Protokoll der Sitzung vom 17.07.2019

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ach, das tun viele! – Ge genruf: Viele Grüne! – Gegenruf der Abg. Nicole Ra zavi CDU: Auch von der AfD!)

und das übrigens mit einer Begründung, die sie nicht gerade dem Verdacht überdurchschnittlicher Intelligenz aussetzt.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Doch wenn Sie im Moment im Rems-Murr-Kreis nachfragen, ist das natürlich Gesprächsstoff. Denn dass man ein Ehren amt, in das man gewählt ist, ablehnt, kommt nicht alle Tage vor. Das ist eben auch ein Ehrenamt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wir sind al le ehrenamtlich tätig! – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Zur Sache!)

Jetzt aber noch zu anderen Beispielen. Ich glaube, dass sich ein Beispiel besonders eignet.

(Unruhe)

Herr Abg. Dr. Goll hat das Wort.

Wie ist es eigentlich, wenn entschieden wird, wenn es zum Schwur kommt, wenn es nicht nur darum geht, zu reden und hier Initiativen einzubringen? Ein sehr gutes Beispiel ist die Rückverstaatlichung der Be währungshilfe. Warum ist sie ein gutes Beispiel? Die Bewäh rungshilfe wurde auch aus dem Grund reformiert, weil es hieß: Ehrenamtliche können da gar nicht mitmachen, die können das gar nicht. Dieser Überzeugung waren wir damals nicht.

Also haben wir ein neues Modell gefunden mit einem freien Träger, der hauptsächlich Ehrenamtliche angeworben hat. Da mals hieß es, man werde nie welche finden. Es ging drei Jah re, und dann hatten wir 600 Ehrenamtliche. Als alles perfekt lief, keiner bestritten hat, dass die Lösung besser war, dass sie sogar ein bisschen billiger war, kam die Rolle rückwärts. Dann wurde die Bewährungshilfe rückverstaatlicht – gegen den aus drücklichen Willen der Ehrenamtlichen, die nicht „verlänger ter Arm der Beamten“ sein wollten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber damals hat man, sicher auf Betreiben der SPD – Sie ha ben aber zugeschaut – sowie einer kleinen Gruppe von Beam ten, das Ganze wieder verstaatlicht. Sie werden es sehen: Nach einer Reihe von Jahren werden wir wahrscheinlich den Zu stand wieder erreicht haben, den wir vorher hatten, nämlich, dass es Beamte sind, die sagen: Wir brauchen mehr Personal; andere können es nicht, usw.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das muss man nicht alles auf das Ehrenamt abwälzen!)

Deswegen muss man sagen: Wer solche Gelegenheiten, das Ehrenamt weiter auszubauen, auslässt, der kann hier natürlich über das Ehrenamt reden, aber er redet, finde ich, hierüber ein bisschen wie der Blinde über die Farbe.

Das zweite Beispiel – es ist zu Recht schon genannt worden –: der Freiwillige Polizeidienst. Der Sommer naht, es kommen Feste, Konzerte und damit Anlässe, bei denen ein Freiwilli ger Polizeidienst sehr nützlich sein kann. Diesen Freiwilligen Polizeidienst wollen Sie im Grunde genommen abschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Da kann man nun die Frage nach dem Warum stellen. Der Grund ist folgender: Sie haben eigentlich kein Verhältnis zur Polizei

(Abg. Anton Baron AfD: Zur Feuerwehr auch keinen Bezug!)

und deshalb erst recht kein Verhältnis zu Menschen,

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

die der Polizei helfen wollen. Aber daran erkennt man noch etwas anderes, was bedenklich ist: Sie wollen schon das Eh renamt, aber nur dort, wo es Ihnen passt.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau! Nur im Bereich So ziales!)

Das verträgt sich für mich mit dem Gedanken des Ehrenamts nicht; denn das Ehrenamt ist auch Ausdruck einer bürgerli chen Souveränität, und da dürfen die Leute auch selbst sagen, was sie wollen. Wenn sie etwas Nützliches machen wollen – in diesem Fall der Polizei bei solchen Anlässen helfen –, dann sollte man sie machen lassen; andernfalls zeigt man ein ge störtes Verhältnis zum Ehrenamt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Im Grunde ist es schon so: Sie von den Grünen wollen jetzt auf einer Welle surfen – es ist die zweite Initiative innerhalb kurzer Zeit –, die es allerdings schon lange vor den Grünen gab und für die sich die Grünen erkennbar auch jahrelang nicht sonderlich interessiert haben.

Dies vorausgeschickt, betone auch ich natürlich gern die Wichtigkeit des Ehrenamts, und zwar insbesondere auch aus liberaler Sicht. Gerade bei den Liberalen freut man sich im mer, wenn nicht alles unbedingt gleich vom Staat aus ge schieht. Das ist bei uns an unzähligen Stellen der Fall. Es sind bereits sehr viele Bereiche genannt worden. Gestatten Sie mir aber, noch einen Bereich zu nennen, der vielleicht nicht so oft genannt wird: Auch ein Strafvollzug würde ohne Ehrenamt nicht so funktionieren. Man könnte ohne ehrenamtliche Mit hilfe keinen wirklichen Resozialisierungsvollzug gestalten.

Das sind also eher die verdeckten Bereiche, über die man we niger redet. Dies gilt auch für die Resozialisierung, die in der heutigen Zeit so wichtig ist. Bei der Resozialisierung gerade jüngerer Straftäter und gerade auch von Straftätern mit Mig rationshintergrund hilft uns das Netzwerk Straffälligenhilfe, das landesweit etabliert ist.

Das sind natürlich unglaublich hilfreiche Leistungen an die ser und an anderer Stelle. Andere Stellen wurden genannt; ich will das jetzt nicht wiederholen, möchte aber doch sagen, dass wir allen Grund haben, diesen Menschen dankbar zu sein, die uns täglich und an jeder Ecke helfen, die Aufgaben dieser Ge meinschaft erfolgreich zu bewältigen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Klaus Dürr AfD)

Dem Antrag der SPD können wir nicht zustimmen. Das hängt damit zusammen, dass wir das Bildungszeitgesetz schon aus ordnungspolitischen Gründen – es dürfte bekannt sein – nicht besonders schätzen. Deswegen werden wir es auch nicht – so, wie Sie es vorhaben – für sakrosankt erklären.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

(Abg. Anton Baron AfD: Oje! Ich dachte, der Innen minister spricht!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich vermisse gerade mit dem Kollegen Keck und der Kol legin Wehinger Abgeordnete, mit denen ich am vergangenen Samstag Gelegenheit hatte, der Internationalen Deutschen Pa ra Leichtathletik-Meisterschaft beizuwohnen, die zum dritten Mal in Singen ausgetragen wurden. Wer war da? Der Ober bürgermeister, unser früherer Kollege Hans-Peter Storz, die Behindertenbeauftragte der Stadt, der Sportbeauftragte des Kreises, hundert Ehrenamtliche quer durch alle Chargen der politischen Verantwortung, Vertreter von Vereinen sowie An gehörige. Wir haben dabei einen Weltrekord im Weitsprung gesehen sowie mehrere Jahresweltbeste, die am Start waren.

Warum wähle ich dieses Beispiel? Weil es exemplarisch zeigt, was ehrenamtliches Engagement, bürgerschaftliches Engage ment bewirkt und welcher Dinge es bedarf, damit es diese Wirkungen erzielen kann.

Ganz nebenbei ist dadurch die Stadt Singen eine der heraus ragenden Städte mit Barrierefreiheit geworden, und ich habe gesagt: Das dortige Sportstadion und die Singener Para Leicht athletik-Meisterschaften – die Kollegin und der Kollege sind jetzt anwesend – sind so etwas wie das Götzis im Zehnkampf für die Para Leichtathletik in Baden-Württemberg und Deutsch land.

Genau das ist das Geheimnis: das Zusammenwirken der un terschiedlichen Ebenen und der politischen Verantwortung, allen voran der Oberbürgermeister und die Repräsentanten der Organisationen. Dann kommen die Menschen und arbeiten mit, und dann werden z. B. bei Menschen mit Behinderungen Hochleistungen möglich.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Fraktionen GRÜNE und CDU für diese Große Anfrage. Wer die Fragestellungen gelesen hat – in Ihren Beiträgen sind Sie eher auf Themen ein gegangen, die nicht in den Fragestellungen der Großen An frage enthalten waren –, sieht: Die Große Anfrage ist wirklich ein Leistungsbeweis unserer guten, durchstrukturierten und wohlüberlegten Strategie – ich sage einmal so – an Haupt und Gliedern.

Kollegin Wölfle, selbstverständlich müssen Sie nicht immer Wunden lecken. Es hat sehr viel Spaß gemacht, in der letzten Legislaturperiode diese Strategien und Tätigkeiten gemein sam zu entwickeln, auch mit den Kolleginnen und Kollegen des Sozialausschusses querdurch.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das war auch keine Kri tik!)

Heute haben wir einen Kabinettsausschuss und das Glück, mit Staatsrätin Erler die Vordenkerin und spirituelle Treiberin zu haben, um Menschen mitzunehmen, auch, wenn es um For men von Beteiligung geht. Wenn wir das nicht hätten, könn ten wir unsere Instrumente, wie Netzwerke und Partner in der kommunalen Familie, nicht konzentriert und konsequent ein setzen. Dahinter stehen Pläne. Weil wir wissen, wie Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement bei den Menschen vor Ort wirken und helfen, haben wir die richtigen Strukturen dafür gefunden. Frau Staatsrätin, an dieser Stelle einen herzlichen Dank für den großen Einsatz.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Sie haben es dankenswerterweise in Ihren Beiträgen gesagt. Es geht darum: Wie wollen wir zusammenleben? Ohne Hass und Hetze, sondern mit Respekt und Akzeptanz. Wir wollen, dass jeder in dieser Gesellschaft mitmachen kann. Und Sie ha ben recht: Sich für andere einzusetzen ist immer auch ein Ein setzen für sich selbst – Gott sei Dank. Dabei muss man nicht immer die Frage stellen, ob es vergolten wird.

Natürlich gibt es einige Grundsatzfragen, z. B.: Gibt es Grup penversicherungen? Gibt es bestimmte Vergünstigungen? Gibt es einen Auslagenersatz? Das alles klären wir. Aber wir ent scheiden doch: Wie wollen wir behandelt werden? Sie ken nen sicher den Spruch: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.“ Drehen Sie es ins Positive: Behandle andere Menschen so, wie du behandelt werden willst. Natürlich wissen wir, dass Zusammenhalt, Unterstüt zung und Helfen die Grundlagen unserer Demokratie und un seres Zusammenlebens sind, und ja, wir sind stolz darauf, dass Baden-Württemberg das Land des Ehrenamts und der Hilfs bereitschaft ist, wo man sich hilft und nicht erst nach dem Zweck fragt, weil man intuitiv weiß: Man braucht auch selbst einmal Hilfe als Teil einer Gemeinschaft. Das ist unser sozi aler und solidarischer Kompass.

Das setzen wir jetzt mit unseren Programmen, die Sie abge fragt haben, um. Ich möchte nur einige Beispiele nennen.

Heute schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem großen Artikel, dass Baden-Württemberg nachweislich das engagierteste, klarste Konzept bei der Integration für Geflüch tete hat. Das ist natürlich einerseits nur mit unseren tollen In tegrationsmanagern möglich. Es ist aber auch nur deshalb möglich, weil wir mit den Kommunen und den Wohlfahrts verbänden Programme speziell für die Qualifizierung in der Geflüchtetenhilfe, in der Bürgerarbeit zur Verfügung stellen und umsetzen. Diese Programme kommen an. Die Ergebnis se bestätigen uns, dass es uns von 2015 bis heute in einem gro ßen Maß gelungen ist, eine solidarische, vielfältige Gesell schaft umzusetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wir haben natürlich auch Metaziele in der Strategie. Wir ha ben die Handlungsempfehlungen besprochen. Da geht es um Engagement in der Pflege, Engagement in der Jugendarbeit, Engagement im Bereich der Älteren. Alle Gruppen sollen in den Blick genommen werden. Es werden auch alle Gruppen in den Blick genommen, und das ist toll. Immer wieder – sei

es im Sport, sei es in der Kultur – treffen wir uns. Wir treffen uns übrigens auch sektorenübergreifend. Das heißt, in den un terschiedlichsten Bereichen arbeiten engagierte Menschen zu sammen. Da arbeiten die Bereiche Sport, Kultur und Flücht lingshilfe zusammen. Das ist unsere Kunst, dass wir mit den Verbänden in unserem Land, mit unseren Netzwerkpartnern Vereinbarungen treffen, mit denen wir sie grundsätzlich für die Beratung stärken.

Da spielt auch das Hauptamt eine Rolle. Man braucht für Ko ordination, für Anleitung ein gutes Hauptamt, das ehrenamt liche Tätigkeit möglich macht, das auch mal vor Überforde rung schützt, das auch mal bei Fragestellungen als Mentor, als Berater zur Seite steht. Auch das leisten wir mit Programmen, aber auch mit Tipps, mit Schulungen und mit Hinweisen.

Erlauben Sie mir noch eine Antwort zum Ehrenamtspreis. Wir haben uns entschieden, diesen Preis nicht mehr in dieser Form zu vergeben. Denn man hat ihn irgendwie genommen, und dann ist nichts übrig geblieben – erlauben Sie mir mein „Mi grationsschwäbisch“.