Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Ich verspreche Ihnen, Herr Kollege Gantzer, dass wir von der Staatsregierung uns in der Zukunft auch sehr viel freier verhalten werden und vorab Informationen an die eigenen Reihen geben werden.

(Beifall bei der CSU)

Eines will ich klar sagen: Es ist scheinheilig, dass man bei uns Krokodilstränen vergießt, wenn wir einem Kollegen auf dessen Anfrage etwas mitteilen, während in Berlin die Auftragsverwaltung in systematischer Weise ausgeschaltet wird. Daraus entstehen schwerste Fehler; ich werde auf einige eingehen. Ich nenne beispielsweise die A 3 – Frau Kollegin Schmitt-Bussinger wird das einräumen –, bei der die Strecke von Würzburg bis Schlüsselfeld in den Ausbau hineingenommen wird, nicht aber die Strecke von Schlüsselfeld bis Tennenlohe. Dies kann nur damit begründet werden, dass keine Fachleute mitgesprochen haben. Dieser formale Fehler setzt sich inhaltlich fest.

Herr Kollege Schläger, wie übrigens schon vorher Herr Kollege Maget, hat festgestellt, dass Bayern bei diesem Entwurf des Bundesverkehrswegeplans hervorragend bedient worden sei. Dazu muss ich sagen: Sagen Sie dies in Zukunft bitte auch öffentlich. Sie werden damit deutlich machen, dass Sie nicht eine SPD sind, die die Bürgerinnen und Bürger Bayerns vertritt, sondern dass Sie die SPD Deutschland, Außenstelle Bayern sind. Sie erhalten die Befehle, und diese werden durch dick und dünn verteidigt.

(Beifall bei der CSU)

Wer behauptet, Bayern wird bei diesem Bundesverkehrswegeplan hervorragend bedient, hat entweder keine Ahnung oder verrät sein Gewissen für Bayern.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Frau Radermacher (SPD): Das glauben Sie doch selber nicht! – Dr. Bernhard (CSU): Die sind wie Papageien!)

Entschuldigen Sie, wer will, wenn er Ahnung hat, bestreiten, dass die Verkehrspolitik die Infrastruktur betrifft und dass Infrastruktur mit Arbeitsplätzen zu tun hat? – Ein Beispiel, Frau Kollegin Schmitt-Bussinger – sie sitzt mir gegenüber; deshalb darf ich sie ansprechen –, ist die A3 Würzburg – Nürnberg. Früher war das Gebiet entlang dieser Strecke sehr strukturschwach. An den Autobahnausfahrten haben sich überall Gewerbegebiete entwickelt.

(Dr. Kaiser (SPD): Ihr habt doch 16 Jahre Zeit gehabt!)

Früher entstanden daraus Vorteile. Heute kommt es zu Dauerstaus. Deswegen wird von uns mit Massivität der Ausbau der A 3 auf sechs Streifen gefordert.

(Dr. Kaiser (SPD): Hättet ihr es gemacht! Ihr habt 16 Jahre Zeit gehabt!)

Hören Sie zunächst zu, bevor Sie bläken. Hören Sie jetzt einmal zu. In diesem Bereich der A 3 wird jetzt ausgerechnet der von Nürnberg weiter entfernte Teil in den Ausbauplan genommen, während der näher an Nürnberg liegende, hochbelastete Teil in den weiteren Bedarf nach 2015 aufgenommen wird. Das vertreten Sie in Franken. Herr Maget hat von Franken keine Ahnung; das wissen wir.

(Beifall bei der CSU – Lachen von der SPD)

Selbstverständlich. Das sage ich ihm ins Gesicht. Herr Maget hat von Franken keine Ahnung. Dass aber diejenigen, die eine Ahnung haben – –

(Zurufe von der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um etwas mehr Ruhe, und im Allgemeinen sitzt man im Parlament auch. – Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Zahlreiche Zurufe – Maget (SPD): Sie kommen von der Synode, Herr Beckstein!)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Maget, Sie fragen zu Recht, worum es geht. Wenn man erst nach 40 Minuten in die Debatte kommt, muss man sich das anhören.

(Maget (SPD): Hören Sie auf, hier unverschämt zu sein!)

Ich werfe Ihnen das nicht vor, weil ich selber weiß, was vielfältige Verpflichtungen sind. Wenn man aber später kommt, sollte man nicht, bevor man sich hinsetzt, Zwischenrufe machen.

(Frau Radermacher (SPD): Sie haben ihn doch beleidigt!)

Nein, überhaupt nicht.

(Maget (SPD): Sie haben gesagt, ich hätte keine Ahnung von Franken!)

Richtig. Das haben Sie ja auch nicht.

(Zurufe von der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Kaiser, nicht durch die Lautstärke, sondern durch die Gewalt der Gedanken und des Wortes sollte man überzeugen. Im Parlament hat jeweils ein Abgeordneter das Wort. Diesem Abgeordneten sollte man nach Möglichkeit zuhören. Zwischenrufe sind erlaubt, aber kein Dauerfeuer.

(Frau Radermacher (SPD): Aber nicht, wenn der Redner andere beleidigt!)

Herr Kollege Maget, ich möchte, da Sie jetzt anwesend sind, in aller Deutlichkeit Folgendes sagen: Sie haben in einer Presseerklärung behauptet, Bayern würde im jetzigen Bundesverkehrswegeplan hervorragend bedient. Wir werden das bei allen regionalen Verkehrskonferenzen zitieren. Ich werde hinzufügen: Wer das behauptet, hat keine Ahnung und wird den Belangen Bayerns nicht gerecht.

(Beifall bei der CSU – Abgeordneter Maget (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Wir befinden uns nicht in der Aussprache, sondern in der Aktuellen Stunde. Hier gibt es bekanntlich keine Zwischenfragen.

(Hofmann (CSU): Der will doch nur ins Fernsehen kommen!)

Ich möchte das im Einzelnen begründen: Wir hatten im Frühjahr 2000 insgesamt 450 Autobahn- und Bundesstraßenprojekte mit Gesamtkosten von 14 Milliarden e zur Bewertung angemeldet. Damit liegen wir im Rahmen aller großen Flächenländer, zumal niemand zum damaligen Zeitpunkt sagen konnte oder wollte, wie der Gesamtrahmen der Finanzen des Bundesverkehrswegeplans aussieht. Das ist verständlich, da die Frage der Lkw-Maut damals noch nicht beantwortet war. Die Frage, welche Einnahmen aus der Lkw-Maut zu erwarten sind, wird wichtig für die Finanzierung sein.

Der Bund hat 3,2 Milliarden e und 60 Projekte für indisponibel gehalten. Weitere 119 Projekte mit gut 3 Milliarden e liegen im Vordringlichen Bedarf. 201 Projekte mit Kosten von 6 Milliarden e – das ist der stärkste Block – liegen im Weiteren Bedarf. Das bedeutet, sie werden erst nach dem Jahr 2015 verwirklicht. Eine ganze Reihe von Maßnahmen fehlt vollständig. Besonders bedauerlich ist, dass Projekte in Höhe von 2,2 Milliarden e gegenüber dem jetzigen Bedarfsplan zurückgestuft werden.

Ich habe im Vorfeld bei einem Gespräch mit Bundesverkehrsminister Stolpe dargelegt, dass es die Staatsregierung für wichtig hält, den Anteil Bayerns nicht zu reduzieren, sondern entsprechend der Entwicklung zu erhöhen. Ich habe mir von Herrn Stolpe mehr erwartet, da dieses Gespräch in einem ausgezeichneten Klima stattfand und er versprochen hat, sich offen mit unseren Vorstellungen auseinander zu setzen. Wir haben eine umfangreiche

Begründungsmappe übergeben, aus der hervorgeht, warum unser Anteil an den Baumitteln für die Straße zu erhöhen ist. Ich habe folgende Gründe genannt:

Erstens. Die bayerische Bevölkerung ist seit der Aufstellung des letzten Bundesverkehrswegeplans um eine Million Menschen angewachsen. Die Zahl der bei uns angemeldeten Kraftfahrzeuge, Pkws und Lkws, ist daher drastisch gestiegen.

Zweitens. Vom gesamten Güterverkehr in Deutschland werden auf Bayerns Straßen 20% abgewickelt. Beim Personenverkehr schätzt die Bundesregierung, dass wir in der Laufzeit dieses Verkehrswegeplans 17% der Gesamtverkehrsleistung auf unseren Straßen abwickeln werden. Deshalb halten wir es nicht für unangemessen, dass die bayerischen Straßen mit einem Anteil gefördert werden, der ihrem Anteil an der Gesamtverkehrsleistung entspricht.

Völlig unbestreitbar ist, dass durch die Osterweiterung der Europäischen Union der Verkehr in Bayern deutlich zunehmen wird. Liebe Kollegen der SPD, wie wollen Sie begründen, dass wir angesichts dieser überproportionalen Verkehrszunahme einen geringeren Anteil als in den Achtzigerjahren erhalten? – Wer diese Regelung verteidigt, sollte das auch bei den Regionalkonferenzen tun. Wir werden Sie dort vorführen.

(Beifall bei der CSU – Mehrlich (SPD): Das ist doch nur Show! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ihre Aufgabe wäre es, nicht diesen Entwurf zu verteidigen und zu bejubeln, sondern, sich enttäuscht zu zeigen. Nordrhein-Westfalen hat mehr Mittel bekommen als Bayern. Wenn Sie das deutlich ansprächen, würden Sie Ihrer Aufgabe gerecht. Sie sollten nicht die falschen Zielsetzungen verteidigen.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe Herrn Stolpe auch gesagt, dass wir eine höhere Planungsreserve brauchen. Sie wissen, dass vielfältige Reduzierungen in der öffentlichen Diskussion sind. Die A 94 ist dafür ein trauriges Beispiel. Ein weiteres Beispiel ist die A 7, nämlich das Teilstück bei Füssen. Durch politische und rechtliche Entwicklungen entstehen hier immer wieder Verzögerungen. Dieses Problem wird sich durch die Systematik des Bundesverkehrswegeplans tendenziell verstärken, weil umweltproblematische Strecken Teil des Bundesverkehrswegeplans sind. Sie sind dort mit dem Vermerk aufgeführt, dass sie einer besonderen umweltfachlichen Planung bedürften. Die Diskussion mit Herrn Stolpe hat ergeben, dass bei diesen Strecken mit Verzögerungen zu rechnen ist. Wir brauchen also mehr Planungsspielräume und haben deshalb vorgeschlagen, die Planungsreserve auf 30% zu erhöhen. Auf diese Weise könnten wir Entwicklungen vorhersehen und für den Fall, dass bei einer Strecke Schwierigkeiten auftreten, andere Maßnahmen auf den Weg bringen.

Ich halte es für falsch, die These, wonach die Schiene ebenso viel Geld wie die Straße erhalten müsse, als heilige Kuh zu betrachten. Ich weiß, dass dieses Thema

sehr heikel und auch in meiner Fraktion noch nicht völlig ausdiskutiert ist. Das ist jedoch meine tiefe Überzeugung. 75% des Güterverkehrs und 90% des Personenverkehrs werden auf der Straße abgewickelt. Ich bin der Auffassung, die Investitionen müssen dorthin fließen, wo der Hauptteil des Verkehrs abgewickelt wird.

Ich halte deshalb die ideologische Position, wonach Schiene und Straße gleich viel Geld erhalten müssen, für verkehrt. Dadurch würde der Stau ins Unermessliche gesteigert und die volkswirtschaftliche Leistung Deutschlands im Vergleich zu anderen EU-Ländern reduziert. Wir brauchen aufgrund der Verkehrsprognosen eine Erhöhung der finanziellen Mittel für die Straße. Das Geld dafür muss aus der Lkw-Maut fließen. Ich halte es für unvertretbar, dass nicht einmal 20% der Einnahmen aus der Lkw-Maut für den Ausbau von Straßen verwendet werden.

(Beifall bei der CSU)

Ich wundere mich nicht über den massiven Protest der Spediteure, die beklagen, dass sie die Melkkühe der Nation seien. Die Spediteure bezeichnen es als logisch, dass das Geld, das durch die Lkw-Maut eingenommen wird, für die Straße verwendet werden soll. Wir meinen, hier muss massiv geklotzt werden. Das Geld, das mit der Lkw-Maut eingenommen wird, muss auch für die Straße ausgegeben werden. Dann können wir die notwendigen Maßnahmen leisten.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben für die Verkehrswege Prioritäten genannt. Eine der wichtigsten Prioritäten unter den Autobahnen ist die A 3, und zwar vollständig von Würzburg bis Frauenaurach. Dass ausgerechnet der im Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen liegende Teil nicht bis 2015 ausgebaut werden soll, aber der Teil, der näher an Würzburg liegt, ist niemandem zu erklären; denn die Belastung ist näher am Ballungsraum höher. Aber das haben ferne Leute geplant, die nicht die Praktiker gefragt haben. Wir brauchen den gesamten Ausbau, und wir brauchen auch die Sechsstreifigkeit der A 6 von der B 2 bis zur Landesgrenze, die bisher nicht drin ist.

Wenn ich mich recht entsinne, hat auch Kollege Gartzke das in der Vergangenheit immer wieder gefordert. Dann können Sie sich aber doch nicht jetzt hier herstellen und sagen: Wir sind hervorragend bedient worden. Ich glaube nicht, dass irgendjemand von Ihnen irgendeine der Maßnahmen, die heute in den Ausbauplänen sind, herausnehmen könnte. Wir brauchen Erweiterungen. Das Geld dafür ist vorhanden, wenn man die Lkw-Maut sinngemäß verwendet. Deshalb fordern wir, nicht in Jubelstürme für die Berliner Pläne auszubrechen, sondern die Aufgabe wahrzunehmen, an unserer Seite gegen die Benachteiligung Bayerns zu kämpfen.