Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Aus den genannten Gründen hat sich die Staatsregierung daher vehement gegen die sogenannten Ökosteuergesetze ausgesprochen. Sie wird diese Politik der Energiesteuererhöhungen im nationalen Alleingang weiter bekämpfen.

Das ist ein Block von sechs Fragen. Herr Minister, wollen Sie jede Frage einzeln beantworten, oder sollen wir zunächst alle sechs Fragen aufrufen?

Wir sollten die Fragen der Reihe nach aufrufen; dann können Zusatzfragen gestellt werden.

Wir verfahren also wie immer und rufen jede Frage einzeln auf. Jeder Fragesteller hat dann gleich die Möglichkeit zu Zusatzfragen. Erste Zusatzfrage: Herr Kollege Schieder.

Herr Staatsminister, sind Sie bereit anzuerkennen, dass zwischen der doch sehr drastischen Mineralölsteuererhöhung der alten Bundesregierung und den avisierten Mineralölsteuererhöhungen der neuen Bundesregierung ein wesentlicher Unterschied dergestalt besteht, dass die alte Regierung diese doch erheblichen Summen in ihren Haushalten einfach

vereinnahmt hat, während die neue Bundesregierung den Gesamtbetrag dieser Erhöhungen in vollem Umfang an die Beitragszahler der Rentenversicherung zurückgibt?

Herr Staatsminister, bitte.

Selbstverständlich besteht eine Reihe von Unterschieden zwischen diesen beiden Erhöhungen. Ich wiederhole: Der erste wesentliche Unterschied liegt darin, dass damals die Erhöhung aufgrund der einmalig historischen Situation dringend notwendig war. Diese Notwendigkeit liegt heute nicht vor. Zweitens. Die heutigen Erhöhungen verquicken die Rentenversicherung mit der Steuer. Ich halte das systematisch für ein völlig falsches Vorgehen, weil dadurch der notwendige Reformdruck innerhalb der Sozialversicherungssysteme weggenommen wird.

(Zuruf des Abgeordneten Maget (SPD))

Herr Maget, wenn Sie das für Quatsch halten, sagen Sie das doch in Ihrer Fraktion. Ich sage hier meine Meinung, nach der ich gefragt worden bin. – Ein derartiger Verschiebebahnhof nimmt den notwendigen Reformdruck von der Rentenversicherung. Verschiebebahnhöfe zwischen Rentenversicherung und Staatshaushalt, zwischen Steueraufkommen und Sozialversicherungsaufkommen wurden in der Vergangenheit manches Mal in kleinerem Umfang eingerichtet. Das war immer falsch.

Der dritte wesentliche Unterschied liegt darin, dass eine große Menge der Betroffenen bei der Erhöhung durch die jetzige Bundesregierung nicht entlastet wird. Hier will ich die Rentner, die Studenten und auch die Beamten nennen. Wir hingegen haben damals durch eine Erhöhung der Kilometerpauschale den Einzelnen deutlich entlastet.

Das sind die drei wesentlichen Unterschiede. Ich könnte noch eine Reihe anderer Unterschiede hinzufügen, so die Tatsache, dass damals das Niveau der Mineralölsteuer deutlich niedriger war. Ihre Erhöhung ist bestenfalls ideologisch begründbar.

Zweite Zusatzfrage: Herr Kollege Hoderlein.

Herr Staatsminister, Sie sagten, die Erhöhungen waren aus historischen Gründen nötig, weil die deutsche Einheit finanziert werden musste. Stimmen Sie mir zu, dass die ursprüngliche Annahme der Bundesregierung und insbesondere auch die von Bundesfinanzminister Waigel, die deutsche Einheit könne aus der Portokasse bezahlt werden, eine dramatische Fehleinschätzung war? Räumen Sie auch ein, dass die Bundesregierung offensichtlich keine andere Möglichkeit gesehen hat, als aus der Mineralölsteuer diesen hohen Finanzbedarf zu decken, so dass auch damals die Mineralölsteuer zwangsläufig nicht für Verkehrsinvestitionen verwendet werden konnte, obwohl Sie dauern propagie

ren, dass die Mineralölsteuer im Wesentlichen für den Bau von Verkehrswegen verwendet werden muss?

(Zuruf von der CSU: Was sind das für Romane bei der Fragestunde?)

Auch bei der Zusatzfrage muss die Frage einen bestimmten Kern haben. Die Wiedervereinigung ist schon ein bisschen weit hergeholt. Herr Minister, bitte.

Ich gehe aber dennoch gerne auf die Frage ein. Als ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundesfinanzminister Waigel weiß ich, dass er nie gesagt hat, die Wiedervereinigung sei aus der Portokasse zu bezahlen. Diese Aussage wurde damals von jemand anderem gemacht, ich weiß aber nicht mehr, wem sie zuzuordnen ist.

(Lachen bei der SPD – Herbert Müller (SPD): Der Dingsda!)

Dann sagen Sie es halt, wer der Urheber einer derartigen Bemerkung ist.

Klar ist jedenfalls, dass alle, die sich damals ernsthaft mit der Finanzierung der Deutschen Einheit befasst haben, verschätzt haben. Ich kenne niemand aus der damaligen Bundesregierung, aus den damaligen Regierungsfraktionen, den Oppositionsfraktionen wie auch aus der Wissenschaft, der die Aufwendungen tatsächlich erahnen konnte. Das begann schon mit der Schätzung der Werte der Treuhandgesellschaft. Ich kann mich noch erinnern, dass Herr Rohwedder in Wien dargelegt hat, dass das Betriebsvermögen 620 Milliarden DM betragen würde. Wir haben hinterher erfahren müssen, dass das Betriebsvermögen mit roten Zahlen versehen war, weil die Betriebe völlig heruntergewirtschaftet waren. Ich schließe mich dabei überhaupt nicht aus, Herr Hoderlein. Ich habe mich in den Jahren 1990 und 1991 in dieser Frage sowohl in politischen Reden als auch in Reden vor dem Bundestag ebenfalls verschätzt.

Dabei bin ich aber in guter Gesellschaft. Die ersten, die damals seriöse und ernsthafte Berechnungen über die Größenordnung und die Dauer der Finanzierung der Wiedervereinigung angestellt haben, waren Gerlinde und Hans W. Sinn – Hans W. Sinn ist jetzt Ifo-Präsident. Ihr Buch „Kaltstart“ ist aber leider erst Ende 1992 Anfang 1993 erschienen, als bereits wesentliche Entscheidungen getroffen waren. Vielleicht hat es die Politik auch schon früher versäumt, entsprechende betriebswirtschaftliche Studien in Auftrag zu geben. Auch kein Finanzminister der SPD hatte eine andere Auffassung. Wir haben uns in der Größenordnung und in der Dauer der Verpflichtung, die ja lange noch nicht zu Ende ist, wirklich alle miteinander verschätzt; dazu zählen auch die Bundesregierung und der hier Redende.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Kellner.

Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister, wieso behaupten Sie immerfort, dass die ökologische Steuerreform ein nationaler Alleingang ist, obwohl Sie als Finanzminister doch sicherlich wissen, das neun EU-Staaten und auch die Schweiz eine ökologische Steuerreform durchgeführt haben?

Dem alleinigen Handeln einer steht gegenüber, was auf EU-Ebene in einem Konzept abgestimmt wird. Wir waren uns immer darin einig, dass auch bei den indirekten Steuern eine Harmonisierung notwendig ist. Wir haben einen langen Prozess der Harmonisierung der indirekten Steuern, insbesondere der Mehrwertsteuer hinter uns. Er begann bereits im Jahr 1991 mit der Steuersystematik und setzte sich mit dem Umgriff und mit dem Korridor der Steuersätze fort. Wenn die Harmonisierung bei der allgemeinen Umsatzsteuer sinnvoll ist, ist sie auch bei den spezifischen indirekten Steuern wie bei der Mineralölsteuer sinnvoll. Darum war schon die alte Bundesregierung immer bemüht, und wie ich höre, ist auch die neue Bundesregierung darum bemüht. Die Bemühungen waren jedoch erfolglos.

Durch einseitige Steuererhöhungen in einem Land schmälert man aber diese Erfolgsaussichten. Ich halte die Mineralölsteuererhöhung für eine einseitige Verschlechterung der Standortbedingungen in Deutschland gegenüber anderen Ländern. Die Auswirkungen dieser Steuererhöhung sind in Bayern vielleicht weniger dramatisch als in Westdeutschland, wo Luxemburg mit deutlich niedrigeren Mineralölsteuersätzen angrenzt. Sie können es dort genau sehen: Im Westen unseres Landes gibt es kaum noch eine Tankstelle, weil die Autofahrer vielfach nach Luxemburg fahren. Dort aber gibt es Tankstellen so groß wie Fußballfelder. Das ist die Realität.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt nicht! Ich komme aus der Gegend, und dort gibt es immer noch Tankstellen!)

Dann habe ich die letzten drei übersehen!

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Hoderlein.

Herr Minister, was hat die Staatsregierung in den Jahren 1991 und 1994 getan, um die Mineralölsteuererhöhungen um 22 bzw. 16 Pfennige auf der Ebene des Bundesrates, in der Öffentlichkeit oder sonst wie zu verhindern, nachdem Sie von Anfang an eine Gegenposition eingenommen hatten?

Herr Hoderlein, ich bitte, den Text so vorzutragen, wie er auf den schriftlichen Unterlagen steht. Herr Minister, bitte.

Muss ich das, Herr Präsident?

Nein, der Fragesteller.

Ach so, der Fragesteller. Ich dachte, ich wäre gezwungen, mich an die schriftlichen Unterlagen zu halten.

Sie haben bisher nicht geredet, also verstehe ich nicht, warum Sie den Kommentar auf sich beziehen.

Herr Kollege Hoderlein, ich beziehe mich zunächst einmal auf die Ausführungen zur ersten Anfrage von Frau Kollegin Schmidt. Aufgrund dieser Darlegungen – ich erinnere an die historisch einmalige Herausforderung – hat die Bayerische Staatsregierung den damaligen Erhöhungen zugestimmt, weil damals eine verantwortungsbewusste Politik betrieben wurde. Bayern hat damals aber nachweislich gesagt, dass wir bei einer Mineralölsteuererhöhung für die Pendler in einem Flächenstaat einen Ausgleich brauchen. Deshalb hat der Freistaat Bayern im Rahmen dieser Erhöhungen die Anhebung der Kilometerpauschale durchgesetzt.

Zusatzfrage: Herr Kollege Hoderlein.

Aus allen Ihren Antworten habe ich es bisher noch nicht entnommen, deshalb frage ich noch mal nach: Können Sie uns schlüssig erklären, warum die in der Ära Kohl vorgenommenen Erhöhungen der Mineralölsteuer von 48 Pfennigen auf 98 Pfennige – also um 50 Pfennige und damit 104% – notwendig, richtig und gut waren, während die Erhöhung der Mineralölsteuer um 12 Pfennige oder 12% unter der Regierung Schröder von Übel sein soll?

Herr Minister.

Sie fordern mich zur Wiederholung auf, aber ich wiederhole mich gerne, denn richtige Tatsachen kann man nicht oft genug sagen. Wir haben heute keine derartige historische Sondersituation, wie wir sie nach der Einheit gehabt haben. Sie erhöhen die Steuern unnötig. Sie sollten sie lieber senken, das wäre eigentlich Ihre Aufgabe. Sie nannten schon die Zahlen von damals. Wir waren damals auf einem extrem niedrigen Mineralölsteuerniveau, so dass es durchaus möglich war, bei der Erhöhung einen gewissen Spielraum zu nutzen. Die Entscheidung damals war richtig. Wir hatten damals nur noch darüber debattiert, ob wir die Mehrwertsteuer erhöhen sollten. Systematisch wäre das möglich gewesen, denn jeder Steuerrechtler wird Ihnen bestätigen, dass es richtig ist, eine Steuer mit einer breiteren Belastung zu erhöhen. Aufgrund des niedrigen Niveaus von damals war es aber richtig, die Mineralölsteuer zu erhöhen. Heute sind diese Voraussetzungen nicht mehr gegeben. Steuererhöhungen müssen Sie immer aus der aktuellen internationalen und nationalen Situation beurteilen.

(Schläger (SPD): Also sind CSU-Steuern gut und SPD-Steuern schlecht!)

Zweite Zusatzfrage: Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Habe ich Sie richtig verstanden, dass es nicht aktuell sei, die Rentenversicherungsbeiträge zu senken?

Herr Minister.

O ja, das ist sehr aktuell. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das bereits beschlossene Gesetz zur Rentenreform mit gerechtem Ausgleich zwischen Beitragszahlern und Rentnern durch den so genannten demografischen Faktor. Dieses Gesetz hat diese Bundesregierung gegen jeden Sachverstand und gegen jeden Rat sofort wieder zurückgenommen. Jetzt sind Sie in der peinlichen Situation, dass Sie das mit Hilfe der Opposition wieder reparieren müssen, weil Sie in eine falsche Richtung gelaufen sind.

(Herbert Müller (SPD): Peinlich wird es zusehends für Sie!)

Die Belastung aus den Lohnzusatzkosten muss, Frau Kollegin, gesenkt werden. Meine Argumentation ist nicht erst seit heute folgende: Es ist der falsche Moment und der falsche Ansatz, in die Steuerkasse zu greifen, um die Rentenversicherung zu alimentieren. Sie müssen die Rentenversicherung langfristig und systemimmanent sanieren. Das ist eine nationale Aufgabe, zu deren Mitwirkung die Opposition in Berlin und die CSU bereit sind.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie die Mehrwertsteuer erhöht?)

Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass gefragt wurde, was die Staatsregierung getan habe, um die Mineralölsteuererhöhung zu vermindern. Jetzt sind wir bei der Rentenversicherung. Das steht nicht mehr im Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das liegt immer an der Antwort!)

Ich sage das nur, weil nun Herr Maget die dritte Zusatzfrage stellt.