„Lehrer sind durch ihren Amtseid dazu verpflichtet, das zu tun, was ihnen von ihrem Vorgesetzten aufgetragen ist“, grenzte Röhling die Freiheiten der Beamten klar ein. Grundsätzlich sei es so, dass das Kultusministerium als ausführende Behörde die Politik der Staatsregierung umzusetzen habe, begründete Röhling die Materialflut, mit der das Ministerium die Schulen in Unterfranken in den zurückliegenden Wochen versorgt hat. Dabei müssten andere Auffassungen, wie etwa die des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) nicht dargestellt werden. Wer die Mehrheiten habe, so Röhling, der bestimme auch die Politik.
So weit das Zitat. Meine Kritik richtet sich gar nicht so sehr an den Leiter der Schulabteilung der Regierung von Unterfranken, weil dieser lediglich der verlängerte Arm der Staatsregierung ist. Er führt nur das aus, was das Kultusministerium von ihm verlangt. Es kann doch wohl nicht sein, dass Beamte und Beamtinnen schon die Pläne der Staatsregierung vertreten müssen, die noch gar nicht zum Gesetz geworden sind. Von einer Beamtin oder einem Beamten kann doch gar nicht erwartet werden, dass jeder „Blödsinn“, den die Staatsregierung irgendwann der Öffentlichkeit vorstellt und für den sie versucht, eine Mehrheit zu bekommen, vertreten werden muss, ohne dass es eine gesetzliche Grundlage gibt.
Wir sind der Gesetzgeber. Der Landtag ist der Gesetzgeber. Die Staatsregierung ist die Exekutive. Wenn wird das entsprechende Gesetz beschlossen haben, kann die Staatsregierung von mir aus an den Schulen dafür werben, nicht aber, solange das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Wenn wir so etwas zulassen, entmachten wir uns regelrecht selbst.
Durch die jetzt praktizierte Vorgehensweise werden die Befürworter des Volksbegehrens unter den Lehrkräften eingeschüchtert und mundtot gemacht. Das hat jetzt schon Auswirkungen auf die Lehrkräfte. Die Befürworter des Volksbegehrens fühlen sich verunsichert, während die Gegner Rückendeckung erhalten und an den Schulen nach Lust und Laune agieren können. Hier wird nach dem Motto vorgegangen: Wir haben die Mehrheit. Wir haben die Macht. Deshalb agieren wir so, wie wir es wollen. – Das kann ich nur als Machtmissbrauch bezeichnen.
Ich unterstreiche es noch einmal: Wir befinden uns in einem demokratischen Verfahren. Ein Volksbegehren ist ein demokratisches Verfahren in seiner ureigensten Form.
Wir praktizieren hier direkte Demokratie. Meine Damen und Herren von der CSU, angesichts der zahlreichen Skandale der letzten Zeit und der Parteiverdrossenheit vieler Menschen hat sogar der Ihrer Fraktion angehörende Abgeordnete Dr. Gauweiler mehr Elemente direkter Demokratie gefordert. Wir stehen jederzeit dazu. Direkte Demokratie muss sein.
Wenn wir jetzt direkte Demokratie praktizieren, so erwarte ich, dass faire Bedingungen herrschen. An dieser Stelle möchte ich ganz bewusst den dummen Begriff der Waffengleichheit verwenden. Waffengleichheit muss sein. Gegner und Befürworter des Volksbegehrens müssen zu gleichen Bedingungen antreten dürfen. Entweder verteilen die Staatsregierung und die Befürworter des Volksbegehrens ihr Material an den Schulen oder keiner von beiden. Entweder haben die Lehrer die Wahl, wofür sie kämpfen, oder sie dürfen nicht Position beziehen. Aber so wie bisher geht es auf keinen Fall.
Meine Damen und Herren von der CSU, gerade angesichts der jetzigen Situation bitte ich Sie herzlich: Hören Sie auf, die Menschen zu diffamieren und einzuschüchtern, die sich für das Volksbegehren engagieren. Seien Sie vielmehr froh darüber, dass es trotz überall herrschender Parteiverdrossenheit noch Menschen gibt, die sich für etwas engagieren.
Ich sage es ganz offen: Ich finde es bedauerlich, dass die Staatsregierung auf so niedrigem Niveau kämpft, wie es derzeit zu beobachten ist.
Meine Damen und Herren von der CSU, offenbar glauben Sie nicht, auf die Kraft Ihrer übrigens sehr spärlichen Argumente vertrauen zu können. Anscheinend haben Sie, wie es einer der Abgeordneten aus Ihren Reihen ausdrückte, Angst vor dem Gau Ihrer Bildungspolitik. Sie sollten zu einer vernünftigen Basis zurückfinden und gleiche Chancen für beide Seiten schaffen.
Kolleginnen und Kollegen, „Bessere Bildung für alle“ darunter verstehen wir GRÜNE eine Grundschule, die bei allen Schülerinnen und Schülern die Grundlage für ein erfolgreiches lebenslanges Lernen legt – gleichgültig, welche Begabungen sie haben, gleichgültig, ob sie aus einem bildungsfernen oder bildungsnahen Elternhaus stammen, gleichgültig, ob sie aus einem finanziell gut gestellten oder einem finanziell weniger gut gestellten Elternhaus kommen, gleichgültig, welchen Pass sie haben. Wir legen großen Wert auf die Grundschule.
Die Grundschule ist das Fundament, auf dem alle anderen Schularten aufbauen. In dieser Schule muss genügend Zeit und Raum sein für die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit jedes Kindes, für die Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, für die Entwicklung von Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. Die an der Grundschule tätigen Lehrerinnen und Lehrer werden allergrößte Probleme bekommen, den elementaren Bildungsauftrag der Grundschule zu erfüllen, wenn, wie es die Pläne der Staatsregierung vorsehen, der Übertritt an die Realschule nach der vierten Klasse erfolgt. Alle Lehrerinnen und Lehrer, die jemals an einer Grundschule gearbeitet haben, wissen, was geschehen wird: Es wird für die Noten in Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachkunde gepaukt werden – wer es sich leisten kann, mit Hilfe der Nachhilfestudios, wer nicht, hat Pech gehabt. Dass es so kommen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. – Wie viel Zeit habe ich noch, Frau Präsidentin?
Ich hätte noch vieles dazu zu sagen, was für uns GRÜNE „Bessere Bildung für alle“ bedeutet. Ich hätte es hier gerne dargestellt, wenn es nicht die unschöne Entwicklung gegeben hätte, auf die ich eingangs eingegangen bin, diese Einschüchterungsversuche gegenüber Lehrerinnen und Lehrern. Der Freistaat Bayern stellt 480 Millionen DM für die Einführung der sechsstufigen Realschule zur Verfügung, für eine Reform, die, wie ich bereits dargestellt habe, die Schülerinnen und Schüler einer einzigen Schulart betrifft. Bayern gibt viel Geld aus für eine Reform, die an den eigentlichen Problemen unserer Schulen vorbeigeht und die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler im Regen stehen lassen wird.
Wie viel Geld bleibt für eine Schulreform, die eine bessere Bildung für alle zum Ziel hat, die viel mehr Kinder als bisher zum Abitur führt und verhindert, dass die Hälfte von ihnen scheitert, die alle Kinder mindestens einen Hauptschulabschluss erreichen lässt? Wie viel Geld bleibt übrig für den Ausbau einer zuverlässigen Halbtagsschule? Wie viel Geld bleibt übrig für zusätzliche Arbeitsgemeinschaften und Förderkurse? Ich sage Ihnen: Für wesentliche Maßnahmen wird kein Geld übrig bleiben.
Wir GRÜNE unterstützen das Volksbegehren für eine bessere Schulreform, weil da vernünftiger mit Geld umgegangen würde. Denn bei dieser Reform bleibt Geld übrig – zugunsten der Einrichtung kleinerer Klassen. Herr Kollege Knauer, ein vernünftiger Unterricht ist in einer Gymnasialklasse von 35 Schülern nicht möglich. Nach der Reform, um die es bei dem Volksbegehren geht, bliebe Geld übrig. So könnte die Streichung von Unterrichtsstunden rückgängig gemacht werden. Etwa die beim differenziertem Sportunterricht. Bei dieser Reform bliebe Geld übrig – zugunsten der Integration behinderter Kinder, des Ausbaus der Betreuungsmöglichkeiten, zugunsten des Einsatzes von Schulsozialarbeitern und Schulsozialarbeiterinnen, zugunsten der Einrichtung von Förderkursen und Arbeitsgemeinschaften.
Frau Präsidentin, es ist nur noch ein Punkt. – Es bliebe Geld übrig für den Ausbau der ganztägigen Betreuungsmöglichkeiten.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts des Themas der heutigen Aktuellen Stunde „Bessere Bildung für alle“ stellt sich mir die Frage, was sich wohl hinter diesen wohlklingenden Worten verbirgt. Da die bisherigen Ausführungen von Frau Kollegin Münzel jedoch zeigen, dass die GRÜNEN darunter im Wesentlichen die Vorstellungen und Vorgaben des Volksbegehrens meinen, muss es erlaubt sein, hier klar zu widersprechen. Denn der im Rahmen des Volksbegehrens vorgelegte Gesetzentwurf bedeutet nach unserer Einschätzung nicht mehr und bessere, sondern weniger Bildung. Ich meine, wenn man der Hauptforderung des Volksbegehrens nachkäme, die an 98 von 328 bayerischen Realschulen erfolgreich eingeführte R 6 wieder abzuschaffen, raubte man unseren Kindern Bildungschancen. Zudem würde damit in eklatanter Art und Weise dem Elternwillen zuwidergehandelt. Unserer Meinung nach lassen sich Bildungsreformen letztlich nie gegen den Willen der Mehrheit der Eltern erfolgreich umsetzen.
Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich in Bayern die Eltern von 24000 Schülerinnen und Schülern mit ihren Kindern für die neue Bildungseinrichtung entschieden haben. Allein zu Beginn dieses Schuljahres sind 8197 Schüler in die fünfte Klasse der Realschule übergetreten. Den damit zum Ausdruck kommenden Elternwillen gilt es zu respektieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten sich merken, dass die Eltern in Bayern kein Scheuklappendenken der siebziger Jahre wollen, wenn es um die Bildungschancen ihrer Kinder geht. Vielmehr prüfen sie mit gesundem Menschenverstand und Pragmatismus die Möglichkeiten des vielschichtigen bayerischen Bildungssystems und wählen ohne Bevormundung die beste Lösung für ihre Kinder.
Folgte man nämlich Ihren Argumenten, müssten alle Eltern blind und verbohrt sein, die ihre Kinder in die R 6 schicken. Wenn es nach Ihren Argumenten ginge, müssten alle Kommunalpolitiker verantwortungslos handeln, die in jüngster Zeit in geradezu panischer Eile die Umwandlung ihrer vierstufigen Realschule in eine sechsstufige fordern. Immerhin 90% aller Sachaufwandsträger haben Anträge auf sofortige Umstellung gestellt. Somit wendet sich Ihre Forderung nach Abschaffung der R 6 nicht nur gegen den Elternwillen, sondern auch gegen demokratische Entscheidungsprozesse in unseren Kommunen.
Herr Maget, ich habe das bereits beim Landesrealschultag getan: Ich danke gerade allen SPD-Oberbürgermeistern und -Landräten dafür, dass sie sich nicht von der Rückwärtsgewandtheit ihrer Landespartei beeinflussen lassen, sondern zielorientiert für die Kinder ihrer Städte und Gemeinden die bessere Realschule fordern und sich damit hinter den erklärten Elternwillen vor Ort stellen.
Lediglich in der Landeshauptstadt München scheint es noch Abstimmungsschwierigkeiten zu geben. Während die Fachabteilung im Schulreferat vehement die Einführung der R 6 in München fordert, kämpft Ihre Bürgermeisterin noch linientreu mit Ihnen und wirbt als Aushängeschild des BLLV für die eindeutig schlechtere Schulreform.
Meine Damen und Herren, im Übrigen sollte auch bekannt sein, dass von den acht bayerischen Elternverbänden lediglich ein einziger, nämlich der Bayerische Elternverband, den es in weiten Landesteilen überhaupt nicht gibt und über dessen Zuordnung gerätselt werden kann, die Ziele dieses Volksbegehrens unterstützt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bessere Bildung für alle kann doch nicht bedeuten, dass wir die Schulzeit an Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen um zwei Jahre verkürzen. Das Wohl des Kindes wird doch nicht durch eine spätere Differenzierung, wie vom BLLV gefordert, erreicht, sondern vielmehr durch eine
frühzeitige Förderung von Begabungen und Neigungen. Daher kämpfen wir leidenschaftlich für das vielgliedrige Schulsystem in Bayern, das jedem Kind begabungsgerecht zu jedem Zeitpunkt den Einstieg ermöglicht und dessen Durchlässigkeit sich nach Umsetzung der Reform noch verbessern wird. Schullaufbahnen waren und sind in Bayern keine Einbahnstraßen und Sackgassen und werden es nach unserer Auffassung auch nach dieser Reform nicht werden. Deshalb ist es geradezu boshaft, wenn von höchster Verbandsspitze des BLLV erklärt wird, die 4. Jahrgangsstufe würde nach dieser Reform zum Rüttelsieb über das Lebensschicksal eines Kindes. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall.
Mit der Einführung der sechsstufigen Realschule und den Mittlere-Reife-Zügen an den Hauptschulen erhöhen sich nunmehr die Entscheidungs- und die Übertrittsmöglichkeiten unserer Kinder. Neben dem Gymnasium und der Hauptschule mit ihren erweiterten Möglichkeiten steht nunmehr auch die sechsstufige Realschule als dritte Schulart nach der Grundschule zur Auswahl.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich selbst an einer R 6 tätig war, kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung berichten, dass die R 6 eine von Eltern ernst genommene und akzeptierte Alternative zum Gymnasium darstellt. Vielen Kindern bleibt durch dieses Angebot der meist frustrierende und von Misserfolg begleitete Umweg über das Gymnasium erspart. Sie wissen doch auch, dass bis zur Einführung der R 6 insgesamt 23% der Schülerschaft aufgrund schlechter Leistungen bis zur 8. Klasse das Gymnasium verließen. Was ein solcher Schulwechsel in vielen Elternhäusern bedeutet, glaube ich, brauche ich Ihnen als Eltern, als Väter und Mütter im Einzelnen nicht zu sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf mich wiederholen: Das Modell, das uns zur Entscheidung vorliegt, bedeutet keine Stärkung der Mitsprache der Eltern, sondern führt meines Erachtens zu einer klaren Bevormundung und Missachtung des Elternwillens.
Ich möchte zum Abschluss kommen und mit einer Bemerkung schließen, die erst vor kurzem eine Mutter auf einer Veranstaltung in Velden im Stimmkreis Nürnberger Land geäußert hat; sie stammte aus Baden-Württemberg. Sie sagte in die hitzige Atmosphäre der Veranstaltung hinein: „Bei allem Respekt, den ich für die Bayern aufbringe – den Kampf um die R 6 in Bayern verstehe ich beim besten Willen nicht. Dieser Schultyp ist in Baden-Württemberg seit 35 Jahren erfolgreich eingeführt und wird von allen bestens beurteilt.“ Dem kann ich nichts hinzufügen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist richtig und wichtig, dass wir über Bildung diskutieren. Die Bildung ist im Moment auch draußen ein großes Diskussionsthema. Herr Nöth hat
sehr ruhig geredet. Draußen erlebe ich allerdings eine wahnsinnige Aufgeregtheit von Ihnen, Herr Knauer, und von anderen CSU-Kollegen. Man liest da so einiges. Ich frage mich: Warum sind Sie eigentlich so aufgeregt, wenn die Leute sagen, dass man das Volk entscheiden lassen sollte?
Sie ziehen durchs Land mit dem Spruch „Bayern hat das weltbeste Schulsystem“. Lassen Sie doch dann das Volk über dieses weltbeste Schulsystem entscheiden. Warum behalten Sie nicht Ruhe; warum scheuen Sie sich nicht vor Verleumdungen, Unwahrheiten und anderem in Ihren Verlautbarungen?
Selbstverständlich ist das Thema Bildung wichtig. Die Formel, die heute auf der Tagesordnung steht, nämlich „bessere Bildung für alle“, ist ein altes sozialdemokratisches Leitbild für das, was wir in den schulischen oder hochschulischen Einrichtungen tun müssen, nämlich die Chancengleichheit für die jungen Menschen herzustellen und ihnen Zukunftsperspektiven zu geben. Bessere Bildung ist auch das Leitthema dessen, was draußen so aktuell ist, das Leitthema des Volksbegehrens „Die bessere Schulreform“.