Bei einer solch raschen Entwicklung gibt es Unsicherheiten im rechtlichen System, die unvermeidlich sind. Man muss beispielsweise abwarten, ob die Bandwerbung oder die Werbung auf einem geteilten Bildschirm, die jetzt erlaubt ist, bei Spielfilmen der künstlerischen Freiheit dessen, der den Film hergestellt hat, widerspricht. Es entstehen neue Fragen, in denen man von Fall zu Fall Einigkeit erzielen muss.
Herr Kollege Hufe hat richtig dargestellt, dass einer der wesentlichen Punkte des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags der Jugendschutz ist. Auf den Jugendschutz ist besonderer Wert gelegt worden, und darauf ist auch Staatsminister Huber in der Ersten Lesung differenziert eingegangen. Er hat erklärt, welche Einzelheiten neu und enger als bislang geregelt werden.
Die Äußerung, dass indizierte Filme nun gänzlich verboten werden können, sollte nicht missverstanden werden. Sie können zugelassen werden, wenn die Landesmedienanstalten eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Die
Landesmedienanstalten haben sich aber darauf geeinigt, solche Entscheidungen nicht der einzelnen Medienanstalt zu überlassen, sondern gemeinsam festzulegen, ob man einen Film zulassen kann. Ich bin der Meinung, wir sollten von dieser Stelle aus gemeinsam dringend an die Landesmedienanstalten appellieren, dass die „Gemeinsame Stelle Programm- und Jugendschutz“ dies so restriktiv wie möglich handhabt.
Auf die Frage, ob man den Jugendschutz noch verstärken kann, hat die Staatsregierung eine Antwort gesucht. Sie hat dazu auch ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses sollte man sich sehr ernsthaft zu Gemüte führen. Herr Prof. Isensee hat gesagt, dass weitere Verschärfungen und Verbote rechtlich nicht zulässig seien, weil sie der Rundfunkfreiheit entgegenstehen würden. Wenn man die Rundfunkfreiheit und die Meinungsfreiheit hochhält, kann man bestimmte Dinge nicht absolut verbieten. Die Rundfunkfreiheit ist für uns zwar ein hohes Gut, sie bedeutet aber auch die Freiheit für Mist. Auch Mist kann gesendet werden, und er wird so lange gesendet, wie er angeschaut wird.
Deshalb ist es jetzt unsere wichtigste Aufgabe, die Medienpädagogik und die Medienerziehung an den Schulen und in der Lehrerausbildung weiter zu stärken. Aufgrund einer Änderung des Mediengesetzes hat die Landesanstalt für neue Medien die Aufgabe der Medienerziehung und der Medienkompetenz zugeschrieben bekommen. Sie hat dazu ein eigenes Gremium eingesetzt, das morgen wieder tagen wird. Sie bemüht sich in hohem Maße, der Bevölkerung Medienkompetenz zu vermitteln und sie im Umgang mit den Medien und vor allem mit dem Ausschaltknopf zu erziehen. Die Medienerziehung sehe ich als eine Aufgabe der Zukunft. Im Augenblick bitte ich Sie um Zustimmung zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Wir sind das letzte Parlament, das zustimmt. Am 1. April soll der Staatsvertrag bereits in Kraft treten. Ich bitte daher um Zustimmung.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Dürr, Ihre Redezeit haben Sie zwar schon verwirkt, aber die CSU hat mir signalisiert, dass sie auf die Anwendung der Geschäftsordnung verzichtet. Ich erteile Ihnen damit das Wort.
Ich hoffe, dass Sie ihre Großzügigkeit nicht bereuen werden. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir teilen die Begeisterung von SPD und CSU nicht.
Das war jetzt aber Hochdeutsch. Ich verstehe sogar Sie, dann wird es doch möglich sein, dass Sie auch mich verstehen. Man kann nicht immer von Bayern reden und nicht einmal fähig sein, die bayerische Sprache zu verstehen. Es gibt verschiedene Dialekte, die man alle können sollte.
(Herbert Müller (SPD): Föderalismus in der Sprache! Ich bin Schwabe und komme bei Ihnen gar nicht vor!)
Leider ist der Vertrag nicht vollständig. Dafür ist in erster Linie die Staatsregierung verantwortlich.
Der Vertrag enthält vor allem Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die privaten Rundfunkveranstalter; darauf habe ich bei der Ersten Lesung schon hingewiesen. Er bringt die von den privaten Veranstaltern gewünschten europäischen Standards, erweitert also die Möglichkeiten für Werbung und Teleshopping. Er setzt gleichzeitig den öffentlich-rechtlichen Anstalten bei den digitalen Angeboten Grenzen. Der Vertrag gibt dem Jugendschutz im werbefinanzierten Fernsehen einen Rahmen. Die Möglichkeiten des Pay-TV werden ausgeweitet. Außerdem sorgt der Vertrag dafür, dass auch das werbefinanzierte und das öffentlich-rechtliche Fernsehen weiterhin über so genannte Großereignisse berichten kann.
Alle strittigen Fragen zum Bestand und zu den Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurden auf besonderes Betreiben der Bayerischen Staatsregierung ausgeklammert, so die ARD-Strukturreform, der Finanzausgleich und die Fragen von Werbung und Sponsoring bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Das ist für uns der schwerwiegendste Mangel des vorliegenden Vertrages.
Bei den neu aufgenommenen Bestimmungen zum Jugendschutz handelt es sich großenteils um Augenwischerei oder um hilflosen Aktionismus. Ich komme noch einmal auf die Programmgrundsätze zurück, die ich das letzte Mal schon angesprochen habe. Im Kommentar zu den neuen allgemeinen Programmgrundsätzen steht eindeutig – ich zitiere wörtlich –: „Es handelt sich um keine materielle Änderung der bisherigen Bestimmungen“.
Herr Minister, Sie haben diese Erläuterungen das letzte Mal offensichtlich missverstanden. Sie haben nämlich das Gegenteil behauptet und sich zu wenig freundlichen Äußerungen hinreißen lassen. Ihr damaliger Vorwurf, ich möge den Vertrag zumindest lesen, wenn ich mich schon äußere, fällt auf Sie zurück. Ich habe nicht nur den Vertrag, sondern auch den Kommentar gelesen. Ich werte Ihre damaligen Unhöflichkeiten als Eingeständnis einer medienpolitischen Hilflosigkeit.
Zur Kennzeichnung jugendgefährdender Sendungen: Die von der EU vorgeschriebene akustische bzw. optische Kennzeichnung hat das ZDF schon vor Jahrzehnten ausprobiert, letztlich aber doch verworfen; denn die Kennzeichnung schaffte bei den Jugendlichen erst Recht den Anreiz, das Verbotene zu tun. Die Vorsperre ist ebenfalls fragwürdig; das geben auch die beiden großen Fraktionen zu. Die Vorsperre für jugendgefährdende Sendungen macht das Fernsehen nicht so kindersicher, dass man die Zeitgrenze für jugendgefährdende Sendungen absenken könnte. Die Kinder sind technisch meistens wesentlich versierter als ihre Eltern, sie haben deshalb mit PIN-Nummern und dergleichen wesentlich weniger Schwierigkeiten als ihre Eltern. Schon mit der so genannten D-Box hat man entsprechende Erfahrungen gemacht. Staatssekretär Freller, der jetzt leider nicht da ist, erzählte, dass ihn sein neunjähriger Sohn in die Bedienung der Kindersicherung des neuen Fernsehapparats eingewiesen hat. Soviel zum Wert der technischen Vorsperre.
Von effektivem Jugendschutz kann also keine Rede sein. Im Gegenteil, durch den Wegfall der Zeitgrenze, der mit der Verschlüsselung der Sendungen einhergeht, werden die bisherigen Bestimmungen aufgehoben. Einzig und allein die Maßnahmen gegen Talkshows haben im Jugendschutz noch Bestand. Dabei dienen die Talkshows in erster Linie als Sündenbock. Nachdem man viele unangenehme Begleiterscheinungen des privaten Rundfunks hilflos in Kauf nehmen muss, will man sich wenigstens an einem Bereich schadlos halten, und dazu braucht man die Talkshows.
Sie, Herr Minister, haben den Privatsendern vorgeworfen, sie hätten bei den Talkshows nur auf die Quote geachtet. Auf was sollen sie denn sonst achten? Wenn sie auf etwas anderes achten sollten, müssten die Politiker dafür sorgen, dass es auch andere Ziele gibt, die anzusteuern sich für die Privatsender lohnt. Solche Ziele gibt es nicht; diese müssten von den Politikern erst geschaffen werden.
Solche positiven Steuerungselemente sind nirgendwo in Sicht. Deswegen zeugen die Ausführungen zum Jugendschutz von purer Hilflosigkeit.
Herr Minister, gegenüber dem „Münchner Merkur“ haben Sie erklärt, dass Sie bis an die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen gegangen sind. Sie haben zugegeben, dass die Erwartungen an die Landesmedienanstalten größer seien als deren Kompetenzen. Wer hat denn diese Erwartungen immer geschürt, und wer schürt sie heute immer noch? Wer will denn immer alles Mögliche verbieten und kann es doch nicht verbieten lassen? Ich habe Ihnen damals schon vorausgesagt, dass Sie den Big Brother nicht verbieten können.
Es hat einfach keinen Sinn, den starken Maxe zu spielen und mit dem strengsten Jugendschutz in Europa zu prahlen, wenn man großspurigen Worten keine Taten folgen lassen kann.
Der starke Staat macht sich damit nur lächerlich. Es trifft auch nicht zu, dass es keine Alternativen gibt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie gerieren sich immer gerne als große Marktwirtschaftsexperten. In der Medienpolitik aber verletzen Sie elementare Regeln. Wer die Anbieter so massiv fördert und stärkt, wie es die Bayerische Staatsregierung tut, müsste mit der gleichen Intensität auch die Nachfrager stärken, wenn er Ausgewogenheit erzielen wollte. Die Stärkung der Nachfrageseite ist aber viel zu gering. Die Maßnahmen, die Sie ergreifen, um die Abnehmer der Medienprodukte zu stärken, sind im Vergleich zu den Maßnahmen, mit denen Sie die Produzenten stärken, äußerst bescheiden. Der Medienstandort Bayern ist für Sie ein reiner Produzentenstandort. Dass Bayern auch ein Verbraucherstandort ist, nehmen Sie gar nicht zur Kenntnis. Wenn nur ein Bruchteil dessen, was für die Stärkung der Anbieter aufgebracht wird, auch den Konsumenten zukäme, würde es in der Medienlandschaft Bayerns wesentlich besser aussehen.
Sie reden zwar viel von Medienkompetenz, von der Stärkung der Fähigkeit von Kindern und Jugendlichen, mit Medien umzugehen. Zusätzliche Mittel investieren Sie aber nicht. Die Fähigkeit, mit den vielfältigen und oft zwiespältigen Medienangeboten umzugehen, ist die zentrale Steuerungsinstanz des Medienmarkts auf Verbraucherseite. Hier wäre der ideale Ansatzpunkt, um die Qualität des Angebots zu steuern und zu erhöhen. Sie, Herr Minister Huber, sagten mit Recht, die schärfste Waffe habe der Zuschauer mit der Fernbedienung in der Hand. Um die Zuschauerinnen und Zuschauer im Umgang mit dieser Waffe zu schulen und darin zu stärken, tun Sie aber viel zu wenig. Die Medienkompetenz bei Jugendlichen zu entwickeln und ihre Fähigkeit zu schulen, Sendungen auszuwählen, wäre sinnvoll und notwendig, und zwar in einem wesentlich höheren Maß, als es derzeit üblich ist. Den Jugendlichen muss ein Menschenbild vermittelt werden, das den Respekt und die Achtung jedes einzelnen Menschen beinhaltet; denn gerade hier liegt die Gefahr der Kommerzialisierung des Fernsehens. Um hohe Einschaltquoten zu erzielen, werden Menschen nicht selten an den Pranger und zur Schau gestellt, verächtlich gemacht und herabgewürdigt.
Bei Jugendlichen und Erwachsenen kann ein negatives Menschenbild bestätigt und verstärkt werden, wenn sie es in der täglichen Realität erfahren müssen. Hier ist der dringendste Handlungsbedarf. Man kann sich nicht nur auf ordnungspolitische Maßnahmen beschränken. Auch bei den Talkshows gäbe es Möglichkeiten, die Nachfrageseite zu stärken. Ich denke an die Instanz eines Ombudsmanns oder einer Ombudsfrau, an die sich Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Talkshows wenden können, wenn sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt oder verletzt fühlen. Diese Instanz müsste von den Fernsehsendern bezahlt, dürfte aber nicht von ihnen beaufsichtigt werden. Kosten sind immer das wirksamste Selbstregulativ. Je weniger Kosten bei den Sendern dafür anfielen, desto besser wäre das Programm.
Um die Position der Medienkonsumenten zu stärken, muss noch viel mehr Fantasie als bisher investiert werden; denn die immer wieder aufgetischten alten Rezepte sind dafür ungeeignet. Sie demonstrieren nur die Hilflosigkeit des Ordnungsrechts.
(Allgemeine Heiterkeit – Sinner (CSU): Sie sind selbst gespannt darauf, was Sie gleich sagen werden!)
Nein, ich habe es doch aufgeschrieben. Kollege Hufe hat immer wieder vom Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag gesprochen. Das zeigt, dass manches eigentlich zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag gehört hätte. Die Inhalte hätten zusammen geregelt werden müssen, was die Staatsregierung aus taktischen und machtpolitischen Gründen hintertrieben hat. Um bundespolitisch nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wurde immer wieder „hineingestachelt“. Aus den genannten Gründen finden wir den Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht so toll und werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Kollege. Über die Anwesenheit im Plenarsaal entscheidet allerdings jeder Abgeordnete selbst.
(Beifall bei der CSU – Widerspruch und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Maget (SPD): Es war doch nur eine freundliche Empfehlung!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der CSU-Fraktion und bei der SPD-Fraktion für die zügige, sachkundige Beratung und Berichterstattung sowie für die Zustimmung zum Rundfunkstaatsvertrag bedanken. Ich will Ihre Geduld nicht über Gebühr bean