Die harmlos und bürokratisch formulierte Leitlinie über Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, meine Damen und Herren, ist in Wirklichkeit ein Generalangriff auf die Landesbanken und damit – darüber darf man sich keine Illusionen machen – auch auf die Sparkassen. Wir sind der Auffassung, dass diese öffentlichen Kreditinstitute einen öffentlichen Auftrag wahrnehmen. Ich rufe in Erinnerung, dass die großen deutschen Banken des Mittelstandes und der Finanzierung des Mittelstandes überdrüssig sind und BankenDependancen gründen, wo sich die kleinen Mittelständler wieder finden. Wir brauchen die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute für die Entwicklung des ländlichen Raums und der Landwirtschaft.
Wir sind auch der Auffassung, dass das keine Beihilfen sind, sondern dass dies ein Ausgleich für den öffentlichen Auftrag ist, den es auch in Zukunft geben muss. Deshalb brauchen wir auch keine Nachhilfe in Sachen Beihilfe. Wir unterstützen – ich hoffe, das tun alle Fraktionen hier im Parlament – die kompromisslose Haltung der Bayerischen Staatsregierung und aller Ministerpräsidenten gegenüber der EU bis hin zu der Drohung, die Reform der EU im Bundesrat zu boykottieren, wenn in dieser Frage keine vernünftige Regelung gefunden wird.
Lassen Sie mich auch eine Bemerkung zu dem Thema Beschäftigungspolitik machen, das in der letzten Zeit etwas in den Hintergrund getreten ist, und zwar zurecht, weil sich diese Beschäftigungspolitik im Nachhinein als Luftnummer erwiesen hat.
(Frau Renate Schmidt (SPD): Ich bin froh über das Programm zur Begrenzung der Jugendarbeitslosigkeit!)
Leider bin ich schon am Ende meiner Redezeit. Es gibt zahlreiche Kompetenz-Konflikte – leider ist Herr Kollege Dr. Köhler nicht mehr da –, deshalb brauchen wir auch in
Zukunft unsere Wachsamkeit und unseren Widerstand. Das schließt nicht aus, dass wir die Felder, in denen wir die EU brauchen, konstruktiv mitgestalten und nach vorne bringen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wundere mich, dass hier immer wieder angezweifelt wird, ob diese Diskussion sinnvoll ist und ob sie im Landtag geführt werden soll.
(Maget (SPD): Welche? – Frau Renate Schmidt (SPD): Das ist nicht der Punkt! Sie wiederholen die gestrige Diskussion!)
Das ist wohl der Punkt, denn es ist die ureigenste Aufgabe dieses Hauses, sich über alles zu unterhalten, was Auswirkungen auf Bayern hat. Das können wir uns doch vom Bundestag nicht wegnehmen lassen. Das ist unsere Aufgabe.
Das ist doch ein Abklatsch der gestrigen Diskussion! Meine Damen und Herren, entscheidend für die Zukunft Europas ist zweifellos - (Unruhe bei CSU)
Die europäischen Entscheidungen werden hier, in unserem Land, nur dann Akzeptanz finden, wenn eine breite Mehrheit der Bevölkerung die Entscheidungen, die Strukturen und die Bedingungen Europas akzeptiert. Nur dann wird Europa eine Zukunft haben. Dem wirkt aber entgegen, dass sich Europa Kompetenzen anmaßt, die ihm nach den Rechtsgrundlagen nicht zustehen. Ich möchte hier noch einmal auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinweisen, wo diese Tendenzen ganz eindeutig zu erkennen sind. Ich möchte noch einmal die Diskussion über die spektakuläre Entscheidung vertiefen, die zum Thema „Frauen in die Bundeswehr“ getroffen worden ist, denn dazu hat auch eine intensive Diskussion in der Bevölkerung stattgefunden.
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 11.01.2000 entschieden, dass das Verbot des Dienstes von Frauen an der Waffe gegen die sog. Gleichbehandlungsrichtlinie verstößt. Es sei zwar Sache der Mitgliedstaaten, so stellt das Gericht fest, geeignete Maßnahmen für die Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu treffen und über die Organisation ihrer Streitkräfte zu entscheiden, doch diese Entscheidungen seien nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen entzogen. Sicherlich haben, nach Ansicht des Gerichts, die
Mitgliedstaaten die Befugnis, solche beruflichen Tätigkeiten von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen, für die das Geschlecht aufgrund ihrer Art oder der Bedingung ihrer Ausübung eine unabdingbare Voraussetzung darstellt. Dieses Recht müsse aber eng ausgelegt werden. Weil der Ausschluss von Frauen vom Dienst mit der Waffe für nahezu alle militärischen Verwendungen gelte, sei dies, nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs, keine zulässige Ausnahmemaßnahme.
Meine Damen und Herren, in diesem Fall ist nicht entscheidend, ob das generelle Verbot des Dienstes von Frauen an der Waffe nach bundesdeutschem Recht sinnvoll ist oder nicht. Diese Frage ist zu diskutieren und wird selbstverständlich unterschiedlich beantwortet. Hier geht es allein darum, ob der Europäische Gerichtshof befugt ist, diese gesellschaftspolitische Grundentscheidung anstelle des demokratisch legitimierten nationalen Gesetzgebers zu treffen. Diese Frage muss man eindeutig verneinen.
Das ist schön, wenn Sie das sagen. Man muss aber deutlich ansprechen, dass solchen Tendenzen entgegenzuwirken ist. Die Richtlinie, die hier als Rechtsgrundlage genommen wird, gilt nämlich nur für den Beschäftigungsbereich. Bei dieser Entscheidung geht es aber nicht um die Regelung des Berufszuganges, sondern es steht die Organisation der Streitkräfte im Vordergrund und die Frage, ob Frauen vom Dienst an der Waffe ausgeschlossen werden sollen oder nicht. Das ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung, die allein den Parlamenten der Mitgliedsstaaten obliegt und nicht in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt.
Dieses Urteil ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die EUOrgane dazu neigen, bestehende Einzelkompetenzen zu überdehnen und unter Berufung auf wirtschaftliche Auswirkungen versuchen, auch in alle Lebenssachverhalte hineinzuwirken, die ihren Schwerpunkt im nichtwirtschaftlichen Bereich haben. Es gibt eine ganze Reihe von solchen Entscheidungen. So wird beispielsweise versucht, über die Freizügigkeit in den Sport hineinzuregieren, und bei der Gestaltung von Fernsehprogrammen wird unter Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit auch diese Rechtsgrundlage überdehnt. Die Folgen sind Angriffe auf die Gebührenfinanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks und Werbeverbote für Tabakerzeugnisse.
All das sind Beispiele dafür, wie der Europäische Gerichtshof dazu neigt, bestehende Rechtsgrundlagen überzustrapazieren und auf diese Weise in Lebenssachverhalte hineinzuregieren. Auch daraus ergibt sich, dass es notwendig ist, eine klare, präzise Abgrenzung der EUKompetenzen zu schaffen. Ich hoffe sehr, dass die Regierungskonferenz dazu klare Aussagen trifft.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es verwundert nicht, dass Ministerpräsident Stoiber und die CSU die Erklärung der 14 EU-Staaten zur Regierungsbeteiligung der FPÖ in Österreich dazu nützen, ihre antieuropäische Gesinnung nach vorne zu bringen.
Herr Stoiber, Sie können sich heute von Haider distanzieren, wie Sie wollen, Tatsache ist: Sie haben der ÖVP diese Koalition empfohlen. Haider hat heute keine anderen politischen Ziele als 1999, als Sie diese Koalition empfohlen haben.
Die FPÖ verfolgte damals wie heute eine menschenverachtende, ausländerfeindliche Politik. Sie verharmlost den Nationalsozialismus und sie bedient sich der Sprache des Nationalsozialismus.
Das ist hundertfach belegt. Wenn sich Herr Haider dann entschuldigt, macht er im nächsten Halbsatz die selbe Aussage noch einmal, um sich dann, im dritten Satz, wieder zu entschuldigen.
Kolleginnen und Kollegen, so einfach kann man es sich nicht machen. Aus meiner Sicht ist es geradezu die Aufgabe der EU-Staaten, klar und deutlich Stellung zu beziehen.
Die starke Reaktion in Frankreich und Belgien kam nicht von ungefähr. Diese Staaten haben doch ihre Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und mit der jüngeren deutschen Vergangenheit gemacht. Herr Ministerpräsident, wenn Sie heute die Situation in Italien von 1994 ansprechen, dann zeigt das doch genau, wie wichtig die Weiterentwicklung der EU war, und wie wichtig Artikel 6 im Vertrag der Europäischen Union ist, der in der Konferenz von Amsterdam 1997 besiegelt wurde. Dort steht, dass die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte die Grundlage für ein modernes, demokratisches, offenes und tolerantes Europa sind.
Kolleginnen und Kollegen, das ist das Europa, für das die GRÜNEN stehen und für das es sich zu kämpfen lohnt. Detailprobleme wie Kompetenzen, Steuerhoheit oder Mischfinanzierungen, die ohne Zweifel geregelt werden müssen, können nicht in einer einzigen Aktuellen Stunde diskutiert werden, Herr Dr. Bernhard. Dafür müssen wir uns sehr viel Zeit nehmen. Ich bitte Sie bei allem parteipolitischen Streit über Kompetenzen, das politische Ziel eines Europas der Nationen und Regionen nicht aus den Augen zu verlieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gehe zunächst auf die Bemerkung ein, die Sie, Frau Kollegin Schmidt, an den Anfang Ihrer Ausführungen gestellt haben. Wie andere Redner nach Ihnen haben auch Sie darauf hingewiesen, dass über ähnliche Fragen gestern im Bundestag debattiert wurde.
Dass der Herr Ministerpräsident in seiner geradlinigen Art heute nicht das Gegenteil dessen sagt, was er gestern im Bundestag ausgeführt hat, ist doch logisch.
Nein, das nicht. Vor allem Ihnen ist aber nichts Neues eingefallen. Denn wenn Berlin gesprochen hat, fällt der bayerischen SPD grundsätzlich nichts mehr Neues ein.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Frau Renate Schmidt (SPD): Der Ministerpräsident hat doch die selben Formulierungen verwandt!)
Das ist kein Anlass, darüber im Bayerischen Landtag nicht mehr zu diskutieren. Wenn Sie schon sagen, Frau Schmidt, Sie wollen nicht dauernd über Österreich und Haider diskutieren,
sollten Sie wenigstens andere Themen aufgreifen, zum Beispiel die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über Frauen in der Bundeswehr oder Sparkassen in Europa. Doch was tun Sie? Ihnen ist die Energieversorgung in Europa nur einen Nebensatz wert,
obwohl die Frage, wie es mit der Kernenergie in Deutschland und Europa weitergeht, für Bayern von zentraler Bedeutung ist. Und worum kümmert sich die Europäische Kommission? Um die Liberalisierung des Strommarkts in Deutschland, auf den mit Macht französische Anbieter drängen, aber nicht um die Liberalisierung des Strommarkts in Frankreich. Das interessiert Brüssel nicht.