Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Entweder war Ihre damalige Argumentation falsch, oder Sie sind so scheinheilig und erkennen jetzt die Politik der Bundesregierung nicht an.

(Zurufe von Abgeordneten der CSU)

Bitte nehmen sie zur Kenntnis, ich wende mich hier auch an Herrn Kollegen Dr. Söder: Es wurde jahrelang beklagt, dass die internationalen Kapitalmärkte um die Bundesrepublik einen großen Bogen gemacht haben. Jetzt aber beklagen Sie, dass die großen Kapitalgesellschaften angeblich bevorzugt würden.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Das Sein bestimmt das Bewusstsein!)

Ich habe bereits vorhin aus einem „Spiegel“-Artikel zitiert. Dort heißt es auch:

Für den Standort Deutschland hatte das „WallStreet-Journal“ in der Vergangenheit nur eines übrig: Hohn, Spott und Häme. Lustvoll lästerte das Fachblatt der internationalen Finanzwelt über die Deutschen. Seit dem 21. Dezember 1999, jenem Tag, als Gerhard Schröder und Hans Eichel ihre große Steuerreform präsentierten, ist alles anders. Plötzlich hat die Wirtschaftszeitung in Deutschland einen „Big Bang“ ausgemacht. Auch das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ berichtet über gewaltige Veränderungen in „good old Germany“ und „Business Week“ erklärte den Kanzler gar zum Titelhelden. Schröder sei der beste Freund der Wirtschaft.

Was wollen Sie eigentlich mehr, meine Damen und Herren von der CSU? Sie haben eine Bundesregierung, die der Freund der Wirtschaft ist. Das tut der Wirtschaft gut, das tut den Arbeitsplätzen gut, und das merkt man auch an der Zahl der Arbeitslosen. Ich meine deshalb, Sie sollten mit dieser Kampagne Schluss machen und im Bundesrat, wenn es zu den Verhandlungen kommt, eine vernünftige Politik betreiben.

Noch eine letzte Anmerkung zu den Mobilfunklizenzen, Herr Finanzminister. Sie wollen die eingehenden Einmalbeträge für dauerhafte Steuersenkungen ausgeben. Wir hingegen wollen einen Abbau der Schulden, und aus den eingesparten Zinsen wollen wir Spielraum für zusätzliche Investitionen gewinnen. Wir meinen deshalb, die heutige Debatte hat vor allem eines gezeigt: Sie sind eindeutig in der Defensive. Die Steuerreform der Bundesregierung ist ein großer Wurf, und sie bleibt ein großer Wurf, und Sie können das nicht madig reden.

(Beifall bei der SPD – Leeb (CSU): Das glauben sie doch selbst nicht!)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Bernhard.

Ich glaube, am Ende der Debatte sollten wir zum Kern des Themas kommen. Sie haben ein Steuerkonzept vorgelegt, und wir haben gesagt: „Wenn Sie sich nicht bewegen, werden wir diesem Steuerkonzept im Bundesrat nicht zustimmen“. Was die GRÜNEN zumindest teilweise gemacht haben, ist hier hilfreicher. Die GRÜNEN haben die Punkte, bei denen unbestreitbar eine Benachteiligung des Mittelstandes vorliegt – die GRÜNEN haben diese Benachteiligung im Gegensatz zu Ihnen erkannt – herausgenommen und wollen sich darüber verständigen. Es wäre gut gewesen, wenn Sie erklärt hätten, was Sie hier tun wollen.

Was ist denn aus Ihrer Sicht mit dem Optionsmodell? Dieses Modell ist ordnungspolitisch falsch, weil Sie die Personengesellschaften in die Form der juristischen Person zwängen, das wurde bereits gesagt. Vor allem aber haben diese Betriebe eine mehrfach höhere Erbschaftssteuer zu bezahlen, und das ist die schwerwiegendste Benachteiligung. Das ist der entscheidende Punkt und nicht die Frage, ob die Betriebe zwischen der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer wählen. Es geht darum, dass diese Betriebe am Ende sehr viel mehr Erbschaftssteuer bezahlen.

Was den Verkauf von Beteiligungen anbelangt, so haben wir keinesfalls gesagt, dass es nicht sinnvoll wäre, diesen Verkauf steuerlich zu erleichtern, um Kapital in Bewegung zu bringen. Darauf habe ich vorhin schon hingewiesen. Es geht aber nicht, dass man dies der Industrie zubilligt, dem Mittelstand hingegen verwehrt und dann auch noch den halben Durchschnittssteuersatz beseitigt. Das ist mittelstandsfeindlich, und dazu sollten Sie sich erklären.

(Beifall bei der CSU)

Das Gleiche gilt für den Spitzensteuersatz. Ich sage es noch einmal: Bei den Leistungsträgern im Mittelstand geht es nicht darum, ob der Eingangssteuersatz abgesenkt wird, das ist lächerlich. Was haben Sie eigentlich für eine Vorstellung vom Mittelstand? Dazu hätten Sie sich erklären müssen! Hier könnten Sie einen Schritt auf die Union zugehen mit dem Ziel, dass wir uns irgendwo dazwischen treffen.

Was die Erbschaftssteuer anbelangt, so gehen Sie damit wie mit einer Zange an den Mittelstand heran. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.

(Beifall bei der CSU)

Das gilt für die Erbschaftssteuer und für die Ertragsteuer. Gleichzeitig behaupten Sie, Sie seien mittelstandsfreundlich. Darüber lacht doch der Mittelstand.

Ich bin wirklich amüsiert darüber, dass Sie uns jetzt eine Neidkampagne vorwerfen, nachdem Sie 20 Jahre lang nichts anderes gemacht haben, als von ungerechter Umverteilung in Deutschland zu sprechen.

(Beifall bei der CSU)

Ich kann nur noch einmal sagen: Wenn Sie etwas für den Standort Deutschland tun wollen, bewegen Sie sich. Die GRÜNEN haben bereits begonnen, sich zu bewegen. Die SPD bewegt sich nicht. Das ist traurig.

(Beifall bei der CSU)

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich lasse jetzt noch über die mitberatenen Dringlichkeitsanträge abstimmen.

Zunächst lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf der Drucksache 14/3567 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung des Herrn Kollegen Hartenstein. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Jetzt lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion auf Drucksache 14/3571 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Der Dringlichkeitsantrag ist damit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/3581. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. GIbt es Stimmenthaltungen? – Drei Stimmenthaltungen aus der Fraktion der SPD. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 a

Gesetzentwurf der Staatsregierung

über die Vergabe von Bauaufträgen im Freistaat Bayern (Bayerisches Bauaufträge-Vergabegesetz) (Drucksache 14/3498)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatssekretär Regensburger.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Ich darf kurz den Gesetzentwurf der Staatsregierung begründen. Bereits im Juli 1996 hat die Bayerische Staatsregierung wegen des zunehmenden Einsatzes von Billiglohnarbeitskräften im Baubereich für alle staatlichen Baumaßnahmen eine so genannte Tariftreue– und Nachunternehmererklärung verbindlich eingeführt und den Kommunen empfohlen, entsprechend zu verfahren. Die Erklärungen sind auch ein wesentlicher Bestandteil des Beschäftigungspaktes Bayern zur Sicherung bestehender und zur Förderung neuer Arbeitsplätze.

Die Tariftreueerklärung stellt eine bauvertragliche Regelung dar, mit der sich die Auftragnehmer einschließlich etwaiger Nachunternehmer verpflichten, ihre auf der Baustelle eingesetzten Arbeitnehmer nicht unter den in Bayern für die Tarifvertragsparteien geltenden Lohntarifen zu entlohnen und somit die zum Nachteil der bayerischen Bauwirtschaft aufgetretenen Wettbewerbsverzerrungen durch ausländische Billiglohnarbeiter zu verringern.

Eine neue Rechtslage ist durch das Vergaberechtsänderungsgesetz des Bundes vom 28. August 1998 entstanden, das Vergaben ab den so genannten EG-Schwellenwerten – das bedeutet im Baubereich bei einem Gesamtauftragswert ab rund 10 Millionen DM – mit Wirkung vom 1. Januar 1999 neu regelt.

(Auf der Besuchertribüne wird ein Transparent mit der Bezeichnung des aktuellen Volksbegehrens „Macht braucht Kontrolle“ entrollt; einige Zuschauer werfen Flugblätter in den Plenarsaal.)

Herr Staatssekretär, ich bitte Sie um eine kurze Unterbrechung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie da machen, ist unzulässig. Ich bitte die Bediensteten des Hauses, die Tribüne zu räumen. Es gibt viel angenehmere und nützlichere Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen, als diese.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, mit Ihrer Begründung fortzufahren.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Gemäß § 97 GWB werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen verge

ben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes– oder Landesgesetz vorgesehen ist. Bereits bestehende Regelungen, die andere oder weitergehende Anforderungen stellen, gelten ohne gesetzliche Grundlage nur noch bis zum 30. Juni 2000. Dies erfordert ab dem 1. Juli 2000 für die bayerische Tariftreueerklärung als so genannten vergabefremden Aspekt zumindest bei Vergaben ab dem EG-Schwellenwert formalrechtlich ein bayerisches Landesgesetz.

Maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Gesetzentwurfs hat ein Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 2000 in einem Verfahren gegen die Berliner Tariftreueerklärung, die der bayerischen entspricht, und zum Berliner Vergabegesetz, das dort bereits im letzten Jahr erlassen wurde. Der BGH hat die Berliner Tariftreueerklärung im Straßenbau wegen der marktbeherrschenden Stellung für rechtswidrig erklärt und das Berliner Vergabegesetz dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil er darin einen Verstoß gegen das Tarifvertragsrecht und das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit sieht.

Unter der Notwendigkeit, einerseits weiterhin die Wettbewerbsnachteile der bayerischen Bauwirtschaft zu verringern und andererseits der Entscheidung des BGH zum Berliner Vergabegesetz Rechnung zu tragen, hat die Staatsregierung den vorliegenden Gesetzentwurf beschlossen. Dessen wesentlicher Inhalt ist, dass Bauaufträge des Freistaats Bayern nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die sich verpflichten, ihre Arbeitnehmer nach den in Bayern für Tarifvertragsparteien geltenden Lohntarifen zu entlohnen und dies auch bei ihren Nachunternehmern sicherstellen. Weiter werden die kommunalen Auftraggeber und die sonstigen der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts ermächtigt, dies ebenfalls im Hochbau zu verlangen.

Damit entspricht die gesetzliche Regelung weitgehend der bisherigen bayerischen Tariftreueerklärung. Lediglich der kommunale Straßen– und Tiefbau musste von der Ermächtigung ausgenommen werden, da in diesem Bereich – wenn man den staatlichen und den kommunalen Bereich zusammennimmt – wie in Berlin von einer marktbeherrschenden Stellung gesprochen werden müsste.

Dagegen ist im Hochbau eine Marktbeherrschung wegen des großen Bauvolumens privater Auftraggeber nicht anzunehmen. Bekanntlich hat die SPD-Fraktion im Januar einen Gesetzentwurf zu dieser Thematik eingebracht. Dieser verpflichtet alle öffentlichen Auftraggeber nach der Fassung des Änderungsantrags vom 29. Februar 2000 dazu, die bestehenden gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen einzuhalten. Das bedeutet, die tarifgebundenen Unternehmer müssen die Tariflöhne bezahlen, die ungebundenen den Mindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz. Dadurch werden die Wettbewerbsverzerrungen nach unserer Auffassung nicht ausreichend gemindert.

Außerdem ist der SPD-Gesetzentwurf ein Beispiel für Überreglementierung, da vom Bieter eine Fülle von

Bestätigungen verlangt werden, die den Wettbewerb in der Praxis einschränken und die Dauer der Vergabeverfahren erheblich verlängern würden. Die Vergabeverfahren würden stark bürokratisiert, was dem Abbau des früheren Bescheinigungsunwesens und dem Ziel der Verfahrensvereinfachung entgegensteht.

Wir haben allerdings auch eine Verschärfung der Überwachung vorgesehen. Der Unternehmer wird künftig verpflichtet, die Einhaltung der Entlohnungsverpflichtung auf Verlangen für sich und etwaige Nachunternehmer nachzuweisen. Außerdem ist bei Verstößen dagegen ein Ausschluss von weiteren Aufträgen bis zu drei Jahren vorgesehen. Wegen der äußerst knappen verbleibenden Zeit bis zum Auslaufen der Übergangsfristen des GWB sind einige Anregungen aus der Verbandsanhörung noch nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Wegen der noch ausstehenden Begründung der BGHEntscheidung konnte der Gesetzentwurf nicht früher auf den Weg gebracht werden. Die genannten Anregungen bedürfen noch einer eingehenden Diskussion.

Der Ministerrat hat beschlossen, zwei Arbeitsgruppen einzusetzen, die die Wünsche der Verbände noch einmal sorgfältig prüfen und nach weiteren Möglichkeiten suchen sollen, um über Bundesratsinitiativen eine weitere Absicherung und Ausweitung der Tariftreueerklärung zu erreichen. Ich bitte das Parlament um eine zügige Beratung, damit das Gesetz zum 1. Juli 2000 in Kraft treten kann.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit pro Fraktion beträgt fünf Minuten. Herr Kollege Schieder hat ums Wort gebeten.