Protokoll der Sitzung vom 17.02.2000

Antrag der Abgeordneten Pfaffmann, Irlinger, Nentwig u.a. (SPD) High-Tech-Offensive an bayerischen Schulen hier: Einrichtung einer ständigen Sachverständigenkommission zur Begleitung einer High-Tech-Offensive an bayerischen Schulen (Drucksache 14/902)

Antrag der Abgeordneten Pfaffmann, Irlinger u.a. (SPD) High-Tech-Offensive an bayerischen Schulen hier: Betreuungskonzept für die Informations- und Kommunikationstechniken an den Schulen (Druck- sache 14/905)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Förderung der EDV-Ausstattung (Drucksache 14/1785)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Sponsoring (Drucksache 14/1786)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Fortbildung der Lehrer im Einsatz der Informationsund Kommunikationstechnik (Drucksache 14/1787)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Überblick über geeignete Software (Drucksache 14/1788)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Betreuung der Datenverarbeitungsanlagen (Druck- sache 14/1789)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Beratung bei der EDV-Ausstattung (Drucksache 14/1790)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Bayern Online Kongress 2000 (Drucksache 14/1791)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Weiterentwicklung der Unterrichtsinhalte und -methoden (Drucksache 14/1792)

Antrag der Abgeordneten Glück, Prof. Dr. Stockinger, Knauer u.a. (CSU) Schule in der Informationsgesellschaft Lehrerausbildung (Drucksache 14/1793)

Auf Wunsch der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN beziehe ich auch die Listennummer 61 der Anlage 4 zur Tagesordnung, in die Beratung ein:

Antrag der Abgeordneten Paulig, Kellner, Münzel und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) Gleichbehandlung der Systembetreuerinnen und Systembetreuer aller Schularten (Drucksache 14/2289)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung und die CSU sind der Meinung, Investitionen in die Informations- und Kommunikationstechnologie der Schulen seien eine reine Angelegenheit der Sachaufwandsträger. Wir teilen diese Ansicht nicht. Angesichts der millionenschweren Investitionen, die auf die Sachaufwandsträger zukommen, und der bekannten Finanznot der Gemeinden machen es sich die Staatsregierung und die CSU zu leicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem zwei Ziele verfolgt werden: Investitionen in Computer und in aktuelle Informations- und Telekommunikationstechnologien sowie die Systembetreuung sollen in die staatliche Förderung aufgenommen werden. Außerdem soll die schulische Nutzung des Internets mit den Lernmitteln gleichgestellt werden und zu den gleichen Bedingungen wie der Sachaufwand für die Lernmittelfreiheit vom Freistaat bezuschusst werden. Unser Gesetzentwurf bietet für die Gemeinden Verlässlichkeit, Rechtssicherheit und Finanzmittel. Er entlastet damit die Kommunen in nicht unerheblichem Ausmaß.

Wir sind dafür kritisiert worden, dass in unserem Gesetzentwurf für den Doppelhaushalt 1999/2000 lediglich 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Dieser Gesetzentwurf läuft schon seit April 1999. Die Staatsregierung hat sich gebrüstet, sie hätte für drei Jahre 60 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Wir GRÜNEN nehmen diesen Vorschlag der Staatsregierung gerne auf und sind bereit, im nächsten Haushalt dafür 60 Millionen DM einzustellen. Wir haben damit kein Problem. Wenn die Staatsregierung sagt, dass sie noch mehr Geld übrig habe, sind die GRÜNEN gerne bereit, die genannten 15 Millionen DM auf 60 Millionen DM zu erhöhen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Staatsministerin Hohlmeier hat bezüglich der Finanzierung und der Haltung der Opposition dazu interessanterweise festgestellt, die Verantwortung für die Finanzierung trage die Regierung und nicht die Opposition. Als Oppositionspartei haben wir einen anderen Anspruch. Wenn wir eine Forderung erheben, wollen wir dafür auch einen Deckungsvorschlag machen. Wir machen es uns nicht so leicht, wie es sich Frau Hohlmeier machen würde, wenn sie in der Opposition wäre.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Nadler (CSU): Woher wissen Sie denn das?)

Wenn man sich die Vorschläge zur Finanzpolitik ansieht, die Ministerpräsident Dr. Stoiber der Bundesregierung vorgelegt hat, stellt man fest, dass diese Vorschläge weder Hand noch Fuß haben. Sie haben sich in der Rolle der Opposition überhaupt keine Gedanken über die Finanzierung Ihrer Vorschläge gemacht. Frau Hohlmeier hat sich sehr verräterisch verhalten.

Unserer Ansicht nach ist die Initiative der Telekom begrüßenswert, mit der den Schulen ein kostenloser ISDN-Anschluss und ein T-Online-Zugang ermöglicht wird. Der Bayerische Gemeindetag hat in seiner Pressemitteilung euphorisch geschrieben, die Deutsche Telekom zeige echte Bildungs- und Sozialkompetenz. Diese Aktion der Telekom sei eine erhebliche Entlastung der Kommunen als Schulaufwandsträger und sei eine Investition in die Schulbildung von morgen. Dem können wir

uns nur anschließen. Wenn man diese Pressemitteilung liest, merkt man, dass dem Bayerischen Gemeindetag ein Stein vom Herzen gefallen ist.

Ich habe mir die Diskussion noch einmal Revue passieren lassen, in der Sie behauptet haben, die bayerischen Gemeinden könnten diese millionenschweren Investitionen locker schultern. Ich stelle fest, der Bayerische Gemeindetag vertritt hierzu eine ganz andere Haltung. Unsere Einschätzung der finanziellen Situation der Kommunen ist die richtige. Auch aus der Sicht der Telekom war dies ein kluger Schachzug; denn wer an T-Online gewohnt ist, bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei.

Abschließend möchte ich die Staatsregierung auffordern, Verhandlungen mit den Unternehmen mit dem Ziel zu führen, den Schulen kostenlos Hardware zur Verfügung zu stellen.

Es ist sicherlich denkbar, dass angesichts der Vorreiterrolle, die die Telekom jetzt eingenommen hat, Firmen, die Hardware herstellen, sagen: Das ist eine gute Idee; wir können damit einen Wettbewerbsvorteil erreichen. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn dies der Schule, den Schülerinnen und Schülern und der Bildung dient.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Pfaffmann. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ausstattung der Schulen mit Computern ist sicherlich eine große Herausforderung, nicht nur für den Freistaat, sondern auch für die Kommunen. Ich gehe davon aus, dass über die Parteien hinweg keiner mehr bezweifelt, dass die neuen Techniken in Zukunft auch für die Schulen unverzichtbar sind, sowohl für die Schullaufbahn als auch für die spätere berufliche Qualifikation. In Zukunft wird ohne Computer nichts mehr gehen. Diejenigen, die sich damit nicht auskennen, werden die Verlierer bei dieser Entwicklung sein.

In diesem Zusammenhang haben wir einige Herausforderungen zu bestehen. Die erste Herausforderung ist sicherlich die Ausstattung der Schulen. Unserer Meinung nach kann es nicht sein, dass es zwischen den verschiedenen Schularten Unterschiede gibt – das möchte ich an den Anfang stellen. Zwischen Gymnasium und Hauptschule, zwischen Realschule und Berufsschule müssen gleiche Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler herrschen, was die Ausstattung betrifft.

(Beifall bei der CSU)

Darüber hinaus muss ein Standard gesetzt werden, wie viel an Computern und Technologie in den Schulen stehen soll. Wir gehen dabei von einem PC pro Klassenzimmer als Mindestausstattung aus und wünschen uns eine Computereinheit für fünf bis zehn Schüler.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang gibt es aber eine zweite große Herausforderung, die neben der Finanzierung und der Ausstattung nicht vergessen werden darf: Diese Herausforderung ist das pädagogisch-psychologische Konzept, das zugrunde gelegt werden muss, wenn man mit Computern und neuer Technologie sinnvoll umgehen will. Man muss davon ausgehen, dass Arbeiten mit dem Computer noch nicht Lernen bedeutet, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Infos per Mausklick bedeuten noch lange kein Wissen. Surfen im Internet stellt noch keine soziale Lebenskompetenz sicher. Hierin liegt eine große, auch politische Herausforderung. Deswegen darf sich die Debatte nicht nur auf die Finanzierung der Ausstattung konzentrieren, sondern muss auch die Frage einbeziehen, was mit den neuen Medien in den Schulen gemacht wird.

Eine weitere große Herausforderung ist, dass durch die Nutzung moderner Kommunikationsmittel nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause in den Kinderzimmern Werte, die bisher gegolten haben, möglicherweise in den Hintergrund treten, Werte wie soziales Engagement, sinnvolle Freizeitgestaltung, sportliche Betätigung, Bewusstseinsentwicklung für Gesundheit und Familie, Toleranz gegenüber anderen Menschen. Alle diese Dinge müssen weiterhin, Computer hin, Computer her, im Mittelpunkt einer Schul- und Bildungspolitik sowohl für die Schule als auch für die Eltern stehen. Das darf nicht vergessen werden. Auch wenn wir noch so viele Computer haben, ist dies ein Herzstück von Schulund Bildungspolitik. Die Politik wäre verfehlt, meine Damen und Herren, wenn Spezialistentum in der Computerei wichtiger wäre oder wichtiger werden würde als soziales Engagement oder die Toleranz anderen gegenüber.

Die nächste Herausforderung ist, dass Eltern und Lehrer für den Umgang mit diesen neuen Technologien fit sein müssen. Es ist schon etwas witzig, wenn heute schon Schülerinnen und Schüler in den unteren Klassen mehr über Computer und Internet wissen als Lehrer und Eltern zusammen. Hier ist ein großer, auch politischer Handlungsbedarf gegeben. Deswegen sage ich noch einmal: Nicht allein die Finanzierung darf zum politisch zentralen Punkt gemacht werden, sondern auch eine flächendekkende Schulung der Lehrerinnen und Lehrer für die Nutzung der Computer ist notwendig.

Das Gleiche gilt, wenn es um die Systembetreuung der Schulen geht. Es kann nicht sein, dass den Lehrern die Systembetreuung ohne Ausgleich aufgebürdet wird, wie es momentan der Fall ist. Nein, wir brauchen eine vernünftige Ausweitung der Stellen, um Computer in den Schulen auch richtig betreuen zu können. Man kann sie

nicht einfach nur hinstellen und wieder gehen, man muss sie auch langfristig betreuen.

Meine Damen und Herren, all dies ist nichts Neues. Bereits im Juli 1996 hat die Landtagsfraktion der SPD entsprechende Anträge gestellt,

(Beifall bei der SPD)

um alle diese Probleme zu lösen. Das war damals schon nicht gerade früh, geschah aber immerhin vor fünf Jahren. Was ist nun in diesen fünf Jahren passiert? Die damaligen Anträge wurden 1996 von der CSU abgelehnt. Folglich ist auch nichts passiert. Wir stehen auf demselben Punkt wie 1996, haben also eine Entwicklung, die in den Kinderzimmern, zu Hause oder in den Betrieben stattgefunden hat, in bezug auf die Computer in den Schulen schlichtweg verschlafen.

Aber: Jetzt geht es los. Ende 1999 hat die Bayerische Staatsregierung erkannt, dass bei der Ausstattung ein Riesendefizit vorhanden ist. Man hat versucht, einen großen Befreiungsschlag zu machen. Damit komme ich zum beispielhaften Punkt für die größte Innovation der Bayerischen Staatsregierung, wie ich meine, der Finanzierung der Ausstattung der Computer an unseren Schulen. Alle diese Dinge müssen finanziert werden; das ist überhaupt keine Frage.

Das Kultusministerium selbst, nicht die SPD-Landtagsfraktion oder die Bundesregierung, nein das Kultusministerium selbst schätzt den Gesamtaufwand für eine vernünftige Ausstattung mit Computern an allen bayerischen Schulen auf 600 Millionen DM. Dies kann man in einem kultusministeriellen Schreiben an den Herrn Ministerpräsidenten nachlesen. Der Bedarf wird von der Staatsregierung auf 600 Millionen DM eingeschätzt. Wir lernen aber wieder, dass die Bedarfsberechnungen des Kultusministeriums das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Tatsache ist, dass Sie bereit sind, 60 Millionen DM zu finanzieren. Meine Damen und Herren, das sind 10% des selbst errechneten Bedarfes, und, um eine Vergleichszahl zu nennen, das sind 0,6% der Privatisierungserlöse des Freistaates Bayern. Daran können Sie erkennen, was der Bayerischen Staatsregierung eine vernünftige, zeitgemäße und bedarfsgerechte Ausstattung unserer Schulen mit modernen Medien und Kommunikationsmitteln wert ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ja nicht so, dass alle meinen, dass diese 60 Millionen DM ausreichen würden. Ich habe mit Freude in einem Artikel in der „Mittelbayerischen Zeitung“ gelesen, dass selbst Mitglieder der CSU-Fraktion diese 60 Millionen DM für nicht ausreichend erachten. Herr Donhauser wird damit zitiert, dass mindestens 100 Millionen DM allein für den Erhalt des technischen Standes notwendig wären. Dies ist ein klares Wort. Ich befürchte aber, dass es wieder eine Riesenkluft zwischen Herrn Donhausers Aussage und seiner Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Staatsministerin Hohlmeier geben wird.

Ich attestiere Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und auch des Bildungsministeriums, Dies ist die größtmögliche bayerische bildungspolitische Innovation, die nach dem Motto geht: 600 Millionen DM brauchen wir, 60 Millionen DM geben wir; es ist uns völlig Wurscht, wer den Rest bezahlt. Ich sage Ihnen gleich, wer für diese Politik büßen muss.

Die Zeche dieser großen bildungspolitischen Innovation zahlen nämlich die Kommunen, die diese Lücke zwischen 60 Millionen und 600 Millionen DM ausfüllen müssen, und die Kinder, weil sie in der Entwicklung weit hinterher sein werden, was die Ausstattung in unseren Schulen betrifft. Meine Damen und Herren, 60 Millionen DM und sonst nichts – daran können Sie ablesen, was Ihnen die Kinder wert sind. Das ist nicht die größtmögliche Innovation für die bayerischen Schulen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in Bezug auf die Ausstattung mit modernen Kommunikationsmedien ist das die brutalst mögliche Vernachlässigung der Schulen, um in der Sprache Ihrer Freunde aus Hessen zu bleiben. Beispiele dafür, dass es anders geht, gibt es auch. Ich will sie Ihnen nicht vorenthalten. Die Bundesregierung und die Wirtschaft machen es Ihnen vor, aber nicht nur diese, sondern auch die Kommunen. Die Campagne „Internet für alle“, die von der Bundesregierung zusammen mit der Computerindustrie durchgeführt wird und im November 1999 gestartet wurde, legt fest, dass 20000 Computerbotschafter der Industrie die Schulen beraten werden. Interessant wäre es, zu wissen, ob sich auch der Freistaat Bayern um die Teilnahme an diesem Projekt beworben hat. Innerhalb von 18 Monaten werden 20000 Schulen mit moderner Technik ausgestattet. Pro Schule werden 50000 DM ausgegeben. Für ein modernes Computerset wird diese Initiative ausreichen. Auch dafür herzlichen Dank von unserer Seite aus!