Protokoll der Sitzung vom 21.03.2000

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Antragsteller begründet. Herr Kollege Dr. Ritzer, bitte.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sache ist relativ einfach. In dem Gesetzentwurf wird verlangt, dass Mitglieder der Staatsregierung, in deren Ressort sich die Rechtsaufsicht über die Kommunen befindet, nicht Mitglied einer kommunalen Gebietskörperschaft, also eines Stadtrats, eines Kreisrats oder des Bezirkstags sein können. Kollege Regensburger, um den es hierbei vor allem geht, ist anwesend.

Es sollte klar sein, dass sich diejenigen, die in der Staatsregierung für die Aufsicht über die Kommunen verantwortlich sind, hier zurückhalten. Es gibt die berühmte Geschichte mit dem Factory-Outlet-Center in Ingolstadt. Damals wurde im Ingolstädter Stadtrat einstimmig beschlossen, dass man sich für ein Factory-Outlet-Center stark macht. Dagegen hat sich ein großer Sturm erhoben. Anschließend hat die Staatsregierung beschlossen, dass das nicht geht. Möglicherweise wird es hinsichtlich des Herzzentrums in Ingolstadt zu einem ähnlichen Konflikt kommen.

Nachdem die Staatsregierung selbst dazu nicht in der Lage ist, das Problem zu lösen, legen wir einen Gesetzentwurf vor, in den wir eine entsprechende Lösung hineingeschrieben haben. Dieser Gesetzentwurf kann in den zuständigen Ausschüssen in Ruhe beraten werden. Ich denke doch, dort wird man zu dieser Lösung finden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Kollege König.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Als ich den Gesetzentwurf gelesen habe, wurde mir wieder einmal deutlich, wo die SPD-Fraktion ihre Schwerpunkte setzt. Ich musste mich unweigerlich an eine Diskussion erinnern, die wir kürzlich im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen geführt haben. Dabei ging es um die nach Ihrer Auffassung „kleine Lappalie“, ob all die Personen, die Häuser, S-Bahnen und vieles mehr mit so genannter Graffiti-Kunst versehen, einer Strafe zugeführt werden sollen oder nicht. Die Antwort von Ihrer Seite war: „So wichtig ist das nicht. Es ist schon fast lächerlich, dass wir über so etwas reden.“ Da sieht man doch wieder einmal, was Ihnen wirklich wichtig ist:

Herr Staatssekretär Regensburger, der im Stadtrat von Ingolstadt eine hervorragende Arbeit leistet.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesem Grund nehme ich an, werden wir Ihrem Antrag nicht näher treten können. Doch Scherz beiseite: Über diese „Lex Regensburger“, wie Sie diesen Gesetzentwurf selbst bezeichnet haben, werden wir im Verfassungsausschuss reden. Ich bin neugierig, welche Argumente dort noch fallen werden. Wir werden erleben, was Ihnen wirklich wichtig ist.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Frau Christine Stahl.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Herr König, wenn Sie versuchen, diesen Gesetzentwurf ins Lächerliche zu ziehen, dann verkennen Sie die Bedeutung dieses Antrags. Wir begrüßen den Gesetzentwurf, obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass Mitglieder der Staatsregierung auf ihre Mandate im Stadtrat, im Gemeinderat, im Kreis- und Bezirkstag verzichten, und zwar, sobald sie unmittelbar mit Fragen der Rechtsaufsicht befasst sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich denke, es wurden ganz gute Beispiele gebracht, wo es zu Konfliktsituationen kommen könnte. Ich bitte darum, sich diese Sache noch einmal personenunabhängig zu überlegen. Es geht hier nicht um Personen, sondern um ein Verfassungsprinzip. Bitte, führen Sie sich das noch einmal vor Augen. Auf die Diskussion über die Graffiti-Schmierereien möchte ich hier gar nicht eingehen. Das hat doch mit dem Thema nichts zu tun. Mir zeigt es nur, wie wenig wichtig Sie mittlerweile die Gewaltentrennung nehmen. Wir erleben das immer wieder bei allen möglichen Gesetzesvorgaben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Bisher gab es nur eine Regelung für Beamte und Angestellte. Man musste feststellen, dass man dieser Staatsregierung anscheinend deutlich sagen muss, was zulässig ist und was nicht.

Bei uns wäre das nicht notwendig gewesen, denn für uns ergibt sich bereits aus der Verfassung, aus dem eben genannten Gewaltenteilungsprinzip, eine strikte Trennung der Ebenen. Deshalb bräuchte man diesen Gesetzentwurf eigentlich gar nicht, denn wir würden auf solche problematischen Mandate verzichten.

Bitte stellen Sie sich doch einmal vor, Sie würden eine Satzung erlassen und derjenige, der eigentlich die Kontrolle der Satzung vornehmen soll, hat sie selbst erlassen. Wie gesagt, überlegen Sie sich diesen Sachverhalt

unabhängig von Personen. Auch in Ihren Köpfen muss es doch irgend einen Punkt geben, wo Sie sich sagen: Das ist eigentlich unzulässig und nicht im Sinne des Gesetzgebers.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden diesen Gesetzentwurf unterstützen. Vielleicht haben Sie im Ausschuss bessere Argumente parat, als das zu den Graffiti-Schmierereien, denn die betreffen ein völlig anderes Schlachtfeld.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Tagesordnungspunkt 5

Antrag der Staatsregierung

Vierter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Vierter Rundfunkänderungs- staatsvertrag) (Drucksache 14/1832)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Redezeit pro Fraktion: 10 Minuten. Als erster Redner hat sich Herr Kollege Dr. Dürr gemeldet. Er ist nicht da. Dann rufe ich Herrn Kollegen Hufe auf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist von den 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer verhandelt worden. Dieser ’Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist notwendig.

Wir haben bereits zu Beginn unsere Zustimmung signalisiert, weil wir glauben, dass Medienpolitik ein Kernstück der Landeskompetenz ist, und darin müssen wir Handlungsfähigkeit beweisen. Es geht dabei um die technischen Verfahren, um Schnittstellen und Decoder und insbesondere um die Verbesserung des Jugendschutzes.

Gerade beim Jugendschutz bringt der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag große Verbesserungen. In Zukunft werden Sender, die gegen die Bestimmungen des Jugendschutzes verstoßen, finanziell härter bestraft werden können, und beim Pay-TV wird eine doppelte Verschlüsselung eingeführt. Es wird die Möglichkeit eröffnet, Sendungen, die nicht für Jugendliche geeignet sind, auf den späten Abend zu verlegen. Es wird zum ersten Mal festgeschrieben, dass indizierte Sendungen grundsätzlich nicht mehr im öffentlich-rechtlichen oder

privaten Rundfunk gezeigt werden dürfen. Diese Sendungen bedürfen in Zukunft einer Genehmigung. Sportliche Großveranstaltungen müssen im Free-TV übertragen werden. Durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag erhalten die Medien eine sichere Gesetzesgrundlage.

Wenn wir von der Landeskompetenz in der Medienpolitik sprechen, dann muss auch erwähnt werden, dass die Staatsregierung vielfach willkürlich Streit vom Zaun gebrochen hat. Ich denke dabei an die Diskussionen über die Gebühren der ARD und die Werbung. Dieser Streit schränkt die Handlungsfähigkeit der Länder in der Medienpolitik ein. Die Forderung von Ministerpräsident Dr. Stoiber und Staatsminister Huber, Werbung in den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht mehr zuzulassen, ist Unsinn. Mit der Werbung kommen immerhin etwa 600 Millionen DM in die Kassen. Wenn diese Werbeeinnahmen wegfielen, müsste der Bürger drei Mark Gebühren mehr pro Monat bezahlen. Als Vergleich: Im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten stehen 15 Pfennige pro Monat zur Diskussion.

Kürzlich hat Herr Kollege König geäußert, die öffentlichrechtlichen Sender seien die Dinosaurier des Fernsehsystems. Er sollte sich einmal mit Alois Glück, der Mitglied des Rundfunkrats ist, auseinander setzen. Offenbar ist eine einheitliche Meinung innerhalb der CSU von der ersten bis zur letzten Reihe noch nicht durchgedrungen. Solche absurden Äußerungen werfen ein bezeichnendes Bild auf die CSU. Was Sie, Herr König, in Ihrer Heimatzeitung verbreiten, spricht der Seriosität Hohn, die ansonsten in den öffentlichen Gremien gepflegt wird.

(Zuruf des Abgeordneten König (CSU))

Sie sollten in sich gehen, Herr König, und sich mit den Rundfunkräten unterhalten. Diese Äußerungen tragen nicht zum Ruhm der CSU in diesem Hause bei.

Wir müssen darauf achten, dass das öffentlich-rechtliche System nicht von der Regierungsfraktion als Faustpfand dafür benützt wird, andere Vorstellungen durchzusetzen. Dafür ist mir das öffentlich-rechtliche System zu wichtig, weil ich mit dessen Programm immer noch relativ zufrieden bin, wenn man von Ausnahmen im Vorabendprogramm absieht, was auch einmal deutlich gesagt werden muss.

Lassen Sie uns die Handlungsfähigkeit der Länder in der Medienpolitik bewahren, und lassen wir es nicht zu, dass die Medienpolitik zum Spielball von anderen Interessen wird; sonst verlieren wir die Kompetenz für die Medienpolitik. Die Bundes- und Europapolitiker jeglicher Couleur warten nur darauf, uns nachzuweisen, dass wir in der Medienpolitik nicht handlungsfähig sind. Dem müssen wir entgegenwirken, und deshalb müssen Drohgebärden in jeglicher Hinsicht unterlassen werden.

Wir werden dem Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen. Wir glauben, dass insbesondere im Jugendschutz noch Verbesserungen möglich sind. Man kann zum Beispiel darüber nachdenken, ob die Freischaltung über einzelne Listen erfolgen kann, wie es auch beim Online-Banking der Fall ist. Eine Freischal

tung zu erreichen, ist für Kinder relativ leicht, wenn man nur einmal eine Nummer eingeben muss. Werden aber Listen immer wieder neu zugeschickt, dann könnte der Schutz noch verbessert werden. Dies sollten wir im Zusammenhang mit dem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Als nächster Redner hat Herr Kollege von Redwitz das Wort.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Das war eine staatstragende Rede, die wir soeben gehört haben. Herr Hufe, viele Dissonanzen gibt es nicht zwischen uns. Ihre Rede weist aber schon auf morgen hin. Ich hoffe, dass die Opposition sich morgen ebenso deutlich für den Föderalismus ausspricht wie heute.

(Maget (SPD): Mindestens!)

Der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist schon bei der Ersten Lesung ausführlich diskutiert worden. Deshalb bedurfte es keiner weiteren detaillierten Darlegungen. Dieser Vertrag ist sicher kein „läppischer“ Vertrag, wie ihn Herr Thoma, der Berater von Herrn Clement, genannt hat. Dazu hat der Vertrag zu viel Substanz.

Ich möchte noch ergänzen, dass die Werbemöglichkeiten der privaten Medienunternehmen rechtlich abgesichert worden sind, indem das Bruttoprinzip bei der Berechung der Werbezeiten angewendet wird. Damit ist eine erhebliche finanzielle Sicherheit für die Finanzierung der privaten Medien geschaffen worden.

Es gibt sicher noch offene Fragen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat im Herbst getitelt, der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag lasse viele Fragen offen. Sie hat aber nicht sehr viele Beispiele dafür nennen können.

Bei einer solch raschen Entwicklung gibt es Unsicherheiten im rechtlichen System, die unvermeidlich sind. Man muss beispielsweise abwarten, ob die Bandwerbung oder die Werbung auf einem geteilten Bildschirm, die jetzt erlaubt ist, bei Spielfilmen der künstlerischen Freiheit dessen, der den Film hergestellt hat, widerspricht. Es entstehen neue Fragen, in denen man von Fall zu Fall Einigkeit erzielen muss.