Protokoll der Sitzung vom 26.06.2019

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Für die SPD darf ich das Wort Herrn Kollegen Weber erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Nach der Debatte, zumindest den Wortbeiträgen von Grünen und CDU, müsste ich ganz

ketzerisch die Frage stellen: Warum gibt es denn keine 100 % Bio in Landeskantinen?

(Abg. Martin Grath GRÜNE: Gute Frage!)

Das scheint ja alles ganz einfach und kostengünstig. – Ja, die se Frage werde ich jetzt auch beantworten.

Aus Arbeitsalltag, Schule und Studium sind Kantinen und Mensen nicht wegzudenken. Für viele sind sie der Anlauf punkt in der Mittagspause. Das bedeutet für die Kantinen und Mensen, dass in kurzer Zeit für viele Menschen warme Mahl zeiten vorbereitet werden müssen. Diese müssen schmecken und bezahlbar sein. Nur mit ausreichender Nachfrage lassen sich annehmbare Preise erzielen. Zugleich sind nämlich die Nutzer sehr preisbewusst – verständlich, wenn man an den kleinen Geldbeutel von Auszubildenden und Studierenden denkt. Neben höheren Kosten beim Bioeinkauf kommt ein hö herer Personal- und Lageraufwand für die Küchen hinzu. – Die Antworten finden Sie ja in der Stellungnahme.

In der „Süddeutschen Zeitung“ wird das Dilemma klar be schrieben: Kantinenessen soll Bio sein, aber billig. Dies, lie be Kolleginnen und Kollegen, ist ein Zielkonflikt. Daher ist es richtig, wenn bei Bioprodukten auch die Herkunft thema tisiert wird. Weite Transportwege – ich glaube, da sind wir uns einig – sind schließlich Gift für die Nachhaltigkeit. Der Blick sollte sich daher möglichst auf regionale Produkte rich ten, die zu guten Bedingungen produziert wurden. Saisonale und regionale Produkte sollten im Blick sein, genauso wie das Tierwohl.

Hinzu kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen – das muss man hier auch deutlich ansprechen –: Wie sehen denn die Top 3 der beliebtesten Kantinenessen aus? Currywurst, Schnit zel und Spaghetti Bolognese. Was haben die drei gemeinsam? Sie sind alle sehr fleischlastig. Genau diese hohe Nachfrage nach Fleisch ist der Knackpunkt bei der Frage, wie wir eine sinnvolle, nachhaltige und biologische Ernährung in Kanti nen verwirklichen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn das Thema Fleisch ist die Stellschraube bei der Umstel lung auf Bio.

Ich komme jetzt gern auf den Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ zurück. Denn es liegt nicht einfach nur im Centbe reich, was sich da erhöht. Dort ist nachzulesen – es war eine Anfrage an mehrere Kantinen; wohlgemerkt im Bundesland Bayern; ich glaube aber, dass die dort genauso klug wirtschaf ten und genauso klug sind wie wir –

(Zurufe)

na ja, manche bezeichnen es ja als geniales Projekt, was die CSU in Bayern macht; insofern glaube ich schon, dass die dort ganz gut sind –, dass eine Kantine mindestens 14 € für ein Ge richt mit Biofleisch aus der Region verlangen müsste; das schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, also durchaus eine sehr seriöse, überregionale Zeitung. Das gäbe – so wörtlich – na türlich einen Aufschrei. Logisch! Denn dann würde das Mit tagessen in Kantinen und Mensen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Familien und für Studierende monatlich grob gerechnet 300 € kosten. Das ist die Sachlage.

Damit ist auch klar, dass wir entweder mit höheren Kosten oder aber mit einem komplett anderen Angebot als derzeit

nachgefragt rechnen müssen. Es wäre daher richtig und wich tig gewesen, wenn Sie diesen Zielkonflikt thematisiert hätten. Aber diese Frage umschiffen Sie entschieden.

(Abg. Martin Grath GRÜNE: Falsch!)

So richtig es ist, in den Kantinen des Landes gesundes und nachhaltiges Essen anzubieten, so müssen wir diesen Zielkon flikt doch auch besprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist die wesentliche Herausforderung.

Noch etwas verwundert mich, lieber Kollege Grath: Ich habe vernommen, dass Sie den Kampf gegen Lebensmittelver schwendung hier als zentrale Frage thematisieren. Ich und meine Fraktion würden dies eindeutig unterschreiben. Ich muss mich dann aber darüber wundern, dass sich keine einzi ge der neun Fragen Ihres Antrags damit beschäftigt, wie und auf welchen Wegen wir die Lebensmittelverschwendung in Kantinen verhindern. Mit keiner einzigen Frage

(Zuruf des Abg. Martin Grath GRÜNE)

wird dies thematisiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Martin Grath GRÜNE: Der Antrag ist schon da! Es gibt bald einen Antrag dazu!)

Deswegen müssen wir diese zentrale Frage auch hier in der Diskussion beantworten.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kolle ge Hoher für die FDP/DVP.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist grundsätz lich zu begrüßen, dass sich das Thema „Gesunde und nach haltige Ernährung“ etabliert hat. Auch in den Kantinen des Landes wird in den Mittagspausen des Öfteren der Wunsch nach entsprechenden Produkten geäußert. Es ist absolut nach vollziehbar und entspricht dem gesellschaftlichen Trend, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer Mittagspause nicht auf regionale und ökologische Produkte verzichten wol len. Allzu lange wurden gerade in Kantinen Aspekte wie Qua lität und Herkunft eines Produkts außer Acht gelassen. Es herrschte die Maxime: Quantität statt Qualität.

Hier darf auf keinen Fall ein falscher Eindruck entstehen. Auch ein nicht ökologisches Produkt entspricht den hohen Qualitätsanforderungen. Kaum ein Land auf dieser Welt hat einen so hohen Standard bei Qualitätskontrollen von Lebens mitteln wie Deutschland.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Mit der Umstellung auf regionale und ökologische Produkte in Kantinen entsteht ein finanzieller Mehraufwand. Denn Pro dukte aus der Region gibt es leider nicht zum Nulltarif. Ob ein solcher Mehraufwand vom Verbraucher akzeptiert wird, ist fraglich. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos aus dem Jahr 2018 mit 1 000 Befragten zeigt, dass gesunde

Lebensmittel in Kantinen bevorzugt werden; mehr als die Hälfte der Befragten jedoch wollen dafür keinen Cent mehr ausgeben. Hier herrscht offensichtlich eine Diskrepanz zwi schen Wunsch und Wirklichkeit. Diese spiegelt sich in der fi nanziellen Umsetzbarkeit wider. Den Verbrauchern steht es frei, eine Entscheidung zu treffen, ob sie mehr oder weniger für Lebensmittel zahlen.

Eine flächendeckende Einführung regionaler und ökologischer Produkte in Kantinen hat somit einen marktwirtschaftlichen Aspekt, der allein durch das Konsumverhalten der Verbrau cher gesteuert wird. Es wäre also wünschenswert, das Ange bot in den Kantinen des Landes so breit wie möglich aufzu stellen, um der bestehenden Nachfrage nach regionalen und ökologischen Produkten zu entsprechen und auch den finan ziellen Möglichkeiten der Kundinnen und Kunden gerecht zu werden.

Neben dem finanziellen Aspekt müssen auch bürokratische und logistische Aspekte betrachtet werden. Die Umstellung der Lieferprozesse wäre mit einem bürokratischen Mehrauf wand verbunden. Zudem ist die Verfügbarkeit regionaler und ökologischer Produkte nicht zuletzt saisonal bedingt einge schränkt. Dies alles ist eine Herausforderung für Pächter bzw. Kantinenbetreiber.

Wir Liberalen unterstützen grundsätzlich eine Initiative für bessere Lebensmittelqualität in den Landeskantinen, unter zwei Voraussetzungen: Erstens darf die Nachfrageseite der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht außer Acht gelassen werden. Zweitens darf den Kantinenbetreibern durch die Um stellung kein unverhältnismäßiger bürokratischer Mehrauf wand zugemutet werden.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP)

In Zukunft werde ich mein Biorumpsteak bei Herrn Grath be stellen, wenn es nur ein paar Cent teurer ist.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Nun darf ich für die Re gierung Herrn Minister Hauk ans Redepult bitten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Temperaturen draußen sind so, dass man sich gern hier im Plenarsaal aufhält und wir die Diskussion des heutigen Tages auch gern noch etwas verlängern können. Ich finde es spannend, dass wir den Tag heute mit einem Thema abschließen, das uns tagtäglich beschäftigt: die Ernährung – und zwar Ernährungsvorschläge nicht mit erhobenem Zeige finger, sondern immer mit dem Ziel, zu fragen: Wie können wir die Ernährung der Bevölkerung in unserem Land durch Beratung noch verbessern?

Ich bin deshalb auch dankbar für den Antrag, lieber Kollege Grath, zum Thema Ernährung und für die umfassenden Fra gen nach entsprechenden Modellprojekten. Ich bin auch dank bar, dass die Regierungsfraktionen Mittel für die Modellpro jekte zur Verfügung gestellt haben; denn wenn die Modellpro jekte nach 2019 – wir sind ja noch mittendrin – abgeschlos sen sind – – Herr Kollege Weber, Sie haben ja recht, wenn Sie

nach dem Thema Lebensmittelverschwendung fragen. Aber das Projekt haben wir im Dezember 2018 begonnen; da kön nen wir jetzt noch keine Ergebnisse präsentieren. Nach Ab schluss dieser Modellprojekte wird dann natürlich auch die Aufgabe sein, hieraus Schlussfolgerungen zu ziehen, zumin dest für die landeseigenen Kantinen und deren Angebot.

Ich will keinem Kantinenbesucher vorschreiben, was er isst. Das muss er selbst entscheiden. Herr Kollege Weber, es gibt aber natürlich Zielkonflikte – da haben Sie recht –, weil häu fig unter gesunder Ernährung nicht die Lieblingsgerichte zu verstehen sind, die in der Kantine ausgewählt werden. Aber jeden Tag Currywurst, das wird letztlich auch keinem schme cken. Deshalb kommt es letztlich auf die Mischung an. Das schafft man dadurch, dass bezüglich des Angebots die landes eigenen Kantinen ein Stück weit Vorbild- und Vorreiterfunk tion übernehmen.

Es stimmt ja, dass wir in der Tat nicht wussten, ob es, wenn wir die Anteile an regionaler Beschaffung und Biobeschaf fung vorschreiben, gelingt, diese Vorgaben zu erfüllen. Der Versuch zeigt schon jetzt: 15 % Bio gelingen, unter Umstän den auch 30 %.

Die zweite Frage ist natürlich: Ist es machbar, auch den regi onalen Bezug deutlich zu erhöhen? Beide Themen, Regional und „Regionales Bio“, stärken die Wertschöpfung der Bauern und die gesamte Lebensmittelkette im Land. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Da muss es auch möglich sein, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen, nämlich bei den Angeboten, die wir im Land ma chen.

Deshalb ist der Modellversuch „Große Küchen – Gutes Es sen“ wie kein anderer dazu prädestiniert, zu zeigen, dass Ge schmack, Kultur und Qualität nicht in Widerspruch zu Bio und Regionalem stehen, sondern Voraussetzungen sind für das Thema „Bio und regionaler Anteil“.

(Beifall des Abg. Manuel Hagel CDU)

Meine Damen und Herren, wer sich mit Sterneköchen unter hält, wird immer wieder hören: Die Voraussetzung für schmack haftes Essen sind eine gute Qualität der Rohstoffe und gute Zu taten.

(Abg. Martin Grath GRÜNE: Absolut!)

Wenn die Zutaten gut sind, wird das Essen auch gut sein – und umgekehrt. Wenn die Zutaten Schund sind, dann braucht man auch viel Curry, Pfeffer und Salz. Da hilft nichts anderes. Man muss sehr stark auf ausländische Waren, nämlich Gewürze, zurückgreifen, um das entsprechend zu übertünchen.

Deshalb ist klar: Rohstoffbeschaffung, also Lebensmittelbe schaffung, ist ein ganz zentrales Thema, sowohl was Bio als auch was den regionalen Anteil angeht. Ich bin froh, dass wir unsere Beschaffungsrichtlinie im Frühjahr letzten Jahres auch dahin gehend geändert haben, dass es in Zukunft möglich ist, für die Beschaffung Vorgaben zu machen, dass beispielswei se in Kantinen eben ein bestimmter Anteil regional und bio logisch erzeugter Lebensmittel angeboten werden muss.