Protokoll der Sitzung vom 14.04.2000

Worin, bitte schön, Herr Minister – vielleicht können Sie mir das heute klarmachen, ich habe es bislang immer noch nicht verstanden – besteht denn die Dringlichkeit? Das Investitionsprogramm 1999/2002 steht, was die Bundesverkehrswegeplanung betrifft, falls Sie das immer noch nicht bemerkt haben. Wenn der Bundesverkehrswegeplan, der sich in der Überarbeitung befindet, fortgeschrieben wird, dann hat Bayern die Verpflichtung, eine Anpassung im LEP vorzunehmen, und nicht umgekehrt hat der Bund seinen Bundesverkehrswegeplan den Vorgaben des bayerischen LEP anzupassen. Hier verdrehen Sie ein Stück die Tatsachen, das kann ich einfach nicht nachvollziehen.

(Zuruf von der CSU: Sind Sie bayerische Abgeord- nete?)

Ein letzter Punkt zu den Bundesverkehrswegeprojekten, die Sie aufgrund der rechtlichen Absicherung im LEP realisiert wissen wollen. Sie haben in dieser Teilfortschreibung insgesamt 20 Projekte aufgeführt, davon eines, aber wirklich nur eines, mit einer genauen Trassenfestsetzung, nämlich die A 94. Ich frage: Welcher Teufel reitet eigentlich den bayerischen Umweltminister, dass er auf die Idee kommt, in einem LEP eine Trassenfestlegung vorzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zwar können Sie nach Artikel 13 des Bayerischen Landesplanungsgesetzes einzelne Planungen aufnehmen, wenn diese für das ganze Staatsgebiet oder größere Teile desselben raumbedeutsam sind – diesen Artikel kenne ich. Das kann natürlich auch für die A 94 bejaht werden. Aber – und das ist doch Ihre gravierende Fehlleistung – hier geht es nicht um die A 94 als solche, sondern allein um die Festlegung einer bestimmten Trassenführung. Sie können ja wohl nicht allen Ernstes behaupten, dass die Festlegung einer von zwei Trassen, die gerade mal zehn Kilometer voneinander entfernt sind, irgendeine überörtliche Raumbedeutsamkeit haben könnte.

Bedeutsam ist vielmehr, dass endlich einmal eine sichere und leistungsfähige Verbindung zwischen München und dem südostbayerischen Chemiedreieck geschaffen wird. Auf eine solche Verbindung warten die Menschen im südostbayerischen Raum, die Pendlerin

nen und Pendler, die Industrie und das Handwerk schon lange. Sie haben sich dagegen in die Isental-Trasse verrannt. Sie klammern sich verzweifelt an einen Plan, den Sie vor – man höre und staune! – 23 Jahren auf den Weg gebracht haben, von dem Sie aber zwischen Forstinning und Ampfing noch keinen einzigen Meter haben verwirklichen können.

Deshalb stecken Sie jetzt in einem Dilemma. Nicht nur wir sagen Ihnen, dass Sie seit Jahrzehnten auf die falsche Trasse setzen. Auch Ihre eigenen Beamten und Experten sagen es Ihnen. Sie schreiben es immer wieder in die unzähligen Gutachten und Planfeststellungsunterlagen hinein, die es in dieser Sache schon gibt. Die CSU und das Ministerium halten dagegen starrsinnig an der falschen Trasse fest. Herr Minister Schnappauf schließt daraus messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Deshalb versucht er nun, sich mit einem Kunstgriff – billiger Trick wäre wohl der bessere Ausdruck – zu helfen; mit einer Trassenfestlegung im Landesentwicklungsprogramm versucht er, aus diesem Abwägungsdilemma herauszukommen. Herr Minister, Sie sind Jurist; deshalb müssten Sie wissen, dass Sie und Ihr Kollege Beckstein vor den Verwaltungsgerichten eine empfindliche Niederlage hinnehmen müssen, wenn die Landwirte und Bürgerinitiativen entlang der IsentalTrasse Klagen einreichen. Deshalb versuchen Sie jetzt diesen verzweifelten Befreiungsschlag. Sie glauben, dass Sie lediglich mit den fünf Worten „Auf der Trassenführung über Dorfen“ dieses Problem aus der Welt schaffen können. Sie meinen, dass Sie dann diesen unangenehmen Abwägungsprozess nicht mehr vornehmen müssten. Das meinen Sie aber nur, Sie werden sich eines Besseren belehren lassen müssen.

Was für ein Demokratieverständnis haben Sie und hat Ihre Partei eigentlich? Seit 1988 laufen für diesen umstrittenen Abschnitt die Planstellungsverfahren. Seither werden Dutzende von Aktenordnern vorgelegt, in denen der so genannte großräumige Trassenvergleich zwischen Dorfen und Haag im Mittelpunkt steht. Sechs Mal haben jeweils Tausende von Betroffenen Einwendungen erhoben. In wochenlangen Erörterungsterminen wurde über diese Einwendungen mit Heerscharen von Behördenvertretern und Gutachtern erörtert. Während alle diese Verfahren noch laufen, während die Beamten die nächsten Erörterungstermine vorbereiten, um weiterhin zu klären, welche der beiden Trassen die geeignetere ist, wollen Sie mit fünf Worten die Ihnen genehmere Trasse festlegen. Glauben Sie und glaubt Ihre Partei wirklich, dass ein derartiges Vorgehen mit Recht und Gesetz vereinbar ist? Ich glaube es nicht. Glauben Sie wirklich, dass die betroffenen Menschen dies hinnehmen werden? Ich glaube es nicht. Die Menschen werden sich dieses Vorgehen nicht gefallen lassen. Sie werden sich gegen diesen geplanten Handstreich wehren. Sie werden Klage einreichen, und damit wird sich die unendliche Geschichte A94/B12 noch weiter in die Länge ziehen. Diese weitere Zeitverzögerung zulasten von Handwerk, Industrie und Menschen im südostbayerischen Raum geht dann auf Ihr Konto, Herr Minister Schnappauf.

Mit dieser Trassenfestlegung im Landesentwicklungsprogramm erweisen Sie auch allen denen einen Bärendienst, die endlich eine Verbesserung der Verkehrsver

hältnisse in diesem Raum erreichen wollen. Anstatt mit plumpen Tricks eine untaugliche Lösung durchzusetzen, sollten Sie dort eine Lösung suchen, wo sie ihre eigenen Fachbehörden und Gutachter auf Ihrer Seite haben. Das ist aber nicht das Isental, sondern der Bereich der Trasse von Haag.

In den Planfeststellungsunterlagen sprechen sieben Punkte für die Geeignetheit der Trasse über Haag, während für die Eignung der Isental-Trasse über Dorfen nur zwei Punkte sprechen. Fachleute und Experten bestätigen dies in mehreren schriftlichen Ausführungen. Immer wieder sprechen sie sich ganz klar für die Trasse über Haag aus. Sie ignorieren diese Aussagen gänzlich. Wir Sozialdemokraten wollen, dass endlich eine sichere und leistungsfähige Verbindung zu Stande kommt. Das ist unser Ziel. Deshalb rufen wir Sie auf, vertun Sie die Chance nicht, eine entsprechende Lösung zu finden und nehmen Sie heute noch eine Änderung bei der Sonderfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms vor.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kaul (CSU): Hätten Sie diese Rede auch bei einer CDU/CSUBundesregierung gehalten?)

Natürlich auch.

In dieser Sonderfortschreibung gibt es aber auch einen erfreulichen Punkt, den ich nicht unter den Tisch fallen lassen möchte. Wir begrüßen die Änderung des Standortsicherungsplans. Endlich ist mit der Streichung der neuen Standorte für Atomkraftwerke aus dem Standortsicherungsplan für Wärmekraftwerke ein erster wichtiger Schritt getan. Allerdings möchte die Staatsregierung diesen Schritt schon wieder herunterspielen und ihn nicht als Signal verstanden wissen. Wir verstehen diese Streichung aber als Signal. Für uns ist diese Streichung ein erster Schritt der Einsicht, ein erster wichtiger Schritt zum Ausstieg aus der Atomenergie. Er ist ein wichtiges Signal, das von der Bayerischen Staatsregierung ausgeht. Dafür sage ich ausdrücklich recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es hat lange gedauert. Seit vielen Jahren fordert die SPD die Streichung der Kernkraftwerke aus dem Standortsicherungsplan. Herr Kollege Hofmann, Sie wissen, wie viele Anträge deswegen gestellt wurden. Unsere Anträge wurden immer wieder von der CSU-Mehrheit abgelehnt. Wir wissen aber aus vielen anderen Bereichen, dass gute Vorschläge der Opposition erst einmal pauschal abgelehnt werden. Anschließend vergehen einige Wochen, Monate oder Jahre, und erst dann werden unsere Anträge als eigene Leistung der Staatsregierung verkauft. Uns geht es aber um die Sache, darum ziehen wir mit und begrüßen außerordentlich diesen Schritt.

Früher oder später werden Sie bei der grundsätzlichen Ausrichtung der Energiepolitik auch zu der Erkenntnis gelangen, dass es der richtige Weg ist auf Energiesparen, Energieeffizienz und auf erneuerbare Energien zu setzen.

Interessant sind aber auch die Ausführungen des Ministeriums zu den Stellungnahmen. Da heißt es unter anderem:

Soweit darüber hinaus in einer Stellungnahme auch der Verzicht auf Erweiterungen bestehender Kernkraftwerke und auf den Bau von Zwischenlagern gefordert wird, kann dem ungeachtet der Beurteilung in der Sache schon aus Rechtsgründen nicht durch eine Festlegung im LEP entsprochen werden (Regelungskompetenz des Bundes).

Hier ist auf einmal die Regelungskompetenz des Bundes maßgeblich.

Auch zum FRM II brauchen wir nicht mehr viel zu sagen. Die Position der SPD ist bekannt. Wir hätten es gerne gehabt, dass Sie den FRM II mit nicht hochangereichertem Uran in das Landesentwicklungsprogramm aufgenommen hätten. Dies war nicht der Fall. Insgesamt war die Änderung des Landesentwicklungsprogramms kein großer Wurf. Die SPD lehnt deshalb diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der SPD)

Ich gebe zwischendurch das Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffende keine Aufweichung der Nachtflugregelung am Flughafen München II auf der Drucksache 14/1980 bekannt. Ja-Stimmen: 45. Nein-Stimmen: 73. Eine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt. Wir fahren in der Aussprache zum Landesentwicklungsprogramm fort. Das Wort hat Frau Kollegin Paulig.

Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Präsident! In der Tat ist die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms nur ein kurzsichtiges politisches Manöver gegenüber Rot-Grün, aber nicht sachbezogen und nicht an den Zielen des Landesentwicklungsprogramms orientiert. Insofern ist diese Fortschreibung völlig abzulehnen, weil in keinem Punkt irgend eine Qualitätsverbesserung erkennbar ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bereits bei der letzten Fortschreibung im Jahr 1993 sind die Entwicklungen nicht aufgenommen worden, die aus der Sicht des Natur- und Umweltschutzes hätten berücksichtigt werden müssen. Gleiches müssen wir bei der jetzigen Teilfortschreibung feststellen.

Ministerpräsident Dr. Stoiber hat am 29.10.1998 in seiner Regierungserklärung vollmundig eine gründliche Gesamtfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms im Jahr 2000 angekündigt. Davon will heute niemand in der CSU mehr etwas wissen, obwohl es sachgerecht und angesichts der Osterweiterung der EU und des Zusammenwachsens der Bundesrepublik Deutschland dringend notwendig wäre, von den neuen Verkehrsproblemen, von Ressourcenschonung und Klimaschutzzielen ganz zu schweigen. Nichts davon nehmen Sie

wahr, im Gegenteil: All diese Erfordernisse werden mit Ihrer Teilfortschreibung zu Fall gebracht oder konterkariert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Landesentwicklungsprogramm als wichtiges Steuerungsinstrument in der Landesplanung wird zur parteipolitischen Verfügungsmasse. Ich darf Ihnen einige Ziele daraus vorlesen, damit Sie wenigstens wissen, worum es geht, wenn Sie heute den Finger heben, um dieser eklatant rechtswidrigen Fortschreibung zuzustimmen. Im Ziel A I steht zum Beispiel:

Bayern in seiner Gesamtheit und in seinen Teilräumen so bewahrt und entwickelt werden soll, dass... gesunde Umweltverhältnisse gesichert und nachhaltig gefördert werden.

Davon kann mit Ihrer Fortschreibung nicht die Rede sein. Und im Ziel A I 6 heißt es:

Die natürlichen Lebensgrundlagen des Landes und seiner Teilräume sollen gesichert und, soweit erforderlich, möglichst weiter verbessert werden mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts nachhaltig zu gewährleisten, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenheit und Schönheit von Natur und Landschaft zu sichern, gesunde Umweltbedingungen zu erhalten und erforderlichenfalls wieder herzustellen.

Wenn man aber Ihre Fortschreibung durchliest, kann man nur feststellen, dass Sie all diesen Zielen zuwiderhandeln, und genau das bringt die Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Ziele des Landesentwicklungsprogramms engagieren, auf die Palme. Jede Ihrer Entscheidungen, meine Damen und Herren von CSU und Staatsregierung, widerspricht den Zielen der Landesentwicklung.

In der letzten Umweltausschusssitzung wurde eine Petition behandelt, die sich gegen drei Bauprojekte an der Uffinger Ach wendet. In die Retentionsflächen eines oberbayerischen Flusses sollen ein Gewerbegebiet, eine Kläranlage und Wohngebäude gepflanzt werden.

(Hofmann (CSU): Und was ist beschlossen worden?)

Beschlossen wurde, dass all dies weitergeführt werden darf.

(Hofmann (CSU): Genau dies nicht, das ist die Unwahrheit!)

Lediglich die Kläranlage soll besonders behandelt werden.

(Hofmann (CSU): Die Planung soll überprüft werden!)

Was die Planung angeht, hat es das Umweltministerium vorgezogen, keine Stellungnahme abzugeben.

Denn es weiß genau, dass alle Ziele des Landesentwicklungsprogramms durch die Planung der Gemeinde unterlaufen werden.

(Kaul (CSU): Sie klittern die Wahrheit, aber das sind wir von Ihnen gewöhnt!)

Mit verantwortungsbewusster Planung und Landesentwicklung haben Sie nichts am Hut.

(Kaul (CSU): Deshalb hat sich Bayern auch so schnell entwickelt, so ein Quatsch!)

Wir GRÜNE haben uns die Mühe gemacht, mit verschiedenen Anträge wenigstens Einiges in der Teilfortschreibung des LEP zu retten.

(Frau Biedefeld (SPD): Da ist nichts mehr zu retten!)

Denn wir sind unverbesserliche Optimisten

(Hofmann (CSU): Ja, unverbesserlich, das seid ihr!)

und fordern sachgerechte Planungen ein. Wir glauben noch immer, dass politische Entscheidungen gelegentlich auf Vernunft beruhen,