Ich nenne zwei Gründe für die Einbringung unseres Gesetz entwurfs: die Mehrheit der Eltern und die Mehrheit der Schü ler, die unnötigen Belastungen der großen Mehrheit der Fa milien durch das achtjährige Gymnasium. Das achtjährige Gymnasium war eine Erfindung einer stark ökonomisch ge
prägten Weltsicht: möglichst schnell ins Berufsleben starten, bei geringen Kosten. Das war nicht gut.
Meine Damen und Herren, unser Ziel sind die Interessen der Kinder sowie weniger unnötiger Lernstress. Bei der GEW sagt man dazu – wir haben es in der Anhörung ja gehört –: struk turelle Gewalt in der Schule. Das ist sicherlich ein wenig über trieben, aber auf jeden Fall wünschen wir uns für die jungen Leute mehr freiwillige gute Bildung.
Bildung geschieht im Übrigen nicht nur in der Schule, son dern auch an anderen Orten: in der Musikschule, privat auf Anregung der Eltern, mit einem guten Buch oder im Verein, im Sportverein.
Und der Clou: Kinder sind individuell und vielfältig. Deswe gen möchten wir die Schullaufbahnen weiterentwickeln. Die Kinder entwickeln sich auch sehr unterschiedlich, und sie ha ben unterschiedliche Begabungen. Auch im Gymnasium gibt es inzwischen eine sehr hohe, eine große Heterogenität, eine Bandbreite, die von hochbegabt bis „mäßige Realschüler“ reicht. Deshalb die Idee der individuellen Lernzeitverkürzung.
Sie könnten jetzt denken: „Aber dann haben wir doch gerade wieder das achtjährige Gymnasium.“ Nein, eben nicht. Die Leistungserwartung ist die wie in einem neunjährigen Gym nasium.
Und die Schüler werden nach dem neunjährigen Gymnasium eine Vertiefung erreicht haben, wie sie sie in acht Jahren nach unserer bisherigen Beobachtung eben nicht erreicht haben. Das soll natürlich nicht der Fall sein. Ich spreche bei Vertie fung von wirklicher Vertiefung, nämlich von einer Durchdrin gung des Lernstoffs im selbstständigen Denken mit all seinen Aspekten.
Wir wollen vor allem die Ausbildungs- und die Studierfähig keit wiederherstellen. Die Studienabbrecherquote ist zu hoch. Viel zu viele Studenten scheitern an der Mathematik, an der Experimentalphysik, an den Naturwissenschaften. Und die Mathematik ist bekanntlich eine Schlüsselwissenschaft, eine Schlüsselqualifikation für viele andere Studiengänge, auch für Volkswirtschaft oder Betriebswirtschaft.
Meine Damen und Herren, jeder Studienabbruch wie jedes Sitzenbleiben oder Abschulen, wie Sie lieber sagen, ist ein zerplatzter Traum, ein zerstörter Berufswunsch. Hier möch ten wir, hier müssen wir, meine ich, gegensteuern.
Vorkurse sind keine Lösung. Wir brauchen einfach einen ver nünftigen, guten Schulabschluss, der einen nahtlosen Über gang in das Studium garantiert. Jugendliche, die schneller und leichter lernen, dürfen – ja, sie sollen es geradezu – die elfte Klasse überspringen. Das ist das Modell der Lernzeitverkür zung – eine Individualisierung der Lernzeit.
Die Hemmschwelle für einen Schüler, zum Lehrer zu gehen und zu sagen: „Ich bin der Schlaueste in der Klasse, und ich kann die Klasse überspringen“, ist natürlich sehr hoch. So funktioniert das nicht. Die Lehrer sollen und dürfen die Schü ler, die sie für geeignet halten, gezielt ansprechen und zu die sem Schritt ermutigen.
Das ist eine gezielte Begabtenförderung, eine Förderung der Fleißigen und Ehrgeizigen. Diese Förderung der positiv Flei ßigen und Ehrgeizigen wurde unserer Beobachtung nach in der Vergangenheit durchaus eher vernachlässigt. Stattdessen wurden den weniger Begabten zahlreiche Privilegien einge räumt. Wir sollten und müssen uns für die Zukunftssicherung unseres Landes aber um die Fleißigen und Ehrgeizigen mehr kümmern, dann wird es davon auch wieder mehr geben. In ei ner Klasse entsteht bekanntlich gern eine Sogwirkung.
Beispiel Bayern: Bayern hat die dickste Kontingentstunden tafel und die besten Abiturleistungen. Man ist dort zum neun jährigen Gymnasium zurückgekehrt. Auch dort wurde die in dividuelle Lernzeitverkürzung eingeführt. Es gibt Vorberei tungskurse zum Überspringen der elften Klasse. Im Nachmit tagsunterricht werden wichtige Unterrichtsinhalte behandelt. Diese vierstündigen Kurse können auch zur Vorbereitung ei nes Auslandseinsatzes
Im Unterschied zu Bayern wollen wir diese Vorbereitungskur se aber auf freiwilliger Basis haben. Ich sagte es schon: Die Stärkung der Eigeninitiative ist die Idee, die Akzeptanz der Verschiedenheit der Auffassungsgaben. Lernen ist nämlich nicht das Absitzen von Zeit in der Schule.
Im Übrigen können Schüler, die nicht so gern zur Schule ge hen, hierin durchaus einen Ansporn erkennen, nämlich den, etwas früher mit der Schule fertig zu sein, um dann die große Freiheit – wenn sie es denn ist – zu genießen.
Die Leistungen zum Überspringen eines Jahrgangs sollten an ständig sein und müssen überdurchschnittlich sein. Die Auf fassungsgabe der Schüler wird bei dieser Entscheidung mit einbezogen.
von diesem Freiheit eröffnenden Konzept. Es werden nicht nur die Einserschüler sein, die überspringen; das wird viele Schüler motivieren. Wir haben damit ein innovatives Konzept, das die baden-württembergische Schullandschaft dauerhaft stärken kann und dauerhaft stärken wird. Deshalb erbitte ich, wenn es so weit ist, Ihre Zustimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Gesetzent wurf der AfD vorgelegt bekommen, den es „in Deutschland noch nicht gab“, und das verwundert auch nicht.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Ach! Superschlau!)
und voll von Zielen, die wir, die Fraktion GRÜNE, nicht tei len können und auch in Zukunft nicht verfolgen werden.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Sie haben ja auch ein riesiges Ministerium dahinter!)
Sie wollen allen Gymnasien im Land vorschreiben, eine Rück kehr zu G 9 zu vollziehen, was viele Gymnasien in unserem Land überhaupt nicht wollen. Viele haben sich 15 Jahre nach der Einführung von G 8 in Baden-Württemberg an diese Rol le gewöhnt. Sie haben ihren Unterricht so ausgestaltet, dass er für Schülerinnen und Schüler ein gutes Angebot darstellt. Sie haben pädagogische Konzepte entwickelt, die die indivi duelle Förderung an den Schulen stärken.
Sie wollen nun allen Gymnasien in Baden-Württemberg vor schreiben, in Zukunft nur noch eine Halbtagsschule zu sein. Nicht einmal die G-9-Modellschulen, die wir derzeit im Land haben, sind alle Halbtagsschulen. Das heißt, Sie wollen auch solchen Schulen freie Zeit am Nachmittag geben, die sie über haupt nicht wollen, weil sie erkannt haben, wie wichtig und gut es ist, dass man auch Gymnasien ein ordentliches Ganz tagsangebot mitgibt, damit man Schülerinnen und Schüler in dividuell fördern kann, und zwar unabhängig davon, woher diese Schülerinnen und Schüler kommen.
Es ist doch ein absoluter Trugschluss, wenn Sie hier vermit teln, dass man, wenn am Nachmittag kein Unterricht stattfin det, diese Zeit damit vollständig als Freizeit mitgibt. Natür lich gibt es auch an Halbtagsgymnasien am Nachmittag Lern zeit. Die individuelle Vorbereitung muss dann von zu Hause aus geleistet werden. An Gymnasien, in denen es eine Haus aufgabenbetreuung oder ein Ganztagsangebot gibt, stehen nor malerweise die Lehrerinnen und Lehrer gerade jenen Schüle rinnen und Schülern zur Seite, die zu Hause keine Unterstüt zung bekommen und die dort keine Eltern sitzen haben, die ihnen in Mathematik oder Deutsch helfen können.
Was Sie hier fordern, ist eine rückwärtsgewandte Politik hin zu Zeiten, als die Mutter am Nachmittag zu Hause war
den Schülerinnen und Schülern Aufgaben nach Hause mitgab. Damit wird wieder eine soziale Selektion in unsere Schulen im Land gebracht, die wir auf gar keinen Fall wollen.
Deswegen bleiben wir dabei: Wir wollen die Gymnasien in ihrer Entwicklung unterstützen. Wir brauchen dazu weitere Maßnahmen. Wir haben in der Vergangenheit viel auf den Weg
gebracht, mit einem Bildungsplan, der sich an der Entwick lung der Kinder orientiert, der die Lernfülle an das G 8 ange passt hat, der die Anforderungen genau definiert hat. Wir ha ben eine neue Oberstufenreform auf den Weg gebracht, die die individuelle Vertiefung durch die Schülerinnen und Schü ler stärkt, wir haben zusätzliche Förderinstrumente an die Schulen gebracht, und wir haben mit dem Modellversuch auch die Möglichkeit geschaffen, G 9 anzubieten.
Wir haben bei uns im Land parallel die beruflichen Gymnasi en, die einen wichtigen Weg über neun Jahre zum Abitur bie ten. Wir haben die Gemeinschaftsschulen, die ein durchgän giges gymnasiales Angebot haben und dann über das berufli che Gymnasium, die allgemeinen Gymnasien oder über die Oberstufe an den Gemeinschaftsschulen zum Abitur führen. Wir haben diese Angebote in Baden-Württemberg. Sie wür den eine Struktur bei uns im Land zerschlagen, die sich in zwischen etabliert hat. Daher werden wir diesem Gesetzent wurf nicht zustimmen.
Zudem – was Sie an dieser Stelle auch vollkommen ver schwiegen haben – kostet das das Land 75 Millionen €. Sie haben an keiner Stelle erklärt, woher diese 75 Millionen € kommen sollen. Das ist ein weiterer Grund, diesen Gesetzent wurf nicht weiterzuverfolgen. Wir werden dem nicht zustim men.
Werte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, uns die Entstehungsgeschichte von G 8 im Jahr 2003 in Erinnerung zu rufen. Wir waren uns alle darin einig, dass wir G 8 wollten.
Es wurden damals unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Ich erinnere an Frau Rastätter, die damals hier in der Debatte da rauf hingewiesen hat, dass man vor allem den doppelten Ab iturjahrgang rechtzeitig ins Auge fassen soll, damit das gelin gen kann. Herr Kollege Zeller hat damals angemahnt, dass die Bildungspläne entsprechend kompatibel sein müssen. Wenn ich mich recht erinnere, war es der Kollege Kleinmann von der FDP/DVP, der damals die Forderung aufgestellt hat – die auch seitens der Abnehmer kam –, in Baden-Württemberg in G 8 einzusteigen.