier selbst von der AfD kritisiert, die Nachrüstung sei nicht thematisiert worden. Der eine Kollege – wo sitzt er? –, Stauch, hat gesagt, wir seien Träumer, das gä be es gar nicht. Ich weiß nicht, wo der Kollege lebt.

(Zuruf von der CDU: In Reutlingen!)

Aber ich kann ihm heute mitteilen, dass es tatsächlich Nach rüstung gibt. Da muss man nicht träumen; da muss man sich nur mit der Automobilindustrie unterhalten. Die CDU-Frak tion hat bereits vor einem Jahr Nachrüstungsmodelle – nicht nur Software-, sondern Hardwaremodelle – präsentiert. Das ist möglich.

(Abg. Anton Baron AfD: Wir reden von einzelnen Modellen!)

Insoweit will ich schon sagen: Ein serienreifes SCR-System zur Nachrüstung von Dieselmotoren wurde schon vor einem Jahr präsentiert. Da geht es jetzt um die Umsetzung. Es ist höchste Zeit.

Ich will nur ergänzen – das konnte man auch in den Medien nachlesen –: Wir haben das bereits am 10. September vergan genen Jahres mit dieser Fraktion in Berlin der Bundeskanzle rin im Kanzleramt vorgetragen. Die Realität war, dass, nach dem wir darauf gedrängt hatten, bereits zwei Tage später von der Bundesregierung ein Konzept für Nachrüstungen ange kündigt worden ist. Das ist die Realität. Das nehmen wir auch für uns in Anspruch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Ich will schon einmal sagen: Wir haben jetzt bei der SPD in Pforzheim eine Krisensituation erlebt.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Krise war das nicht!)

Ja, ja, das war zumindest so zu lesen. – Dann wurde doch mit Erleichterung verkündet, dass sich der bisherige Betriebs ratsvorsitzende von Porsche, Herr Hück, mit dem Fraktions vorsitzenden der SPD, Herrn Stoch, hat abbilden lassen. Stoch hat gelächelt und gestrahlt.

Ich will ihm deshalb doch mit auf den Weg geben – –

(Abg. Andreas Stoch SPD: Er hat mir keinen Porsche mitgebracht! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber NOx!)