Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr wurde dem Landtag die erste Vermögensrechnung mit Stichtag 31. De zember 2017 durch das Finanzministerium vorgelegt. Ziel der Vermögensrechnung ist es, einen vollständigen, transparen ten Überblick über das vorhandene Vermögen und die Schul den unseres Landes zu erstellen. Mit der Vermögensrechnung erhalten Verwaltung und vor allem Politik ein zusätzliches In strument an die Hand, mit dem wir künftige Entscheidungen noch stärker am Ressourcenverbrauch ausrichten können und werden.

Die Veränderung des Eigenkapitals unseres Landes kann zu einer echten Messgröße für eine nachhaltige Finanzpolitik werden. Der bisherige kamerale Haushalt wird mit der Ver mögensrechnung um eine zusätzliche und sehr wichtige In formationsbasis erweitert – ein wichtiger und richtiger Schritt.

Die jetzige Vermögensrechnung bildet zugleich eine wichti ge und elementare Grundlage für eine spätere Einführung der Doppik im Landeshaushalt. Diese Landesregierung und die

sie tragenden Fraktionen stehen ganz klar für eine solide und verlässliche Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Mit dem laufenden Haushalt haben wir eine historische Trend wende geschafft. Wir verringern die Schulden um mehr als 6 Milliarden €. Trotzdem investieren wir in die wichtigen Zu kunftsfelder Bildung, innere Sicherheit, Justiz, Infrastruktur, Digitalisierung und Wohnungsbau. Die Frage, ob wir ein dop pisches oder ein kamerales Haushaltswesen haben, steht da bei absolut nicht an erster Stelle. Vielmehr geht es darum, mit dem Geld der Steuerzahler sparsam und sinnvoll umzugehen.

(Zuruf: Hört, hört!)

Das ist der Kern, und genau das machen diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Wer meint, mit der Einführung der Doppik wären alle Prob leme gelöst, der täuscht sich. Liebe Kolleginnen und Kolle gen von der AfD, Sie sollten sich erst einmal die derzeitige Vermögensrechnung anschauen und genau analysieren,

(Abg. Emil Sänze AfD: Die brauchen wir nicht anzu schauen! Wir wissen das!)

bevor Sie ein unausgegorenes Gesetz vorlegen.

Meine Damen und Herren, wir, die CDU-Landtagsfraktion, haben die Einführung der Doppik als klares Ziel; denn natür lich bildet die Drei-Komponenten-Rechnung – Vermögens rechnung, Ergebnisrechnung und Finanzrechnung – die tat sächliche Lage unseres Landes noch besser und mithin exak ter ab. Mit der von mir erläuterten Aufstellung der Vermögens rechnung haben wir den Einstieg geschafft, und nun kommt der nächste Schritt. Wir befinden uns hier auf dem richtigen Weg, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt,

(Abg. Anton Baron AfD: Wann dann?)

und wir dürfen vor allem den derzeit eingeschlagenen und vor gegebenen Weg nicht einfach verlassen. Entscheidend ist doch: Wir dürfen heute und auch morgen nicht auf Kosten der kommenden Generationen leben, und das tun wir auch nicht.

Damit das so bleibt, ist es weiterhin mein großes Ziel, die Schuldenbremse endlich in der Landesverfassung zu veran kern. Aber bei diesem wichtigen Thema, meine Damen und Herren, hören wir von der AfD keine qualifizierten Vorschlä ge; hier herrscht Funkstille.

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Wir reden zum The ma! Das ist der Unterschied!)

Ich weiß auch, warum das so ist: Sie haben keine Antworten.

Sie sehen auch: Unsere Finanzverwaltung und vor allem un ser Finanzministerium mit der Verwaltung stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Die Aufstellung des nächsten Doppelhaushalts steht an, aber auch die Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung, vor allem auch die Einführung einer neuer Kassensoftware in der kompletten Landesverwaltung und – gestern haben wir darüber gespro chen – die Einführung der neuen Grundsteuergesetzgebung.

Aus diesem Grund hoffe ich, meine Damen und Herren, Sie bereiten sich auf die Beratungen im Ausschuss inhaltlich bes ser vor als auf die Einbringung heute. Wir werden diesen Ge setzentwurf ablehnen, denn wir wissen, von Ihnen kommt nicht mehr.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Jetzt hat das Wort Herr Abg. Stickelberger für die SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Dr. Podeswa, Ihr Rückgriff auf die Fugger hätte mir nicht so nahe gelegen; da habe ich eher an doppelte Buchführung im Zusammenhang mit Parteispen den oder Ähnlichem gedacht.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Zur Sache: Die SPD hat diesen Prozess zur Entwicklung der Doppik von Anfang an begleitet, und es war unser Finanzmi nister Nils Schmid, der da wesentliche Fortschrittselemente auf den Weg gebracht hat im Hinblick auf die Vermögensrech nung, die dann durch das Finanzministerium weitergeführt wurde. Ich glaube, das ist ein gewaltiges Projekt, das wir al lerdings auch zielstrebig angehen sollten.

Herr Dr. Rösler und Herr Kollege Wald, ich habe doch deut liche Unterschiede in Ihren Einlassungen festgestellt. Ich stim me Ihnen, Herr Wald, zu: Auch die SPD-Fraktion hat als Ziel setzung die Einführung der Doppik. Bei Ihnen, Herr Dr. Rös ler, klang das wesentlich abgeschwächter. Sie haben auf Eu ropa verwiesen, bis einheitliche Standards kommen. Da bin ich äußerst skeptisch, ob wir so lange warten können, wenn wir jetzt in den letzten Jahren den Kommunen zugemutet ha ben, dass sie diesen Prozess recht zügig zu gestalten hatten.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Elf Jahre!)

Viele Kommunen sind ja schon so weit, und ab 2020 sind sie zudem in der gesetzlichen Pflicht. Die Landkreise sind schon zu über 90 % so weit, die Stadtkreise zu 100 %.

(Abg. Anton Baron AfD: Wie sieht es in Heilbronn aus?)

Die Vorbildfunktion des Landes gebietet es also auch uns, hier zügig voranzugehen. Aber ich glaube, zügig darf nicht schnell im Sinne von oberflächlich heißen, sondern es muss nach un serer Auffassung auch gründlich vonstattengehen. Wir stehen, meine ich, in der Pflicht, diesen Prozess der Entwicklung der Doppik im Zusammenhang mit der Schuldenbremse zu sehen. Wenn wir diese konkret verankern, in der Verfassung und dann durch nachfolgende Gesetze, ergeben sich vielfältige Aspek te, die wir auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der Doppik berücksichtigen müssen.

Insofern laufen jetzt eigentlich zwei Prozesse parallel, die wir auch miteinander verbinden müssen. Deswegen können wir, die SPD, in diesem Stadium dem Gesetzentwurf nicht zustim men – so nicht und jetzt nicht. Wir müssen uns noch etwas Zeit lassen, und dann kommen wir sicher zu einem guten Er gebnis – aber zusammen mit der Schuldenbremse.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU – Abg. Emil Sänze AfD: Herr Stickelberger, warten Sie nicht zu lange!)

Dann hat Herr Abg. Kar rais für die FDP/DVP das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Doppik hat durch aus einige Vorteile, vor allem, wenn es darum geht, transpa rentere Haushalte zu schaffen und eine realistischere Bewer tung des Staatswesens zu ermöglichen. Insbesondere wäre es dann bei Themen wie „Implizite Verschuldung“ – also deren Tilgung – nicht mehr so einfach zu handhaben; es wäre offen sichtlicher, und vor allem wäre das dann kein Taschenspieler trick mehr, so wie das bislang angewandt wird. – Aber darauf will ich jetzt gar nicht großartig eingehen.

Herr Podeswa, Sie haben das HGB angeführt und haben die Bilanzierung in Unternehmen als Vergleich angesprochen. Diesen Vergleich kann ich allerdings nicht stehen lassen. Zum einen ist das Erscheinungsjahr des HGB, das Sie genannt ha ben, nicht richtig; es stammt von 1897; Sie haben irgendet was mit 1860 gesagt. Und 100 Jahre vor 1897 – oder auch vor 1860 –, das ist nicht das 17. Jahrhundert, sondern das 18. Jahr hundert. – So viel dazu.

(Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn!)

Damit will ich mich jetzt aber gar nicht länger aufhalten.

Fakt ist: Im HGB steht auch, dass Unternehmen so arbeiten, dass sie eine Gewinnmaximierung anstreben. Das sehe ich bei einem Staat nicht gegeben.

(Abg. Carola Wolle AfD: Warum machen Sie es dann bei der Gemeinde?)

Ein Staat hat nicht die Aufgabe, Gewinne zu maximieren, son dern er hat die Aufgaben wahrzunehmen, die das Volk von ihm erwartet,

(Abg. Carola Wolle AfD: Blöde Ausrede!)

und hier auch zu investieren. Das kann auch einmal heißen, dass man finanziell einen Verlust macht – vielleicht auch in Vermögenswerten.

Denn letztendlich kann man ja nur sehr schwer bewerten, was der Staat alles leistet. Beispielsweise kann man die Leistun gen für den sozialen Frieden nicht wirklich bemessen.

(Abg. Carola Wolle AfD: Das leistet auch eine Ge meinde!)

Insofern zieht dieser Vergleich schlichtweg nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Andreas Kenner SPD)

Auch wir, die FDP/DVP-Fraktion, haben in unserer damali gen Regierungszeit mit beschlossen, dass die Doppik für die Kommunalverwaltung eingeführt wird. Das ist auch richtig so. Beim Land sind wir da aber weitaus skeptischer – wenn auch nicht gänzlich verschlossen. Denn letztendlich haben wir dadurch eine bessere Darstellung von Verbindlichkeiten, ins besondere von solchen, für die derzeit nur über Umwege ei ne Darstellbarkeit gegeben ist.

Allgemein ist ja – im Vorfeld der Kommunalwahlen muss man das auch einmal sagen – die Euphorie bezüglich der Doppik etwas verflogen. Letztlich können auch dann noch schlechte Entscheidungen getroffen werden, die finanziell bzw. im Hin blick auf die Vermögensseite nachteilig für die Kommunen sind – auch wenn diese jetzt transparenter erfolgen, sodass zum Schluss zumindest dann niemand sagen kann: „Ja, das haben wir nicht gewusst.“ Das ist immerhin schon ein guter Beitrag.

Wir plädieren für Folgendes: Schauen wir uns doch mal die Erfahrungen an, die Hessen macht, die Bremen macht, die Hamburg macht, und bewerten dann, was dort passiert ist, und überlegen, was für Baden-Württemberg die richtige Lösung ist. Denn klar ist auch: Bremen und Hamburg sind Stadtstaa ten, die eine ganz andere Konstellation haben als ein großes Flächenland, ein wirtschaftsstarkes Flächenland wie BadenWürttemberg.