Das hat man ganz selten bei Jugendlichen, dass Jugendliche nach einer Stunde sagen: „Wir müssen jetzt aufhören, doch würden wir gern mit euch noch die ganze Nacht zusammen diskutieren.“ Das ist doch die Zukunft, und das machen wir das nächste Mal auch. Dann bleiben wir halt bis Mitternacht hier und diskutieren.
Übrigens: Als Sozialdemokrat fällt mir das Thema Bürgerbe teiligung natürlich besonders leicht, weil die Sozialdemokra tie auf der ganzen Welt die Bewegung der Bürgerbeteiligung ist, und das seit 150 Jahren.
Das ist einfach historisch so. Als die Sozialdemokratie gegrün det wurde, durften Arbeiter z. B. nicht wählen; nur Steuerzah ler haben gewählt. Frauen durften nicht wählen usw. Wenn man dann schaut, wie weit wir gekommen sind: 1919 das ers te allgemeine, gleiche, geheime Wahlrecht für Männer und Frauen; dann mit der FDP zusammen die Absenkung des Voll jährigkeitsalters von 21 auf 18, Wahlrecht ab einem Alter von 18 Jahren. Das war damals eine Zäsur in ganz Europa. Da ha ben Konservative gemeint, jetzt werden SPD und FDP immer die Kanzler stellen, weil junge Menschen immer sie wählen. Leider war das nicht so.
(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Sascha Binder SPD: So selbstlos sind wir!)
In der letzten Legislaturperiode hatten wir, Grün-Rot, hier ge meinsam gesagt: Junge Menschen können ab 16 Jahren in ih rer Gemeinde wählen. Dort leben sie, dort haben sie den Über blick.
Nicht gewählt werden; darüber werden wir diskutieren, kei ne Frage. Ich sage aber jetzt nur: Wer Kommunalpolitik so lange macht wie ich, der weiß, es gibt keine komplizierteren Wahlen als Kommunalwahlen mit Panaschieren, Kumulieren, unechter Teilortswahl. Das ist der Wahnsinn. Wer das einem 16-Jährigen zutraut und dann sagt, bei dieser einen Stimme im Landtag wisse er nicht, wie er die verteilen soll, der ist sehr inkonsequent. Deshalb fordern wir das Wahlrecht ab 16 bei allen nationalen Wahlen. Dann müssen wir halt eine Bundes ratsinitiative machen.
Das hat auch ganz einfach damit zu tun, dass natürlich alle Entscheidungen, die wir hier fällen, über Generationen hin aus wirken. Mit 16 Jahren ist man heute weiter, als dies vor 50 Jahren der Fall war. Das haben die Jugendlichen gestern bewiesen. Da ging es nicht nur um das Klima. Nein, es ging um Verkehr. Es ging um die Fragen: Wie organisieren wir Pfle ge? Wie organisieren wir Bildung?
Übrigens, Frau Eisenmann, ein ganz toller Beitrag war, dass die jungen Menschen zum Digitalpakt gesagt haben: Dann brauchen wir auch kompetentes Personal, das mit den neuen Medien in den Schulen umgehen kann. Denn wenn der Leh rer dann zwei Stunden lang ein WLAN-Kabel sucht, bis man ihm sagt: „Es gibt gar kein WLAN-Kabel“, dann ist das Licht noch weit in der Ferne.
Übrigens: Wenn jetzt manche bezweifeln, dass junge Men schen ab 16 Jahren wählen können, dann sollten wir einmal etwas über die Landesgrenzen hinausblicken. Ich habe mir das noch einmal angeschaut: Bei den Hauptausschusswahlen der Stadt Ludwigshafen haben sechs AfD-Stadträte die SPD ge wählt, damit sie selbst gar nicht im Hauptausschuss sind. Da weiß ich nicht, ob man eigentlich AfD-Gemeinderäte – zu mindest jetzt in Rheinland-Pfalz – Ausschüsse wählen lassen soll, wobei ich sage: Wenn man nicht weiß, wen man wählen soll, und man dann die SPD wählt, ist das auch kein Fehler. Das können Sie in Zukunft so machen. Das finde ich gut.
Jetzt sage ich noch zum Schluss – und das finde ich für uns ganz spannend –: Während wir hier diskutieren, ob man und wie man Jugendliche, die freitags demonstrieren, statt in die Schule zu gehen, sanktioniert, demonstrieren gleichzeitig Mil lionen von Menschen in Hongkong für die Demokratie.
Der große Teil von ihnen sind Schüler und Schülerinnen, und denen drohen jahrelange Gefängnisstrafen. Die gehen auf die Straße, und die kämpfen für die Menschenrechte. Und dann sagen wir, Beteiligung ab 16 Jahren sei bedenklich.
Das ist der Beweis, dass Schülerinnen und Schüler sehr wohl in der Lage sind, für ihre Zukunft einzustehen, während Er wachsene am Fernseher zuschauen, meine sehr verehrten Da men und Herren.
(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der SPD: Sehr gut!)
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Jugendliche hier im Jugendlandtag! Wir sind beeindruckt: über 1 500 Ju gendliche bei 22 Regionalkonferenzen, heute über 175 Ju gendliche, die gestern auch schon dabei waren. Wir haben es
schon mehrfach gehört: Die lange Arbeitsphase ist wirklich beeindruckend gewesen. Von wegen, die junge Generation in teressiere sich nicht für politische Themen oder möchte sich nicht gesellschaftlich engagieren. Ich glaube, wir haben das gestern hier gemerkt, aber wir sehen es auch in Baden-Würt temberg, wie beispielhaft und vorbildlich sich die junge Ge neration in Baden-Württemberg mit Freude, mit Leidenschaft, auch mit Sach- und Fachkenntnis engagiert. Da sagen wir herzlichen Dank für das Engagement hier in Baden-Württem berg.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall bei der AfD)
Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlech te Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwa dronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisie ren ihre Lehrer.
Ich glaube, der Jugendlandtag hat eindrucksvoll gezeigt, dass auch ein hoch anerkannter griechischer Philosoph irren kann. Dafür haben Sie gestern und heute den Beweis geliefert. Herz lichen Dank dafür.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD)
Sie sorgen auch dafür, dass Baden-Württemberg das Land des Ehrenamts bleibt. Ob in Politik, Kirche, Vereinen, Sport, Kul tur oder Kunst – überall gibt es sehr viele junge Menschen, die sich in unserer Gesellschaft in ihrer ganzen Breite einbrin gen.
Heute ist gerade das politische Engagement sehr groß, und ich darf an dieser Stelle auch die politischen Jugendorganisatio nen loben. Wenn ich die Kooperationsbereitschaft und die Ak tivitäten unserer Jungen Liberalen sehe, dann muss ich nicht befürchten, dass nicht auch in Zukunft politische Themen in Baden-Württemberg und deutschlandweit auf der Tagesord nung stehen werden. Ich glaube, gerade das ist wichtig für Hu manität und Toleranz und für die Demokratie. Gerade in Zei ten, in denen in anderen Ländern Versuche unternommen wer den, andere Strukturen statt demokratischer Prinzipien auf die Tagesordnung zu setzen,
Es ist keine Frage: Wir haben natürlich eine große Dimensi on durch die Bewegung „Fridays for Future“, die sich inzwi schen weltweit zeigt. Die junge Generation nimmt ihre Zu kunft in die Hand.
Dabei gibt es viele weitere Themen, die die jungen Menschen bewegen; dies wurde auch hier im Jugendlandtag noch ein mal eindrucksvoll gezeigt – ob es bildungspolitische Themen sind, ob es Themen im Bereich der Digitalisierung oder der sozialen Medien sind. Heute konnten wir in einem interessan ten Bericht der AOK lesen, wie viel Zeit junge, aber auch äl tere Menschen mit den sozialen Medien verbringen. Auch das wird ein ganz wichtiges Thema sein.
Ich habe selbst drei Kinder im Alter zwischen 23 und 26 Jah ren. Da steht man natürlich auch immer wieder in der Diskus sion über Zukunftsthemen. Ich will einige Punkte beispielhaft kurz herausgreifen, die die Sozial- und Gesundheitspolitik be treffen. Da geht es um Fragen der gesundheitlichen Versor gung, um Fragen der Pflege, aber auch um die Frage: Ist die Politik, wie sie bezüglich der Rente derzeit gemacht wird, ge nerationengerecht? Mütterrente, Rente mit 63, Respektrente ohne Bedürftigkeitsprüfung – da entsteht schon die Frage, ob die dreistelligen Milliardenbeträge, die die junge Generation finanzieren muss, auch dieser Generation dann noch zur Ver fügung stehen werden. Auch da sehen wir es als unsere poli tische Verantwortung, darüber nachzudenken, ob solche Ent scheidungen überhaupt generationengerecht sind.
(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Stefan Räpple AfD: Was für Antworten haben Sie?)
Die jungen Menschen machen sich Gedanken über die Wohn raumsituation. Wer jetzt aktuell in den Beruf einsteigt, kennt die Sorgen in Bezug auf Wohnraum.
Zudem erleben wir nach zehn Jahren des Wachstums nun ei ne Situation, wie sie die junge Generation noch nicht erlebt hat: Wirtschaftliche Veränderungen können durchaus nicht nur nach oben weisen, sondern auch nach unten. Wann haben Sie zum letzten Mal gelesen, dass ein großer Konzern in BadenWürttemberg ein Werk schließt? Dies erleben junge Men schen, die jetzt in den Beruf einsteigen; sie erleben, dass sich die Situation plötzlich dramatisch verändern kann.
Da haben wir auch Aufgaben. So müssen wir in Bezug auf Bürokratie überlegen, ob eine immer stärkere Regulierung sinnvoll ist oder ob wir Unternehmen nicht auch die Möglich keit geben sollten, ihre Verantwortung zu übernehmen. Gera de der Mittelstand in Baden-Württemberg zeigt da großes Ver antwortungsbewusstsein.