Schauen wir uns die Ministerien an, dann liegt es auf der Hand, dass ein Haus mit einer Bemessungsgrundlage von über 100 000 Arbeitsplätzen, wie das Kultusministerium, viel mehr Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigen muss, um die vor geschriebene 5-%-Quote zu erreichen, als z. B. das Verkehrs ministerium mit wenigen Hundert Arbeitsplätzen. Dass der derzeitige Fachkräftemangel zusätzlich zur Pensionierungs welle massiv zu Buche schlägt, dürfte nicht allzu sehr ver wundern.
Obwohl das Kultusministerium bereits Sondereinstellungs verfahren mit angepassten Einstellungsvoraussetzungen für Bewerberinnen und Bewerber mit Schwerbehinderung einge setzt hat, gibt es häufig einfach nicht genügend Bewerberin nen und Bewerber, um die vorgeschriebene Quote zu erfül len. Auch die bewährte Praxis, Menschen mit Behinderungen bei gleicher Qualifikation vorzuziehen, konnte daran nichts ändern.
Dieses strukturelle und oft komplexe Problem ist schon seit längerer Zeit bekannt. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass 2017 durch das Sozialministerium eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, die nach Ursachen und vor allem nach Lösungsmöglichkeiten sucht.
Aber so, wie das Bestehen einer Quote nicht automatisch al les besser macht, so ist das alleinige Einsetzen einer Arbeits gruppe nicht die Lösung des Problems. Denn die Menschen, die in dieser Arbeitsgruppe tätig sind, brauchen zusätzlich zu ihren generellen Aufgaben Zeit, um sich mit den speziellen Herausforderungen zu beschäftigen. Ich denke, das gebietet jetzt erst einmal die Wertschätzung des zusätzlichen Arbeits aufwands dieser Arbeitsgruppe und ihrer Ergebnisse, die es zunächst abzuwarten gilt.
Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse vollumfänglich transparent gemacht werden und auch schon ganz konkrete Lösungsvorschläge enthalten. Dann können wir sie bewerten und gegebenenfalls noch nachbessern oder ergänzen – durch aus auch mit den Vorschlägen der Opposition –, um aus dem derzeitigen Abwärtstrend schnellstmöglich wieder eine Auf wärtsbewegung zu machen.
Wie sich gezeigt hat, wird die Schwerbehindertenquote nicht nur von der Landesverwaltung, sondern auch von zahlreichen Unternehmen verfehlt. Dabei bietet die öffentliche Hand wirk lich tolle Anreize, Menschen mit Behinderungen einzustellen.
Obwohl auch Weiterbildung und technische Hilfsmittel stark gefördert werden, werden wir noch einige Zeit brauchen, bis der Paradigmenwechsel hin zu einer vollständigen gesell schaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen voll zogen ist.
Wir werden in nächster Zeit noch viel Bestehendes auf den Prüfstand stellen müssen, um der sich verändernden Arbeits- und Lebenswelt der Menschen in einem digitalen, modernen Zeitalter gerecht zu werden.
Wir Christdemokraten wünschen uns, dass Potenzial und Leis tungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen in allen Branchen und Geschäftsfeldern erkannt und eingesetzt wer den können.
Aus unserer Sicht kommt hier dem Informations- und Bera tungsangebot von Integrationsämtern, KVJS und IHK eine zentrale Rolle zu. Aber auch neu entstandene Beratungsstruk turen wie die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung sind hier einzubeziehen.
Wenn wir in den Personalabteilungen einen echten Kultur wandel bewirken wollen, müssen wir die Unternehmen mit nehmen. Ich wünsche mir, dass Menschen mit Schwerbehin derung aufgrund ihrer Qualifikation, Motivation und Kreati vität eingestellt werden. Denn jeder Mensch ist ein wertvol ler Mensch.
Der Aufbruch zu einem inklusiven Wirtschaftsstandort kann nur dann gelingen, wenn die wichtige Sensibilisierungsarbeit von Wirtschafts- und Sozialministerium erfolgreich weiter verfolgt wird.
Meine Damen und Herren, es ist uns ein besonderes Anliegen, dass jeder Mensch, mit oder ohne Handicap, seine Fähigkei ten genau dort einsetzen kann, wo seine Neigungen und Inte ressen liegen. Aus diesem Grund ist es der CDU-Fraktion wichtig, dass die Einstellung behinderter Menschen nicht als eine Art wohltätiger Akt, sondern vielmehr als Bereicherung durch eine wertvolle Kollegin oder einen wertvollen Kolle gen verstanden wird.
Das hat nicht nur etwas mit unserem christlichen Menschen bild, sondern vor allem mit dem Respekt vor der individuel len Arbeits- und Lebensleistung zu tun.
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die Landesregierung scheitert an einem An spruch, den sie selbst an sich und auch an private Unterneh men gestellt hat, nämlich ab einer bestimmten Anzahl von An gestellten mindestens 5 % schwerbehinderte Menschen zu be schäftigen. Wer das nicht tut, bezahlt Strafgeld, auch wenn Sie das verharmlosend als Ausgleichsabgabe bezeichnen.
Diese Abgabe zahlt auch der Staat, und man hätte meinen sol len, dass die Erkenntnis, dass die Vorgaben eben nicht so leicht zu erfüllen sind, zu einem Nach- und eventuell zu einem Um denken geführt hätte. Das ist nicht erfolgt. Liegt es vielleicht auch daran, dass Sie seitens der Landesregierung die Abga ben natürlich aus Steuergeldern zahlen, also die von der ba den-württembergischen Bevölkerung erarbeiteten Steuern ein fach umallokieren, sozusagen von einer Tasche in die andere stecken? Die Unternehmen hingegen müssen dieses Geld im Gegensatz zu Ihnen erst einmal erwirtschaften.
Es ist gut, wenn es ausreichend Arbeitsplätze für behinderte Menschen gibt, beim Land und auch in der freien Wirtschaft. Das durch Zwang und Vorschriften erreichen zu wollen ist aber wirtschaftsfeindlich und wird den leistungsfähigen be hinderten Menschen in unserem Land einfach nicht gerecht. Eine Quote ist wie so oft auch hier der falsche Weg. Denn sie bestraft auch diejenigen, die sie tatsächlich nicht erfüllen kön nen. Das haben Sie ja selbst gemerkt. Was tun, wenn sich nie mand bewirbt oder man schlicht keine geeignete Stelle hat? Sie setzen trotzdem weiterhin auf Gängelung, Bürokratie und Bestrafung. Wir hingegen setzen auf Unterstützung und An reize für diejenigen, die hier Möglichkeiten schaffen können und wollen.
Durch Anreize kann der Staat unserem Verständnis der sozi alen Marktwirtschaft entsprechend mitsteuern, ohne in die freien Entscheidungen der Unternehmen einzugreifen. Vor schriften und unnötige Bürokratie führen im Ergebnis nur da zu, dass viele Arbeitgeber eine Einstellung meiden und lieber die Strafzahlung akzeptieren. Damit ist aber den Behinderten nicht geholfen, und das eigentlich angestrebte Ziel, nämlich eine Beschäftigung auf dem freien Arbeitsmarkt, wird ver fehlt.
Voraussetzung für eine Einstellung ist für alle erst einmal die entsprechende Qualifikation. Das ist ein Grundkriterium, das auch Behinderte erfüllen müssen, egal, ob es sich um einen Arbeitsplatz beim Staat oder in der Wirtschaft handelt.
Wie Sie nun aber selbst gemerkt haben, müssen die Bewerber hierfür erst einmal in entsprechender Anzahl vorhanden sein. Das Angebot muss sich nach der Nachfrage richten und nicht umgekehrt. Eine Quote bringt hier, wie schon erwähnt, wie auch in anderen Bereichen deshalb überhaupt gar nichts.
Eine Abschaffung des § 160 SGB IX, den Sie selbst ad absur dum geführt haben, wäre daher ein gutes und richtiges Zei chen. Setzen wir gemeinsam und verstärkt auf zielgerichtete Förderung statt auf Bürokratie und Zwang. Die Menschen und die Wirtschaft im Land werden es uns danken.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wir feiern in diesem Jahr zehn Jahre UNBehindertenrechtskonvention, und da gibt es durchaus Anlass zu Reflexion, wo wir stehen und wo wir weiterhin hinwollen.
Wesentlicher Bestandteil der Konvention ist natürlich der Be reich Arbeit; denn Arbeit bedeutet Normalität und Teilhabe. Das ist ein zentraler Punkt in der Behindertenpolitik.
Um hier Anreize zu schaffen, müssen Arbeitgeber eine Aus gleichsabgabe – das ist in einem Bundesgesetz geregelt und nicht ein Name, den irgendjemand erfunden hätte – entrich ten, wenn sie eine bestimmte Quote nicht erfüllen. Bei dieser Ausgleichsabgabe handelt es sich aber nicht um Steuergelder, die man seitens der Landesregierung irgendwie verschwen den würde, sondern das Geld fließt zurück in Inklusionspro jekte, in die Teilhabe.
Wir erleben seit Jahren in Baden-Württemberg, dass die Quo te entweder gerade einmal knapp erfüllt wird oder man dar unter liegt. Aktuell ist der Anteil auf unter 5 % gesunken; kon kret liegt er bei 4,6 %. Im Jahr 2014 lag er noch bei 5,4 %. Das ist ein ständiges Auf und Ab. Deswegen muss das Land aktuell 1,18 Millionen € Ausgleichsabgabe zahlen. Aber noch einmal: Dieses Geld fließt ja wieder zurück gerade in den Be reich der Behindertenpolitik.
Wir sehen also seit Jahren, dass die Quote sich nicht wirklich stabilisiert und sich auch nicht wirklich verbessert. Uns ist durchaus bewusst, dass das sehr, sehr schwierig ist. Die Quo te umfasst ja vor allem Menschen, die bereits in den Landes behörden arbeiten oder die durch einen Unfall eine Schwer behinderung bekommen haben, aber es sind eben keine neu en Arbeitsplätze für Schwerbehinderte entstanden. Damit er füllt das Land mitnichten die Vorbildfunktion, die wir ja auch von der Wirtschaft einfordern, eben mehr Menschen mit Be hinderungen einzustellen, und wir müssen das natürlich auch vorleben.
Grundsätzlich möchte ich an dieser Stelle auch betonen: Die Ausgleichsabgabe – da bin ich ganz nah bei unserer LandesBehindertenbeauftragten Stefanie Aeffner, die vollkommen recht hat – müsste deutlich höher sein. Sie ist viel zu niedrig. Dieses Freikaufen ist einfach nicht mehr akzeptabel. Das müsste deutlich mehr sein.
(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Poreski GRÜ NE: Bundesregelung! Wer ist denn in der Bundesre gierung? – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: In der Bundesregierung setzt sich die SPD für eine Erhöhung ein!)
Aber finanzielle Druckmittel allein können es nicht richten. Wir, die SPD-Fraktion, begrüßen es ausdrücklich, dass es jetzt eine interministerielle Arbeitsgruppe gibt, die Konzepte erar beiten möchte.
Kollege Poreski, Sie haben gerade verschiedene Sachen vor gestellt. Das hört sich ganz toll an. Warum gibt es dazu noch kein Handlungskonzept der Landesregierung? Was Sie alles aufgeführt haben, war ja alles vernünftig, aber ich höre das jetzt zum ersten Mal.
Wir wiederholen trotzdem an dieser Stelle unsere Vorschläge, welche wir in der letzten Sozialausschusssitzung vorgebracht haben. Unserer Meinung nach muss das Land selbst proaktiv auch z. B. an Schulen und Ausbildungsstätten für Jugendliche mit Behinderungen herangehen, informieren, Praktika und Ausbildungsplätze anbieten. Ich bin selbst Vorsitzende eines Fördervereins einer der staatlichen Sehbehindertenschulen und bekomme jedes Jahr aktiv mit, wie junge Menschen in die Ausbildung oder in die Weiterbildung gehen. Da sehe ich durchaus Potenzial auch für die Landesverwaltung.
Auch das Budget für Arbeit als Teil des Bundesteilhabegeset zes ist hier ein sehr gutes Instrument. Laut Minister Lucha sind hier aktuell 15 Menschen im Programm drin. Die Arbeits gruppe hat nach Aussage des Ministers bereits klargemacht, dass es sinnvoll wäre, das Budget für Arbeit auch in der Lan desverwaltung zu nutzen. Das sehen wir ganz genauso.
Trotzdem haben wir uns gewundert, dass die beiden Regie rungsfraktionen im Ausschuss unseren Antrag zu diesem Punkt abgelehnt haben. Dort haben wir angeregt, das Budget für Arbeit tatsächlich mehr zu nutzen. Obwohl der Minister es vorher bestätigt hat, wurde das abgelehnt. Das soll verste hen, wer will.
Ebenso wurde unsere Bitte, der Mitteilung der Landesregie rung eine Stellungnahme der Landes-Behindertenbeauftrag ten beizufügen, abgelehnt. Diese Stellungnahme allerdings konnten wir heute der „Stuttgarter Zeitung“ entnehmen. Auch wenn es rechtlich klar ist, welche Stellung die Landes-Behin dertenbeauftragte und auch der Landes-Behindertenbeirat ha ben, ist es auch eine Frage der Wertschätzung, dass wir zu den Themen, die sie betreffen und wo sie Interessenvertreter sind, ihre Stellungnahmen bekommen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Poreski GRÜ NE: Das müssen Sie einfordern! Das können wir nicht!)
Unsere Forderung, den zukünftigen Mitteilungen zur Beschäf tigung schwerbehinderter Menschen in der Landesverwaltung für den Fall, dass die Quote nicht erreicht wird, eine Stellung nahme der jeweiligen Ressorts beizufügen, haben die Regie rungsfraktionen in einem eigenen Antrag dann allerdings über nommen. Da sind wir uns einig. Das zeigt also, dass die SPDFraktion die richtige Richtung vorgeben kann.
Zum Schluss verweise ich auf den Landesaktionsplan zur Um setzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der darin aufgeführten Selbstverpflichtung der Landesregierung, die ge forderte Quote von 5 auf 6 % zu erhöhen. Hier sind alle Mi nisterien gefordert, das umzusetzen. Die Landtagsverwaltung ist auch gefordert, wir Fraktionen sind gefordert, Integrations betriebe auch für unsere Dienste zu nutzen. Da können wir al le etwas tun, denn in diesen Integrationsbetrieben werden Menschen auch für den ersten Arbeitsmarkt geschult. Hier können wir alle miteinander Vorbild sein.