Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Werner.

Sie haben darauf hingewiesen, dass man, wenn sich die Mittel im Jahre 2004 dem Ende zuneigen, dann darüber noch einmal über die HIV-Fälle reden müsse. Wäre denn die Staatsregierung bereit, sich am Zurverfügungstellen weiterer Mittel für diesen Fonds zu beteiligen?

Da zunächst von Ihnen vermutet wird, dass diese Mittel ausgehen, gehe ich davon aus, dass es sich noch nicht um ein aktuelles Problem handelt. Ich halte es nicht für richtig, in diesem Verfahrensstadium zu sagen, wir beteiligen uns daran. Ich gehe auch davon aus, dass das vor allem ein Problem der Bundesrepublik ist und nicht des Freistaates Bayern.

Die nächste Frage beantwortet der Staatsminister der Justiz, Herr Dr. Weiß. Die Fragestellerin ist Frau Dr. Kronawitter. Bitte, Frau Kollegin.

Herr Staatsminister, verfolgt die Bayerische Staatsregierung die Absicht, nach Fertigstellung des neuen Gebäudes für die Justizvollzugsanstalt Landshut die Justizvollzugsanstalt Erding aufzulösen und deren Baulichkeiten inklusive Grundstück anderweitig zu verwerten?

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Frage der Kollegin Dr. Kronawitter beantworte ich wie folgt:

Bei einer Belegungsfähigkeit von 11369 Haftplätzen befanden sich zum Stichtag 30. November 1999 insgesamt 12313 Gefangene in den bayerischen Justizvollzugsanstalten. Das bedeutet, dass an diesem Stichtag 944 Haftplätze fehlten. Inzwischen ist eine kleine Entlastung eingetreten, nachdem im vergangenen Monat weitere 143 Haftplätze in Kaisheim eingeweiht werden konnten. Aber trotzdem haben wir noch einen Fehlbestand von rund 800 Haftplätzen. Wir versprechen uns eine weitere Entlastung in den nächsten Jahren durch den Bau der Justizvollzugsanstalten in Kempten, Landshut, Augsburg, Ingolstadt, Kronach und Passau.

Eine gesicherte Prognose über den weiteren Verlauf der Gefangenenzahlen ist leider nicht möglich, da diese von unterschiedlichen, teilweise nicht vorhersehbaren Faktoren abhängt. Deshalb kann eine Entscheidung über den Fortbestand der Justizvollzugsanstalt Erding, nach dem jetzt gefragt wird, erst zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Inbetriebnahme der neuen JVA Landshut im Jahr 2004 getroffen werden.

Das Staatsministerium der Justiz ist bei Neubaumaßnahmen im Justizvollzug bemüht, den konkreten Bedarf in der jeweiligen Region abzudecken und betriebswirtschaftlich günstige Organisationseinheiten zu schaffen.

Auch bei den Planungen für die Neubaumaßnahme in Landshut wurde in Abstimmung mit der Stadt Landshut die Belegungsfähigkeit an dem voraussichtlichen Bedarf in der dortigen Region ausgerichtet. Nach dem damaligen Grundstückserwerb ist jedoch die jährliche Durchschnittsbelegung in den bayerischen Justizvollzugsanstalten überproportional angestiegen, so dass Überlegungen bestehen, die Belegungsfähigkeit des Neubaus in Landshut nochmals um 40 Haftplätze auf dann insgesamt 400 Haftplätze zu erhöhen. Die notwendigen Maßnahmen dazu sind bereits eingeleitet.

Planungsüberlegungen über die künftige Verwendung der infrage stehenden Gebäulichkeiten und des Grundstücks der Justizvollzugsanstalt Erding stehen deshalb unter dem Vorbehalt zusätzlicher Haftplatzkapazitäten in Landshut und eines bayernweit adäquaten Gefangenenstandes. Das bedeutet: Wenn es im Jahr 2004 so aussieht, als hätten wir genügend Haftplätze, kann diese Fläche selbstverständlich für andere Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Wenn uns aber doch Haftplätze

fehlen, können wir die JVA in Erding selbstverständlich nicht auflösen.

Zusatzfrage: Bitte, Frau Kollegin.

Herr Minister, erklärt sozusagen dieses Hinausschieben der Entscheidung bis 2004, dass jetzt in Angriff genommene Maßnahmen nicht umgesetzt werden? Es ist eine neue Küche geplant, es ist ein Sozialraum geplant, und die Planungen hierfür kosten zirka 100000 DM. Die Planung ist erfolgt, und die Ausführung wird immer wieder hinausgeschoben. Wie stellen Sie sich zu dieser Tatsache?

Sprechen Sie jetzt die Baumaßnahmen in Erding an?

Ja, die Erneuerungsinvestitionen.

Wenn absehbar ist, dass man ein Gebäude voraussichtlich nicht mehr braucht, dann wären natürlich allzu viel Investitionen unwirtschaftlich. Man muss hier einen Kompromiss suchen. Man muss beurteilen, wie es jetzt aussieht und wie die Entwicklung sein wird. Sie werden vermutlich auch wissen, dass von Seiten der Finanzbehörden Interesse an dem Grundstück besteht.

Ich bin also der Meinung, wir sollten jetzt doch einigermaßen konkret klären, wie es weitergehen soll. Sollte es so aussehen, dass wir die JVA Erding im Jahr 2004 auflassen, dann werden sich zusätzliche Investitionen sicherlich in Grenzen halten. Sollte es ungünstiger aussehen, sollten wir also dann weiterhin einen so hohen Bestand haben, dann müssen wir wohl dort auch etwas machen. Aber ich muss auch sagen, eine Haftanstalt mit 50 Haftplätzen ist unter betriebswirtschaftlichen Aspekten nicht besonders günstig; das ist klar.

Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Herr Minister, ich darf aber schon anmerken: Nachdem in der regionalen Zeitung der Fortbestand eine Rolle gespielt hat, wurde von Mitarbeitern aus Landshut bestätigt, die JVA würde nicht aufgehoben werden. Also Sie sagen jetzt auch – und das möchte ich noch einmal festhalten –, dass voraussichtlich 2004 die Entscheidung kommt. Bis dahin wird wenig erfolgen, werden keine Maßnahmen mehr durchgeführt, und dann wird eine Verlegung wohl beabsichtigt sein.

Frau Kollegin, eine endgültige Entscheidung wird nicht vor dem Jahr 2004 kommen. Das ist das eine. Das Zweite: Bei Renovierungsmaßnahmen wird entschieden werden müssen, was unbedingt gemacht werden muss, und das wird man auch noch machen. Aber natürlich werden sich die Investitionen daran orientieren, wie lange die JVA Erding voraussichtlich noch genutzt werden muss. Mir

wäre selbstverständlich lieber, wenn wir irgendwo dafür eine neue JVA bekämen.

Danke, Herr Minister. – Zur Beantwortung der nächsten Fragen bitte ich Herrn Staatsminister der Finanzen ans Pult.

Die erste Frage an ihn richtet für die Kollegin Renate Schmidt der Kollege Schieder.

Wie beurteilt die Staatsregierung aus heutiger Sicht die Mineralölsteuererhöhungen in der Amtszeit von Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel (CSU) vom 01.07.1991 von 60 auf 82 Pfennige, also um 22 Pfennige, und vom 01.01.1994 von 82 auf 98 Pfennige, also um weitere 16 Pfennige?

Ich sehe gerade, das ist ein ganzer Fragenblock.

(Hoderlein (SPD): Wir könnten ihn auch als Block behandeln)

Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, dass sich die SPD-Fraktion bemüht hat, tief in der Geschichte der Steuerpolitik zu forschen.

(Zurufe von der SPD)

Ich darf die erste Frage, die Frau Schmidt mit formuliert hat, wie folgt beantworten:

Die Mineralersteuererhöhung zum 01.07.1991 war Teil eines Gesamtpaketes zur Finanzierung der notwendigen öffentlichen Aufgaben und zur Förderung der privaten Investitionen in den neuen Ländern.

(Unruhe bei der SPD)

In den neuen Ländern, Herr Kollege! Insoweit lag dieser Steuererhöhung eine historische Ausnahmesituation zugrunde.

Ich muss hierzu nicht in Begründungen zur Steuergesetzgebung nachsuchen, ich habe dies auch aus aktivem Miterleben und Mittun noch sehr gut in Erinnerung.

Die damaligen Maßnahmen sind in großer Ruhe und mit großem Ernst über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg debattiert worden.

(Herbert Müller (SPD): So etwas hat es damals gegeben! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Kollege, damals bestand eine historische Ausnahmesituation. Im Jahr 1991 hatte der Bund allein rund 42 Milliarden DM netto für die deutsche Einheit aufzubringen. Die Investitionen, auch in die Verkehrsinfrastruktur, haben sich von 1990 auf 1991 nahezu verdoppelt, nämlich von 32,2 Milliarden auf 61,5 Milliarden.

Damals stand man in Bonn vor der Herausforderung, wie man die außergewöhnlichen Investitionsausgaben finanzieren soll. Die Lösung in einer solchen Situation liegt selbstverständlich nicht darin, die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zu erhöhen.

Man hat den Weg über die indirekte Besteuerung gewählt, zumal das Niveau der indirekten Besteuerung, zum Beispiel der Mineralölsteuer, im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern damals noch deutlich niedriger war. Die Auswirkung der Mineralölsteuererhöhung wurde seinerzeit für Pendler dadurch abgemildert, dass die Kilometerpauschale von 50 auf 65 Pfennige je Entfernungskilometer deutlich erhöht wurde. Das ist sehr bedeutsam. Mineralölsteuererhöhungen zur Finanzierung der deutschen Einheit betreffen bei uns zum Beispiel besonders die Niederbayern, die lange Strecken zurückzulegen haben.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen legen Sie die Bahnstrecken still!)

Ich verstehe, dass Sie sich als Niederbayerin jetzt herausgefordert fühlen. Sie kennen das Problem ja aus der Praxis.

Für die Mineralölsteuererhöhung im Jahr 1994 gab es einen, öffentlich ganz intensiv diskutierten, Anlass, nämlich die Reform der deutschen Bahnen. Die Aufgabe war, die Deutsche Bahn zu finanzieren. Das war im Vorfeld der Privatisierung eine ungeheure Herausforderung. Wir befinden uns heute nach meiner Meinung in einer ähnlichen Situation: Wir suchen nach Wegen, wie wir zwingend notwendige Verkehrsinfrastruktur finanzieren sollen. Daher rührt zum Teil meine Klage, dass kein Pfennig der Mineralölsteuererhöhung für die Verkehrsinfrastruktur verwendet wird. Auch bei der Erhöhung im Jahr 1994 wurde ein sozialer Ausgleich für diejenigen vorgesehen, die lange Strecken fahren müssen. Wir haben die Kilometerpauschale damals von 65 auf 70 Pfennige je Entfernungskilometer angehoben.

Ich betone: Beide Steuererhöhungen waren wegen der finanziellen Belastungen aus dem Investitionsbedarf für die deutsche Einheit nötig sowie – im unmittelbaren Anschluss daran – für die Modernisierung der deutschen Bahnen. Das galt vor allem für Ost-West-Strecken. Durch die Mineralölsteuererhöhung konnte eine Erhöhung der Ertragsteuerbelastung vermieden werden, die für Investitionen und neue Arbeitsplätze dramatisch nachteilige Folgen gehabt hätte, im Gegenteil: Die Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung wurden zu dieser Zeit durch das Standortsicherungsgesetz sowie das Steueränderungsgesetz 1992 wesentlich verbessert.

Ich habe mir die Begründungen in den Aussprachen damals angesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, damals war ein gängiges Argument, dass man von der direkten auf die indirekte Besteuerung verlagern müsse. Dieses Argument kann heute nicht mehr verwendet werden, da die Mineralölsteuer eine historisch einmalige Höhe erreicht hat.

Die von der Bundesregierung durchgesetzten Energiesteuererhöhungen im Rahmen der sogenannten Ökosteuergesetze sind eine Belastung für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Statt mehr Beschäftigung und bessere Umweltbedingungen zu schaffen, wird die Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft geschwächt. Bestimmte Wirtschaftsbranchen – wie das Transportgewerbe oder die Landwirtschaft – werden überproportional belastet.

Die neuen Gesetze sind ferner unsozial, weil Sozialhilfeempfänger, Rentner, Pensionäre und Studenten, insgesamt rund ein Viertel unserer Bevölkerung, die höheren Steuern zu tragen haben, ohne auf der anderen Seite durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge entlastet zu werden. Zudem verursacht die Verteuerung der Energie eine deutliche Steigerung der Wohnnebenkosten, die vor allem Familien trifft.

Die Bundesregierung kassiert bei den Autofahrern und beim öffentlichen Personennahverkehr ab, ohne eine Mark des Steuermehraufkommens in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Die Bundesregierung wird darauf Antwort geben müssen, wie sie in Zukunft die Verkehrsinfrastruktur finanzieren will. Die gegenwärtigen Beträge sind nicht zuträglich.

Mit dem nationalen Alleingang der Bundesregierung verschlechtern sich im übrigen die Chancen für eine verbesserte EU-weite Abstimmung der Energiebesteuerung. Bezeichnenderweise konnte die Bundesregierung in der Zeit ihrer Ratspräsidentschaft, in die auch das Inkrafttreten des „Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ fiel, keinerlei Harmonisierungserfolge in der Energiebesteuerung erzielen.

Aus den genannten Gründen hat sich die Staatsregierung daher vehement gegen die sogenannten Ökosteuergesetze ausgesprochen. Sie wird diese Politik der Energiesteuererhöhungen im nationalen Alleingang weiter bekämpfen.