Protokoll der Sitzung vom 22.03.2000

(Kobler (CSU): Das ist doch schon seit November!)

Hören Sie halt zu! Herr Dr. Kempfler hat zu Recht gesagt: Es geht bei der Beurteilung der Verbände der Rentenversicherungsträger bezüglich der Frage, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung handelt oder nicht, natürlich um die ausgeübte Tätigkeit. Es geht aber auch darum, was im Gesetz dazu steht, wie die Entlohnung im Gesetz bezeichnet wird, ob es dort „Aufwandsentschädigung“ oder „steuerfreie Einkünfte“ heißt. Man muss sehen: Wie ist die jeweilige Aufgabe im Gesetz genau beschrieben?

Die Überprüfungen orientieren sich natürlich auch an der Grundlagenbeschreibung. Die Spitzenverbände argumentieren auf dem Boden der gesetzlichen Grundlagen. In Bayern ist dies das Feuerwehrgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Das Feuerwehrgesetz muss halt so gestaltet werden, dass eine Interpretation der Aufgaben, die von den Führungskräften der Feuerwehren wahrgenommen werden, nicht anders ausfällt, als dass man eine weisungsungebundene, freiwillige, ehrenamtliche Tätigkeit unterstellt

(Beifall bei der SPD)

und die Entlohnung dafür nicht als das Entgelt für einen Job gedeutet werden kann, sondern eindeutig als eine ehrenamtliche Aufwandsentschädigung.

Hier handelt es sich um eine urbayerische Aufgabe. Denn die Grundlage ist ein Bayerisches Feuerwehrgesetz. Deswegen muss dieses Gesetz den Erfordernissen angepasst werden.

Das 630-DM-Gesetz spielt insofern eine Rolle, als viele Feuerwehren – der Herr Minister hat das Beispiel selber genannt –, weil sie sich nicht um die grundlegende Unterscheidung zwischen weisungsgebundener abhängiger Beschäftigung und Ehrenamt gekümmert haben, ihre Führungsleute aufgrund der 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse leider angemeldet haben und damit natürlich eindeutig die abhängige Beschäftigung eingeräumt haben. Voraussetzung dafür, dass man sich des 630-DM-Gesetzes in der alten Fassung bedienen konnte, war, dass ein Beschäftigungsverhältnis vorlag. Da ging es nicht um ein Gesetz für das Ehrenamt oder zur Regelung einer Aufwandsentschädigung, sondern es ging um ein Gesetz für Nebenjobs. Daher kommt auch der Begriff „630-DM-Jobs“.

Jetzt sagen die Sozialversicherungsträger zu Recht: Was jahrelang eine abhängige Beschäftigung war, für die man keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen musste, – unter 630-DM; und die Steuern wurden auf die Kommunen abgewälzt –, ist auch jetzt eine abhängige Beschäftigung. Dadurch ist das Problem entstanden, welches wir heute haben. Deswegen muss in diesem Bereich das Feuerwehrgesetz als rechtliche Grundlage angegangen werden.

Sie sagen: Die Bundesregierung unternehme nichts. Das stimmt nicht. Sie müssten eigentlich wissen, dass die Bundesregierung eine Kommission zur Überprüfung der Rahmenbedingungen für das Ehrenamt eingerichtet hat. Die hat auch schon einiges getan. Zu den Aufgaben der Kommission gehört auch die Prüfung der Auswirkungen der Novellierung des 630-DM-Gesetzes, was das Ehrenamt betrifft.

Wir sind also dabei, auf Bundesebene etwas zu tun. Wir haben auch schon etwas getan. Wir haben zum Beispiel die Übungsleiterpauschale erhöht und den Bezieherkreis ausgeweitet.

Deswegen sage ich noch einmal: Lügen Sie die Leute vor Ort nicht an.

(Lebhafte Zurufe von der CSU – Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich ausreden. Sie lügen dann, wenn Sie sagen: Das Problem ist nur durch das 630-DM-Gesetz entstanden. Das stimmt nicht. Das Problem ist uralt und besteht in der Frage: Was ist abhängige Beschäftigung und was nicht?

Wenn Sie jetzt einen Antrag stellen, der dahin zielt, das ehemalige 630-Mark-Gesetz auszuweiten, dann räumen Sie noch mehr ein, dass es sich hier um abhängige Beschäftigung handelt. Das ist die falsche Stoßrichtung. Die Stoßrichtung muss sein, das Ehrenamt von der Sozialversicherungspflicht wegzubringen. Man sollte nicht danach trachten, den Geltungsbereich der Paragrafen auszudehnen, um da einiges unterzubringen. Denn damit dienen Sie niemandem.

Machen Sie in Bayern Ihre Hausaufgaben. Novellieren Sie das Feuerwehrgesetz in der richtigen Art und Weise. Dann kommen wir ein Stück voran.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen, die Aussprache ist geschlossen. In der Zwischenzeit ist völlige Klarheit eingekehrt.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Zu beiden Anträgen ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir haben also zwei namentliche Abstimmungen vor uns.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag Drucksache 14/3197 in namentlicher Form abstimmen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne steht auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite im Bereich der Eingangstür. Ich sage das so deutlich, damit keine Irrtümer entstehen. Die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenografentisch.

Mit der Abstimmung kann nun begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 18.17 bis 18.22 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Dafür habe ich jetzt das Glück, Ihnen das Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/3196 bekannt zu geben – das war der Antrag, der das Atomkraftwerk Temelin betraf. Mit Ja haben 69 Abgeordnete, mit Nein 83 Abgeordnete gestimmt. 5 Kolleginnen und Kollegen haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Außerhalb der Tagesordnung gebe ich noch bekannt, dass die Anträge mit den Drucksachennummern 14/1629, 14/1669, 14/1818, 14/1913, 14/2059, 14/2072, 14/2075, 14/2316, 14/2521, 14/2525, 14/2658, 14/2776,

14/3024 und 14/3038 ihre Erledigung gefunden haben. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Wir führen jetzt die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 14/3198 durch. Die Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren aufgestellt; die EnthaltungUrne befindet sich wieder auf dem Stenographentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden; dazu stehen fünf Minuten Zeit zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 18.23 bis 18.28 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt, ich gebe es später bekannt. Vor liegt schon das Ergebnis zum Dringlichkeitsantrag 14/3197 der CSU-Fraktion, über den wir vorhin abgestimmt haben: Ja-Stimmen 85, Nein-Stimmen 58, Enthaltungen keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen worden.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Der Tagesordnungspunkt 8 wird im allgemeinen Einverständnis abgesetzt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 12

Verfassungsstreitigkeit

Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 13. März 2000 (Vf. 23-IVa-00)

betreffend Antrag des Herrn Andreas Meisterernst vom 10. März 2000 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die Zulässigkeit unterschiedlicher Eintragungsfristen für die Volksbegehren „Macht braucht Kontrolle: Für ein unabhängiges Verfassungsgericht in Bayern“ und „Macht braucht Kontrolle: Für eine demokratische Richterwahl in Bayern“

Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Herr Kollege Kreuzer

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es handelt sich um ein zumindest rechtlich nicht einfaches Thema. Wir werden uns aber bemühen, es schneller als den vorherigen Tagesordnungspunkt abzuwickeln. Ich nehme darauf Bezug, dass wir uns unter dem Thema „Volksbegehren unabhängige Richterinnen und Richter“ bereits damit beschäftigt haben. Sie wissen, dass damals der Streitpunkt war: Liegt bei der Verknüpfung der beiden Anliegen betreffend den Verfassungsgerichtshof und die Ernennung von Richterinnen und Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot vor? Der Bayerische Landtag hat sich damals am Verfahren nicht beteiligt. Wir waren aber der Auffassung und haben dies auch geäußert, dass ein Verstoß gegen dieses Koppelungs

gebot vorliegt. Im Gegensatz dazu stand die Auffassung der SPD, Herr Dr. Hahnzog, die dies verneint hat.

Inzwischen sind diese Begehren durch den Verfassungsgerichtshof getrennt worden. Das Innenministerium, das dafür zuständig ist, hat zwei getrennte Auslegungsfristen für die Eintragung zum Volksbegehren festgelegt. Die Initiatoren haben dagegen geklagt und eine einstweilige Anordnung beantragt mit dem Ziel, eine gemeinsame Eintragungsfrist für beide Begehren vorzulegen.

Der Verfassungsausschuss hat beschlossen, sich am Verfahren nicht zu beteiligen. Wir haben dies ebenso wie im Ausgangsverfahren getan, da wir der Auffassung sind, dass es sich um eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen den Initiatoren des Volksbegehrens – sie vertreten somit den Volksgesetzgeber – und der Exekutive handelt und die Interessen des Bayerischen Landtags nicht berührt sind, wir also in diesem Verfahren keine Stellungnahme abgeben wollen, weil wir in diese Auseinandersetzung zwischen Volksgesetzgeber und Innenministerium über eine rein juristische Frage nicht eingreifen wollen.

Wir sind aber als Fraktion der Auffassung, dass diesem Antrag auf Erlass dieser einstweiligen Anordnung auf gar keinen Fall Aussicht auf Erfolg eingeräumt werden kann. Es ist mit Sicherheit kein Verstoß gegen das Schikaneverbot und kein Verstoß gegen das Willkürverbot festzustellen. Das Innenministerium hat seine Entscheidung sachlich hauptsächlich damit begründet, dass keine Verwechslungsgefahr bei den ähnlichen Namen dieser beiden Volksbegehren auftreten darf. Wir treten dieser Begründung insoweit bei, als dass wir sie für sachlich vertretbar halten und somit einen Rechtsverstoß von unserer Seite ausschließen, so dass dem Antrag keine Aussicht auf Erfolg eingeräumt wird.

Wir bitten dem Votum des Rechtsausschusses „Der Landtag beteiligt sich nicht am Verfahren“ beizutreten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Hahnzog das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns ist schon der Ansatzpunkt, den die CSU hier vertritt, falsch. Sie sagt, da es hier um Volksgesetzgeber und Exekutive gehe, wolle sich der Landtag nicht einmischen. Natürlich hat der Landtag auch in diesem Fall seine Kontrollbefugnis und seine Kontrollpflicht hinsichtlich des Verhaltens der Exekutive. So wie er dieses Wächteramt wahrzunehmen hat, wenn es um einzelne Bürger geht, genauso muss er es wahrnehmen, wenn es um eine Gemeinschaft von Bürgern geht, die ein Volksbegehren eingeleitet haben. Das, was die CSU als maßgebend für ihr Verhalten ansieht, bringt letzten Endes einen rechtsfreien Raum mit sich.

In der Sache halten wir diese Aneinanderreihung der Eintragungen für einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

Es gibt keinerlei einleuchtenden Grund dafür. Die Verwechslungsgefahr ist in den Bestimmungen geregelt. Es genügt, wenn verschiedenfarbige Listen ausgelegt werden. Dadurch und auch durch die Überschriften sind die beiden Volksbegehren für den Bürger klar erkennbar. Wir halten das Ganze auch für einen Verstoß gegen Grundprinzipien der Verfassung, nämlich gegen die vom Verfassungsgerichtshof jedenfalls als Grundsatz herausgestellte Gleichwertigkeit von Parlamentsgesetzgebung und Volksgesetzgebung.

Bei der heutigen Debatte über den Föderalismus ging es auch um Kommunalfreundlichkeit des Freistaats Bayern. Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat festgestellt, welche Kosten unter anderem dadurch entstehen, dass Beamte bei der Eintragung abgestellt werden müssen und somit andere Arbeiten nicht ausführen können. Diese doppelte Eintragung verursacht Sonderkosten von 172000 DM allein bei der Stadt München. Auch dies ist ein Gesichtspunkt, der verfassungsrechtlichen Charakter hat.