Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Kempfler, nicht die engagierten Redebeiträge der SPD-Fraktion – vor allem der Beitrag des Herrn Kollegen Straßer – haben dem Anliegen der Feuerwehr geschadet, sondern Ihre landesweite Kampagne gegen die Berliner Regierung. Sie haben die Feuerwehr als Büttel für Ihre Kampagne missbraucht.
Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil in meinem Landkreis in den Zeitungen und auf Feuerwehrtagungen eine Kampagne durchgeführt wurde. In der Presse war zu lesen: „Schelte für Gesetzgeber und Rücktrittsdrohungen“. Und weiter: „Kreis Miltenberg. Schelte für die Gesetzgeber in Berlin gab es auf der Frühjahrstagung der Feuerwehr. Landrat Roland Schwing kritisierte, dass seit dem 1. Januar die Aufwändungen... der Sozialversicherungspflicht unterliegen...“, Sie fahren hier eine Kampagne. Ich habe daraufhin in den Nachbarlandkrei
sen angerufen, in den Landratsämtern von Hessen und Baden-Württemberg. Die dortigen Verantwortlichen in den Landratsämtern fielen aus allen Wolken. Sie versicherten, bei Ihnen sei das überhaupt kein Problem. Ich wurde gebeten, den Presseartikel zu faxen. Mir wurde erklärt, in Baden-Württemberg sei vor fünf Jahren eine Steuerprüfung an den Landratsämtern durchgeführt worden.
Dort wurde geregelt, die Feuerwehrkommandanten und deren Stellvertreter sowie die Gerätewarte fallen unter die Übungsleiterpauschale, weil sie eine Lehrtätigkeit ausüben, wenn sie Feuerwehrleute anleiten. Jetzt ist offiziell geregelt, dass diese Tätigkeiten unter die Steuerfreiheit fallen. Das bedeutet, den meisten Kommandanten im ländlichen Bereich bleiben pro Jahr 2400 DM steuerfrei. Momentan sind es 3600 DM. Nach 16 Jahren wurde diese Grenze endlich um 50% angehoben. Für die meisten Kommandanten im Landkreis Miltenberg bedeutet das, sie müssen weder einen Pfennig Steuer noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Das ist die Situation, die Sie nicht wahrhaben wollten.
Herr Kollege Dr. Kempfler, Sie haben behauptet, die Einzugsstelle entscheide, ob die Gelder sozialversicherungspflichtig seien oder nicht. Das ist richtig. Die Einzugsstelle entscheidet jedoch aufgrund der Sachlage. Diese Sachlage haben Sie zum Teil selbst herbeigeführt. Mir liegt eine Umfrage aus einem bayerischen Landkreis vor, wo die Gemeinden gefragt wurden, wie sie die Aufwandsentschädigung für die Feuerwehrkommandanten abhandelten. In diesem Landkreis gibt es vier verschiedene Abrechnungssysteme. Ich gehe davon aus, dass dies in anderen Landkreisen auch der Fall ist. Nach dem ersten Abrechnungssystem wird das 630-DM-Gesetz zulasten der Gemeinde angewandt. Das bedeutet, die Gemeinde bezahlt die Pauschalsteuer. Nach dem zweiten System muss der jeweilige Kommandant die Pauschalsteuer bezahlen. Nach der dritten Variante muss der Kommandant eine Steuerkarte abliefern. Dabei wird die Steuerklasse VI zugrunde gelegt. Das heißt, der Kommandant muss bereits von der ersten Mark an Steuern zahlen. Nach der vierten Variante wird von dem Kommandanten eine Bestätigung verlangt, dass er die Zahlungen beim Finanzamt angibt. Danach wird ihm der volle Betrag ausbezahlt.
In einem einzigen Landkreis gibt es also vier verschiedene Zahlungsvarianten. Schaffen Sie endlich Ordnung. Wenn ich auf Steuerkarte arbeite oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis eingehe, handelt es sich bei mir um einen abhängig Beschäftigten. Sie haben diese Situation mit Ihrer Regelung herbeigeführt. Natürlich kann die AOK nicht von einem Ehrenamt ausgehen, wenn sie eine Meldung erhält, dass eine Person abhängig beschäftigt ist. Das hat Herr Kollege Schieder vorhin gesagt.
Ich bitte Sie, diese Regelung zu ändern und die badenwürttembergische oder die hessische Regelung einzuführen. Dann wären die meisten Feuerwehrkommandanten von sämtlichen Abgaben befreit. Das wäre eine vernünftige und pragmatische Lösung. Sie könnten das bereits morgen durch eine Anordnung des Finanzministers und des Innenministers regeln.
Wir müssen erreichen, dass das Ehrenamt nicht mit diesen Abgaben belastet wird. Dies können Sie landesrechtlich regeln, wie das bereits Baden-Württemberg und Hessen getan haben. Sie wollen jedoch eine politische Kampagne gegen das 630-DM-Gesetz und gegen die rot-grüne Koalition in Berlin fahren.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Kaiser, es geht nicht um das Wollen, sondern es geht darum, dass wir auf Bundesebene eine einheitliche Regelung für alle ehrenamtlich Tätigen benötigen. Die ehrenamtlich Tätigen müssen von der Sozialversicherungspflicht freigestellt werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich bitte Sie, wenigstens einen Punkt zur Kenntnis zu nehmen: Diese ganze Problematik wurde durch die Neuregelung des 630-DM-Gesetzes ausgelöst.
Lassen Sie mich bitte den Satz beenden. Ausgelöst wurde die ganze Problematik durch die Neuregelung des 630-DM-Gesetzes und die daraus folgenden Prüfungen durch die Rentenversicherungsträger. Wir sind jetzt leider in der misslichen Lage, dass die Rentenversicherungsträger beziehungsweise die BfA in Bayern als erstes die Gemeinden überprüft haben und dabei zu der Rechtsauffassung gekommen sind, dass es sich hier um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Weil dies strittig war und die AOK Bayern uns Recht gegeben hat, hat sie das bei der AOK auf Bundesebene vorgebracht. Sie hat die AOK auf Bundesebene gebeten, sich ihrer Rechtsmeinung anzuschließen. Die AOK auf Bundesebene hat sich aber der Rechtsmeinung der AOK Bayern nicht angeschlossen, sondern hat der Auffassung der anderen Sozialversicherungsträger den Vorzug gegeben. Danach handelt es sich bei der Tätigkeit von ehrenamtlichen Feuerwehrführungskräften um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das sozialversicherungspflichtig ist.
Sie erklären, in anderen Ländern wäre das anders. Ich sage, das Problem kann in anderen Ländern erst auftreten, wenn Gemeinden geprüft werden. Vorher wird das selbstverständlich nicht zum Problem gemacht. Ich darf Ihnen folgende neueste Meldung aus Baden-Württem
berg überbringen. Herr Kollege Straßer hat gemeint, wir könnten nicht telefonieren. Unsere Telefone haben aber in den letzten Wochen heiß geglüht. Nach einer telefonischen Auskunft des Sozialministeriums Baden-Württemberg und der LVA Baden-Württemberg – also nicht nur des Sozialministeriums – gilt dort Folgendes: Wenn eine Kommune geprüft wird, die eine Freiwillige Feuerwehr unterhält, wird das Recht so angewandt, wie es durch den einstimmigen Beschluss der Spitzenverbände festgelegt wurde. Damit ist die Tätigkeit in Zukunft sozialversicherungspflichtig. Weiter heißt es:
Von der LVA Rheinprovinz war zu erfahren, dass in der letzten Zeit eine Betriebsprüfung vorgenommen und festgestellt wurde, dass für Entschädigungen, die für die Teilnahme an Brandwachen gezahlt wurden, Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Die AOK Niedersachsen hat mitgeteilt,
dass dort ebenfalls das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände Anwendung finde. Die Rentenversicherungsträger hätten bereits bei einigen Betriebsprüfungen eine Sozialversicherungspflicht der Feuerwehrleute festgestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann verstehen, dass Sie emotional reagieren. Wir waren alle betroffen. Aber vielleicht können wir uns jetzt zumindest darauf einigen, dass dieses Problem kein Problem Bayerns ist, sondern dass es in anderen Bundesländern ebenfalls schon real ist bzw. in den nächsten Wochen, wenn dort in den Gemeinden Prüfungen stattfinden, genauso aktuell wird wie in Bayern. In vielen Bundesländern kann es allerdings gar nicht so aktuell werden wie bei uns, weil es in anderen Bundesländern nicht 350000 Feuerwehrleute im Ehrenamt gibt. Sie müssen anerkennen, dass wir hier zum Teil andere Strukturen haben.
Mittlerweile vertraue ich in der Angelegenheit nicht mehr auf die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion, sondern ich werde mich mit ihren Bundestagsabgeordneten verbünden. Was sagt zum Beispiel Ihre Bundestagsabgeordnete Jella Teuchner? Sie sagt:
Die Sozialversicherungspflicht ehrenamtlich tätiger Feuerwehrleute steht für mich im Spannungsfeld zwischen Förderung des Ehrenamtes und Gleichbehandlung aller Einkommen in der Sozialversicherung. Ich finde daher eine Überprüfung von den Freistellungsmöglichkeiten sinnvoll. Auf eine Position
Sie ist zumindest sensibilisiert. Das habe ich bei Ihnen nicht bemerkt. Ein weiterer Bundestagsabgeordneter, Ewald Schurer, sagt:
Vielleicht sprechen Sie heute noch einmal mit den Bundestagsabgeordneten, die alarmiert sind. Auf diese vertrauen nämlich Herr Kollege Dr. Beckstein und ich mittlerweile.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Feuerwehr ist zwar der Anlass, aber wir müssen an alle ehrenamtlich Tätigen denken. Das beinhaltet auch der Dringlichkeitsantrag der CSU.
Frau Kollegin Radermacher, Sie sind in diesen Dingen sehr bewandert und wissen genau, wenn Menschen heute ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis haben und für eine Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung bekommen, wird das addiert. Es entsteht eine Sozialversicherungspflicht. Wenn Sie Ihre 630-DM-Regelung nicht aufgeben wollen, wofür ich Verständnis habe, gehen wir bitte gemeinsam daran, die Ehrenamtlichkeit in unserer Gesellschaft besonders zu werten und sie aus dem Gesetz herauszunehmen. Zu einer solchen Korrektur müssen Sie doch bereit sein. Das hat doch nichts damit zu tun, dass Sie uns vorwerfen, wir wendeten uns nur gegen die Bundesregierung in Berlin. Ihre Bundestagsabgeordneten sind hier zum Teil schon weiter.
Ich kann nicht begreifen, warum uns das nicht verbindet. Was hat die Staatsregierung gestern beschlossen, in einem Antrag bzw. in den Bundesrat einzubringen? Nummer eins des Antrags beinhaltet den ersten Schritt, der am schnellsten geht. Im 630-DM-Gesetz soll sofort das Ehrenamt in Deutschland grundsätzlich von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen werden. In Nummer zwei fordert Bayern von der Bundesregierung eine Klarstellung im Sozialgesetzbuch, dass das Ehrenamt insgesamt grundsätzlich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das können Sie nur im Sozialgesetzbuch festlegen. Eine Regelung durch die Bundesländer ist nicht möglich. Sie können einer BfA nicht sagen, dass sie nicht die Rechtsauslegung, dass es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, in Anspruch nehmen kann. Weil dem so ist, müssen wir das gemeinsam im Sozialgesetzbuch festlegen, so dass es zukünftig keine anderen Rechtsauslegungen mehr geben kann.
Zum Dritten hat die Staatsregierung gestern beschlossen, die bisherigen Steuerfreibeträge für ehrenamtliches Engagement von bis zu 300 DM angemessen zu erhöhen.
Ich denke, dass in diesem Hohen Haus Konsens darüber herrschen müsste, dass wir in großem Respekt vor den Menschen, die ein Ehrenamt ausüben, eine gemeinsame Linie verfolgen sollten. Wir würden damit nicht nur dem Ehrenamt, sondern auch der Demokratie einen guten Dienst erweisen.
Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Sie es hier noch hundertmal sagen, ist es einfach nicht wahr, dass das Problem, das wir heute besprechen, erst durch die Novellierung des 630-DM-Gesetzes entstanden sei. Das Problem ist uralt. Es hängt damit zusammen, dass natürlich die Sozialversicherungsträger ein Interesse daran haben, möglichst viele Beiträge zu kassieren und daher überall genau nachprüfen: Handelt es sich um abhängige, weisungsgebundene Beschäftigung oder um ein Ehrenamt?
Sie wissen, dass es seit vielen, vielen Jahren im Streit ist: Worum handelt es sich bei den in der Feuerwehr Tätigen? Nicht umsonst haben im Übrigen viele Landkreise ihre Kreisbrandräte bereits bei der Sozialversicherung angemeldet, weil sie diesen Streit kennen.
Herr Kollege Straßer hat Ihnen aus Ihrer eigenen Kommentierung zum Feuerwehrgesetz etwas vorgelesen. Darin steht, dass dort ein Streit ist.
Tatsache ist aber auch, dass die Überprüfung seitens der Sozialversicherungsträger wichtig ist, weil natürlich sonst alles Mögliche als Ehrenamt bezeichnet würde, um sich die Sozialversicherungspflicht zu sparen. Deswegen müssen wir schon redlich argumentieren und sagen: Die Staatsregierung kennt seit Jahren dieses Problem, hat aber einfach nichts getan.