Protokoll der Sitzung vom 22.03.2000

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her

ren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich möchte ich Herrn Kollegen Walter Hofmann ausdrücklich zustimmen. Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich in den verschiedenen Wortbeiträgen persönlich mehrfach angesprochen worden bin.

Es wird an diesem Beispiel deutlich, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, dass bei allem Ausstiegswillen aus der Kernkraft in Deutschland Ihrerseits sich andere Länder, zum Beispiel souveräne Staaten wie die Tschechische Republik, um Ihre rotgrüne Position in keiner Weise kümmern und sich erst recht nicht daran orientieren. Sie, Frau Biedefeld, müssen anerkennen, dass es sich bei der Tschechischen Republik um einen souveränen Staat handelt, der seine Entscheidung souverän getroffen hat, die beiden Blöcke in Temelin zu bauen und in Betrieb zu nehmen, und der sich nicht auf eine rot-grüne deutsche Ausstiegsideologie festlegen lässt.

Frau Kellner und Frau Biedefeld, Sie haben immer wieder die Teil-UVP angesprochen. Es handelt sich dabei nicht um eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die gesamte Anlage, sondern nur um eine UVP für einige am Gebäude zur Behandlung der radioaktiven Abfälle bereits genehmigte Änderungen. Für diese Teil-UVP ist bis heute dem Freistaat Bayern offiziell eine Information nicht zugegangen. Wir haben dies erst am 13. März – auch nur informell – vom BMU erfahren, so dass Ihre Zielsetzung, dass die Frist von Seiten der Tschechischen Republik verlängert wird, damit für die Teil-UVP entsprechende Zeiträume für Stellungnahmen zur Verfügung stehen, gegenüber dem Bundesumweltminister artikuliert werden sollte. Es handelt sich aber um eine souveräne Entscheidung der Tschechischen Republik.

Die Bayerische Staatsregierung hat schon seit langem darauf gedrängt, dass eine vertiefte Sicherheitsuntersuchung durchgeführt wird. Es ist nicht zuletzt nur dem Drängen der Staatsregierung zu verdanken, dass zwischen der Bundesrepublik und der Tschechischen Republik im März vergangenen Jahres eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen werden konnte, die eine solche eigenständige vertiefte sicherheitstechnische Untersuchung überhaupt ermöglicht.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Biedefeld?

Ich möchte zunächst den Kontext darlegen, weil Herr Kollege Hofmann darauf Bezug genommen hat.

Die Teil-UVP, die Sie immer strapazieren, hat mit dem Thema der eigenständigen vertieften sicherheitstechnischen Untersuchung überhaupt nichts zu tun. Das sind zwei Paar Schuhe. Das hat Herr Kollege Walter Hofmann deutlich gemacht. Die sicherheitstechnische Untersuchung wird sogar von Bayern mitfinanziert. Sie wird von der GRS durchgeführt, und der Freistaat Bayern hat dafür 150000 DM zur Verfügung gestellt. Wir erwarten die Ergebnisse dieser Untersuchung im Sommer. Der entscheidende Punkt ist, dass wir ein dem

westlichen Sicherheitsstandard angepasstes Sicherheitsniveau bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, an dieser Stelle wird noch einmal eines mehr als deutlich: Sie wollen die deutschen Kernkraftwerke, die unbestritten eines der höchsten Sicherheitsniveaus in der Welt haben, abschalten. An diesem Beispiel sehen Sie, wie schwer Sie sich tun, dass in unmittelbarer Nachbarschaft neu errichtete oder ältere Anlagen so nachgerüstet werden, dass sie auch nur annähernd unser Sicherheitsniveau erreichen. Darin besteht die Widersprüchlichkeit Ihrer Argumentation.

Letzten Endes sind wir auf den guten Willen des souveränen Staates der Tschechischen Republik angewiesen. Die Tschechische Republik hat sich nach langem Drängen dazu bereit erklärt, ein informelles Bürgerbeteiligungsverfahren in der Nachbarschaft, also von Hof bis Passau, zu akzeptieren. Wir gehen nach dem heutigen Kenntnisstand davon aus, dass die Unterlagen am 10. April ausgelegt werden können.

Die Tschechen haben uns zugesichert, dass die daraufhin eingehenden Einwände im Verfahren zur Beurteilung der Inbetriebnahme eingehend geprüft werden und sich damit einverstanden erklärt, dass die Stellungnahmen der tschechischen Stellen an den Kreisverwaltungsbehörden im Grenzraum ausgelegt werden.

Herr Minister, darf ich Sie an die Zwischenfrage von Frau Kollegin Biedefeld erinnern?

Jetzt können Sie gerne fragen.

Bitteschön, Frau Kollegin Biedefeld.

Herr Staatsminister, nutzen Sie die Möglichkeit, bis 31. März 2000 von Seiten der Staatsregierung Einwendungen zu erheben, und wenn ja, welche Einwendungen wollen Sie konkret erheben? Des Weiteren beklagen Sie, dass Sie die Unterlagen zur TeilUmweltverträglichkeitsprüfung nicht erhalten haben. Glauben Sie nicht, dass die bayerischen Behörden hier eine Holschuld haben und den Unterlagen nachgehen müssen? Ich bin heute Morgen im Internet gesurft. Die Österreicher haben diese Unterlagen im Internet eingestellt. Deshalb kann auch der Bundesregierung nicht der Vorwurf der Informationsblockade gemacht werden.

Frau Kollegin Biedefeld, ich habe zum wiederholten Male betont, dass es sich bei der tschechischen Republik um einen souveränen Staat handelt. Die auswärtigen Beziehungen sind nach unserer Verfassung Aufgabe des Bundes. Insofern mögen Sie ihre Wünsche und Bitten an den Bund richten. Bayern hat in den letzten Monaten den Bund nachhaltig unterstützt und auch nachhaltig darauf gedrängt, dass eine vertiefte sicher

heitstechnische Untersuchung durchgeführt wird und dass unsere Bürgerschaft darüber informiert wird.

Die auswärtigen Beziehungen sind aber nicht zwischen Bayern und Tschechien zu pflegen, sondern dafür ist der Bund zuständig. Deshalb fordere ich auch den Bundesumweltminister auf, bei den tschechischen Stellen daraufhin zu wirken, dass die Frist verlängert wird, wenn zu dieser Teil-Umweltverträglichkeitsprüfung nur mehr in den wenigen verbleibenden Tagen bis Ende März Stellung genommen werden kann. Es ist aber nicht Aufgabe des Freistaates Bayern, direkt mit der Tschechischen Republik zu verhandeln. Das ist leider nicht unsere Aufgabe, sondern Aufgabe des Bundes.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe jetzt noch eine Wortmeldung von Frau Kollegin Kellner. Es wird nicht mehr lange dauern.

Wie gut Sie mich doch kennen. Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Schnappauf, Ihre Stellungnahme kann ganz und gar nicht befriedigen. Bei allem Respekt vor der Souveränität Tschechiens, den gerade die Grünen hinlänglich bewiesen haben, gibt es doch die Möglichkeit einer gut nachbarlichen Zusammenarbeit. Einerseits ist der Freistaat Bayern so stolz auf seine Unabhängigkeit, ich denke nur an die Reden, die der Herr Ministerpräsident hier schon losgelassen hat. Auf der anderen Seite sagen Sie hier, dass sie auf den Bund warten. Das kann ich nicht ernst nehmen.

(Ach (CSU): Grundgesetz, Frau Kollegin!)

Ich erwarte vom Freistaat Bayern – von uns genauso wie von Ihnen –, dass er sich um Belange, die uns direkt berühren, selbst kümmert. Es trifft nicht zu, dass die Bundesregierung in Prag nicht vorstellig geworden ist. Der Bundesumweltminister und der Bundesaußenminister waren zu Gesprächen beim Präsidenten und beim Umweltminister in Prag. Ich habe extra nachgefragt, was dort besprochen wurde. Das tschechische Kabinett hat keinesfalls einstimmig für Temelin gestimmt. Sie wissen, die Entscheidung aus dem Jahr 1999 war sehr knapp, es ging lange hin und her.

Selbstverständlich habe ich auch die Bundesregierung und den Bundesumweltminister aufgefordert, in Prag vorstellig zu werden. Ich habe ihn genauso wie Sie, Herr Staatsminister, aufgefordert, sich offiziell an der Umweltverträglichkeitsprüfung zu beteiligen.

Herr Hofmann, ich kann Sie überhaupt nicht verstehen. Sie sagen, dass an dem Antrag nichts auszusetzen sei. Das einzige, was Sie ablehnen, ist der Punkt 1, weil Sie nicht wollen, dass offiziell Einwendungen erhoben werden. Alles andere entspricht doch unseren Handlungsmöglichkeiten. Deswegen verstehe ich es nicht, dass Sie den ganzen Antrag ablehnen.

(Hofmann (CSU): Weil Sie damit den Eindruck erwecken, als hätten wir in der Vergangenheit nichts getan!)

Das stimmt doch gar nicht. Sie sind doch sonst auch so souverän, Herr Kollege Hofmann. Sie werden doch nicht in Angst und Schrecken vor unserem Antrag erstarren. Sie kennen doch Ihre eigenen Anträge und Beschlüsse. Sie können diesem Antrag zustimmen und damit sagen, dass Sie in der Folge ihrer eigenen Beschlüsse noch einmal alles versucht haben, um das Bestmögliche zu erreichen.

Herr Staatsminister, zur Auslegungsfrist. In der Tat liegen die Unterlagen in Österreich offensichtlich schon länger aus als bei uns. Ich konnte bis jetzt nicht klären, wie es bei uns gelaufen ist. Ich erhalte aber vom Bundesumweltminister noch eine Antwort. Ich bin gerne bereit, den Bundesumweltminister zu bitten, dass er Tschechien um eine Verlängerung der Auslegungsfrist bittet. Ich erwarte von Ihnen aber, dass Sie im Rahmen der uns jetzt gegebenen Möglichkeiten offiziell Einspruch erheben.

Sie haben auf Ihr Schreiben vom 31. Januar an den Landtag verwiesen. Dieses Schreiben und das, was Sie bisher erreichen konnten, befriedigt uns natürlich nicht. Dieses magere Ergebnis kann natürlich auch Sie nicht befriedigen. Die CSU wäre gut beraten, wenn sie unserem Antrag zustimmen würde. Ich weiß nicht, warum Sie hier immer wieder Widerspruch erheben. Herr Kollege Hofmann, sind Sie doch nicht so widerspenstig, wenn ein Antrag von den Grünen kommt. Sie sagen zwar, an dem Antrag sei alles richtig, trotzdem lehnen Sie ihn ab. Seien Sie kein Rumpelstilzchen und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall beim Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zu Abstimmung. Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat namentliche Abstimmung beantragt. Dafür stehen jetzt fünf Minuten Zeit zur Verfügung. Die Urne für die Ja-Stimmen steht auf der Oppositionsseite, die Urne für die Nein-Stimmen auf der Regierungsseite und die Urne für Enthaltungen auf dem Stenographentisch. Die Abstimmung kann jetzt beginnen.

(Namentliche Abstimmung von 15.37 – 15.42 Uhr)

Die Abstimmung ist abgeschlossen. Das Ergebnis wird außerhalb des Sitzungssaales ermittelt und später bekannt gegeben.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kobler, Dr. Kempfler, Ach und anderer und Fraktion (CSU)

Keine Sozialversicherungspflicht für Ehrenämter (Drucksache 14/3197)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Renate Schmidt, Radermacher, Wahnschaffe, Straßer, Marianne Schieder und Fraktion (SPD)

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Feuerwehrführungskräfte (Drucksache 14/3198)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Kobler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen hat es sehr differenzierte Meldungen in den Medien über die leidvolle Geschichte der so genannten 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse im Zusammenhang mit Ehrenämtern gegeben. Bevor ich den CSU-Dringlichkeitsantrag begründe, einige Takte vorab als Bekenntnis zum Ehrenamt. Der Sozialstaat kann mit seinen Leistungsangeboten nie alle Bedürfnisse befriedigen. Er ist in vielfacher Hinsicht an Grenzen gestoßen. Nach wie vor ist das Verständnis in der Öffentlichkeit dafür groß, dass nicht alle Aufwendungen vom Staat, d. h. in Vollkasko-Mentalität über die gesetzlichen Kassen, geleistet werden können.

Das Ehrenamt ist eine wichtige Säule zur Erfüllung lebenswichtiger Aufgaben. Eigeninitiative und ehrenamtliches Engagement brauchen aber zum weiteren Gedeihen das richtige Klima. Dieses „Raumklima“ wurde durch die 630-DM-Gesetzesregelung in gewisser Weise vergiftet. Bekanntlich ist jede ehrenamtliche Tätigkeit mit Kosten verbunden: Fahrtkosten, Telefonkosten, Portokosten, von der investierten Arbeitskraft und den vielen Entbehrungen bis hin zum Einsatz von Leib und Leben bei den Feuerwehren ganz zu schweigen. Geradezu makaber ist es aber, wenn man auch noch zahlen muss, um ehrenamtlich arbeiten zu dürfen.

(Beifall bei der CSU)

So wird das Ehrenamt mit Füßen getreten. Denn das am 1. April 1999 von der rot-grünen Bundesregierung beschlossene 630-DM-Gesetz führt dazu, dass Menschen, die bereit sind, Zeit und Geld zu opfern, mit Abgaben belegt und letztlich für ihre Arbeit bestraft werden.

(Herbert Müller (SPD): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Sogar kleinere Entschädigungen bis hin zur Entschädigung bei Feuerwehren für Sicherheits- und Brandwachen werden mit 22% Sozialversicherungsbeitrag belegt. Diese unerträgliche Praxis, der eine verkorkste Rechtsauffassung zugrund liegt, kann den ehrenamtlich Tätigen und Feuerwehrleuten nicht mehr vermittelt werden. Das 630-DM-Gesetz war eine krasse Fehlentscheidung, auch wenn bei der damaligen Entscheidung nicht alle negativen Begleiterscheinungen präsent gewesen sein mögen. Trotzdem bleibt es eine Fehlentscheidung, die zu weiteren Fehlentwicklungen führte, wenn es zu

keinen Korrekturen käme. Der Aufstand der Betroffenen ist voll im Gange und spürbar. Ihr Versuch, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die Verantwortung dafür in die bayerische Sphäre zu ziehen, wird scheitern.

Ihr Dringlichkeitsantrag ist zudem ziemlich soft. Die Zeitungsbeiträge der vergangenen Tage, in denen Sie zitiert werden, schlagen dem Fass aber den Boden aus; denn sie entbehren jeglicher Logik. Deshalb nimmt die CSUFraktion die gestrige Ministerratsentscheidung dankbar zur Kenntnis, wonach versucht werden soll, im Bundesrat entsprechend Einfluss zu nehmen. Mit unserem Dringlichkeitsantrag fordern wir die Staatsregierung sozusagen als Rückenstärkung nochmals dazu auf, im Verein mit anderen Bundesländern darauf hinzuwirken, dass die unsägliche Regelung der Sozialversicherungspflicht aufgehoben und das Ehrenamt nicht zusätzlich und übermäßig belastet wird.

Die Entfaltung des Ehrenamtes darf nicht behindert werden. Wir dürfen das Ehrenamt nicht belasten und es dadurch so unattraktiv machen, dass wir die ehrenamtlich Tätigen mehr oder weniger bestrafen. Außerdem dürfen wir nicht weitere Bürokratie erzeugen. Wir wissen, dass auch in der Verwaltung, in Vereinen und Verbänden viele ehrenamtlich Tätige beschäftigt sind. Derjenige, der schließlich die Abrechnungen machen muss, ist arm dran. Teilweise steht er sogar mit einem Fuß im Gefängnis, weil er die Schwierigkeiten der einzelnen Vorschriften nicht mehr überblicken kann.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Opposition hat in ihrem Antrag bestimmte Ideen entwickelt und die Staatsregierung aufgefordert, ein neues Feuerwehrgesetz zu fordern. Ich betone die Worte „ein neues Feuerwehrgesetz“. Damit nähren Sie nach unserer Auffassung bestimmte Illusionen; denn ich halte es nicht für angebracht, das bewährte Bayerische Feuerwehrgesetz zu ändern. Primär wäre es erforderlich, die nicht nachvollziehbare Berliner 630-DM-Regelung abzuändern, da sie negative Auswirkungen für die ehrenamtlich Tätigen gebracht hat.