Protokoll der Sitzung vom 29.01.2003

Eine so grundlegende Entscheidung, das Verhalten der Bundesregierung im Weltsicherheitsrat festzulegen, was das Recht des Bundeskanzlers ist, trifft man nicht en passant in der Mitte einer Wahlkampfrede in Goslar, anstatt darüber im Bundestag zu reden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Schuhmann (SPD))

Alle reden darüber, nur nicht der Bundestag.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe vom BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Bundeskanzler Schröder macht mit seinen Vorwegfestlegungen den Frieden ja nicht sicherer. Er schwächt die Autorität des Weltsicherheitsrates. Die „Süddeutsche Zeitung“ stellt zu Recht fest, wenn sie am 27.01. schreibt:

Schröder düpiert sogar die von Berlin unterstützten Inspektoren, weil er ihre Arbeit für richtig, deren Ergebnis aber für irrelevant hält. So erreicht man wenig, aber man macht viel kaputt.

Diesem Zitat der „Süddeutschen Zeitung“ habe ich nichts hinzuzufügen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Nur durch konsequenten Druck auf den Irak kann die Bedrohung durch illegale Massenvernichtungswaffen beseitigt werden. Dieser Druck muss aufrechterhalten werden. Die Inspektoren brauchen mehr Zeit für ihre Arbeit, doch vor allem muss der Irak seine Hinhaltetaktik und sein Versteckspiel aufgeben. Im Bericht von Hans Blix ist sehr genau aufgelistet, welche Fragen bisher unbeantwortet geblieben sind. Es geht dabei nicht um Nebensächlichkeiten, sondern um große Mengen todbringender Waffen, deren Verbleib ungeklärt ist. Diese Waffen müssen beseitigt werden; das allein sichert den Frieden. Es ist meine persönliche Überzeugung, dass auch für die Amerikaner und den amerikanischen Präsidenten die Entwaffnung von Saddam Hussein mit friedlichen Mitteln und durch internationalen Druck der größte Sieg wäre.

Lenken wir den Blick wieder auf die innenpolitischen Perspektiven unseres Landes Bayern. Wir haben Bürgern und Unternehmen Mut zur Zukunft gemacht. Mit einer konsequent innovativen und modernen Politik mit Schwerpunkten in Bildung, Wachstum und Beschäftigung, Familie, Politik für die Kommunen, Umwelt und Landwirtschaft werden wir im Jahr 2003 diese Politik fortführen.

Wir investieren in exzellente Bildung, in Schule und Hochschule. Bildung sichert Wohlstand und soziale Sicherheit. Bildung eröffnet jedem von uns Chancen und Perspektiven. Mit Bildung in Deutschland sieht es aber vor allem in den SPD-regierten Ländern leider düster aus. Das kann jeder in der Pisa-Studie objektiv nachlesen; die nächste kommt ja demnächst.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Dr. Baumann (SPD))

Gerade wegen leistungsfeindlicher Gleichmacherei sind die Ergebnisse der Pisa-Studie in den SPD-regierten Ländern so katastrophal. Gerade weil die Linke in Deutschland Leistung und Anstrengung lange Zeit als reaktionär verunglimpft hat und das Wort „Elite“ verpönt,

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Meine Güte!)

fehlt uns zum Teil der Hunger nach Bildung, der andere Länder so erfolgreich gemacht hat und ihnen die Chance gegeben hat aufzuholen.

Wir wollen, dass jeder, entsprechend seinen Begabungen und Fähigkeiten, bestmöglich gefördert, aber auch gefordert wird. Die sozialistischen Propheten der Gleichmacherei nehmen den Kindern und Jugendlichen die Chancen, die sie in einer globalisierten Welt brauchen. Wir haben leider nicht nur einen Mangel an hochqualifiziertem Nachwuchs, sondern auch eine sehr starke Abwanderung der Leistungseliten. 14% aller Deutschen, die hier promoviert haben, gehen in die Vereinigten Staaten.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Habt Ihr das auch schon gespannt?)

Fast jeder Dritte der deutschen Wissenschaftler, die im Ausland lehren und forschen, bleibt dauerhaft dort.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Deutschland ist Auswanderungsland für Eliten. Wir verlieren an Innovationskraft, an Köpfen, an Ideen und an Mut, auch Risiken auf sich zu nehmen, um Neues zu schaffen.

Ich glaube, dass das Thema genauso intensiv behandelt werden muss wie die Zuwanderungsproblematik. Wir haben ein zunehmendes Abwanderungsproblem. RotGrün arbeitet derzeit heftig daran, die Auswanderung noch zu beschleunigen und vor allem die Spitzenforschung in Deutschland zu schwächen. Auch hier gilt das rot-grüne Motto „Versprochen – Gebrochen“: Einseitig, ohne Absprache mit den Ländern, ohne Rücksicht auf Vereinbarungen, nimmt der Bund seine Zusage für die Mittelerhöhungen für die außeruniversitäre Spitzenforschung zurück. Die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft stehen vor unsäglichen Problemen, im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen der Welt Schritt zu halten. Was ist das für eine Regierung, die das Gegenteil von dem tut, was sie nach Pisa gesagt hat!

(Beifall bei der CSU)

Einseitig, gegen den Widerstand der Länder, wird eine Nullrunde verkündet. Wenn es nach dem Bund ginge, könnten Zentren der Deutschen Forscherelite wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder die MaxPlanck-Gesellschaft nicht einmal den Status quo halten.

Für Bayern – das nehme ich für mich und uns in Anspruch – gilt dagegen: Versprochen – Gehalten. Wir werden unsere Mittel für diese Einrichtungen erhöhen. Wir wollen Spitzenforschung in Deutschland!

In Bayern waren und sind Anstrengung und Leistung nicht verpönt, sondern erwünscht. Fördern und fordern sind ureigene Säulen bayerischer Bildungspolitik. Wir wollen Qualität und nicht Gleichmacherei um jeden Preis.

Die SPD wirft uns vor, in Bayern sei die Abiturientenquote zu gering. Meine Damen und Herren von der SPD, in Bayern besuchen mehr 15-jährige ein Gymnasium als zum Beispiel in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz. Alle drei Länder werden von Ihren Parteifreunden regiert. Und Sie kritisieren unser Schulsystem! Die bayerische Abiturientenquote ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. 30% aller Schülerinnen und Schüler haben Abitur bzw. Fachhochschulreife, die gerade auch von Absolventen der Realschule erreicht werden kann. Das zeigt die Stärke des gegliederten Schulsystems. Sie schauen nur auf das Gymnasium, kommen dort auf 19% und vergessen die Abiturienten, die über die Realschule kommen.

(Beifall bei der CSU)

Der Erfolg bei Pisa bestätigt: Die bayerischen Schülerinnen und Schüler liegen in Deutschland an der Spitze und international im vorderen Drittel. Selbst die Sprachkompetenz ausländischer Schüler in Bayern ist besser als diejenige von deutschen Schülern in anderen Ländern. Das ist doch bezeichnend. In Mathematik liegen ihre Leistungen sogar über dem Niveau deutscher Schüler in Nordrhein-Westfalen oder Bremen. Das ist erfolgreiche Integration.

Rot-Grün hat vergeblich versucht, den bayerischen Erfolg schlecht zu reden. Es sei egal – so mein Kollege Gabriel in Niedersachsen –, ob man den Kopf 10 Zentimeter oder 50 Zentimeter unter Wasser hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Gabriel ist so tief unter Wasser, dass sich sein Blick ziemlich getrübt hat.

(Beifall bei der CSU)

Unsere Schüler haben jedenfalls den Kopf über Wasser, nicht darunter. Ich hoffe, dass sich mit Christian Wulff ab Sonntag auch in der Bildungspolitik in Niedersachsen einiges ändern wird. Das hoffe ich sehr.

(Beifall bei der CSU)

In Deutschland sind die erzielten Leistungen und die Schullaufbahn noch zu stark mit der sozialen Herkunft verbunden. Davon ist Bayern wie andere betroffen. Deshalb wollen wir bereits in der Grundschule und im Kindergarten ansetzen und die Kinder so früh wie möglich fördern, aber auch kindgerecht fordern:

Erstens. Wir werden deshalb bereits ein Jahr vor der Einschulung mit obligatorischen Sprachstandsdiagnosen beginnen. Ausländische Kinder werden bei fehlenden Deutschkenntnissen noch früher im Kindergarten gefördert und in Sprachlernklassen in Grundschulen intensiv in Deutsch unterrichtet.

Zweitens. Für Kindergärten entwickeln wir einen Bildungs- und Erziehungsplan. Er legt die Entwicklungs

und Lernschritte für Kinder im Vorschulalter verbindlich fest. Dazu wird auch die Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher verbessert.

Drittens. Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Grundschulen stärken. Dazu bilden wir in den Landkreisen so genannte Tandems aus Erzieherinnen und Lehrkräften.

Viertens. Es ist unser Ziel, dass alle Kinder, die beim Schulbeginn im September sechs Jahre alt sind, auch eingeschult werden. Jedes Kind, das bis zum 31. Dezember eines Jahres sechs Jahre alt wird, soll künftig ohne weitere Prüfung in die Schule aufgenommen werden, wenn die Eltern es wollen. Wir werden auch Eltern jüngerer Kinder ermuntern, das Angebot zur Einschulung ihres Kindes wahrzunehmen. Denn neueste Erkenntnisse zeigen, dass es gerade jüngeren Kindern leichter fällt, zu lernen. Jedes Kind sollte daher die Chance haben, möglichst frühzeitig eingeschult zu werden.

Fünftens. Wir wollen auf der Grundlage pädagogischer Erkenntnisse die Notengebung in der Grundschule reformieren. Wir werden schon vor der dritten Grundschulklasse Noten einführen. Denn Kinder wollen, dass ihre Leistungen ernst genommen werden.

(Beifall bei der CSU)

Sie wollen erfahren, wie gut sie waren, und ob sie sich verbessern können oder müssen.

Sechstens. Zur Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung der Schüler und für die Rückmeldung an die Eltern wollen wir Noten einführen, die das soziale Verhalten bewerten.

Siebtens. Wir werden die Jahrgangsstufentests an den weiterführenden Schulen ab dem Schuljahr 2003/2004 weiter ausbauen. Die Ergebnisse dieser Tests werden wir in konkrete Maßnahmen wie Handreichungen für Schulen umsetzen. So wollen wir Schulen in Bayern ermuntern, miteinander um die besten Leistungen zu wetteifern.

Achtens. Wir regen an, dass jede Schule auf ihrer Internetseite die Ergebnisse der Jahrgangsstufentests veröffentlicht. Das Kultusministerium wird dazu die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen und sie auf Anfrage auch an die Eltern herausgeben.

Neuntens. Ab dem Schuljahr 2003/2004 werden wir so genannte Evaluationsteams starten, die mit Besuchen an Schulen Hilfestellung zur Verbesserung der Qualität der Schulen geben sollen.

Zehntens. Wir fördern nachdrücklich die Vereinbarung von Schulverfassungen, weil Eltern und Schule in einer Erziehungspartnerschaft zusammenarbeiten müssen. Noch so gute und wichtige staatliche Maßnahmen werden ohne die Mithilfe und Einbindung der Eltern nicht greifen. Erziehung ist vorrangig Aufgabe der Eltern. Wenn sie diese Aufgabe nicht wahrnehmen, rauben sie ihrem Kind einen großen Teil seiner Zukunftschancen.

Denn was Eltern versäumen, kann die Schule beim besten Willen nicht ausgleichen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssen die Kinder büßen!)

Elftens. Wir wollen sicherstellen, dass das Recht jedes Schülers auf störungsfreien Unterricht gewährleistet wird. Deshalb werden wir Erziehung und Disziplin an den Schulen stärken.

(Beifall bei der CSU)

Dazu werden wir die Schulordnungen entsprechend gestalten. Weitere Maßnahmen werden derzeit geprüft. Dazu gehört die Möglichkeit, Schüler aller Jahrgangsstufen an Hauptschulen vom Unterricht auszuschließen, oder die vorzeitige Beendigung der Schulpflicht bei Schülern, die den Unterricht hartnäckig stören.