Protokoll der Sitzung vom 17.02.2000

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Eykmann (CSU))

Wenn Sie bis zum Volksentscheid – zu dem wird es kommen – so weiter argumentieren, werden die Leute bald sagen: Das Kultusministerium hat inhaltlich nichts zu bieten. Es versucht Nebelkerzen zu werfen. Damit wäre die Niederlage für Sie vorgezeichnet.

(Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Sprinkart.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, Sie haben mich gebeten, Deutsch zu sprechen, damit mich die Franken auch verstehen können. Herr Präsident, dazu muss ich sagen: Wenn ich Deutsch schwätz’, verstande mi d’Franke it. Also muss ich Hochdeutsch schwätze.

Staatssekretär Freller zitierte aus der „Allgäuer Zeitung“. Ich würde das auch gerne machen, kann es leider nicht und muss deswegen auf die „Süddeutsche Zeitung“ zurückgreifen – was ich gerne tue. Dort steht, unter den derzeitigen Bedingungen lehne der Kreistag des Landkreises Oberallgäu die flächendeckende Einführung der sechsstufigen Realschule ab.

Herr Staatssekretär, anscheinend hat die Aufklärungskampagne bei der Mehrheit der Kreisräte – wohlgemerkt über alle Parteigrenzen hinweg – nicht gefruchtet, obwohl die Hanns-Seidel-Stiftung auch unseren Landkreis mit Informationsveranstaltungen überzogen hat. Die Diskussion im Kreistag verlief im Übrigen sehr engagiert aber sachlich – das will ich ausdrücklich betonen.

Das Problem ist nicht die Entscheidung. Ich hätte auch eine andere Entscheidung akzeptieren können. Das Problem ist die Reaktion von Mitgliedern der CSU von unten bis hoch zur Regierungsebene über die Entscheidung, die heute in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war.

Es wurde so getan, als hätten die Kreisräte im Landkreis Oberallgäu etwas Unanständiges gemacht. Dabei haben sie nichts anderes getan, als von ihrem Recht Gebrauch zu machen, sich zu einem Problem zu äußern, das den Landkreis sehr viel Geld kosten wird. Sie haben, um mit dem Kollegen Knauer zu sprechen, nichts anderes getan, als nach ihrem gesunden Menschenverstand zu entscheiden. Doch das können Sie anscheinend nicht akzeptieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Zeller.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sprinkart, eine kleine Richtigstellung: Erstens einmal steht in der „Süddeutschen Zeitung“, dass Sie der Antragsteller im Kreistag Oberallgäu gewesen seien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )

Das trifft aber nicht zu. Es war eine Kollegin vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aber nicht Herr Sprinkart.

(Unruhe bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Der Antrag der Grünen ist auch nicht in der Form abgestimmt worden, in der er gestellt worden ist. Sie haben den Antrag nämlich geteilt. Der Antrag lautet, erstens die flächendeckende sechsstufige Realschule abzulehnen und zweitens sich dem Volksbegehren anzugliedern bzw. einen Kreistagsbeschluss zu fassen.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Herr Präsident, sind wir hier vielleicht im Kreistag?)

Über den zweiten Punkt ist nicht abgestimmt worden.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über den zweiten Punkt ist nicht abgestimmt worden, weil er abgelehnt worden wäre. Deshalb haben Sie den Antrag geteilt. Ich will hier einmal ganz klar die Warheit sagen, Herr Kollege Sprinkart.

Als letzten Satz möchte ich nur noch erwähnen, dass alle Realschulen im Einzugsbereich des Landkreises Oberallgäu bereits als sechsstufige Realschulen geführt werden. Da sieht man doch die Bedeutung des Antrags, und deshalb ist es wahrscheinlich zu dieser lapidaren Abstimmung des Landkreises Oberallgäu gekommen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Spaenle antworten. Stellen Sie sich doch einmal folgendes vor: Da ist eine Stadt in Bayern, die es wagt, eine andere Meinung als die CSU in Bayern zu haben. Schon steht die CSU Kopf. Das ist passiert und nichts anderes.

(Herrmann (CSU): Wer steht hier Kopf!)

Herr Dr. Spaenle, ich sage Ihnen folgendes: Der Oberbürgermeister und die Stadt München können sich wenigstens auf eine demokratische Entscheidung bei ihrer Unterstützung des Volksbegehrens berufen, nämlich auf einen Stadtratsbeschluss. Auf was beruft sich aber die Bayerische Staatsregierung, nachdem sie die sechsstufige Realschule über Jahre unter dem Deckmäntelchen eines Schulversuchs ausgebaut hat?

(Dr. Bernhard (CSU): Auf einen Landtagsbeschluss!)

Das ist hier doch die entscheidende Frage. Die Realschule wurde ohne Rechtsgrundlage über Jahre hinweg ausgebaut.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Spaenle?

Nein. Wer hier Muffensausen hat, Herr Kollege Dr. Spaenle, das möchte ich doch einmal in Zweifel ziehen. Es ist sicher nicht der Träger des Volksbegehrens. Sie sind es, die Muffensausen haben, denn wenn das Volksbegehren gewinnt, stehen Sie vor dem Scherbenhaufen Ihrer Bildungspolitik in Bayern. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch zwei Beispiele dafür anführen, mit welchen Mitteln hier gekämpft wird. Der gemeinsame Elternbeirat der Landeshauptstadt München hat ein Extrablatt herausgeben wollen, in dem ein Artikel zum Volksbegehren abgedruckt gewesen wäre und gleichzeitig ein Artikel von Herrn Erhard aus dem Bayerischen Kultusministerium. Es wäre eine Gegenüberstellung beider Positionen gewesen. Der Bayerischen Staatsregierung war der Artikel des BLLV bekannt. Sie hat ihn nicht beanstandet. Sie hat gewartet, bis der Elternverband 50.000 Exemplare hatte drucken lassen. Dann hat sie verboten, dass dieses Extrablatt verteilt wird. Das ist typisch für das Verständnis, das Sie von objektiver Information haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich komme zu einem zweiten Punkt: In Holzkirchen hat die CSU einen Brief an alle Haushalte verteilt, der vom CSU-Vorsitzenden von Holzkirchen unterzeichnet war. Darin wurde den Bürgerinnen und Bürgern erklärt, wenn sie am Volksbegehren teilnähmen, sich also in die Unterschriftenlisten eintragen würden, wäre die Chance für eine weiterführende Schule am Standort Holzkirchen vorbei. Das hat die CSU in Holzkirchen den Bürgerinnen und Bürgern erzählt. Sie hat aber nicht erzählt, dass die CSU hier, in diesem Hause, bereits Anfang Februar den Standort Holzkirchen für eine weiterführende Schule abgelehnt hat. So werden die Bürgerinnen und Bürger vor Ort für dumm verkauft. Jedes Mittel ist Ihnen recht, um Ihrer falschen Politik zum Erfolg zu verhelfen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Kellner das Wort:

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Da hat sich Herr Dr. Spaenle doch gerade hingestellt und gesagt, die Unterstützer des Volksbegehrens würden im Lande „herumholzen“. Herr Dr. Spaenle, ich nehme an, Sie sind über die Grenzen Münchens nicht hinausgekommen.

(Beifall und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und bei der SPD)

Was ich nämlich feststelle, das ist folgendes: In den kleinen Orten Niederbayerns, wo Veranstaltungen zum Volksbegehren großen Zulauf haben, und zwar sehr gro

ßen Zulauf, dort legen CSU-Mitglieder ein Verhalten an den Tag, das jeder Beschreibung spottet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Veranstaltungen sind von Aggressivität geprägt. Sie versuchen, Elternbeiräte, die sich für das Wohl ihrer Kinder einsetzen, aber auch die Lehrer, einzuschüchtern, dass es jeder Beschreibung spottet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie führen sich vor Ort auf – und das nicht nur bei dem Volksbegehren, sondern weil das Ihre Mentalität ist –, als ob die CSU-Meinung gleich Gesetz sei. Das nämlich ist Ihr Verständnis.

(Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie meinen, sie könnten aus Ihren Wahlergebnissen ableiten, dass Sie in diesem Lande Alleinherrscher sind.

(Zurufe von der CSU)

So stellen Sie sich dar. Wissen Sie, Herr Freller, wenn Sie von Ihrem Bildungskonzept so überzeugt sind, dann müssen Sie die Leute doch bitten, dass sie zum Volksbegehren gehen, damit der Volksentscheid dann anschließend stattfinden kann und Sie die Chance erhalten, die Mehrheit zu gewinnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Wissen Sie, wir haben doch die Erfahrung von vielen Volksbegehren in Bayern. Sie laufen immer Amok, wenn das Volks sagt: Wir wollen entscheiden. Sie fürchten die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger wie der Teufel das Weihwasser.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Aber ich sage Ihnen: Gott sei Dank kann man den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land vertrauen.