Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend Folgendes ausführen: Der Staat hat viel zu viel Verantwortung für Bereiche übernommen, die keine originären Staatsaufgaben sind. Deshalb heißt Deregulierung mehr Freiheit und Dynamik, aber auch mehr Eigenverantwortung und weniger Absicherung. Es geht um ein Staatsverständnis für mehr unternehmerische Dynamik und für mehr Eigeninitiative des Einzelnen. Andere reden vom „aktivierenden Staat“, wir in Bayern setzen ihn in die politische Tat um. Die Vorschläge zur Entbürokratisierung und ihr Grundgedanke einer serviceorientierten Verwaltung bleiben eine Daueraufgabe in Kommunen, Land, Bund und in Europa.
Deutschland, meine Damen und Herren, braucht keine Käseglocke staatlicher Bevormundung. In Gesprächen mit jungen Unternehmern wurde mir ans Herz gelegt: Entfesseln Sie uns. Erfreulicherweise gibt es junge Leute, die leistungsorientiert und technikorientiert sind. Das sind keine jungen Leute im Geiste der 68er-Revolution. Die 68er haben die Schlacht bei den jungen Leuten verloren, meine Damen und Herren.
Wer Gespräche mit jungen Handwerkern, Abiturienten oder Studenten führt, erlebt in erstaunlichem Maße Optimismus, Mut für die Zukunft und auch Vertrauen in die eigenen Kräfte. Dem muss man mehr Raum geben. Wir müssen das freie und kreative Unternehmertum fördern. Der Aufbruch aus der „blockierten Republik“ zu einer dynamischen Gesellschaft, der ist die Aufgabe der Stunde. Bayern hat dazu ein großes Potenzial – leistungsbereite Menschen, gut ausgebildete junge Leute, fleißige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mutige Existenzgründer und einen vitalen Mittelstand.
Wir werden im weltweiten Wettbewerb bestehen, wenn wir besser, innovativer und schneller sind. Ein Beitrag dazu sind Deregulierung, Entbürokratisierung, Innovationen und Wachstum. All das bringt auch soziale Dividende durch Investitionen und Arbeitsplätze in Bayern.
Und deshalb Vorfahrt für diesen Unternehmergeist und meine Bitte an Sie alle: Lassen Sie uns anpacken. Nur wer bereit ist, die Zukunft zu erobern, wird die Zukunft gewinnen.
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierfür eine Gesamtredezeit von 1,5 Stunden vereinbart. Davon entfallen auf die CSU 42 Minuten, auf die SPD 30 Minuten, auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 18 Minuten. Im Zweifel darf 5 Minuten überzogen werden, da der Herr Minister etwas länger geredet hat.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeit der Henzler-Kommission hätte eigentlich, Herr Staatsminister, eine etwas seriösere Rede verdient.
Es ist so: Irgendwo muss immer dargestellt werden, dass die Welt am bayerischen Wesen genesen muss und das wird dann auch lautstark begründet. Wir Sozialdemokraten jedenfalls bedanken uns sehr herzlich für die Arbeit, die Professor Henzler und die Mitglieder seiner Kommission geleistet haben. Zu dem Ergebnis im Detail ist einiges zu sagen; vieles ist erwägenswert. Die Grundeinstellung jedenfalls, alle gesetzlichen und auch außergesetzlichen Regelungen, Herr Staatsminister Huber, auf den Prüfstand zu stellen, wird von uns geteilt. Sein Ansatz, aus der Sicht der Betroffenen die Kritik an der Bürokratie zu formulieren, ist gut. Ob ihn die Staatsverwaltung jeweils umsetzt, ist eine andere Frage.
Da komme ich übrigens auf die berühmte Geschichte, die Rettung der Volksfeste, die mir damals auch nicht sehr gefallen hat. Die Kollegen haben seinerzeit die Initiative ergriffen, weil die kleinen Unternehmer, die Volksfestbeschicker, gesagt haben: „Wir werden von der Bürokratie stranguliert. Die machen uns mit Umweltschutz, Lärmschutz und sonstigen Auflagen langsam die Volksfeste kaputt.“ Deswegen gab es eine Initiative, ob es die richtige war, weiß ich nicht. Soviel zum Zuhören bei Betroffenen. Leider hat die Henzler-Kommission nicht die eigentliche bayerische Bürokratie untersuchen dürfen. Der Untersuchungsauftrag war sehr klug zugeschnitten, damit vermieden wird, selber durch seine eigenen Ratgeber in die Kritik zu kommen.
Lieber Herr Huber, Ihr Krisengemälde beeindruckt überhaupt niemanden mehr. Die Zahlen, die Sie verwenden, sagen nie, dass sich darin auch die Kosten der deutschen Wiedervereinigung widerspiegeln. Kein Land in Europa hat eine solche Belastung mit solch hohen Transferleistungen zu tragen wie Deutschland. Wenn Sie dies beim Vergleich berücksichtigen, dann würde es in der Tat anders aussehen. Herr Kollege Sackmann, Sie dürfen auch mal nachrechnen, welche Fehler die Regierung Kohl/Waigel bei der Wiedervereinigung gemacht hat.
Sie dürfen sich einmal vor den Spiegel stellen und sich fragen: Wie wäre das eigentlich gewesen, wenn wir nicht die gesamte Finanzierung auf die Arbeitskosten draufgehauen hätten? Die Rentner und Krankenversicherten zahlen die Hauptlast und Sie wundern sich, dass die Arbeitskosten stark steigen und dass diese Entwicklung Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Ich brauche diese Schauergemälde des Herrn Huber nicht selbst zu kommentieren, ich kann es vielleicht mit Goethe kommentieren. Ich habe bei Torquato Tasso ein hübsches Zitat gefunden: „Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was Ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt.“
Wir brauchen eine Reform des Staates an Haupt und Gliedern, und zwar nicht nur, weil dies der Wirtschaft hilft, sondern wir brauchen die Reform, weil langsam niemand mehr bereit ist, die Steuern dafür zu zahlen, dass wir eine so große Bürokratie haben. Wir müssen die Entbürokratisierung anpacken, weil auch Bayern das Geld fehlt, diese Krake weiterzufinanzieren. Die „Süddeutsche“ hat Recht, die 1,9 Milliarden e, die Bayern nach einer vorgezogenen Steuerreform fehlen, sind nicht zu schultern. Mit den Vorschlägen der Henzler-Kommission ist es nicht getan, schreibt Sebastian Beck. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Seit 1967 regieren neben der CSU auch die Kommissionen zur Verwaltungsreform. Es gab 1967 die Fink-Kommission. Staatssekretär Fink, damals im Innenministerium, hat eine Gruppe gehabt, die Vorschläge für Herrn Ministerpräsident Goppel gemacht haben. Das wurde dann nicht so sonderlich erfolgreich beurteilt. Dann kam Herr Ministerpräsident Strauss und es wurde die Neubauer-Kommission berufen. Diese hat dann bis 1983 getagt und auch Vorschläge gemacht. Sonderlich erfolgreich war es nicht. Es gab schon einige Vorschläge, die umgesetzt wurden. Die Fink-Kommission hat zum Beispiel die Gemeindegebietsreform mit angeschoben; durchaus vernünftig. Es reicht aber nicht, weil sich die Bürokratie immer schneller selber reproduziert, als man sie bekämpfen kann. Das hat auch Herr Ministerpräsident Stoiber eingesehen und hat 1993 unter Leitung von Herrn Staatsminister Huber die vorhin zitierte Projektgruppe Verwaltungsreform eingesetzt. Die Ergebnisse sind bislang nicht bekannt geworden, jedenfalls nicht die nach 1993. 1996 gab es einen Ämterwechsel und Herr Prof. Faltlhauser wurde in die Reformgruppe geschickt. Er hat sein 20-Punkte-Programm vorgelegt. Damit hatte er große Aufregung in der Bürokratie erzeugt, aber leider keine Ergebnisse erreicht.
Es wurde ein Heer von externen Beratern eingesetzt. Die liest ist sich wie das Who is Who der deutschen Unternehmensberatungen und geht sogar darüber hinaus: Roland Berger und Co., WTO-Unternehmensberatung GmbH, Integra-Unternehmensberatung, Schittek,
Ernst & Young, Gesellschaft für Management und Technologieberatung mbH, BIT Consult GmbH, Arthur Anderson, BSL-Managementberatung GmbH, die WIBERA, Will und Partner, KPMG-Consulting GmbH, Mummert und Partner – Honorarsumme, 9185924 DM aber die Ergebnisse waren offenbar so erschreckend, dass sie niemand umsetzen wollte. Deswegen hat Herr Ministerpräsident Stoiber in seiner Verzweiflung 2002 Herrn Professor Henzler gebeten, neue Vorschläge zu unterbreiten. Ich erkenne neidlos an: ein raffiniertes Stück Politikinszenierung.
Woran sind denn die bisherigen Reformansätze gescheitert? Ich will aus meiner Sicht ein paar Gründe nennen. Erstens: Verwaltung, so denke ich, ist zur eigenen Reform nicht in der Lage. Das Beharrungsvermögen aller Beteiligten ist zu groß. Wer stellt sich denn gern selber in Frage?
Das wissen wir auch: siehe Reform des Landtags. Kollege Alois Glück teilt meine Überlegungen. Er formuliert das nur etwas zurückhaltender. Er hat gesagt, da fehlt es in der Bürokratie an positiver Eigendynamik.
Zweiter Punkt: Bürokratie wird in den Ministerien erzeugt – von Hilfsreferenten, von Referenten, von Abteilungsleitern und Amtschefs, manchmal natürlich auch von der Politik. Diese Mannschaft hilft übrigens auch heftig – Herr Huber –, wenn es darum geht, die Bundesbürokratie zu bereichern. Wir haben insgesamt unter dem Dach des Bundesrates mehr als 900 Bund-Länder-Kommissionen. Die machen weiter nichts, als Bundesrecht zu ändern in Gestalt von Gesetzesvorschlägen, Rechtsverordnungen und Ausführungsbestimmungen. Das sind 900 Bruderschaften, die zusammenkommen, um zu beraten, was zu tun ist. Das Ergebnis sind immer neue Verwaltungsvorschriften, neue Verordnungen, neue Gesetze. Das können Sie nachprüfen; jüngst hat dies sogar der Bundespräsident beklagt.
Drittens: Um die Bürokratie zu verringern, brauchen wir eine Kulturrevolution. Das heißt aus meiner Sicht: eine Neustrukturierung der Ministerien und eine Änderung der Organisation der Ministerien. Kollege Glück hat dies noch 1996 genauso gesehen. Auch er wollte eine Kulturrevolution. Der „Münchner Merkur“, Herr Spemann, hat ihn im Dezember letzten Jahres nach der Einsetzung der Henzler-Kommission freundlicherweise daran erinnert. Geholfen hat es nichts – bislang jedenfalls.
Wir müssen deswegen überlegen, ob wir Abteilungen und Referate in den Ministerien einziehen, denn nur ein solches Vorgehen führt zu einer radikalen Aufgabenkritik.
Ich rate dazu, einige Mitarbeiter nach Baden-Württemberg zu schicken, damit diese sich dort die Vorschläge von Erwin Teufel gründlich anschauen. Erwin Teufel ist genau an dem Punkt, dass er sagt, die Ministerien müssen verkleinert werden, da müssen Abteilungen und Referate heraus. Der hat das zu seinem Programm
Wer übrigens Verwaltungsabläufe wirklich vereinfachen will, also eine Art „One Stop Agency“ verwirklichen will, wie das so schön auf Neudeutsch heißt, der muss bereit sein, die Grundstrukturen der Verwaltung wirklich infrage zu stellen. Baden-Württemberg tut das. Ich bin der Überzeugung, dass wir das künftig auch tun könnten. Wir brauchen Kreisverwaltungsbehörden, Regierungen, vielleicht ein paar Landesämter und die Ministerien. Das reicht.
Alles andere muss auf den Prüfstand und muss hinterfragt werden, ob es nicht integriert werden kann. Nur das bringt überzeugende und flexible Lösungen beim Vollzug von Aufgaben.
Die Henzler-Kommission hatte – wie schon gesagt – einen sehr begrenzten Auftrag: Sie sollte ausschließlich darüber nachdenken, wie der Wirtschaft das Leben leichter gemacht wird. Das ist ehrenwert, die Vorschläge haben jedoch lediglich in ganz geringem Umfang wirklich mit Entbürokratisierung zu tun. Der so genannte „Small Company Act“, der da vorgeschlagen wird, kümmert sich um Arbeits-, Betriebsverfassungs- und Tarifrecht. Das sind Fragen, die in Berlin längst auf den Weg gebracht sind, längst durch Gesetz geregelt sein könnten, hätte der Bundesrat nicht wieder einmal unter Anführung Bayerns blockiert und den Vermittlungsausschuss angerufen.
Übrigens: Rechtstatsachenforschung wird in der bayerischen Staatsverwaltung nicht betrieben. Sonst hätte man nämlich gemerkt, dass über 90% der kleinen Betriebe überhaupt keinen Betriebsrat haben und deswegen gar nicht unter der „Knute“ des Betriebsverfassungsrechts leiden müssen. Da hätte man sich etwas mehr mit den Rechtstatsachen auseinander setzen müssen, dann bräuchte man nicht versuchen, sich mit solchen Vorschlägen zu profilieren. Vielleicht waren die falschen Ratgeber in der Kommission, ich schaue auf Kollegen Traublinger.
Diese Frage haben wir schon vor Jahren bei der Handwerksmesse diskutiert. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat Ihnen das damals schon klipp und klar auseinander gesetzt, aber Vorurteile sind nicht klein zu bekommen.
Im Übrigen sind kleine Betriebe dankbar für Tarifverträge. Das schafft Rechtsklarheit und Wettbewerbsklarheit. Der Gedanke, dass man sich mit einer Postkarte aus dem Tarifvertrag abmelden kann, widerspricht mit Sicherheit dem, was die Verfassung, unser Grundgesetz, den Tarifvertragsparteien an Eigenregelungskompetenz zubilligt. Deswegen müssen wir uns die Mühe machen, mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zu reden, damit diese Öffnungsklauseln zu Stande
Über einen großen Teil der Vorschläge kann man gerne reden. Dem Argument, dass die Gaststättenbauverordnung ein besonderes Bürokratiemonster ist, kann ich nur beipflichten. Ich weiß noch, wie die entstanden ist. Da hat Bayern federführend gearbeitet und hat alles im Detail geregelt, was zu regeln geht. Der Herr Finanzminister hat jüngst noch eins draufgesetzt, das ist an Ironie wirklich nicht zu überbieten: Der Herr Ministerpräsident verkündet, jetzt werden nur noch wirklich notwendige Vorschriften erlassen. Der Herr Finanzminister erlässt eine Kantinenrichtlinie. Was macht er in dieser Kantinenrichtlinie? – Er erklärt, dass das Bürokratiemonster Gaststättenbauverordnung auf staatliche Kantinen anzuwenden ist.
Übrigens zum Thema Statistik: Herr Huber, ich habe mich mit dem Präsidenten des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung intensiv über diese Fragen unterhalten. Er hat mir ein Beispiel erzählt, das ihn erschüttert hat. Er wollte die Handwerksstatistik etwas vereinfachen. Das hat ihm aber den großen Protest der Handwerkskammer eingebracht. – Kollege Traublinger verlässt gerade den Raum. – Die Handwerkskammer hat das nicht zugelassen. Die Handwerksstatistik „light“ war unzulässig, deshalb musste sie umfangreicher gemacht werden.