Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit pro Fraktion beträgt fünf Minuten. Herr Kollege Schieder hat ums Wort gebeten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe nur fünf Minuten Redezeit, so dass ich mich auf das Wesentliche beschränken will.

Erstens. Der Vorlage des Gesetzentwurfs der Staatsregierung hätte es nicht bedurft; denn dem Landtag liegt bereits ein Gesetzentwurf der SPD vor, der diese Materie regelt, und zwar – wie ich behaupten möchte, jetzt aber nicht eingehend begründen kann – besser und effektiver regelt als der Gesetzentwurf der Staatsregierung.

(Beifall bei der SPD)

In der Aktuellen Stunde vorhin hat Staatsminister Dr. Faltlhauser gesagt, die Opposition solle gefälligst jeweils konkrete Alternativen zu den politischen Themen vorlegen, die wir hier behandeln. An dieser Stelle darf ich Ihnen sagen: Zu dem Thema, das wir jetzt besprechen, liegt schon längst eine sehr konkrete und überlegte Alternative vor, nämlich der ausformulierte Gesetzentwurf der SPD.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind offenbar unter Zeitdruck geraten und haben sich aufgrund der Initiative der SPD beeilt, in dieser Frage nachzuziehen.

Zweitens. Man soll nicht etwas machen, nur damit etwas geschehen ist, sondern man soll etwas machen, das uns dem Ziel näher bringt, in der Bauwirtschaft, beim Bauhandwerk und zugunsten der Bauarbeiter Schritt für Schritt zu einem fairen und vernünftigen Wettbewerb zurückzukommen. Wir dürfen das Thema nicht nur auf die Frage der ausländischen Billigarbeitskräfte als Problem eingrenzen. Dieses Problem ist nämlich rein rechtlich nicht mehr so krass wie ehedem, da die neue Bundesregierung zusammen mit den Tarifvertragsparteien erhebliche Fortschritte beim Entsendegesetz und den Mindestlohntarifvereinbarungen erreicht hat. Das war ein großer Fortschritt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht nicht nur um die ausländischen Billiganbieter, sondern darum, dass sich einheimische Bauunternehmen zunehmend nicht mehr an die geltenden Tarifverträge halten und für viele Bauarbeiter der Tarifvertrag nur noch auf dem Papier steht. Der Druck hin zum niedrigsten Angebot führt zu einem ruinösen Wettbewerb.

Drittens. Sie regeln in Ihrem Gesetzentwurf nur, was Sie in den letzten Jahren schon auf der Verwaltungsebene geregelt haben. Ich darf daran erinnern – Herr Dr. Beckstein ist jetzt nicht da –, dass wir hier darüber schon diskutiert haben. Ich selbst hatte Gelegenheit, mich mit ihm darüber zu unterhalten. Aus all den Gesprächen, Diskussionen und seiner Antwort auf meine mündliche Anfrage ergibt sich klar, dass die bisherige Regelung völlig ineffizient war.

(Beifall bei der SPD)

Er hat gesagt, man könnte die zahlreichen Umgehungsmöglichkeiten nicht verhindern, hat resigniert gewirkt und den Eindruck erweckt, hier könne man nichts machen. Aus diesen Erfahrungen müsste man mit einer gesetzlichen Regelung die Konsequenzen ziehen; das tun Sie aber nicht, meine Damen und Herren von der CSU, sondern Sie machen eine Show und tun so, als würden Sie etwas regeln, während Sie dem Problem im Kern nicht näher kommen.

Viertens. Sie verlangen, dass jemand, der einen öffentlichen Auftrag bekommt, bei dessen Ausführung die Tarifverträge einhält, sprich den Tariflohn bezahlt. Was aber geschieht, wenn der gleiche Unternehmer eine Woche später einen privaten Auftrag ausführt und dabei in seinem Unternehmen die Tarifverträge völlig missachtet? Darauf geben Sie überhaupt keine Antwort. Herr Innenminister hat mir selbst gesagt – das wissen wir auch aus anderen Gesprächen –, dass die Tarifverträge eben nicht eingehalten werden. Deswegen fordern wir: Nur wer sich in seinem Unternehmen generell an die geltenden Tarifverträge hält, soll den öffentlichen Auftrag bekommen. Nur diese Regelung gewährleistet Effizienz.

(Beifall bei der SPD)

Fünftens. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Ihrem und unserem Gesetzentwurf liegt darin, dass Sie bei der Tariftreueerklärung nichts anderes verlangen, als dass sich der Bauunternehmer selbst bescheinigt, dass er tariftreu ist. Wir aber verlangen, dass das ein Dritter bescheinigt, nämlich der Betriebsrat oder die Tarifvertragsparteien. Man kann doch auch nicht zulassen, dass sich jemand selbst bescheinigt, ein ordentlicher Steuerzahler zu sein; das muss ein Dritter bescheinigen.

(Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Herr Schieder, Sie sollten jetzt langsam zum Schluss kommen.

Wir werden noch in den Ausschüssen Gelegenheit haben, darüber sehr ausführlich zu beraten.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Kollege Dr. Runge das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! – Das gilt allerdings nur für jene, die zuhören. Inhalte und die Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs sind bekannt und klar und in der Summe wohl auch wenig strittig.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD: Ton!)

Herr Dr. Runge hat genauso viel Ton wie alle Vorredner auch. Wenn Sie ihn schlecht verstehen, liegt das vielleicht daran, dass zu viel Ton im Plenum herrscht.

(Herrmann (CSU): Bei den GRÜNEN nicht, weil die nicht da sind!)

Die Zustände auf dem Bau und auf dem Arbeitsmarkt für Bauleute sind wenig erfreulich. Ein Baustein zur Verbesserung ist es, dass die öffentliche Hand durch Nachfrage steuert und hier bestimmte Kriterien abfragt. Bezüglich der Tariftreue ist das bislang schon geschehen, wenn auch wenig befriedigend, auf der Grundlage der Tariftreue- und Nachunternehmererklärung. Die Staatsregierung beabsichtigt jetzt, wie auch die SPD mit ihrem Gesetzentwurf vom Januar, hier für mehr Verbindlichkeit und einen größeren Geltungsbereich zu sorgen. Wir stehen dem aufgeschlossen gegenüber und werden sicher noch den einen oder anderen Ergänzungs- oder Änderungsvorschlag einbringen.

Im Februar wurde schon diskutiert, dass es gilt, hier noch einige Rechtsfragen zu klären: Urteil des Berliner Kammergerichts, Urteil Bundesgerichtshof mit Vorlagebeschluss. Das heißt, das Berliner Vergabegesetz geht zum Bundesverfassungsgericht. Offene Fragen waren

marktbeherrschende Stellung, Eingriff in negative Koalitionsfreiheit und die Frage, wer überhaupt zuständig ist.

(Unruhe)

Angesichts der Tatsache, dass die Staatsregierung jetzt diesen Gesetzentwurf einbringt, wirken die Argumente gegen den SPD-Antrag vom Februar sehr an den Haaren herbeigezogen und ziemlich peinlich. Man hat sich damals in der Diskussion darauf berufen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch nicht vorliege und die Zuständigkeiten unklar seien. Genau dieses sagt die Staatsregierung jetzt wieder und verweist deswegen auch auf ihre geplante Bundesratsinitiative. In der Sitzung am 17. Februar hat Herr Brosch wortwörtlich erklärt: „Wir machen doch kein Gesetz, damit es später eingestampft wird.“ Herr Beckstein hat ähnlich argumentiert. Jetzt schreibt die Staatsregierung „Vorbereitung einer Bundesratsinitiative für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht eine Regelung durch den Bundesgesetzgeber für notwendig erachtet“. Genau das war das Kernargument, mit dem Sie letztes Mal den SPD-Gesetzentwurf schlecht gemacht haben. Dieses Argument gilt nun für Sie in gleicher Weise.

Wir meinen, dass das Vergaberechtsänderungsgesetz und das einschlägige EU-Grünbuch einige Möglichkeiten für die Länder aufzeigen. Auch grundsätzlich wollen wir im Landtag an das Vergaberecht herangehen; das war auch das Ergebnis der Anhörung zum Thema Mittelstand und Stadtwerke. Es gibt eine Reihe offener Fragen, zum Beispiel die Frage, weshalb Bestimmungen des öffentlichen Vergaberechts bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte der EU-Sektorenrichtlinie für öffentliche Unternehmen im öffentlichen Rechtskleid gelten, für solche in privater Rechtsform aber nicht.

Oder die grundsätzliche Forderung nach mehr Flexibilität.

(Fortgesetzte Unruhe)

Wir sind der Meinung, die öffentliche Hand sollte als Auftraggeber durchaus Tariftreue abfragen. Sie darf das zumindest überall dort, wo keine marktbeherrschende Stellung gegeben ist. Dies sollte nicht nur geschehen bei Bauaufträgen. Überdies sollte die Einführung weiterer Kriterien geprüft werden, beispielsweise Ausbildungsplätze, Frauenförderung oder Beteiligung der jeweiligen Unternehmen an der Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“.

Als Nächster hat Herr Kollege Brosch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schieder von der SPD hat gesagt, dass sich die Bundesregierung so viel um die Bauarbeiter kümmern würde. Ich muss feststellen, dass sich die Bundesregierung nur um die Green-Card-Leute kümmert, die 100000 DM verdienen wollen und sollen. Um die, die nur die Hälfte verdienen, kümmert sie sich aber nicht. So ist es.

Schon seit vier Jahren verlangt die Bayerische Staatsregierung die Tarif-Treueerklärung, und sie sorgt damit nachweislich in Bayern für eine geringere Arbeitslosigkeit auf dem Bausektor als in anderen Bundesländern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schieder?

Nein, Herr Schieder muss sich das ins Stammbuch schreiben lassen, er soll dies nicht durch eine Zwischenfrage verwässern.

(Starzmann (SPD): Verstehen Sie überhaupt etwas von Bauarbeitern?)

Zu Herrn Runge und zu Herrn Schieder will ich nur sagen, dass wir dem Vorlagebeschluss des Berliner Kammergerichts Rechnung tragen. Dort, wo der Staat und die Kommunen marktbeherrschend sind, braucht dieses Gesetz nicht angewandt zu werden. Es kann angewandt werden. Als Beispiel nenne ich den kommunalen Tiefbau. Herr Runge, deshalb enthält das Gesetz jetzt auch eine Variante, die der derzeitigen Diskussion Rechnung trägt. Wären wir dagegen sofort losgezogen und hätten wir ein Gesetz vorgelegt, wie es die SPD vorlegt, hätten wir dieser Diskussion nicht Rechnung tragen können.

Die SPD sagt so richtig voluminös und „großkotzig“, wie Sie sich jetzt gebärden, dass nur diejenigen Unternehmen öffentliche Aufträge bekommen sollen, die generell die Tarifverträge einhalten. Sind wir doch einmal ganz offen. Wie wollen Sie denn bei einem Unternehmen untersuchen und nachweisen, dass es generell und überall die Tarifverträge einhält? Damit schaffen Sie doch nur einen Schnüffelstaat. Sie haben nichts gelernt, auch wenn Sie jetzt die Bundesregierung stellen. Sie wollen nur Bürokratie aufbauen.

Der Gesetzentwurf der Staatsregierung fordert dagegen, dass vom Unternehmer nachgewiesen werden muss, dass er die Tarifverträge einhält. Der Staat kann mit seinen Instrumenten auch nachprüfen, ob die Tarifverträge eingehalten werden. Er kann dazu auch bei den Gewerkschaften oder bei sonstigen Leuten nachfragen.

Die jetzigen Vorschläge im Gesetzentwurf der Staatsregierung wurden intensiv mit dem DGB Bayern und mit den Verbänden der Wirtschaft abgestimmt. Wir werden damit unsere einheimischen Bauarbeiter stärken und auch dafür sorgen, dass die zahllosen ausländischen Billigkräfte auf dem Bausektor abgewehrt werden. Wir wollen nicht, dass sich in Bayern Dumpinglöhne durchsetzen und damit wertvolle Kapazitäten im Baugewerbe und im Baunebengewerbe wegfallen. Mit diesem Gesetzentwurf gehen wir teilweise Neuland ein. Deswegen fahren wir zweigleisig. Deswegen werden wir uns auch im Bund umtun. Für den Fall, dass der Bundesgerichtshof anders entscheiden sollte, haben wir auch noch andere Hürden eingebaut.

Wir werden diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen beraten. Ich glaube, wir kommen damit ein gutes Stück

weiter, damit unsere heimische Bauwirtschaft gesichert wird und langfristig Bestand hat.

(Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Kein Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 b