Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Liebe Kolleginnen und Kollegen, festzuhalten bleibt: Bund, Länder und Gemeinden befinden sich in einer schwierigen Situation. Herr Kollege Maget, niemand hat behauptet, dass diese Probleme locker zu schultern wären. Natürlich wird es für uns schwierig sein, in dieser Situation den Kommunen noch einmal zusätzlich 100 bis 200 Millionen e zur Verfügung zu stellen. Dies wird uns im bayerischen Staatshaushalt schwer zu schaffen machen. Wir sagen den Bürgerinnen und Bürgern klar, dass diese Mittel an anderen Stellen des Staatshaushaltes gekürzt werden müssen, weil wir den Kommunen dieses Geld nicht auf Pump geben werden.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden deswegen nicht die Schulden erhöhen. Das ist eine klare und verlässliche Politik. Ich stelle fest, die politische Verantwortung für diese Krise liegt bei der Bundesregierung. Der Freistaat Bayern bleibt ein zuverlässiger Partner seiner Kommunen. In keinem anderen Bundesland – das ist auch gestern in Berching deutlich geworden – geht es den Kommunen besser als in Bayern. Dafür werden die CSU-Landtagsfraktion und die Bayerische Staatsregierung auch in Zukunft stehen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt bitte ich Frau Kollegin Tausendfreund ans Rednerpult.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Für die Bürgermeister Bayerns war es sicherlich ein neues Gefühl, als sie auf die Straße gingen.

(Ach (CSU): Im Gegensatz zu den GRÜNEN! Für die ist das kein Problem!)

Das oberpfälzische Städtchen Berching hat eine solche Demonstration wohl noch nicht erlebt. Das Problem, nämlich die Finanznot der Städte und Gemeinden, haben die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eindrucksvoll über alle Parteigrenzen hinweg zum Ausdruck gebracht. Den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals. Die Ursachen dieser Finanznot und mögliche Auswege sind in diesem Hause Dauerthema. Wir GRÜNEN haben dieses Problem immer wieder thematisiert und auf die Tagesordnung gebracht. Allgemeine Aussagen, wie sie zum Beispiel Innenminister Dr. Beckstein gestern geäußert hat, wonach die Kommunen nicht im Regen stehen gelassen werden dürften, helfen den Kommunen überhaupt nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von Bayern aus lediglich auf den Bund zu zeigen, wie das die Staatsregierung und die CSU tun, geht fehl.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die Politik der Bayerischen Staatsregierung ist in hohem Maße für die Finanzmisere der Kommunen verantwortlich.

(Dr. Bernhard (CSU): Also Frau Kollegin!)

Jawohl. Den Kommunen wäre bereits mehr als geholfen, wenn der Freistaat die Kosten für die Aufgaben, die ihnen in den letzten Jahren in der Schul– und Bildungspolitik übertragen wurden, übernehmen würde. Für die Einführung der R 6 wurde eine Kostenneutralität versprochen. Tatsächlich verursacht diese Einführung Kosten in der Größenordnung eines dreistelligen Millionenbetrages, auf denen die Kommunen sitzen bleiben. Die Schulsozialarbeit wird nur zu einem Bruchteil finanziert. Bei den Ganztagesschulen bleiben die Kommunen auch auf den Kosten sitzen. Weitere Stichworte sind die Nachmittagsbetreuung und die Computerausstattung an Schulen.

Dagegen klingt Herrn Dr. Stoibers derzeitige Ankündigungspolitik mit nebulösen Sofortprogrammen in Höhe von 100 bis 200 Millionen e einfach lächerlich. Bei den bislang übertragenen Aufgaben missachtet die CSU das Konnexitätsprinzip, wo immer das geht. Das hindert sie jedoch nicht, sich die Einführung des Konnexitätsprinzips in die Bayerische Verfassung auf ihre eigenen Fahnen zu schreiben. Ohne den Druck der Opposition, der kommunalen Spitzenverbände und des drohenden Volksbegehrens wäre diese Änderung nicht zustande gekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Stoiber verspricht darüber hinaus HauruckMaßnahmen ohne Finanzierungsvorschläge. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser hat den windigen Vorschlag gemacht, die Soforthilfen für die Kommunen am Jahresende 2003 durch einen verstärkten Reste-Einzug von 223 Millionen e zu finanzieren.

(Ach (CSU): Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)

Er weiß also schon heute, was am Ende des Jahres an Haushaltsresten übrig bleiben wird. Wahrscheinlich weiß er auch, was Ende 2004 übrig bleiben wird. Da lassen sich noch einige Versprechen geben. Der verstärkte Reste-Einzug ist ein neuer Deckungsvorschlag. Er ist reiner Humbug. Nachdem Herr Dr. Stoiber die allgemeine Haushaltssperre von 15 auf 20% erhöht hat, statt einen Nachtragshaushalt vorzulegen, ist der Reste-Einzug eine besonders sichere Finanzierungsquelle.

Da bleibt nämlich noch weniger übrig. Das ist der Versuch einer Volksverdummung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Soll die völlig unzureichende Soforthilfe für die Kommunen auf derart tönernen Füßen stehen? – Nein! Die Handlungsdevise muss heißen: erst rechnen, dann Aufgaben übertragen. Für die Schulgesetze muss jetzt nachhaltig und dauerhaft die Finanzierung durch den Freistaat gesichert werden. Auch hier muss rückwirkend das Konnexitätsprinzip gelten. Damit könnte sich Stoiber seine populistischen Sofortmaßnahmen sparen. Aber daran hat er kein Interesse. Lieber tönt er mit diesen populistischen Sofortprogrammen nach außen, denn das macht mehr her. Aber es hilft weniger.

Genauso wenig Interesse haben Stoiber und die CSU an einer Gemeindefinanzreform auf Bundesebene.

(Zurufe von der CSU)

Ja, das sage ich hier. Ich denke an eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen tatsächlich hilft.

(Zurufe von der CSU)

Dazu gehört die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer hin zu einer kommunalen Betriebsteuer, so wie es die kommunalen Spitzenverbände in ihrem Modell vorgeschlagen haben. Stattdessen – das sagen Sie unverhohlen – wollen Sie die Abschaffung der Gewerbesteuer und propagieren unverhohlen das BDI-Modell. Hebesätze auf die Einkommensteuer, das wäre ein katastrophales Modell. Es würde zu erheblichen Verwerfungen zwischen den Kommunen führen.

Wir fordern die CSU und die Staatsregierung auf: Unterstützen Sie das Modell der kommunalen Betriebsteuer, beenden Sie in diesem Bereich Ihre Blockadepolitik. Dann würde die Gemeindefinanzreform auf Bundesebene auch schneller vorangehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Gemeindefinanzreform zum 01. 01. 2004 nicht kommt, dann sprechen wir uns selbstverständlich auch für Zwischenmodelle, das heißt Übergangsmodelle aus. Es ist Taktik bei der CSU, hier eine Blockadepolitik auf Bundesebene zu betreiben.

(Ach (CSU): Beweisen Sie das doch mal!)

Das haben wir doch schon erlebt bei Ihrer Blockade des Steuervergünstigungsabbaugesetzes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Das war ein Steuererhöhungsgesetz!)

Das ist im Bundesrat gescheitert. Allein dadurch, dass Sie im Bundesrat dagegen gestimmt haben, entziehen Sie in diesem Jahr den Kommunen 280 Millionen e, in 2004 rund 1,3 Milliarden e und bis zum Jahr 2006 über 2,6 Milliarden e. Das ist Ihre Doppelzüngigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbst bei den kleinen Erleichterungen stellen Sie sich quer. Stichwort: Zweitwohnungssteuer. Heute haben Sie die Möglichkeit, den Kommunen entgegenzukommen und diese Zweitwohnungssteuer zu ermöglichen. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem die Zweitwohnungssteuer verboten ist. Sie würde den Fremdenverkehrsorten zugute kommen. Es ist natürlich nur ein Mosaikstein, aber selbst hier stellen Sie sich quer. Stattdessen propagiert Stoiber eine einmalige Erhöhung des Umsatzsteueranteils für die Kommunen in 2004 auf 3%. Dabei verschweigt er aber, zu wessen Lasten diese Aktion geht. Natürlich wird damit die allgemeine Debatte um eine generelle Mehrwertsteuererhöhung provoziert. Und eine einmalige Maßnahme in 2004 hilft den Kommunen auch nicht. Sie brauchen Einnahmen, die nachhaltig und beständig sind und über die nächsten Jahre hinaus Planungssicherheit geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNEN haben ein 9-Punkte-Programm vorgelegt, das Land, Bund und auch die Europäische Union in die Pflicht nimmt. Es ist das strikte Konnexitätsprinzip hier in Bayern und es ist das strikte Konnexitätsprinzip auch auf Bundesebene. Es ist die Wiederherstellung des Steuerfindungsrechts für die Kommunen, Stichwort: Zweitwohnungssteuer. Es ist die ausreichende Finanzausstattung der Kommunen für bereits übertragene Aufgaben, insbesondere im Schul- und Bildungsbereich, und es ist der konsequente Abbau von Steuervergünstigungen im Bund, wo die Zustimmung Bayerns im Bundesrat benötigt wird und es ist die umfassende Gemeindefinanzreform auf Bundesebene auf der Basis der kommunalen Betriebsteuer. Außerdem ist es die Rücknahme bzw. das Aussetzen der Umlagenerhöhung bei der Gewerbesteuer. Es ist die ausreichende Finanzierung des Gesetzes über die Grundsicherung und es ist der Punkt, dass über die Europäische Union kein Ausverkauf der Daseinsvorsorge stattfinden darf, Stichwort: Trinkwasserversorgung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum SPD-Antrag, der später noch zur Abstimmung kommen wird, werden wir uns der Stimme enthalten, weil wir den Finanzierungsvorschlägen zu den Nummern 2 und 3 nicht zustimmen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Ettengruber.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Tausendfreund, es ist schon ein Stück Unverfrorenheit, sich hier herzustellen und zu sagen, wir seien a) gegen die Finanzreform und wir würden b) die Gewerbesteuer abschaffen wollen. Beides ist falsch, und wenn Ihnen so etwas aufgeschrieben wird und die aktuellen Ereignisse das überholen, sollte man flexibel genug sein, von diesen Behauptungen abzuweichen.

Wenn man sich nach der gestrigen Demonstration hier herstellt und die Schuld für die Finanzmisere der Kommunen beim Freistaat Bayern sucht, dann, meine ich, hat man das Ganze nicht verstanden. Tatsache ist doch, dass es den Kommunen erst schlecht geht, seit diese rot-grüne Bundesregierung im Amt ist.

(Beifall bei der CSU – Zurufe und Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seitdem geht es den Kommunen schlecht.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese rot-grüne Regierung ist doch der demokratische Gau für die Kommunen.

(Beifall bei der CSU – Ach (CSU): So ist es!)

Die Kommunen kommen überhaupt nicht mehr auf die Füße. Wir verhandeln jedes Jahr mit den kommunalen Spitzenverbänden und haben uns bisher jedes Jahr einigen und einen vernünftigen Finanzausgleich zustande bringen können. Warum das jetzt fast nicht mehr geht, hat seinen Grund doch in der Politik dieser Bundesregierung.

Wenn die neueste Steuerschätzung wiederum minus 505 Millionen e ergibt, frage ich, woher für die Kommunen das Geld kommen soll.