Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

(Unruhe)

Ich will aufzählen, was Sie sich alles gewünscht haben:

(Starzmann (SPD): Dasselbe Thema!)

Keine Klasse über 25.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Eingangsklasse!)

Eingangsklasse? – Sollen wir die Klassen in den oberen Stufen wieder zusammenlegen? – Das geht ja auch nicht. Wenn die Eingangsklasse nicht über 25 sein darf,

dann kann man nicht in der dritten Klasse wieder damit anfangen, sie zusammenzulegen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Das ist auch nicht pädagogisch und macht keinen Sinn. Ich fahre in der Aufzählung fort: Änderung der Stundentafel, zusätzliche Gelder für die Hauptschule, zusätzliche Gelder für die Ganztagsschule, zusätzliche Gelder für Kinder in Schwierigkeiten, zusätzliche Gelder für zusätzliche Förderung, zusätzliche Gelder für Schulsozialarbeit, zusätzliche Gelder für kommunale Schulen, zusätzliche Gelder für die Erwachsenenbildung, zusätzliche Gelder für Jugendarbeit, zusätzliche Gelder für sämtliche Bauten und Bauinvestitionen, zusätzliche Gelder für den Sport, zusätzliche Gelder für den Sportstättenbau.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Ich bin doch nicht der Weihnachtsmann, auch kein Dukatenesel!

(Beifall bei der CSU)

Es besteht keine Möglichkeit, all das, was man sich wünscht, auch zu finanzieren. Der Haushaltsausschussvorsitzende Manfred Ach und auch Markus Sackmann wissen genau, dass die Wünsche der Bildungspolitiker sehr viel zahlreicher sind, als dieser Haushalt erfüllen kann. Die Vernunft gebietet es dann, Schwerpunkte zu setzen.

Eines will ich nicht: die Stundentafel und den Unterricht kürzen, um die Klassen kleiner zu machen. Diesen Weg sind andere Länder gegangen, und das sind alles Länder, die in der Pisa-Studie deutlich schlechter als wir abgeschnitten haben.

(Frau Dr. Baumann (SPD):... die Schule in Wiesbaden!)

Die Klassenstärke allein lässt keinen Schluss darauf zu, welche Qualität der Unterricht hat. Wenn wir aber Klassen kleiner machen können, tun wir das. Das haben wir in den letzten Jahren, Frau Schieder, besonders an den Grundschulen Zug um Zug getan.

Zum Beispiel wird in den Großstädten, wo die Situation an den Schulen zumeist etwas schwieriger ist, besonders in den Brennpunktvierteln, keine Klasse mit über 30 Schülern gebildet.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Es ist Zeit geworden!)

Mittlerweile haben nur noch 2% der Klassen an den Volksschulen überhaupt über 30 Schüler. Gerade bei den Klassen in Großstädten, die ich angesprochen habe, haben sich Eltern zum Teil dezidiert für eine Klasse mit 31 Schülern ausgesprochen, anstatt an die Nachbarschule zu gehen, die ein Stück entfernt ist, weil sie gern vor Ort bleiben wollen.

Es ist nicht möglich, alle Klassen mit 15 oder 16 Schülern zu bilden. Ich würde es gern tun, aber wir müssen realistisch sein. Angesichts der heutigen Zeit und des Haushalts ist das schlicht nicht möglich. Dass bei den Volksschulen nur noch 2% der Klassen über 30 Schüler haben, halte ich für eine gute oder zumindest deutlich verbesserte Situation.

(Beifall bei der CSU)

Frau Münzel, ich stimme Ihnen zu: Besondere Sorge machen uns bestimmte Hauptschulen. Nicht alle Hauptschulen, aber bestimmte Hauptschulen machen uns tatsächlich Sorgen. Frau Schieder, auch Sie haben das angesprochen, genauso wie Herr Kollege Schneider und Herr Kollege Nöth. Die Schwierigkeit liegt zum Teil auch darin, dass an manchen Hauptschulen den Lehrkräften in der erzieherischen Arbeit inzwischen sehr viel zugemutet wird. Wer sieht, wie die Kinder da zum Teil zur Schule geschickt werden, fühlt sich sehr betroffen. Die Aussage allerdings, das sei eine rein schulische Aufgabe, halte ich für den falschen Ansatz. Frau Schieder, in Wirklichkeit verursacht nicht die Schule die Erziehungsprobleme, sondern das Fehlverhalten der Familien. Deshalb ist die Jugendsozialarbeit an Schulen letztlich nicht eine Aufgabe der Schule und des Bildungssektors, sondern des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und der Jugendhilfeträger. Das heißt, hier muss die Vernetzung zwischen Jugendhilfe und Schule funktionieren.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Bei Frau Kollegin Stewens sind deshalb im Haushalt zum ersten Mal Mittel für die Jugendsozialarbeit an Schulen verankert worden. Nur wenn wir eine echte Koordination zwischen Jugendhilfe und Schule erreichen, können wir für diese schwierigen Fälle eine schlüssige Antwort finden. Die Schule allein wird sie nicht finden.

Unsere Ganztagsangebote an den Hauptschulen reagieren spezifisch auf das, was Sie von der Opposition fordern. Sie reden immer noch davon, dass das in Bayern nur Formen der Betreuung seien. Ich darf Sie bitten, sich einmal die Ganztagsangebote an den Hauptschulen in Bayern anzusehen. Je nachdem, was vor Ort gewünscht wird, beinhalten sie zum Teil Lehrerstunden, zum Teil sozialpädagogische Begleitung, die Zusammenarbeit mit Übungsleitern und verschiedensten Vereinen. Das Konzept richtet sich präventiv vor allem an die Jugendlichen, die aus schwierigen familiären Verhältnissen stammen und damit an die Schule gebunden werden.

Der Vorteil gegenüber der Ganztagsschule ist, dass man sich nicht anmelden muss. Bei der Ganztagsschule müssen die Eltern die Kinder anmelden. Man kann niemanden verpflichten, in die Ganztagsschule zu gehen. Das wollen auch Sie nicht; das haben Sie gesagt. Keiner von uns will eine verpflichtende Ganztagsschule. Wenn man das nicht will, bedeutet das präventiv gesehen, dass Eltern, die sich nicht für ihre Kinder interessieren bzw. nichts für sie tun und sie vernachlässigen, ja sie sogar malträtieren – solche Extremfälle gibt es leider –, ihre Kinder sicher nicht für die Ganztagsschule anmelden. Sie werden sich wie bisher nicht darum kümmern.

Der Vorteil der Ganztagsangebote besteht darin, dass diese Schüler die Angebote von sich aus und ohne Anmeldung der Eltern wahrnehmen können. Das heißt, unser Angebot wirkt präventiver als Ihre relativ starre Vorstellung in diesem Zusammenhang.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Das ist doch nicht wahr!)

Was heißt, das ist nicht wahr? – Das stimmt ganz einfach. Gehen Sie einmal nach Augsburg oder Pfaffenhofen und schauen Sie sich die Projekte an, dann sehen Sie, dass das sehr gut funktioniert. Dass die SPD-regierten Länder unsere Ganztagsangebote mittlerweile als offene Ganztagsschule bezeichnen, spricht für die Qualität unserer Ganztagsangebote. Deswegen sollten wir nicht in dieser Form diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Beschäftigt hat mich, dass Sie gesagt haben, dass wir durch den Schülerrückgang frei werdende Ressourcen für die Schule nutzbar machen sollten. Wir sind eines der wenigen Länder, die das auch tun. Sämtliche durch den Rückgang der Schülerzahlen an der Grundschule frei werdenden Lehrkräfte sind durch die Erweiterung der Stundentafel wieder an der Grundschule eingesetzt worden. Sie werden zum Teil, wenn der Schülerrückgang weitergeht, auch an der Hauptschule eingesetzt werden können. Wir sind das einzige Land, das diese Stellen nicht einfach sperrt. Dazu muss ich nüchtern und trocken sagen: Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann, auch wenn wir nicht alles erfüllen können, was gewünscht wird.

Übrigens ist die Stundentafel für die Grundschulen in Bayern gegenüber der Stundentafel in rot-grün regierten Ländern erheblich stärker bestückt. Ich weiß nicht, warum man in Bayern etwas völlig anderes fordert als das, was man in den Ländern, in denen man selbst regiert und in denen man Verantwortung trägt, tut.

(Beifall bei der CSU)

Ich glaube, wir stehen bei der Grundschulstundentafel in Deutschland wieder an erster Stelle, weil wir sie um fünf Stunden erweitert haben. Diese fünf Stunden sind ein erheblicher Beitrag zur Qualität der Grundschule. Dass wir uns darüber hinaus spezifische Gedanken darüber machen, wie wir die Sprachförderung verstärken und wie wir für begabte und schwächere Kinder an der Grundschule noch mehr anbieten können, darüber gibt es wohl keinen Dissens. Das wird man im Laufe der Zeit Zug um Zug verwirklichen müssen. Es wird nicht alles von heute auf morgen gehen, aber da gibt es keinen Dissens, und dazu hat uns die Pisa-Studie eine Menge von interessanten Ergebnissen geboten.

Deutlich zurückweisen möchte ich die Aussage, dass wir bewusst das Sterben von Hauptschulen herbeiführen. Ganz generell prognostizieren Sie ständig das Sterben der Hauptschulen.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Ich habe gesagt: Sie sehen zu!)

Wenn eine Schule keine Kinder mehr hat, können wir sie nicht aufrechterhalten. Wenn die Demographie zu einem Rückgang der Schülerzahl an einem bestimmten Ort führt und nur noch sieben oder acht Kinder vorhanden sind, dann bleibt nichts anderes übrig, als die Entscheidung zu treffen, dass eine Hauptschule keinen Bestand mehr hat.

Ich werde Ihnen jetzt sagen, was an Ihrer These falsch ist. Bisher waren in den achten Klassen – Kollege Schneider hat es ausgeführt – knapp 40% der Schülerschaft an den Hauptschulen. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren nicht gesunken; er ist sogar etwas angestiegen. Darum sollte man nicht dauernd vom Sterben sprechen, sondern wir sollten uns darauf verständigen, dass wir uns mit den speziellen Problemen der Hauptschule auseinander setzen, die sowohl in der Erziehung als auch im Unterricht bestehen.

Dass die M-Züge ein so großer Erfolg sind, haben Sie uns nicht prognostiziert. Sie haben immer gesagt, die M-Züge werden sterben, es wird keine M-Züge geben. Dass wir sogar wesentlich mehr M-Züge ausbauen mussten, als ursprünglich prognostiziert war, spricht für den Erfolg eines Mittlere-Reife-Zuges an der Hauptschule.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Wo sind die Lehrpläne und die Bücher für die M-Züge?)

Ich würde gern noch über den Lehrplan und Ähnliches in Bezug auf die M-Züge reden, aber ich glaube, wir machen das besser nachher. Der Gedankenansatz war zunächst – so wird das normalerweise auch von Ihnen gesehen –, dass man den Leuten nicht alles von vornherein vorlegt, sondern dass man es mit ihnen erarbeitet, und das haben wir getan.

Ich darf noch kurz auf Ihre Aussage in Bezug auf die Berufsschule eingehen. Die Regelung für die Quereinsteiger haben Sie selbst gefordert. Mit den Anwärterbezügen und der Steigerung würden wir jetzt keine zusätzlichen Berufsschullehrer gewinnen. Das wäre vielleicht in Zukunft möglich. Ich darf Ihnen nüchtern und trocken sagen: Wenn wir die Quereinsteiger nicht qualifiziert und übernommen hätten, dann könnten wir jetzt keinen Unterricht erteilen. Ich bin dankbar, dass wir hochqualifizierte Leute aus der Wirtschaft für die Berufsschulen bekommen haben, die wir jetzt einsetzen können und die angemessen aus- und fortgebildet worden sind. Das ist ein positiver Beitrag; denn Berufsschule und Wirtschaft hängen sehr eng zusammen. Deshalb sollte man hier die Dinge nicht ganz so eng betrachten.

Ein weiteres Thema, das Sie angesprochen haben, ist die 3-Millionen-Sperre.

Ich habe es Ihnen persönlich schon kurz gesagt. Es wird nach dem Verursacherprinzip vorgegangen. Die Verhandlungen mit der Kirche sind positiv verlaufen. Die Drei-Millionen-Sperre war letztendlich vor dem Hintergrund des Verursacherprinzips und der daraus entstehenden Rückforderungen, die an den Träger zu richten sind, notwendig. Genaue Informationen dazu können Sie gern von mir erhalten.

(Beifall bei der CSU)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Entwurf des Haushaltsplans 2003/2004, Einzelplan 05, die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen auf der Drucksache 14/11162 sowie der erst nach Abschluss der Ausschussberatungen eingereichte Änderungsantrag auf der Drucksache 14/11207 zugrunde.

Diesen Änderungsantrag stelle ich vorweg zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist das gesamte Hohe Haus. Gegenstimmen? – Gegenstimmen sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit so beschlossen. Dem Änderungsantrag ist zugestimmt worden. Das Antragsbegehren ist damit bei der Abstimmung über den Einzelplan 05 zu berücksichtigen.

Der Einzelplan 05 wird vom Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen mit den in der Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/11162 genannten Änderungen zur Annahme empfohlen. Die Abstimmung soll in namentlicher Form erfolgen. Die Abstimmungsgrundlage ist der Einzelplan 05 in der Fassung des federführenden Ausschusses unter Berücksichtigung des soeben beschlossenen Änderungsantrags.

Für die Stimmabgabe sind entsprechend gekennzeichnete Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne befindet sich auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite. Die Urne für Enthaltungen ist auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann jetzt begonnen werden. Es stehen 5 Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 12.02 bis 12.07 Uhr)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Sitzung wird nun zur Stimmauszählung unterbrochen.