Protokoll der Sitzung vom 12.11.2002

Es ist doch eine Schande für unser Land! Wenn Sie von Österreich nach Bayern fahren, heißt es: „Letzte Tankstelle vor der Landesgrenze“. Man meint, dort wird ein Volksfest gefeiert. Wissen Sie, was dort los ist? Man spart dort in großem Umfang die Ökosteuer. Sie könnten genauso gut hinschreiben: „Hier verlassen Sie die wirtschaftsfreundliche Zone und kommen in die Bundesrepublik!“

Die Folgen sind natürlich ganz klar, meine Damen und Herren. Wir driften bei diesem Steuersystem in eine Schattenwirtschaft ab. Die Schattenwirtschaft hat 16% des Bruttosozialprodukts erreicht. Das wird so weitergehen. Wie man so schön sagt, wird in der Bauwirtschaft nicht mehr bei Weiß & Freitag gearbeitet, sondern bei Schwarz & Samstag. Sie wissen natürlich, was das alles bedeutet.

Wir gehen davon aus, dass alle diese Grausamkeiten durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt werden. Der Bundesfinanzhof hat die Zehnjahresfrist schon für verfassungswidrig erklärt, also nicht nur gesagt, sie sei nicht mit der Verfassung vereinbar, sondern sie sei verfassungswidrig. Das wird demnächst dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt und dann endgültig entschieden. Aber in der Zwischenzeit ist die Bauwirtschaft kaputt, sind private Vermögen vernichtet und das Vertrauen in den Staat schwer beschädigt.

Ich glaube, wir sollten uns eines klarmachen: Überall dort, wo der Staat die Bürgerrechte und -freiheiten zu sehr beschneidet, kann man das an der Zahl der Polizeibeamten messen, die über den normalen Schutz des Bürgers hinaus notwendig sind. Dort, wo der Staat in dieser selbstzerstörerischen Weise abkassiert, können Sie die Untaten daran messen, wie viele Steuerfahnder über das normale Maß der Steuerkontrolle hinaus beschäftigt werden. Sie haben immer wieder gesagt, wir brauchten nur mehr Steuerfahnder.

Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren. Die Bürger werden nicht mitmachen, die Wirtschaft wird nicht mitmachen. Wir gehen in der Spirale der Wirtschaftsentwicklung nach unten und werden keine Chance haben, das zu finanzieren, was Sie mit Gesundheitspolitik, Rentenpolitik und anderen Dingen angesprochen haben.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um kurz auf Kollegen Volkmann zu erwidern. Ich kann es nicht ohne Widerspruch im Raum stehen lassen, wenn Herr Kollege Volkmann behauptet, dass zugesagte Förderungen im sozialen Wohnungsbau nicht eingehalten würden.

(Frau Radermacher (SPD): Das hat er doch gar nicht gesagt!)

Das ist falsch, Herr Kollege Volkmann. Wenn Zusagen erteilt worden sind, werden sie eingehalten.

Das betrifft die Fälle, in denen ein vorzeitiger Baubeginn ermöglicht worden ist und für die noch Mittel vorhanden sind. Gewisse Reduzierungen mussten wir allerdings in den Fällen vornehmen, in denen sich Leute nur unverbindlich erkundigt hatten und zwar deswegen, weil wir im laufenden Jahr 2002 eine deutliche Überzeichnung der Anträge gegenüber den Haushaltsmitteln haben, die in diesem Jahr vorgesehen sind.

Aber ich meine, lieber Kollege Volkmann, es ist eindeutig völlig unzulässig, das in irgendeinen Zusammenhang zu stellen mit den dramatischen Reduzierungen der Wohnungsbauförderung, die von Rot-Grün vorgenommen worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

In dem konkreten Fall, den die „Nürnberger Nachrichten“ hier aufgespießt haben, ist es so, dass die zinsgünstigen Darlehen, die in der Höhe von 23000 Euro vorgesehen waren, auf 17500 Euro reduziert werden. Es handelt sich also um die Reduzierung eines zinsgünstigen Darlehens, wobei die Möglichkeit besteht, zusätzlich von einem Darlehensprogramm der Landesbodenkreditanstalt Gebrauch zu machen, sodass sich die Einschränkungen zinsgünstiger Darlehen in ganz, ganz engen Grenzen halten werden.

Ich bestreite auch nicht, dass mich die Reduzierung der Höhe der Mittel im sozialen Wohnungsbau im Jahr 2003/2004 alles andere als erfreut. Wir haben hier Rückgänge zu verzeichnen. Dabei sind die Rückgänge, soweit sie die Förderung des Mietwohnungsbaus betreffen, aus meiner Sicht durchaus akzeptabel, denn mit Ausnahme des Großraums München gibt es derzeit kaum ernsthafte Bestrebungen, Mietwohnungsbau in Bayern im Bereich des sozialen Wohnungsbaus durchzuführen, weder im Zusammenhang mit dem auslaufenden ersten Förderweg noch im Zusammenhang mit der vereinbarten Förderung. Die Bedingungen sind bayernweit im Moment so, dass praktisch nur im Großraum München Mietwohnungsbau erfolgt. Das ist also insoweit verkraftbar.

Darüber hinaus betreffen die Einsparungen die Eigentumsförderung und die Modernisierung. Die Modernisierungsförderung wird aufgrund eines Antrages der CSUFraktion wieder auf die Höhe des letzten Jahres aufgestockt werden. In der Eigentumsförderung werden wir im nächsten Jahr gewisse Rückgänge haben. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir trotzdem im nächsten Jahr

Reste haben werden, weil aufgrund der geplanten Bundesmaßnahmen die Möglichkeit des Bauens so stark reduziert werden wird, dass möglicherweise auch die reduzierten Mittel noch ausreichen werden.

Das, was in den letzten Jahren von Rot-Grün im Bereich des Wohnungsbaus getan worden ist, hat aber eine völlig andere Qualität. Ich hätte eigentlich gerade von Ihnen, Herr Kollege Volkmann, erwartet, dass Sie sich ähnlich verhalten wie die Bauminister der SPD, die gesagt haben, dass das, was hier gemacht wird, äußerst bedauerlich sei. Diese haben erklärt: Wir werden schauen, ob wir nicht doch zu Verbesserungen der Situation kommen können. Das haben die Bauminister in der vergangenen Woche getan. Der Parlamentarische Staatsekretär Großmann und Herr Stolpe haben das auch in Ministergesprächen erklärt. Darum erstaunt es mich, dass Sie sich hinstellen und sagen, das, was da gemacht wird, sei gut.

Ich will Ihnen zunächst vorhalten, was in der letzten Legislaturperiode getan worden ist, um sozusagen auch ganz bewusst die Baukonjunktur abzuwürgen: Das war die Beschränkung der Verlustrechnung bei Vermietung und Verpachtung, die Erhöhung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre und die Herabsetzung der Einkommensgrenzen im Eigenheimzulagengesetz. Darüber hinaus ist die Förderung des sozialen Wohnungsbaus von 690 Millionen Euro im Jahr 1998 auf knapp 300 Millionen Euro bundesweit reduziert worden, also um mehr als 50%.

Deswegen, meine ich, muss man schon in aller Deutlichkeit sagen: In der Zeit von 1998 bis 2002 hat Rot-Grün den Wohnungsbau abgewürgt und mit den Beschlüssen des Jahres 2002 wird der Patient ermordet.

(Beifall bei der CSU)

Der Patient Wohnungskonjunktur wird ermordet, wobei allerdings die Verschlechterung der Abschreibung gegenüber den Koalitionsvereinbarungen wahrscheinlich noch bis 2004 oder 2006 hinausgeschoben wird, sodass man sagen muss, es ist ein Mord auf Raten. Dass es aber ein ganz brutaler Eingriff in die Baukonjunktur ist, kann doch wohl von niemandem ernsthaft bestritten werden. Wer soll denn nach den Verschlechterungen beim Vorkostenabzug, bei der Verlustverrechnung, im Mietrecht noch ernsthaft an Mietwohnungsbau denken?

Zur Spekulationsfrist hat der Kollege Kupka etwas gesagt, wobei ich es schon für pervers halte, von Spekulation zu reden, wenn jemand nach 15 Jahren ein Haus verkauft, weil er beispielsweise von Nordrhein-Westfalen nach München verzieht. In einem solchen Fall von Spekulation zu reden, ist doch völlig verrückt.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie, Herr Kollege Volkmann, sagen, in NordrheinWestfalen sei festgestellt worden, dass es sich bei einem erheblichen Anteil um Fehlförderungen handle, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben offensichtlich die Beratungen der letzten Bauministerkonferenz nicht verfolgt. Dort ist unter Beteiligung des nordrhein-westfä

lischen Bauministers, Herrn Vesper, festgestellt worden, dass es zuverlässige Aussagen über die Einkommensverhältnisse derer, die von der Eigenheimförderung profitieren, nicht gebe.

Mit den Stimmen Nordrhein-Westfalens und aller SPDLänder haben wir darüber hinaus festgestellt, dass die bisherige Eigentumsförderung außerordentlich zielgenau erfolgt ist. In diesem Zusammenhang bin ich insbesondere Bundesbauminister Stolpe und dem Bauminister von Rheinland-Pfalz, Herrn Mittler, sehr dankbar, dass sie meine Ansicht massiv unterstützt haben, dass es falsch wäre, Eigentumsförderung allein unter dem Gesichtspunkt der Familienförderung zu sehen.

Insbesondere hinsichtlich der Altersvorsorge muss alles getan werden, das Wohneigentum zu fördern. Ich bin überzeugt, dass es auch volkswirtschaftlich sehr viel sinnvoller ist, in die Eigenheimförderung zu gehen. Das ist eine seriösere Altersvorsorge als die Spekulation am internationalen Aktienmarkt.

(Beifall bei der CSU)

Die Bundesregierung sagt, durch die beabsichtigte Veränderung der Eigenheimzulage würde die Familienfreundlichkeit verbessert werden, weil die Kinderkomponente erhöht werde. Meine fleißigen Mitarbeiter im Innenministerium haben ausgerechnet, dass bereits ab dem soundsovielten Kind die Förderung genauso hoch ist wie bisher. Dieses soundsovielte Kind ist das 48. Kind in einer Familie. Ab dem 48. Kind ist die Familienförderung genauso gut wie in der Vergangenheit. Meine Damen und Herren, was hier gesagt wird, ist Volksverdummung.

(Beifall bei der CSU)

In Wirklichkeit hat man bei allen massiv gespart. Es kann sein, dass dies notwendig ist, aber dann muss man offen und ehrlich dazu stehen und sagen: Wir haben gespart, anstatt zu sagen; wir wollen Familien besser fördern, wo doch offensichtlich ist, dass dies nicht der Fall ist.

Ich kann nur wiederholen: Zum Wohnungsbau kann man nur sagen, dass die jetzt erfolgten Beschlüsse von RotGrün verheerend waren. Die Koalitionsbeschlüsse waren katastrophal. Das war die Ermordung des Patienten. Seither sind gewisse Modifizierungen vorgenommen worden, insbesondere, was die Übergangsfrist von der degressiven Abschreibung anbelangt. Dies ändert aber nichts daran, dass die Botschaft, die an die gesamte Bauwirtschaft gegeben wird, heißt: Leute, investiert nicht mehr in den Wohnungsbau. Deswegen befürchten alle, dass es in diesem Sektor zu einer dramatischen Steigerung der Pleiten kommen wird. In einem Gespräch zwischen meinem Haus und der Bauwirtschaft ist für Bayern prognostiziert worden, dass 10% aller bayerischen Firmen der Bauwirtschaft im nächsten Jahr Insolvenz anmelden würden. Meine Damen und Herren, ich meine, man sollte solche Beschlüsse nicht verteidigen. Ihre Aufgabe wäre es: Sie müssen den Einfluss wahrnehmen, den selbst Sie vielleicht in Berlin haben, um Verbesserungen zu erreichen,

(Zuruf von der CSU: Die haben nicht einmal hier etwas zu melden!)

damit die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter nicht erhöht wird und die Zahl der Familien, die sich leider kein Eigenheim leisten können, nicht steigt.

(Zuruf von der CSU: Die haben in Bayern nichts zu melden und in Berlin auch nicht!)

Ich meine, in der Berliner Politik muss es diesbezüglich zu einer Kehrtwende kommen, sonst wird unser Land geschädigt.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Kellner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Seit zwei Stunden diskutieren wir jetzt über die wirtschaftliche Situation in unserem Lande. Ich sage Ihnen: Dies wäre ein Vergnügen, wenn wir zwei Stunden über Problemlösungen diskutiert hätten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glück (CSU): Bietet halt welche an!)

Was Sie hier als große CSU-Fraktion gebracht haben, ist doch eine Schande. Sie haben sich hier hingestellt und gesagt: Das passt uns nicht, und dieses ist schlecht und jenes ist schlecht.

(Herrmann (CSU): Es ist eben so!)

Stattdessen hätten Sie sich hier hinstellen und Vorschläge machen sollen, über die wir gerne zu diskutieren bereit sind; denn wir bringen auch Vorschläge.

(Willi Müller (CSU): Machen Sie halt Vorschläge!)

Dies würde nach vorne führen, nicht aber dieser immer rückwärts gewandte Blick: Habt ihr nicht, könnt ihr nicht usw.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute in alten Akten geblättert und bin auf das Jahr 1997 gestoßen, als Ihre Partei Mitverantwortung in der Bundesregierung getragen hat. Siehe da: Eine ähnliche Problemlage bestand. Es gab Steuereinbrüche, es gab Diskussion um große Reformen, die dann doch nicht durchgeführt wurden, und es wurde eine Kommission ins Leben gerufen, die so genannte Bareis-Kommission. Wenn ich mir die Vorschläge dieser Bareis-Kommission ansehe, die Ihr damaliger Finanzminister Theo Waigel gerne umgesetzt hätte, sehe ich, dass Sie im Wesentlichen dem ähneln, was jetzt zur Debatte steht. Dies muss man der Redlichkeit halber doch erst einmal sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb plädieren wir für Lösungskompetenz und Lösungen.

Erster Punkt: Ökosteuer. Sie stellen sich heute hin und sagen, dass die Ökosteuer abgeschafft werden muss. Haben Sie denn vergessen, dass Ihr Ministerpräsident, als er Kandidaten-Status hatte, gesagt hat: Ich werde die Ökosteuer weiterführen?