Herr Kollege Wahnschaffe, sind Sie bereit, dem Hohen Haus mitzuteilen, um welche Personen es sich handelt, die erklärt haben, sie hätten im Ministerium gute Freunde, und würden Sie uns mitteilen, wer diese guten Freunde sind?
Das werde ich gerne mitteilen, es liegt nämlich schriftlich vor. Diese Äußerung – ich habe sie vorhin schon zitiert – stammt vom Vorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Vorsitzender ist Herr Dr. Löffler. Diese Äußerung hat er am 8. Januar vor einer Vertreterversammlung ostbayerischer Zahnärzte gemacht. Das ist von Zeugen schriftlich dokumentiert worden. Er hat sich wie folgt ausgedrückt – ich kann es Ihnen zitieren. Er hat keine Namen aus dem Haus genannt, sondern er hat gesagt: Wir haben gute Freunde im Sozialministerium. Wenn dies der oberste Funktionär – –
Wenn dies der oberste Funktionär vor Zeugen, vor fünfhundert Teilnehmern an dieser Versammlung öffentlich sagt,
dann kann ich nicht nur „na ja“ sagen, sondern dann hätten spätestens nach dieser Äußerung im Ministerium alle Alarmsignale aufleuchten müssen. Man hätte schon damals einschreiten müssen.
Das ist nicht dünn, sondern Sie tragen die Mitverantwortung dafür, dass Kassenpatienten in Bayern derzeit nicht gemäß dem Gesetz behandelt werden.
Herr Kollege Wahnschaffe, zu den Vorfällen in Regensburg: Nachdem ich die Meldungen in der Zeitung gelesen und auch Briefe von Betroffenen bekommen habe, habe ich mich unverzüglich mit Herrn Dr. Löffler in Verbindung gesetzt. Er hat mir gesagt, dass es Tonbandaufnahmen von dieser Versammlung gibt. Er sei gerne bereit, diese Tonbandaufnahme mit mir noch einmal durchzugehen. Er habe dieses so nicht gesagt. Ich werde die Kassenzahnärztliche Vereinigung bitten, Ihnen die Tonbandaufnahmen zuzuschicken, dann können Sie das selbst überprüfen.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: In diese Niederungen der Streitigkeiten zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und den Ersatzkassen lasse ich mich nicht ein. Von mir gab es noch nie ein Wort – das haben Sie auch heute von mir gehört –, dass ich irgendetwas Illegales bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung decken würde. Die Verpflichtungsanordnung ist sofort hinausgegangen.
Zum Schiedsspruch möchte ich auch noch etwas sagen. Der Schiedsspruch wird zum einen von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, zum anderen auch von den Ersatzkassen beklagt. Wir befinden uns mitten in einem Rechtsstreit. Das sollten Sie in einem Rechtsstaat schon einmal zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Wahnschaffe.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Wenn ich die Fraktionen vorher richtig verstanden habe, sollen beide Anträge in die Ausschüsse verwiesen werden. Das ist nur möglich, wenn die Antragsteller damit einverstanden sind. Deshalb frage ich die CSU-Fraktion. – In Ordnung. Ich frage die Grünen. – Auch in Ordnung. Dann können wir die Diskussion im zuständigen federführenden Ausschuss weiterführen.
Der Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion betreffend Kunst und Kultur in allen Regionen Bayerns auf Drucksache 14/11626, welcher nicht mehr aufgerufen werden konnte, wird später zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 12 behandelt.
Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen zur Beseitigung des Nachwuchsmangels bei Lehrerinnen und Lehrern
Maßnahmen zur Lehrergewinnung in Schularten und Fächern mit Nachwuchsmangel – Einkommensverbesserung von Lehramtsanwärtern an beruflichen Schulen
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung gleich vorweg: Für den Fall, dass ich das Kultusministerium oder dessen Leitung ansprechen sollte, mache ich das wohlwissend, dass sowohl die Frau Kultusministerin als auch der Herr Staatssekretär nicht hier sein können. Das ist so akzeptiert und abgesprochen. Aber es könnte sein, dass ich sie doch direkt ansprechen muss. Das wäre dann keine Kritik an ihrer Abwesenheit, sondern eine Kritik an dem, was sie getan bzw. in diesem Fall nicht getan haben.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Behandlung des schwierigen Problems der Gewinnung und Sicherung junger Lehrkräfte für unsere beruflichen Schulen in Fächern mit Nachwuchsmangel und der Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen ist wieder einmal ein Beispiel für die Art und Weise, wie die Staatsregierung versucht, mit diesem Parlament umzugehen. Am 22. Oktober und am 5. November 2002 hat sich der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes ausführlich mit Anträgen aller drei Fraktionen zu dieser Problematik befasst. Diese Anträge liegen heute auch vor. Ich kann nur sagen, alle Mitglieder des Ausschusses haben sich in dieser Sache redlich bemüht. Auslöser der Anträge war der an beruflichen Schulen besonders eklatante Nachwuchsmangel. Dieser war zwar lange vorausprognostiziert worden, aber die Staatsregierung hat es trotz aller Warnungen versäumt, rechtzeitig entgegenzusteuern. Darin, dass auf diesem Gebiet massiver Lehrermangel herrscht, waren sich alle Fraktionen im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes einig.
Wie sieht die Entwicklung aus? – Bereits in den Jahren 2003 und 2004 treten 23% der Lehrkräfte an beruflichen
Schulen in den Ruhestand. Bis zum Jahr 2010 werden es 50% sein. Der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes hat sich in einer sehr intensiven und engagierten Diskussion darum bemüht, die durch den Bundesgesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Gewährung von Sonderzuschlägen für Lehramtsanwärter und Referendare für Bayern zu nutzen. Kollege Nöth hat dabei auf die Bereiche verwiesen, in denen es den größten Nachwuchsmangel gibt. Das sind im beruflichen Schulwesen die Fächer Wirtschaftswissenschaften, Metalltechnik, Elektrotechnik und Ernährungswissenschaften. Er hat eben auch beantragt, dass Anwärtersonderzuschläge, beginnend mit dem Schuljahr 2003/2004, eingeführt werden sollten.
Der Lehrermangel, der Voraussetzung für die Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen ist, wurde am 22. Oktober 2002 durch die Vertreter der Staatsregierung bestätigt. Der Vertreter bzw. die Vertreterin der Staatsregierung haben im Ausschuss ausgeführt, dass in den Fachrichtungen, welche ich gerade genannt habe, ein Mangel vorhanden sei, weshalb ein Anwärtersonderzuschlag gewährt werden sollte. Am 22. Oktober 2002 wurde das erklärt. Der Vertreter des Finanzministeriums hat dargelegt, dass ein Anwärtersonderzuschlag nur in den Fachrichtungen gewährt werden könne, in denen ein Mangel bestehe. Nur dort sei es möglich, Anwärtersonderzuschläge zu gewähren. Vom Kultusministerium sei für die vier genannten Fachrichtungen ein Mangel geltend gemacht worden.
Unterschiedliche Auffassungen gab es im Ausschuss nur über die Höhe der Anwärtersonderzuschläge und über die Frage, ob die Studienreferendare im zweiten Jahr ausgeklammert werden sollten oder nicht.
Was aber geschah dann am 27.November im Haushaltsausschuss? Nachdem sich der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes am 22. Oktober und am 6. November, also zweimal damit befasst hatte, hat Staatsministerin Monika Hohlmeier am 27. November im Haushaltsausschuss erläutert, durch die veränderte Arbeitsmarktsituation habe sich eine deutliche Verbesserung ergeben. Weniger Kandidaten würden eine Tätigkeit in der freien Wirtschaft vorziehen, und deshalb sei es nicht notwendig, zu dieser Maßnahme zu greifen.
Der gleiche Vertreter des Finanzministeriums wie im ÖD hat dann erläutert, besoldungsrechtlich sei zur Gewährung von Anwärtersonderzuschlägen ein erheblicher Mangel an qualifizierten Bewerbern gefordert. Das bedeute, dass die vorhandenen Stellen nicht mehr zu besetzen seien. Eine solche Situation sei nach Aussagen des Kultusministeriums derzeit nicht gegeben – dies war einige Wochen später. Deswegen hat die Frau Staatsministerin ausgeführt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei es aus ihrer Sicht eher problematisch, die Zuschläge zu gewähren, da von einem Mangel nicht gesprochen werden könne. Dazu kann ich eigentlich nur sagen: Halleluja, was kümmert offenbar die Staatsregierung ihr Geschwätz von gestern?
Herr Finanzminister hat am 2. Februar Herrn Landtagspräsidenten einen Bericht zukommen lassen, den wir vor kurzem erhalten haben. Nach diesem Bericht habe sich die Situation nach Auskunft des Kultusministeriums so verändert, dass derzeit in diesen Bereichen nicht mehr von einem Mangel auszugehen sei. Ich verweise ausdrücklich auf diesen Bericht. In diesen Fachrichtungen hätten im September 2002 insgesamt 390 Anwärter den Vorbereitungsdienst angetreten. Ich stelle fest: Diese Situation war Anfang September gegeben; da begann das Schuljahr. Am 22. Oktober des gleichen Jahres hat das Kultusministerium in Übereinstimmung mit dem Finanzministerium im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes das Gegenteil behauptet. Das ist für mich eine Verhöhnung dieses Parlaments.
Außerdem zweifle ich massiv an, dass diese Aussage wirklich stimmt; denn das, was wir von den Schulen und von den Lehrerverbänden erfahren, beweist genau das Gegenteil. Man muss sehr deutlich sagen: Die Zirkusnummer um den Lehrermangel an beruflichen Schulen macht der Kultusministerin so leicht keiner nach. Das war ein Salto vorwärts mit anschließendem Salto rückwärts; und weil das Ganze so schön war, hat man es noch einmal aufgeführt.
Seine Krönung erfährt das Ganze dadurch, dass das Kultusministerium und die CSU-Fraktion im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes noch vor etwa drei Jahren eine hohe Zahl von Petitionen – nach meiner Kenntnis waren es über 80 – von fertig ausgebildeten Berufsschullehrerinnen und -lehrern aus genau diesen Mangelbereichen abgelehnt hat, vor allen Dingen aus dem Metall- und Elektrobereich. Diese Leute hatte man vorher geworben, war dann aber nicht bereit, sie zu übernehmen. Wir haben damals deutlich darauf hingewiesen, dass Lehrermangel ansteht, dass er eigentlich bereits vorhanden ist; im beruflichen Schulwesen war er absehbar. Wir haben dringend eine Übernahme gefordert. Das hat niemanden von der Regierungspartei und aus dem Ministerium interessiert.
Völlig an seinem Verstand – eigentlich muss man sagen: an der Politik des Kultusministeriums – könnte man zweifeln, wenn man nachliest, was am 20. Juni 2001 im Hochschulausschuss abgelaufen ist. Dort wurde nämlich ein Maßnahmenkatalog des Kultusministeriums mit zeitlich befristeten Notmaßnahmen zur Gewinnung von Lehrernachwuchs im Berufsschulwesen beraten.
Damals hat der Vertreter des Kultusministeriums ausgeführt, in den vergangenen drei Jahren habe sich beim Lehrernachwuchs für das Berufsschulwesen ein atemberaubender Paradigmenwechsel ergeben. Während man noch einige Jahre vorher überzählige Lehrer gehabt habe, wisse man nun nicht mehr, wo die Lehrer herkämen. Er hat dann auch noch darauf hingewiesen, dass das Ministerium damals über den Bedarf hinaus einge
stellt hätte. Das ist für mich die größte Unverfrorenheit, die ich in vielen Jahren im Landtag erlebt habe.
Wenn man die geschilderten Vorgänge exemplarisch zusammenfasst, ist man gezwungen festzustellen: Das Kultusministerium ist weniger denn je in der Lage, sinnvolle Lehrerpolitik zu betreiben. Es war bis heute nicht in der Lage, eine mit Blick auf die Schülerzahlen, die Geburtenzahlen, die Übertrittszahlen und andere Paradigmen auch nur einigermaßen vernünftig vorausschauende Personalbedarfsplanung für den Bildungssektor zu betreiben. Stattdessen erleben wir Pfauenräder über die Tabellenführung in der Zweiten Pisa-Liga. Das hilft unseren Schulen wahrhaftig nicht weiter.
Das hilft vor allen Dingen unseren Schülerinnen und Schülern an den beruflichen Schulen nicht weiter. Es verhilft ihnen nicht zur bestmöglichen Förderung, da dazu eine gewisse Zahl an Lehrerinnen und Lehrern notwendig ist.