Protokoll der Sitzung vom 17.07.2019

Die Ehrenamtsquote freiwillig engagierter Bürger ist hierzu lande enorm hoch: gut über 40 %. Das stellt unseren Lands leuten ein gutes Zeugnis ihres Gemeinschaftssinns aus. Für mich überraschend war durchaus auch, dass die Zahl der Eh renamtlichen im Sportbereich zehnmal so hoch ist wie bei den BOS oder den Blaulichtorganisationen einschließlich der ca. 110 000 Freiwilligen bei den Feuerwehren. Dieses mag dar an liegen, dass man die Nothelfer in ihren Uniformen schon äußerlich erkennt, die unzähligen Ehrenamtlichen ebenso un zähliger anderer Vereine aber eben nicht, was ihrer Anerken nung von unserer Seite keinerlei Abbruch tut.

(Beifall bei der AfD)

Was mich aber vor dem Hintergrund meiner langen Beschäf tigung mit dem Thema doch stört und hier gesagt werden muss: Herr Innenminister, ich bedaure es doch sehr, dass es im Bereich der Rettungsdienstleister immer erst beinahe der Einsatzunfähigkeit bedarf, bevor die Regierung den Helfern zu Hilfe eilt.

Ich erinnere an die Hilferufe der Bergwachten, die so lange mit ihren Privatautos zum Einsatz fahren mussten, bis es ih nen mithilfe der Medien gelang, eine adäquate Ausrüstung zu erhalten. Gleiches beobachten wir gegenwärtig bei den Treib stoffkosten für die Wasserrettung der DLRG am Bodensee, die um Geld für Diesel betteln gehen muss, weil Kreis und Land um Zuständigkeiten streiten. Das ist ein Unding und ei ner Ehrenamtskultur unwürdig.

(Beifall bei der AfD)

Diese Wasserretter opfern ihre Freizeit und die ihrer Famili en und Freunde. Da sollten sie nicht noch den Hut für die Be triebskosten und die Ausrüstung rumgehen lassen müssen.

Ein besonders trauriges Kapitel stellt in unseren Augen der Freiwillige Polizeidienst dar, der von Ihrer Politik aus ideolo gischen Gründen seit Jahren am langen Arm dem Verhungern ausgesetzt wird. Wann endlich, Herr Minister, kommen Sie Ihren zahllosen Versprechungen nach und legen endlich ein

Konzept und einen Termin für den Neustart des Freiwilligen Polizeidienstes vor? Diese Freiwilligen haben das verdient.

(Beifall bei der AfD)

Verbietet Ihnen das Ihr grüner Partner, der das Geld für Sozi alarbeiter braucht? Freiwilliger Dienst in Polizei und allen an deren Formen freiwilligen Engagements stellt übrigens die beste aller Möglichkeiten für die Integration von Menschen in unsere Kultur des freiwilligen Engagements für den Nach barn und unser Gemeinwesen dar.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Vielleicht würde die Sozialarbeiterrate dadurch sogar sinken, Herr Minister.

Was unsere Fraktion weiter an Ihrer Stellungnahme stört, ist, dass Sie Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung besonders des Ehrenamts im Nothilfebereich sträflich vernachlässigen. Es bedarf hier ganz besonders dringend einer stetigen Nach wuchsgewinnung und des Erhalts der Personalstärke auf ho hem Niveau. Dennoch ist Ihnen die Ehrenamtskarte keine Sil be wert, und die sogenannte Löschrente erwähnen Sie nur, um die Verantwortung gleich den Kommunen zuzuschieben.

Wäre es nicht eine sehr sinnvolle Maßnahme, Ehrenamtlern in gefahrengeneigten, kräftezehrenden und mit Tag-undNacht-Einsätzen belasteten Bereichen einen gewissen Aus gleich und Anerkennung – außer warmer Worte – zukommen zu lassen? Warum sollten es uns diese Ehrenamtler nicht wert sein, ihnen und ihren Familien wenigstens kostenlose Eintrit te bei allen öffentlichen, mit Steuergeld ganz oder teilweise finanzierten Einrichtungen und Veranstaltungen aus Landes mitteln zu ermöglichen? Hier tritt eine unangebrachte Knau serigkeit zutage,

(Beifall bei der AfD)

die wir uns in vielen anderen Bereichen, die besonders in der Interessensphäre der Grünen liegen, nur allzu gern wünschen würden.

Ehrenamt lebt von Motivation. Anerkennung bringt Motiva tion. Anerkennung für Bürger, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, bringt uns allen Mehrwert, und diese Bürger sollten uns mehr Wert sein.

Im Übrigen an die SPD: Das Bildungszeitgesetz steht heute nicht zur Debatte. Das kann man zwar reinpacken, aber das muss man heute nicht noch debattieren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sie haben es nicht verstanden!)

In diesem Sinn darf das Ehrenamt in Baden-Württemberg die Alternative für Deutschland immer als seinen entschiedens ten Unterstützer sehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. – Ich habe sehr wohl verstanden, Herr Kollege.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Offensichtlich nicht!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Wölfle.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die vorgezogene Initiative der beiden Re gierungsfraktionen stammt aus dem Frühjahr letzten Jahres und soll wohl augenscheinlich jetzt dazu dienen, ein wenig Eigenlob zu verbreiten. Ja, Baden-Württemberg ist d a s Ehrenamtsland in Deutschland. Gemeinsam mit RheinlandPfalz liegen wir in der Engagementquote bei ca. 48 % und so gar darüber. Das ist aber schon lange so und nicht das Ver dienst von Grünen und CDU.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem bedanken wir uns für diese Große Anfrage – sie ist ja auch sehr lang und sehr ausgiebig –, weil sie in der Tat ei ne sehr gute Übersicht bietet. Man kann durchaus sagen, dass ohne Ehrenamt nichts laufen würde. Man spricht beim Ehren amt nicht ohne Grund vom Rückgrat unserer Gesellschaft, ja auch vom Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.

Das hat auch die vormalige Sozialministerin Katrin Altpeter erkannt und die in der Großen Anfrage genannte Engagement strategie mit auf den Weg gebracht. An dieser Strategie haben viele Akteure und Multiplikatoren aus allen Bereichen des ge sellschaftlichen Engagements mitgearbeitet. So entstanden zwischen 2012 und 2014 klare Handlungsempfehlungen, die jetzt auch mit Leben gefüllt werden.

Aber Ehrenamt ist eben auch Ehrenamt. Hier müssen wir auch künftig die Grenze zu bezahlten Tätigkeiten einhalten. Gegen eine höhere Übungsleiterpauschale spricht sicher nichts, wohl aber gegen Vergütungsformen und -höhen, die eigentlich ei nem ordentlichen Arbeitsverhältnis vorbehalten sind.

Durch meine vielen verschiedenen eigenen ehrenamtlichen Tätigkeiten weiß ich selbst nur zu gut, wie wichtig und wie schwierig es ist, Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen, und zwar dauerhaft. Als Landesvorsitzende eines Sozialver bands, welcher u. a. auch den Bereich Rettungsdienst umfasst, kann ich zu diesem Thema auch ein gutes Beispiel nennen: Nahezu 90 % der Auszubildenden im Rettungsdienst kommen vom FSJ und vom Bundesfreiwilligendienst. Ohne diese Leu te wären die Rettungsdienste in unserem Land nicht hand lungsfähig.

Um aber auch in diesem Bereich und z. B. vor allem auch beim Bevölkerungsschutz zusätzlich noch Ehrenamtliche an werben zu können, braucht es auch eine attraktive Ausstat tung. Hier ist das Land gefragt. Denn es fehlt an vielen Din gen, z. B. auch bei der Bergwacht.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Da haben wir die Gelder erhöht, Frau Kollegin!)

Bei mir im Schwarzwald hat die Bergwacht ca. 1 500 Män ner und Frauen. Die Ausrüstung für diese schwierige Arbeit im Gelände ist oftmals nicht mehr zeitgemäß.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Frau Kollegin, da haben wir die Gelder erhöht!)

Dazu komme ich. – Auch wenn gerade im letzten Haushalt mehr Mittel eingesetzt wurden, um die allernotwendigsten baulichen Mängel an den Bergwachthütten zu beseitigen,

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das ist so mit der Bergwacht besprochen! Im Einvernehmen!)

haben Sie dennoch unseren Antrag auf eine weitere Mitteler höhung abgelehnt. Die Bergwacht kämpft um ehrenamtliche Mitarbeiter. Hier geht es auch um die Rettung von Menschen, und da braucht es eine angemessene moderne Ausstattung, und diese Mittel haben Sie nicht im Haushalt eingestellt.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich tatsächlich noch einmal das Bil dungszeitgesetz erwähnen; denn das hat in der Tat einen Zu sammenhang zum Ehrenamt. Vor wenigen Tagen demonst rierten hier vor dem Landtag die Mitglieder des Bündnisses Bildungszeit. Zu diesem Bündnis gehören direkt neben dem DGB und einigen seiner Mitgliedsgewerkschaften etwa die Arbeitsgemeinschaft Ländliche Erwachsenenbildung, die Kirchliche Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbil dung, der Landesfrauenrat, der ja auch die meisten Frauenver einigungen der Parteien umfasst, sowie die Landfrauen, der Landesjugendring und der Schwäbische Turnerbund. Alle sprechen sich dafür aus, unser Bildungszeitgesetz nicht zu schwächen.

Ich möchte dazu unsere frühere Kollegin und heutige Vorsit zende des Landesfrauenrats, Charlotte Schneidewind-Hartna gel, zitieren:

Fünf Tage für Demokratie, Weiterbildung und Ehrenamts qualifikation für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind für den Landesfrauenrat unverhandelbar.

Recht hat sie. Deshalb wollen wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag, der Ihnen ja vorliegt, die Chance geben, in der heutigen Debatte auch ein Zeichen für das Ehrenamt in Baden-Württemberg zu setzen. Denn Ihre im plizite Androhung, Frau Ministerin Hoffmeister-Kraut und sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak tionen, bezahlte Freistellungen nach dem Bildungszeitgesetz im Bereich des Ehrenamts, z. B. bei der Ausbildung von Übungsleitern beim Sport, zu streichen, konterkariert die Ab sicht Ihrer Großen Anfrage.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung windet sich zwar in ihren Stellungnah men zu unseren Anträgen und verweist auf die laufende Eva luation und die Gespräche mit den Beteiligten. Ihre Zustim mung zu unserem heutigen Antrag könnte diese unselige Dis kussion dorthin verweisen, wo sie hingehört: in den Papier korb.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Goll.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Grünen möchten über das Ehren amt reden. Das finden wir natürlich alle gut.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Wenn aber im Moment der eine oder andere im Rems-MurrKreis in die Zeitung schaut, wird er vielleicht schmunzeln,

weil da gerade eine grüne Kandidatin unter großem Publi kumsinteresse ein Ehrenamt abgelehnt hat, nämlich die Wahl in den Kreistag,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ach, das tun viele! – Ge genruf: Viele Grüne! – Gegenruf der Abg. Nicole Ra zavi CDU: Auch von der AfD!)